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G éza Érszegi (B udapest)

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 148-164)

N ikolaus B ocassini, K ard in alb isch o f von O stia und Velletri, traf w ährend seiner Z eit als päp stlich er L egat in U ngarn (1301-1303) zahllose Verfügungen in K irchenange­

legenheiten. Von einem der interessantesten Fälle zeugt je n e U rkunde, deren T ext — w enn auch n u r in B ruchstücken - in einem K odex der N ational- und U niversitäts­

bibliothek zu L aibach (L jubljana, Slow enien) aufzufinden ist.1 D ieser K odex w urde ursprünglich in d er B ibliothek einer in der N ähe befindlichen K artause aufbew ahrt,2 und der T ext gelangte als A bschrift au f das erste K odexblatt.3 D ieser U rkundentext, da nur fragm entarisch erhalten, w eist kein D atum auf.4 Als E ntstehungszeit kann der A ufenthaltszeitraum des päpstlichen Legaten (von S eptem ber 1301 bis A nfang 1303) in U ngarn angesehen w erden.5 A uch in H inblick a u f die F orm gibt es keine sicheren A nhaltspunkte, w eil d er L egat zw ar in zahllosen Fällen U rkunden ausstellte, von w elchen jed o ch nur einige im O riginal erhalten sind,6 die w iederum zum größten Teil

1 Narodna i Univerzitetna Knjiinica, 33 (Kos 35). An dieser Stelle möchte ich Frau Prof. Golob meinen besonde­

ren Dank aussprechen, die mir freundlicherweise ein Foto von der Eintragung zur Verfügung stellte. Mein Dank gilt auch Herrn Franz Lackner, Mitarbeiter an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters), der meine Aufmerksamkeit auf das Urkundenfragment lenkte, mich detailliert über den das Fragment beinhaltenden Kodex informierte und mir durch die Vermittlung des Fotos behilflich war. Weiterhin danke ich Frau Edit Madas, durch deren Hilfe ich auf diese wertvolle Quelle und die sich damit beschäftigenden, bereits erwähnten Kollegen stieß.

2 ln der Handschrift an mehreren Stellen auffindbar, mit weitgehend identischem Text (167v, 250v, 316v, 325v).

Vgl. den Besitzervermerk aus dem 15. Jh.: „Liber iste est monasterii in Frenitz Vallis Iocose“ (Freudenthal) „in Vrnicz ordinis Carthusiensis prope Laibacum in Sclavonia“ ; später: „k. k. Lycealbibliothek Laibach“ (Stempel).

3 Fol. Iv. Der aus dem 13.-14. Jh. stammende Kodex enthält Texte zum kanonischen Recht, auf den Fol. lr-322v ist die Arbeit von Monaldus Iustinopolitanus Summa de iure canonici) tractans et expediens multas materias sub ordine alphabeti zu finden, die 1516 in Leiden als Druck erschien. Zur Texttradition: Br a n c a l e, B .: Indice analitico dei codici continenti la Summa del B. Monaldo. - In: Beato Monaldo da Giustinopoli 1210-1280. Atti raccolti in occasione del VII centenario del suo transito. Trieste, 1982, S. 65-80.

4 Siehe Anhang.

5 F r a k n ó i , V ilm o s : Magyarország egyházi és politikai összeköttetései a római Szent-székkel a magyar királyság megalapításától a Konstanczi zsinatig. Bd. 1: 1000-1417. Budapest, 1901, S. 97-116 (im weiteren: F r a k n ó i : Szentszék).

6 Magyar Országos Levéltár (Ungarisches Staatsarchiv, Budapest, im weiteren: MOL) Dl 1634 (7. März 1302), Dl 105998 (21. Mai 1301), Dl 253556 (12. Oktober 1302), Dl 264131 (5. November 1301), Dl 272686 (18.

November 1301), Dl 283847 (31. Oktober 1301).

158 Géza Érszegi

W eisungen für bestim m te Personen darstellen. W urden doch dem V ertreter des Papstes nicht n u r solche Fälle vorgetragen, die landesw eit von B edeutung w aren, son­

dern auch sonstige, partikulare A ngelegenheiten, die der päpstlichen E ntscheidung bedurften. D er L egat seinerseits ist bem üht, innerhalb der ungarischen K irche O rdnung zu schaffen.7 So beschäftigt er sich m anchm al m it schon Jahrhunderte b este­

henden K irchenzehnt-F ällen8 und einem Streitfall um die R echtm äßigkeit einer K api­

telw ahl.9 D er A bt von M artinsberg (ung. Pannonhalm a) und der P reßburger (ung. P o ­ zsony; B ratislava, Slow akei) P robst w enden sich vertrauend a u f die päpstliche A u to ­ rität an den L egaten m it der B itte, ihren Streit um die R echte üb er eine K apelle zu schlichten,10 d er A ltofner (ung. Ó buda) P robst erhebt K lage gegen die Stadt O fen (ung. B uda), die ihm die ihm zustehenden D onau-Z olleinkünfte verw eigert." N atür­

lich stoßen auch die B itten der D om inikaner, deren O rden der L egat selbst angehört, nicht au f taube O hren. A u f ihren W unsch hin bestätigt er ihre P riv ileg ien '2 und erteilt ihnen eine A b laßgenehm igung.13 A uch schützt er sie vor A m tsm iß b rau ch .'4

O bw ohl es bislang nicht gelang, das O riginal der im K odex als A bschrift befindlichen L egatsurkunde aufzufinden, erscheint es aufgrund des Inhalts als w ahrscheinlich, daß sie ursprünglich au f Pergam ent und m it H ängesiegel ausgefertigt war. D iese F orm ist kennzeichnend für die erhalten gebliebenen O riginal-L egatsurkunden; eine davon b etraf die K irchenzehnt-A ngelegenheiten des K larissenordens in T ym au (ung. N agy­

szom bat; Trnava, S lo w ak ei),15 in einer anderen w erden V erfügungen im Z u sam ­ m enhang m it der K lage des O fener K apitels getroffen.'6 D ie U rkunde w urde a u f Per­

gam ent geschrieben und ist bekräftigt m it einem ovalen roten W achssiegel, das an einem P ergam entstreifen h än g t.17 A u f dem Faltrand (plica) der einen U rkunde ist rechts d er N am e des Schreibers verm erkt: ,,N [icolaus] Int[eram nensis]“ , au f der ande­

ren an gleicher Stelle: „C. B on[oniensis]“ , unterhalb der Faltung links: ,,I[ohannes] de V erulis“.18 D ie aus d er päpstlichen K urie bekannten N am en bezeugen, daß dem L egaten - w ie allgem ein üblich - entsprechende F achleute aus der päpstlichen K anz­

7 K r i s t ó , G y u l a (H g .) u n te r M ita rb . v. B l a z o v i c h , L á s z l ó ; É r s z e g i, G é z a ; M a k k , F e r e n c : Documenta res Hungaricas tempore regum Andegavensium illustrantia ¡301-1387. B u d ap e st; S z e g e d ; B d. 1 :1301-1305. H g . v.

G y u la K ristó , 1990; B d. 4: 1315-1317. H g. v. G y u la K ristó , 1996 (= A n jo u -k o ri o k le v é ltá r), B d. 1, n o 119 (im w e ite re n : D o c. H u n g . A n d e g .).

8 Ebd., no 98, 136-137, 177, 187, 308.

9 Ebd., no 100, 165, 181,223.

10 Ebd., no 164-165.

" Ebd., no 220.

12 Ebd., no 230.

13 Ebd., no 250.

14 Ebd., no 297, 351.

15 MÓL, Dl 1634 (7. März 1302).

16 Ebd., Dl 105998.

17 Doc. Hung. Andeg., Bd. 1, no 187.

18 ,,I[ohannes] de Ver[ulis] scriptor“ 1297-1304. Siehe: Nü s k e, Ger d Fr ie d r ic h: Untersuchungen über das Personal der päpstlichen Kanzlei 1254-1304. - In: Archiv fü r Diplomatik, Köln; Wien, 20-21 (1974-1975), S. 39-240, 248-431, hier: S. 293-294, N r. 168; Ba r b ic h e, Be r n a r d: Les actes pontificaux originaux des Archi- ves Nationales de Paris. Cittä del Vaticano, 1975-1982 (= Index actorum Romanorum pontificum ab Innocentio III

Zum Wirken des Nikolaus Bocassini 159 lei zur Seite gestellt w urden. D ie letzte Z eile der E intragung verw eist verm utlich auf den ehem aligen F undort der O riginalurkunde: A uffindbar im P reßburger A rchiv der bulla m agna b eilieg en d .19 M it Preßburger A rchiv ist aller W ahrscheinlichkeit nach das K apitelarchiv gem eint, in dem es, genauso w ie es auch im Stadtarchiv noch heute der Fall ist, eine authentische A bschrift der bulla m agna geben m ußte.20

O bw ohl auch eine einige Jahre ältere päpstliche U rkunde existiert, die den A rchi- diakonen die Einnahm e einer B estattungsgebühr in H öhe von einer M ark verbietet,21 ist die bulla m agna höchstw ahrscheinlich eine von Papst B enedikt XII. am 13. A ugust 1335 in gleicher Sache ausgestellte Urkunde. A uf Bitte von König Karl (ung. K ároly) I.

(1310-1342) verurteilt der Papst die in U ngarn übliche G ew ohnheit, erm ordete P ersonen solange nicht kirchlich zu beerdigen, bis nicht zusätzlich zu den B egräbnis­

kosten dem zuständigen A rchidiakon od er seinem S tellvertreter eine A bgabe in H öhe von einer M ark geleistet w urde. W ie aus der päpstlichen B ulle zu ersehen ist, können die A rchidiakone bzw. ihre S tellvertreter diejenigen Pfarreien, denen die erm ordete Person zu L ebzeiten angehörte und wo das B egräbnis erfolgen sollte, sogar m it einem Interdikt (interdictum) belegen, und das w urde auch dann so gehandhabt, w enn w eder das V erm ögen des E rm ordeten noch das des M örders für die Zahlung der E ine-M ark- G ebühr zusätzlich zu den üblichen B egräbniskosten ausreichte. D er P apst verurteilte diese in U ngarn üblichen Praktiken als Sim onie, und in seiner Bulle, die e r an den E rzb isch o f von G ran (ung. E sztergom ) richtete, untersagte er ihre F ortführung.22 D er E rzb isch o f von G ran gab als ungarisches K irchenoberhaupt natürlich die A nordnung des Papstes in ein er eigenen, authentischen A bschrift kund, verm utlich gleich noch im selben Jahre. W ie streng oder w eniger streng m an diese päpstliche V erfügung in U ngarn befolgt haben m ag, zeigt sich nicht nur daran, daß die A nordnung in erneuer­

ter Form w iederholt in D ekreten (decretum ) auftaucht, sondern auch daran, daß es zur gleichen Z eit K önig L udw ig (ung. L ajos) I. selbst ist, der 1355 einem P farrer derar­

tige E inkünfte zugesteht.23 U nd das, obw ohl der E rzkapellan (com es ca pellae) zw i­

schen 1356 und 1364 die dieses G ebahren verbietende päpstliche B ulle in authenti­

schen K opien sogar m ehrfach herausgab. D as w ar deshalb vonnöten, w eil gegen die E rhebung d er E ine-M ark-G ebühr für die B estattung von E rm ordeten allgem ein B eschw erde gegen die A rchidiakone und V izearchidiakone erhoben w orden war. Um

ad Martinum V electum), Bde. 1-3, hier Bd. 2, S. 504, Bd. 3, S. 450; Schw arz, Brig id é: Die Originale von Papst­

urkunden in Niedersachsen. Cittä del Vaticano, 1988 (= Index actorum Romanorum pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum), Bd. 4, S. 216; Ér s z e g i, Gé z a: Acta pontificia, quae genuina in Hungaria asser- vantur. Manuskript. (= Index actorum Romanorum pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum), no 169 (10. Mai 1296).

19 „Ista sunt clausa in depositario Posoniensi sub bulla magna require“.

20 24. Mai 1356. Archiv mesta Bratislavy, Listiny, no 130. Foto: MOL, Dl 238755, Ho r v á t h, V. [u.a.] (H g.):

Inventár stredovekych listín, listov a inych príbuznych pisomnosti. Bratislava: Archiv mesta Bratislavy, 1956, Bd. 1,S. 26, no 136.

21 Papst Johannes XXII. am 24. Juni 1328. Siehe: Bó n is, Gy ö r g y: Szentszéki regeszták. Iratok az egyházi bírás­

kodás történetéhez a középkori Magyarországon. A szerző hátrahagyott kéziratát gondozta és szerkesztette Balogh Elemér. Budapest, 1997, no 808 (im weiteren: Bó n is: Szentszéki regeszták).

22 Siehe Anhang.

23 15. Dezember 1355. Siehe Bó n is: Szentszéki regeszták, no 1206.

160 Géza Érszegi

dem abzuhelfen, erließ die K önigin, der die K lagen vorgetragen w urden, eine V erordnung, die vorschrieb, daß den B ittstellern zur V erteidigung ihrer R echte eine bezeugte A bschrift je n e r im königlichen A rchiv aufbew ahrten päpstlichen B ulle aus­

gehändigt w ird, in der diese Praktiken verboten w orden w aren.24 D er E rzkapellan w ar zu dieser Z eit d er glaubw ürdige O rt am königlichen Hof, d.h. d er E rzkapellan w ar der öffentliche N otar des K önigshofs. F ür die Z entralisierung der R echtssprechung er­

schien eine E ntlastung d er königlichen und der H ofgerichtskanzleien w ünschensw ert, und um dem B edürfnis der streitenden Parteien nach B equem lichkeit nachzukom ­ m en, w urde die E inrichtung eines ständigen glaubw ürdigen O rts beim H of erforder­

lich. D iese A ufgabe löste Karl I. im zw eiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts a u f die Art und W eise, daß er den königlichen E rzkapellan und den diesem unterstellten K le­

rus m it den neuen Schreibarbeiten betraute. D ie hier herausgegebenen offiziellen D okum ente w urden m it dem m ittleren K önigssiegel versehen, w om it angezeigt w urde, w oher die B evollm ächtigung des E rzkapellans zur H erausgabe von bezeugten Schriften stam m te. D ie B eschw erdeführenden w andten sich im übrigen deshalb an die K önigin, weil sich der K önig, L udw ig I„ zu dieser Z eit ziem lich oft außerhalb des Landes aufhielt, da er verschiedene K riegszüge in die um liegenden L änder anführte.

Es ist also ersichtlich, daß m an sich in der Tat zu R echt au f die A nordnungen von König Karl I. bzw. von Papst B enedikt XII. berief. Fraglich ist jed o ch , w oher dieser R echtsbrauch stam m te, dem zufolge der zuständige A rchidiakon zur E innahm e von einer w eiteren M ark berechtigt schien, die zusätzlich zu den B egräbniskosten bei der B eerdigung von E rm ordeten zu zahlen war.

Im 15. Jahrhundert w aren die B edingungen dahingehend gereift, daß m an die R echtsgew ohnheiten des K önigreichs und die B eschlüsse der V orgänger in einem ein ­ heitlichen R ahm en fassen konnte. Im M ittelalter galten näm lich die D ekrete (decre- tum) des H errschers und der Vornehm en des R eiches nur zu L ebzeiten des H errschers, nach seinem Tod behielten nur jen e D ekrete ihre G ültigkeit, die von den neuen K öni­

gen b estätigt w urden.25 D eshalb gaben die H errscher m ehr od er w eniger regelm äßig die von ihnen als geltend betrachteten D ekrete in einem einheitlichen R ahm en gefaßt und som it bekräftigt heraus. D ie von K önig A ndreas II. im Jahre 1222 herausgegebe­

ne sog. G oldene B ulle enthält das von den m eisten ungarischen H errschern B ekräf­

tigte und som it durchgehend G ültige.26 O bw ohl das m it G oldsiegel bekräftigte

decre-2 4 ... gravem porrexissent querimoniam super eo, ut archydiaconi et vicearchydiaconi de sepultura hominum quocunque modo interfectorum marcam exigendo ipsis et ad eos pertinentibus maximam inferrent continue in- iuriam atque dampnum et in hoc sibi remedium a maiestate reginali impertiri supplicassent, ipsa reginalis celsi- tudo de remedio in hac parte eis subvenire intendens in conservatorio regali litteras papales tenoris infrascripti per nos requiri et earum copiam de verbo ad verbum cuilibet petenti sub sigillo regio, quo pretextu predicti hono­

ris nostri scilicet comitatus capelle regie utimur, dari facere personaliter dem andavit (14. Juni 1358;

s. Bó n is: Szentszéki regeszták, no 1239).

25 Decreta regni Hungáriáé - Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301-1457. Fr a n c isc i DöRY collectionem manuscriptam additamentis auxerunt, commentariis notisque illustraverunt Ge o r g iu s Bó n is [u.a.] (= Publica- tiones Archivi Nationalis Hungarici - Publikationen des Ungarischen Staatsarchivs, II. Fontes - Quellenpubli­

kationen 11). Budapest, 1976, S. 15-31 (im weiteren: DRH 1301-1457).

26 B e s e n y e i, L a jo s ; É r s z e g i, G é z a ; G o r l e r o , M a u r i z i o P e d r a z z a (Hg.): De bulla aurea Andreae II regis

Hun-Zum Wirken des Nikolaus Bocassini 161 tum zum größten Teil die R echte der privilegierten Schichten des K önigreichs in einem einheitlichen R ahm en faßte, so w eitete sich doch, m it der bis zur M itte des 14.

Jahrhunderts erfolgten W andlung dieser privilegierten Schichten zu einem m it ein­

heitlichen R echten ausgestatteten A delsstand, auch der G eltungsbereich des unter der B ezeichnung G oldene B ulle bekannt gew ordenen decretum au f im m er w eitere K reise aus, und es erlangte eine derartige Selbständigkeit, daß es von den m eisten H err­

schern, abgesondert von den übrigen D ekreten, selbständig und im vollen W ortlaut bekräftigt w urde. D ie A nzahl der sonstigen, von den Vorgängern verkündeten D ekre­

te, die über m ehr o d er m in d er große B edeutung verfügten, schw oll m it der Z eit au f ein beachtliches M aß an, so daß es kein W under war, daß diese in einem im nachhin­

ein in einem einheitlichen R ahm en gefaßten decretum vereinigt w urden, w elches die B ezeichnung decretum m aius erhielt. Ein solches decretum m aius gaben 1435 K önig Sigism und27 und 1486 K önig M atthias C orvinus28 heraus. W ie sehr m an sich w ohl zu Z eiten von M atthias C orvinus der G ew ichtigkeit des decretum m aius bew ußt war, veranschaulicht gut die T atsache, daß m an sich für dessen Verbreitung auch der dam a­

ligen m odernen T echnik bediente: D ie D rucklegung erfolgte sogar zw eim al.29 Das über einen beachtlichen U m fang verfügende decretum aus dem Jahre 1486 um faßt nahezu 80 A rtikel, und d er W ortlaut der früheren D ekrete ist in einem beträchtlichen Teil der A rtikel beinahe w ortw örtlich auffindbar. W eniger in der W ortw örtlichkeit des Textes, je d o c h p erfek t in H inblick au f die T extaussage, fußt einer der A rtikel au f dem D ekret d er Vorgänger, in dem es darum geht, w ie die als M ißbrauch zu betrachtende G ew ohnheit aus d er W elt geschafft w erden soll, der zufolge die in den unteren R egio­

nen d er K irchenverw altung angesiedelten C hargen (plebani, vicearchidiaconi, archi- diaconi) bei der B eerdigung von E rm ordeten zusätzlich zu den üblichen B estattungs­

kosten noch eine Silberm ark bzw. eine G oldm ünze verlangen und bei N ichtzahlung die B estattung des M ordopfers verw eigern.30 W o dieser R echtsbrauch sonst noch G ültig­

keit hatte und w ie das Problem vor den R eichstag kam , darüber gibt gleichfalls dieser A rtikel A ufschluß. M an kann ihm entnehm en, daß die an dem im Jahre 1486 einbe- rufenen R eichstag teilnehm enden B ew ohner des K önigreichs (regnicolae) die päpst­

liche B ulle hoch über ihren K öpfen schw enkten und den Text sogar laut vorlasen. D ie

gariae MCCXXII. Übers, v. Géza Érszegi, Márk Aurél Érszegi, Cecilia Pedrazza Gorlero u. Enéh Gizella Szabó.

Verona: Valdonega, 1999, S. 23-29.

27DRH 1301-1457, S. 15-31.

28 Decreta regni Hungáriáé - Gesetze und Verordnungen Ungarns 1458-1490. Fr a n c isc i Dö rycollectionem manuscriptam additamentis auxerunt, commentariis notisque illustraverunt Ge o r g iu s Bó n is [u.a.] (= Publi- cationes Archivi Nationalis Hungarici - Publikationen des Ungarischen Staatsarchivs, II. Fontes - Quellen­

publikationen 19). Budapest, 1989, S. 258-276 (im weiteren: D R H 1458-1490).

29 S a jó , G é z a ; S o l t é s z , E r z s é b e t (Hg.): Catalogus incunabulorum quae in bibliothecis publicis Hungáriáé asservantur. Budapest, 1970, Bd. 1, no 1074-1075.

30 „Ceterum quia archidiaconi, vicearchidiaconi et plebani propter eorundem insatiabilitatem non contenti et veris ipsorum proventibus quandam dctestandam et extra hoc regnum inauditam corruptelam, potissimum verő in comitatu Simigiensi induxisse dinoscuntur videlicet quod dum contingit aliquem quocunque modo interfici - eciam si testatus - decedat, sepultura illi in ecclesia et eciam in cimiterio interim negatur, donec ultra omnia funeralia et alia pro locorum consuetudine et diversitate in talibus fieri solita una marca argenti vei quatuor aurei solventur.“ (1486:63. DRH 1458-1490, S. 300-301)

162 Géza Érszegi

Bulle ist identisch m it der - oben bereits erw ähnten - von B enedikt XII. auf Bitten des ungarischen K önigs K arl I. am 13. A ugust 1335 heraus gegebenen, in der verfügt w o r­

den war, daß dieser R echtsbrauch zu unterbinden sei. D iese schon seit langem ver­

botene G ew ohnheit existierte also auch noch zu Zeiten von M atthias Corvinus, und zw ar hauptsächlich im südlichen Teil U ngarns, in dem sich südlich des Plattensees e r­

streckenden K om itat Som ogy.31 B evor au f die auch im decretum von 1486 angedeu­

tete V orgeschichte eingegangen w ird, soll zunächst dargestellt w erden, inw iew eit die A nordnungen des decretum, welches König M atthias C orvinus 1486 verkünden ließ, in die W irklichkeit um gesetzt w urden. Sicher ist, daß m an nicht allzuviel erreichte, weil dieses T hem a auch in den späteren R eichsversam m lungen zur Sprache kam.

Schon 1492, in d er H errschaftszeit von K önig W ladislaw (ung. U lászló) ü ., tauchte die F rage nach der geforderten G ebührenzahlung im Falle ein er E rm ordung erneut auf. D am als entschied die R eichsversam m lung, daß die G eistlichkeit m it dem Verlust ihrer Pfründe büßt, sollte sie trotzdem nicht von der Z ahlungsforderung in H öhe von einer M ark A bstand nehm en, bzw. die G ebührenerhebung ist erlaubt, aber ausschließ­

lich nur dem M ö rd er gegenüber.32 D as decretum zeigte seine W irkung auch in der G e­

richtspraxis.33 S päter w urde dieser A rtikel dann im Jahre 1498 noch dahingehend er­

gänzt, daß die G eistlichkeit w egen der unrechtm äßigen G ebührenerhebung nicht nur ihre E inkünfte einbüßt, sondern daß der K önig diese P fründen beliebig anderen P er­

sonen verleihen kann.34 Im decretum von 1492 beruft m an sich a u f die K önige Karl I., L udw ig I., S igism und und A lbrecht, zu deren Z eiten und a u f deren B itte hin diese G ew ohnheit untersagt w orden war. U nd in der Tat beschäftigte m an sich in der H err­

schaftszeit dieser K önige w iederholt m it diesem M ißbrauch, und jed esm al w urde

31 „Que res quia non solummodo abusio et corruptela, verum eciam quoddam sacrilegii et simonie genus méri­

to censeri potest, eam ob rem presenti decreto statutum est, quod amodo deinceps eiuscemodi exaccionis genus ubique et signanter in dicto comitatu Simigiensi cesset et perpetuo aboleatur et nemo archidiaconorum, vicear- chidiaconorum et plebanorum eorumque vicesgerencium sub pena amissionis beneficiorum extorquere presu­

ma!, prout eciam hoc tempore condam serenissimi domini Karoli regis Hungarie etc. in prefato comitatu Simi­

giensi per bullas apostólicas ad peticionem et instanciam eiusdem domini regis cassatum et extinctum fuisse ex eisdem bullís in presenti congregacione regnicolarum publice perlectis manifeste dinoscitur.“ (1486:63. DRH 1458-1490, S. 300-301)

32 „Amodo et deinceps nemo archidiaconorum, vicearchidiaconorum et plebanorum eorumque vicesgerencium sub pena amissionis beneficiorum marcam illam argenti vel quatuor áureos ultra omnia funeralia alias de funere interfectorum abusive recipere consuetam exigere presumat, prout hoc eciam tempore Caroli, Ludovici, Sigis- mundi et Alberti regum per bullas apostólicas ad instantem peticionem eorundem regum cassatum et exstinctum fuisse manifeste dignoscitur. Ab interfectoribus autem liberam habeant exigendi facultatem.“ Corpus Iuris Hungarici - Magyar Torvénytár. Millenniumi emlékkiadás. Budapest, 1899, 1492:29 (im weiteren: CIH).

33 Befehl von König Wladislaw II. an den Vikar von Vác: „... cum tarnen iuxta contenta generalis decreti nos- tri huiusmodi terragium seu marca argenti non ab interfectis, sed interfectoribus seu homicidis exigi d eb eat...“

solche Fälle sind zu personalis presentía regia zu legen, und wenn sie das Kirchenforum betreffen zurück­

zuschicken (um 1514; s. Bónis: Szentszéki regeszták, no 4156).

34 „Item ad vigesimum nonum articulum de pedagiis hominum interfectorum, ubi continetur, quod nemo archidi­

aconorum, vicearchidiaconorum et plebanorum eorumque vicesgerencium sub pena amissionis beneficiorum suorum marcam illam argenti, de qua in eodem articulo fit mentio, de funere interfectorum exigere possit, hoc additum est: Quodsi qui contrarium facerent, talium beneficia maiestas regia - cuicunque voluerit - liberam con- ferendi habeat potestatis facultatem.“ (CIH 1495:6)

Zum Wirken des Nikolaus Bocassini 163 diese Sitte verboten. K önig A lbrecht spricht in seinem decretum von 1439 m it B eru­

fung au f seine V orgänger ohne E rw ähnung w eder dieser noch einer anderen G eldsum ­ m e ein allgem eines Verbot dafür aus, daß die A rchidiakone bzw. die P farrer für die B estattung von E rm ordeten eine zusätzliche G ebühr erheben.35 A uch K önig Sigis­

m und (1397) und L udw ig I. (1351) untersagen in ihren D ekreten einhellig, daß die A rchidiakone im Falle von M ordopfern eine G ebühr verlangen.36 D as V erbot einer derartigen B estattungsgebührerhebung geht also eindeutig au f die Z eiten von König Karl I. und P apst B enedikt zurück und verw eist a u f deren A nordnungen.

m und (1397) und L udw ig I. (1351) untersagen in ihren D ekreten einhellig, daß die A rchidiakone im Falle von M ordopfern eine G ebühr verlangen.36 D as V erbot einer derartigen B estattungsgebührerhebung geht also eindeutig au f die Z eiten von König Karl I. und P apst B enedikt zurück und verw eist a u f deren A nordnungen.

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 148-164)