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In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 96-108)

I. G ute Texte der L iteraturgeschichte zu analysieren, zu interpretieren, zu typolo- gisieren und ihre B edeutung für die G eschichte dieses kulturellen G egenstandes herauszustellen, ist die A ufgabe der L iteraturw issenschaft. W er w ollte dieser allge­

m einen C harakterisierung w idersprechen? Seit den A nfängen unseres Faches im frühen 19. Jahrhundert bis in unsere jü n g ste G egenw art hinein sind einm al m ehr, ein­

m al w eniger ex p lizit form ulierte literarische K anon-L isten aufgestellt w orden.' In L iteraturgeschichten und auch Spezialforschungen finden sich im m er w ied er (und nach w ie vor) B egriffe w ie ‘B lü tezeit’2 oder ‘K lassik ’3. U m einen K anon w ird m an w ohl in der Tat nicht herum kom m en. Schon ganz praktische Ü berlegungen, etw a die L ehrerausbildung betreffend, nötigen zu einer w ohlüberlegten A usw ahl. D enn es hätte freilich w enig Sinn, herausragende literarische W erke w ie etw a H artm anns A rtusepik, W olfram s P arzival, G ottfrieds Tristan, W althers von der V ogelw eide Lyrik usw. zugunsten von literarischen R anderscheinungen od er zugunsten von literarischer

1 V gl. dazu jüngst Ha u s t e in, Je n s: Kunst- oder Kulturwissenschaft? Zum Kanonproblem der germanistischen Mediävistik. - In: Wie s in g e r, Pe t e r(Hg.): Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000 (= Jahrbuch für Internationale Germanistik; Reihe A : Kongreßberichte), im Druck.

2 V gl. Ch in c a, Ma r k; He in z l e, Jo a c h im; Yo u n g, Ch r isto ph er(Hg.): Blütezeit. Festschrift für L . Peter Johnson zum 70. Geburtstag. Tübingen, 2000. - Der Titel der Festschrift dürfte indes mit gewissem Augenzwinkern ent­

standen sein.

' V g l. d ie R e ih e d e s ‘K la s s ik e r ’-V erlag s; h ie r n u r e in ig e T itel: H a u g , W a l t e r ; V o l l m a n n , B e n e d i k t K o n r a d (H g .): Frühe deutsche Literatur und lateinische Literatur in Deutschland 800-1150. F ra n k fu rt a .M ., 1991. - H e in r ic h v o n V e l d e k e : Eneasroman. D ie B e rlin e r B ild e rh a n d sc h rift m it Ü b e rse tz u n g u n d K o m m en tar. H g . v.

H a n s F ro m m . M it d en M in ia tu re n d e r H a n d sc h rift un d e in e m A u fsa tz v o n D o ro th e a u n d P e te r D iem er. F ra n k fu rt a .M ., 1992 (z u r Ü b e rse tz u n g : S. 771 f.). - W o l f r a m v o n E s c h e n b a c h : Parzival. N a c h d e r A u sg a b e K arl L a c h m a n n s rev. u. k o m m . v. E b e rh a rd N e llm a n n . Ü bertr. v. D ie te r K ü h n . 2 B d e. F ra n k fu rt a .M ., 1994. - W o l f r a m v o n E s c h e n b a c h : Willehalm. N a c h d e r H a n d s c h rif t 857 d e r S ti fts b ib lio th e k S t. G a lle n . M itte lh o c h d e u ts c h e r T ex t, Ü b e rse tz u n g , K o m m en tar. H g . v. J o a c h im H e in zle. M it d e n M in ia tu re n au s d e r W o lfe n b ü tte le r H a n d sc h rift u n d e in e m A u fsatz v. P e te r u. D o ro th e a D iem er. F ra n k fu rt a .M ., 1991. - Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters. E d itio n d e r T ex te u n d K o m m e n ta r v. I n g r i d K a s t e n . Ü b e rse tz u n g e n v.

M a r g h e r i t a K u h n . F r a n k f u rt a .M ., 1995. - V g l. z u m P ro b lem k o m p lex a llg e m ein d e n S a m m e lb a n d : V o ssk a m p , W i l h e l m (H g .): Klassik im Vergleich: Normativität und Historizität europäischer Klassiken. D F G -S y m p o sio n 1990. S tu ttg a rt; W eim ar, 1993.

106 Thomas Bein

M assenw are (w ie z.B. vielen M inneliedem des späteren 13. Jahrhunderts) nicht G egenstand der akadem ischen Verm ittlung w erden zu lassen.

D ennoch d arf eines nicht übersehen w erden: So sehr w ohl auch (in aller R egel je d e n ­ falls) diejenigen Texte, denen w ir heute höchste Prädikate zuw eisen, bereits zur Z eit ihrer E ntstehung und ihrer prim ären R ezeption große H ochachtung genossen, so w e­

nig repräsentierten sie die Totalität literarischer Kultur. E ine quantitativ nicht zu ge­

ring zu veranschlagende M enge von Texten, die viele V äter unseres Faches (aber auch nicht w enige heute noch) m it B egriffen w ie ‘epig o n al’, ‘seriell’, ‘m ain stream ’,

‘triv ial’ usw. bezeichneten und bezeichnen, gehört ebenfalls zu r literarischen L and­

schaft der Zeit. Texte solcher A rt aber w erden in d er R egel nicht nur im akadem ischen U nterricht nicht behandelt, sondern stellen auch in der F orschung nur sporadisch den U ntersuchungsgegenstand. M an m ag hier zw ar forschungsökonom ische G ründe gel­

tend m achen (die Problem e, die die K lassiker aufw erfen, seien noch dringliche H erausforderung genug!), doch letztlich führt das L inks-L iegen-L assen dazu, daß ein großer Teil vergangenen literarischen L ebens an uns vorbeigeht. U nd das w iederum führt dazu, daß in L iteraturgeschichten und ähnlichen W erken der O rientierung und des Ü berblicks ein lückenhaftes und unvollständiges Bild p räsentiert wird.

In den vergangenen dreißig bis vierzig Jahren hat sich der L iteratur- und Textbegriff der germ anistischen M ediävistik nicht unerheblich verändert. D ie zw eite A uflage des Verfasserlexikons ist da ein beredtes D okum ent.4 E ine große M enge von A rtikeln sind fachliterarischen Texten und, sofern bekannt, ihren A utoren gew idm et. D as ist eine begrüßensw erte E ntw icklung, denn gerade im M ittelalter sind die G renzen zw ischen einer eher gebrauchsorientierten und einer eher poetischen, fiktionalisierten L iteratur vielfach fließend. In dem M aße, w ie die germ anistische M ediävistik sich auch um die nicht ästhetisierten und m eist einem konkreten B ereich des A lltagslebens gew idm e­

ten Texte küm m ert, in dem M aße sollte sie auch denjenigen Texten B eachtung schenken, die eine eh er randständige B edeutung im B ereich d er ‘p o etisch en ’ Textw elt einzunehm en scheinen.

D ie B eschäftigung ist m eistens eine lohnende, gew innbringende, denn die E rfahrung zeigt häufig, daß viele Texte von der F orschung zu U nrecht verschm äht w orden sind und daß sie - nicht im m er, aber doch auch so selten nicht - interessante E insichten in einen bestim m ten Sektor literarischer K ultur gew ähren.5

II. Im Folgenden w ill ich m ich einem w eitgehend unbekannten Lyriker des 13. Jah r­

hunderts w idm en: dem Guter. Sein kleines Œ uvre, das 11 Strophen in zwei T önen um faßt, ist nur in der Jen a er L iederhandschrift (Sigle J) tradiert.6 Im Verhältnis zu diesem schm alen und singulär überlieferten W erk ist der G uter - was zunächst über­

4 Vgl. jüngst St a c k m a n n, Ka r l: Das neue Verfassertexikon - mehr als ein Nachschlagewerk. - ln: Zeitschrift fü r deutsches Altertum und deutsche Literatur 129 (2000), S. 378-387.

’ Vgl. z.B. Be in, Th o m a s: „Mit fremden Pegasusen pflügen". Untersuchungen zu Authentizitätsproblemen in mittelhochdeutscher Lyrik und Lyrikphilologie. Berlin, 1998, besonders die Besprechung von Fallbeispielen in Teil C.

6 V g l. Te r v o o r e n, He l m u t; Mü l l e r, Ul r ic h (H g.): Die ‘Jenaer Liederhandschrift' in Abbildungen. M it e in e m A n h a n g : Die Basler und Wolfenbüttler Fragmente. G ö p p in g e n , 1972, fol. 38r-39r.

‘Frau Welt’ 107 rascht - recht häufig m it editorischem E ifer bedacht worden. A m A nfang stehen die

‘M in n esin g er’ F riedrich H einrich von der H agens.7 Es folgen A usgaben durch B artsch/G olther,“ de B oor,9 Taylor,10 C ram er11 und H över/K iepe.12 D iese üppige edito- rische D okum entation verdankt der Guter, ein „m ittel-/niederdeutscher S angspruch­

dichter des 13. Jh .s“,13 indes w eniger den Texten, die in J unter seinem N am en aufge­

zeichnet sind, sondern vielm ehr der fast zur ‘T atsache’ gew ordenen E inschätzung der F orschung, daß es sich bei dem G uter um einen E pigonen handle, der in den ersten G uter hat sozusagen E ingang in die L iteraturgeschichtsschreibung nur gefunden, weil m an ihn m it einem ‘guten, echten’ D ichter in Verbindung bringen konnte - w enngleich

ediert,17 jedoch so gut wie nichts kommentiert. Die Forschungen beginnen mit Anmerkungen in der Edition Bartsch/Golther: „Die Idee zu diesem Gedichte entlehnte der Dichter [sc. der Guter] wohl zunächst Konrad von W ürzburg, mit dessen ‘Welt Lohn’ es an mehreren 1977, S. 262-264. Nach dieser Ausgabe zitiere ich im Folgenden.

12 V g l. Hö v e r, We r n e r; Kie p e, Eva (H g .): Epochen der deutschen Lyrik. Bd. 1: Gedichte von den Anfängen bis 1300. Nach den Handschriften in zeitlicher Folge. München, 1978, S. 473f.

15 Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts. Katalog der Texte. Älterer Teil;

G-P. Bearb. v. Frieder Schanze und Burghart Wachinger. Tübingen, 1988, S. 17. Vgl. auch Tervooren, Helmut: Der Guter. - In: Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon. Begr. v. Wolfgang Stammler; fortgef. v. Karl Langosch. 2., völlig neu bearb. Aufl. unter Mitarb. zahlreicher Fachgelehrter hg. v.

Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil [u.a.], Berlin; New York, 1978ff., Bd. 3 (1981), Sp. 334f.

108 Thomas Bein

1918 n im m t R. Priebsch W althers von d er V ogelw eide ‘W eltabsage’ (L. 100,24, C orm eau 70) zum A nlaß, m ögliche lateinische Q uellen für die V orstellung von der v erführerischen ‘Frau W elt’ zu diskutieren.'9 E r sieht als U rheberin des B ildes die ecclesia m ilitans, die üb er „illustrative stories, exem pla“ die w arnende V orstellung einer nur äußerlich attraktiven und verlockenden W elt verbreitet habe. Priebsch m acht den F und eines solchen E xem plum s, in zwei R edaktionen (A, B) überliefert, als Q uel­

le geltend.20 In einem synoptischen A bdruck stellt Priebsch diese recht kurzen (kaum 10-15 D ruckzeilen um fassenden) Versionen vor.21 Schließlich w eist er d arauf hin, daß die F assung A zu ein er Zeit niedergeschrieben w orden sei, als „K onrad von W ürzburg and the G uotaere w ere com posing their po em s“.22 Priebsch glaubt, daß die lateini­

schen E xem pla, m öglicherw eise auch eine heute nicht erhaltene M ischstufe („cross- version”) aus beiden V ersionen, als Q uelle für K onrad von W ürzburg und den G uter gedient hätten. In einer Fußnote listet Priebsch in einer Synopse sprachliche Paralle­

len zw ischen dem G uter au f der einen und Form ulierungen in den beiden (!) lateini­

schen E xem pel-F assungen andererseits auf. (D arauf kom m e ich später noch zurück.) 1934 w idm ete sich A ugust Closs in einer M onographie u.a. dem Text D er Weltlohn (der Titel neuzeitlich nach C loss!),23 einem Text, der das M otiv von d er ‘Frau W elt’

aufgreift und der, nach C loss, von K onrads von W ürzburg D er w erlte Ion beeinflußt sei.24 Im Z usam m enhang m it C lo ss’ A usführungen zur Stoff- und M otiv-T radition w ird auch das G edicht des G uter erw ähnt. Sich au f Priebsch stützend ist auch Closs der M einung, daß die deutschen Frau-W elt-Texte, insbesondere diejenigen von K on rad von W ü rzb u rg (D er w erlte Ion), H ein rich ‘F ra u e n lo b ’ von M eißen (Streitgespräch M inne-W elt) und dem G uter ihren A usgangspunkt im lateinischen E xem plum haben.25 F ür K onrad von W ürzburg legt er die Fassung B des E xem plum s zugrunde, fü r den G uter eine M ischung aus A und B; die P arallelen seien „fast m it H änden zu greifen” .26 S chließlich glaubt C loss auch, daß die Frau-W elt-Skulpturen in N ürnberg und W orm s au f das lateinische Exem plum zurückgingen.27

D en nächsten Forschungsschritt,28 der viele Spuren in der Folgezeit hinterläßt, m acht W olfgang S tam m ler m it seiner 1959 erschienenen ‘Frau W elt’-M onographie,29 einer

" Ba r t sc h; Go lther (w ie Anm. 8 ), S. 3 46.

19 Vgl. Pr ie b s c h, R.: Walther von der Vogelweide: ‘Abschied von der Welt'. - In; Modern Language Review 13 (1918), S. 465-473.

20 Siehe ebd., S. 469f.: „A is to be found in fol. 25r of the British Museum MS. Arundel 406, written, as far as this part is concerned, in or about 1273 [...]. B is contained in the wellknown compilation of the Gesta Romanorum [...] early fourteenth century”.

21 Vgl. ebd., S. 470.

11 Ebd., S. 471. - Diese relative Chronologie ist nicht unumstritten. Vgl. dazu Bl e c k(wie Anm. 14), S. 143f.

2J Vgl. Cl o s s, Au g u s t (Hg.): Weltlohn, Teufelsbeichte, Waldbruder. Beitrag zur Bearbeitung lateinischer Exempla in mittelhochdeutschem Gewände nebst einem Anhang: De eo qui duas volebat uxores. Hg. und ein­

geleitet v. A. C . Mit 8 Tafeln. Heidelberg, 1934.

24 Vgl. ebd., bes. S. 51ff.

25 Ebd., S. 17: „Wie schon erwähnt [sc. von Priebsch], dürften wir die Quelle der drei übrigen deutschen Gedich­

te, welche das Motiv, das Walther nur andeutet, mehr oder weniger breit ausführen, in dem Exemplum finden."

“ Ebd., S. 17.

27 Ebd., S. 18.

‘Frau Welt’ 109 erw eiterten F assung seiner A ntrittsvorlesung - w as den essayistischen Stil erklärt.

A uch S tam m ler m acht als A usgangspunkt der V erbreitung des M otivs von der ‘Frau W elt’ das von P riebsch zuerst ins G espräch gebrachte lateinische „Predigtexem pel”

geltend, „das seit dem 13. Jh. aufgezeichnet vorliegt“ .30 Etw as unklar ist seine darauf folgende A usführung: „A u f deutschem B oden schuf danach um 1260 K onrad von W ürzburg eine V ersnovelle ‘D er W elt L o h n ’.“31 Es ist unklar, ob Stam m ler „danach”

nur tem poral m eint od er ob er K onrad direkt am P redigtexem pel arbeiten sieht. W ie auch im m er: A ls Q uelle fü r den G uter setzt S tam m ler nicht den lateinischen Text an, sondern K onrads m ittelhochdeutsche K urzerzählung, die der Guter, „ein bürgerlicher D ich ter“ , „am E nde des 13. Jh. selbständig“ um gearbeitet habe.32 E ine A useinander­

setzung m it C loss, den S tam m ler kennt, findet nicht statt.

1968 hat H einz R ölleke eine verdienstvolle zw eisprachige A usgabe u.a. von D er w erlte Ion K onrads von W ürzburg herausgebracht. Im N achw ort form uliert er: „schon zu E nde des 13. Jahrhunderts faßte d er D ichter G uotaere die N ovelle zu zwei Strophen zusam m en, um dann, w ie es dem Z eitgeschm ack entsprach, eine m oralische N utzanw endung von dreifachem U m fang anzufügen.“33

1981 resüm iert H elm ut Tervooren im V erfasserlexikon-A rtikel D er G uter den Stand der D inge w ie folgt: D er G uter sei w ahrscheinlich jü n g er als K onrad von W ürzburg,

„dessen E rzählung ‘D er W elt L o h n ’ er in dem btspel von der fr o u w erlt au fnahm “ (so Stam m ler, anders C loss, d er beide D ichtungen au f ein Predigtm ärlein zurückführt).34 V ier Jahre später verw eist H orst B runner in seinem Verfasserlexikon-A rtikel K onrad von W ürzburg au f T ervoorens G uter-A rtikel, bleibt aber etw as unentschieden, w as die T extgenese angeht.35

1986 hat sich A ugust C loss erneut in einem kleinen Z eitschriftenbeitrag zum T hem a geäußert.36 D er B eitrag ist schw er in seiner R elevanz einzuschätzen. E r enthält kaum N eues und erw äh n t nicht einm al die A rbeit von S tam m ler in der ,,A usgew ählte[n]

B ibliographie” .37 A llerdings scheint Closs nun die Q uellenfrage für den Fall K onrads

Hinzuweisen ist auf folgende, früher erschienene Arbeit, die ich mir jedoch bis zum Abgabetermin dieses Beitrags nicht zugänglich machen konnte: Th ie l, Gis e l a: Das Frau-Welt-Motiv in der Literatur des Mittelalters.

Diss. Saarbrücken, 1956.

x Vgl. St a m m l e r, Wo l f g a n g: Frau Welt: Eine mittelalterliche Allegorie. Freiburg/Schweiz, 1959.

30 Ebd., S. 46.

31 Ebd.

31 Ebd., S. 47.

33 Vgl. Ko n r a dv o n Wü r z b u r g: Heinrich von Kempten-, Der Welt Lohn; Das Herzmaere. Mittelhochdeutscher Text nach der Ausg. v. Edward Schröder. Übers., mit Anm. u. einem Nachw. vers. v. Heinz Rölleke. Stuttgart, 1968 u.ö.

34 Te rv o o r en (w ie A n m . 13).

” Vgl. Br u n n e r, Ho r s t: Konrad von Würzburg. - In: Verfasserlexikon (wie Anm. 13), B d. 5 (1985), Sp. 272- 304, hier Sp. 291 f.: „Die Personifikation der Frau Welt wurde in die deutsche Literatur durch Walther von der Vogelweide eingeführt (vgl. Walther 100, 24), doch gilt als K.s Quelle ein seit dem 13. Jh. aufgezeichnet vor­

liegendes lat. Predigtexempel (vgl. Stammler, 1959, S. 46 mit Anm. 141).”

36 Vgl. Cl o s s, Au g u s t: Weltlohn. Das Thema: Frau Welt und Fürst der Welt. - In: Zeitschrift fü r deutsche Philologie 105 (1986), S. 77-82.

37 Ebd., S. 82.

110 Thomas Bein

von W ürzburg partiell und für den Fall des G uter ganz anders einzuschätzen. D enn er schreibt: F ü r K onrads Text sei „m it hoher W ahrscheinlichkeit eine M ischung von A und B als Q uelle anzunehm en. [...] In der Spruchreihe des G uotaere w irkt das W elt­

lohn-T hem a im engeren Z usam m enhang m it D er w erlte Ion von K onrad von W ürz­

burg n a ch .“38 L etzteres vor allem klingt danach, als ob sich C loss der E inschätzung von S tam m lers vielzitierter A rbeit anschlösse und den G uter a u f K onrad zurückfüh­

ren w ürde. C loss teilt aber w eder mit, daß er früher einm al eine andere M einung ver­

treten hat, noch aus w elchen G ründen er zu einer neuen E inschätzung gelangt.

1987 hat R üdiger B randt ‘Erträge der Forschung’ zu Konrad von W ürzburg zusam m en­

getragen.39 D ie knappe Erw ähnung des G uter legt zum indest nahe, daß Brandt ihn in einer Konrad-Tradition wähnt: Konrads M otiv der conversio habe bei späteren „Bearbei­

tungen (M ichel Beheim, Guotaere, M eistersang, Prosafassung)” A nklang gefunden.40 Den letzten Stand der D inge repräsentiert vier Jahre später (1991) Reinhard Bleck in seiner D issertation zu K onrads D er Welt L ohn, in der er sich kurz auch m it dem G uter befaßt.41 E r ist zw ar insgesam t vorsichtiger, als es R. Priebsch bei der Darstellung gene­

tischer Abhängigkeiten war, kom m t aber doch zu dem Schluß: „D er G uter kannte ‘D er Welt L ohn’ [Konrads von W ürzburg] wohl in einer frühen Ü berlieferungsstufe“.42 IV. Schauen w ir uns nun die lateinischen Texte, Konrads D er werlte Ion sowie die Guter- Strophen im einzelnen an, um über das Verhältnis näheren Aufschluß gewinnen zu können.

D ie lateinischen E xem peltexte:43

Version A: E inem w eltzugew andten R itter begegnet eine schöne, geschm ückte Frau.

Sie fordert den R itter auf, sie genau zu betrachten. Als sie sich von ihm abw endet, sieht er den h äßlichen, w u rm zerfressen en R ücken. D ann gibt sich die F rau zu e r­

kennen: E g o su m gloria m undi. tales s u n tfr u c tu s m ei. D er R itter ist am E nde em en- d a tu s (gebessert).

Version B: Ein R itter liebt die W elt. E ine schöne Frau kom m t zu ihm und fordert ihn auf, ihre S chönheit zu bew undern. D er R itter fragt begeistert nach d er Identität der D am e. Sie sagt: E go sum seculum und fordert ihn auf, ihren R ücken zu betrachten, der häßlich von W ürm ern entstellt ist. D er R itter erkennt sein F ehlverhalten, ändert sein L eben, dient Gott.

W enn w ir uns fragen, w elche Ä hnlichkeiten der G uter-T ext m it den lateinischen E xem peln aufw eist, so bleiben eigentlich nur zw ei deutliche Parallelen: In beiden F ällen entdeckt die Frau dem R itter ihre Identität, in beiden Fällen findet sich eine (w enn auch knappe) B eschreibung des R ückens der Frau.

U m einiges üppiger sind die U nterschiede zw ischen den lateinischen Texten und der G uter-Fassung: N ur beim G uter ist der R itter todkrank und liegt im Bett; es entw ik- kelt sich nur hier ein längerer D ialog zw ischen R itter und Frau; die K leidung w ird

" Ebd., S. 79.

w Vgl. Br a n d t, Rü d ig e r: Konrad von Würzburg. Darmstadt, 1987 (= Erträge der Forschung, 249).

‘“ Ebd., S. 112.

41 Siehe Anm. 14.

42 Ebd., S. 150.

4! Ich beziehe mich auf den Abdruck der Fassungen A und B bei Pr ie b sc h(wie Anm. 19), S. 470.

‘Frau Welt’ 111 ausführlich beschrieben; und, sehr bedeutsam : beim G uter kann der R itter seine F ehler nicht m ehr bessern, es ist zu spät. G anz heraus fallen die Strophen 3 und 4: In der dritten S trophe entw irft der G uter einen didaktischen K om m entar, eine W arnung vor der W elt. In d er vierten Strophe w ird die gesam te E rzählung au f die Z eit nach dem Tod des R itters ausgew eitet.

B eziehen w ir nun K onrads von W ürzburg ‘Frau W elt’-D ichtung m it in die B etrach­

tung ein. V ergleicht m an zunächst K onrads Text m it den lateinischen E xem peln, so fällt sofort ins A uge, daß K onrad, sollte er denn überhaupt diese lateinischen Texte gekannt haben, ganz eigene W ege geht: D er R itter ist individualisiert, es ist der D ichter W irent von G rävenberg; es folgt eine ausführliche B eschreibung des W eltlebens; W im t sitzt in einem Z im m er und liest ein B uch m it m inneäventiuren -das ist der situative R ahm en für -das A uftreten der ‘Frau W elt’; w ir stoßen im Text auf einen Ich-E rzähler, au f ein e lange S chönheitsbeschreibung und einen ausführlichen D ialog zw ischen der Frau und W irnt sow ie au f ein raffiniertes, hum orvolles Spiel m it dem N ichterkennen.

Die G em einsam keiten zw ischen K onrads Text und den lateinischen Texten bestehen lediglich in der schönen und gut gekleideten Frau, in der verbalen E rkennung (diu Werlt bin geheizen ich, V. 212), in der Schilderung der R ückenansicht sow ie in der U m besinnung des R itters.44

V ergleicht m an schließlich die G uter-Strophen m it K onrads Text, so lassen sich nicht m ehr od er qualitativ andere ‘P arallelen’ ausm achen, die eine genetische B eziehung plausibel m achen w ürden. Es gibt w ohl M otivähnlichkeiten und es gibt auch einige sprachliche Ä hnlichkeiten;45 w as aber können sie belegen? W enn bei K onrad zu lesen ist: daz m an nie sch o en er w ip gesach (V. 67f.) und beim G uter: h e r ne sach ouch sch ö n e r vrouw en nie (1,6), so läßt sich üb er die F orm ulierung allein keine A bhängigkeit nachw eisen. Ä hnliche Form ulierungen dürften noch zu D utzenden in M innekontexten zu finden sein; es sind Stereotypien hyperbolischen Sprechens.4*

W enn es bei K onrad heißt: ir fle is c h die m aden azen unz ü fd a z gebeine (V. 226f.) und beim G uter: die kroten, w orm e des n ich t lan, / s i e ezzen von dem beine g a r (4,4f.), so sind sich beide F orm ulierungen zw ar sehr nahe, doch ist die V orstellung vom sich zer­

setzenden und von G ew ürm gefressenen L eichnam topisch (bereits biblisch: z.B. lob 21,26: ... et verm es op erien t eos [sc. arm e und reiche Tote]) und läßt kaum Spielraum für w eitreichende sprachliche Variationen. Eine textgenetische A bhängigkeit kann darüber n ich t begründet w erden.

" Zuletzt hat auch Rüdiger Brandt - was Konrads ‘Quelle’ angeht - zur Vorsicht gemahnt: „Die Motive 'Abkehr von der Welt’, ‘schlechter Lohn der Welt’, ‘äußere Schönheit der Welt bei innerer Schlechtigkeit’,

‘Unbeständigkeit alles Weltlichen’ usw. sind im Mittelalter weit verbreitet. Eine Geschichte, in der diese Motive jedoch in die bei Konrad vorfindbare Handlung eingebettet wären, läßt sich nicht nachweisen. Dass Konrad trotzdem eine Quelle benutzt hat, wird ab und zu behauptet, muß aber angesichts der Überlieferungslage pure Spekulation bleiben.“ - Br a n d t(wie Anm. 16), S. 103.

45 Eine Synopse der vergleichbaren Textstellen findet sich bei Bl ec k(wie Anm. 14), S. 150.

“ Schon ein kurzer Blick in den 'Großen Lexer' (Le x e r, Ma t th ia s: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig, 1872-1878; Neudr.: Stuttgart, 1965 u.ö.) und den ‘BMZ’ (Be n e c k e, Ge o r g Fr ie d r ic h; Mü l l e r, Wil h e l m; Za r n c k e, Fr ie d r ic h: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 3 Tie. in 4 Bdn. Leipzig 1854-1866; Neudr.:

“ Schon ein kurzer Blick in den 'Großen Lexer' (Le x e r, Ma t th ia s: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig, 1872-1878; Neudr.: Stuttgart, 1965 u.ö.) und den ‘BMZ’ (Be n e c k e, Ge o r g Fr ie d r ic h; Mü l l e r, Wil h e l m; Za r n c k e, Fr ie d r ic h: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 3 Tie. in 4 Bdn. Leipzig 1854-1866; Neudr.:

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