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Kaiser Karl der Große und UngarnLászló V eszprém y (Budapest)

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 186-196)

D ie G estalt K aiser K arls des G roßen findet in der m ittelalterlichen H istoriographie U ngarns erstau n lich selten E rw ähnung, sein N am e kom m t in der S am m lung ungarischer erzählerischer Q uellen Scriptores oder in der um fangreichen C hronik von T huróczy kein einziges M al vor.1 U nseres W issens w urde sein N am e zum ersten Mal von den H um anisten aufgezeichnet, die bestrebt w aren, eine enge V erbindung zw i­

schen der G eschichte U ngarns zur W eltgeschichte herzustellen.

D ie M öglichkeit, daß d er Sagenkreis um Karl den G roßen und seine L egenden die m ittelalterliche ungarische H istoriographie beeinflußt hätten, w urde in der L iteratur über die H l. L adislaus-L egende bzw. die einschlägigen C hronikteile erstm als von Jó zsef D eér aufgew orfen.2 D iese F ragestellung w ar zw eifelsohne berechtigt, da 1165 in A achen a u f die Initiative von K aiser F riedrich B arbarossa die vielleicht b erühm te­

ste H eiligsprechung des 12. Jahrhunderts, die von Karl dem G roßen, erfolgt war. A ller­

dings steht sie unter den von w eltlichen H errschern persönlich eingeleiteten K anoni- sationen und T ranslationen nicht allein. D ie R eihe w urde in der von uns behandelten E poche durch die 1163 erfolgte K anonisation E duards des B ekenners in A nw esenheit H einrichs EL, des K önigs von E ngland, eröffnet. Ihr folgten w eitere Translationen:

1144 w urden die R eliquien des Hl. D ionysius vom Franzosenkönig L udw ig V II. und dem A bt S uger übertragen, 1163 bzw. 1187 ließ F riedrich B arbarossa die R eliquien von B assian und U lrich an einen neuen O rt verlegen, und schließlich gelangten die irdischen Ü berreste K arls des G roßen 1215 in A nw esenheit Friedrichs II. in einem

1 Z u r a llg e m e in e n E in le itu n g sieh e : O tt - M e i m b e r g , M a r i a n n e : Karl, Roland, Guillaume. - In: M e r t e n s , V o l k e r ; M ü l l e r , U l r i c h (H g .): Epische Stoffe des Mittelalters. S tu ttg art: K rö n er, 1984, S. 8 1 -1 1 0 . F e rn e r sieh e : S z e n t p é t e r y , Im r e (H g .): Scriptores rerum Hungaricarum. (2 B d e.) B u d ap e st: A c a d e m ia L itter.

H u n g a ric a , 1 9 3 7 -1 9 3 8 ; K r i s t ó , G y u l a ; G a l á n t a i , E r z s é b e t (H g .): Johannes de Thurocz: Chronica Hungarorum. B u d ap e st: A k a d é m ia i K iad ó , 1985.

2 D e é r , J ó z s e f : Aachen und die Herrschersitze der Árpádén. - In: Mitteilungen des Instituts fü r Österreichische Geschichtsforschung 7 9 (1 9 7 1 ) , S . 3 1 -5 6 . V g l.: V e s z p ré m y , L á s z l ó : Középkori forrástanulm ányok [M itte la lte rlic h e Q u e lle n stu d ie n ]. - In: Hadtörténelmi Közlemények 104 (1 9 9 1 ), S. 5 8 -7 9 ; D e r s .: „Dux etprae- ceptor Hierosolimitanorum. König Ladislaus (László) von Ungarn als imaginärer Kreuzritter". - In: N a g y , B a l á z s [u.a.] (H g .): „... The Man ofM a n y Devices. Who Wandered Full Many Ways". F e s tsc h rift in H o n o r o f Já n o s M . B ak . B u d a p e s t; N e w Y ork: C E U P ress, 1999, S. 4 7 0 -4 7 7 . F e rn e r sieh e: R o k a y , P é t e r : Das Motiv des unvenvirklichten Kreuzzuges in den Biographien der mittelalterlichen Herrscher. - In: S A sia n u , A l e x a n d r u ; G o r u n , G h e o r g h e : „900 Yearsfrom St. Ladislas Death". O ra d e a, 1996, S. 7 8 -8 2 .

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prachtvollen R eliquiar, das auch heute noch zu besichtigen ist, nach A achen.3 In die R eihe dieser E reignisse fügte sich w ahrscheinlich auch die K anonisation des ungari­

schen K önigs L adislaus, die am 27. Juni 1192 in N agyvárad (dt. G roßw arein, rum.

O radea) in A nw esenheit des päpstlichen Legats und gew iß auch des K önigs von U ngarn erfolgte.4

Ü ber die V erbindung K arls des G roßen und des H eiligen L andes w ird bereits in den zeitgenössischen Q uellen w ahrheitsgetreu berichtet; der A ustausch von G esandten und G eschenken w ird erw ähnt. D ie L egende der Pilgerfahrt entstand bereits vor dem ersten K reuzzug: In der um 968 verfaßten C hronik des M önchs B enedikt w ird schon die O rientreise des K önigs erw ähnt. Im 11. Jahrhundert nim m t die Z ahl der G eschich­

ten über H ispanien zu, sie w erden vielfältiger, allm ählich entfaltet sich das Porträt des K önigs, der die ungläubigen M oslim e bekäm pft.5 U m die W ende des 12. zum 13.

Jahrhundert, zur Z eit der G estaltung des B ildes vom Hl. L adislaus, ist es daher selbst­

verständlich, daß die populärste L egende der Zeit, die K arls des G roßen als Vorbild diente und das darin G elesene der Person des U ngarnkönigs angepaßt w urde. Ebenso wie diese K reuzfahrer-T radition im Frankreich Philipp A ugusts nutzbar gem acht w urde,6 so ließ auch der ungarische K önig B éla III., der so gerne dem Hl. L adislaus ähneln w ollte, die legendären C harakterzüge des biblischen K önigs D avid sow ie die des R eichsgründers Karl des G roßen in die zeitgenössischen W erke der H istoriogra­

phie einarbeiten.7 D as m ag um so natürlicher gew esen sein, da sich Friedrich in der E inleitung zur K arlslegende „alterum m agnum K arolum “ nannte, doch auch der K önig von F rankreich hielt sich für eine späte V erkörperung Karls.

Z ur Q uelle der apokryphen B eschreibung des Hl. L adislaus als eines großen H eerfüh­

rers des K reuzzuges diente gleichzeitig auch die K arlslegende. D ie B ew ertung der B eziehung der beiden L egenden zueinander in d er heutigen ungarischen Philologie

’ En g e l s, Od il o: Des Reiches heiliger Gründer: Die Kanonisation Karls des Großen und ihre Beweggründe. -In: MOl e ja n s, Han s(Hg.): Karl der Große und sein Schrein in Aachen. Festschrift. Aachen; Mönchengladbach, 1988, S. 37-54.

‘ Dieser Gedankengang wurde vertreten von: Kerny, Terézia: László király szentté avatása és kultuszának kibonatkozása. 1095-1301 [Die Heiligsprechung und die Entfaltung des Kults des Königs Ladislaus]. - In: Pócs.

Éva; V oigt, Vilmos (Hg.): Ősök. táltosok, szentek. Tanulmányok a honfoglaláskor és Árpád-kor folklórjából.

Budapest: MTA Néprajzi Kutatóintézet, 1996, S. 178. In diesem Zusammenhang wird die Kanonisation Karls des Großen als mögliches Vorbild der Verehrung Ladislaus’ nicht erwähnt von: K laniczay, GAbor: Az uralko­

dók szentsége a középkorban [Die Heiligkeit der Herrscher im Mittelalter]. Budapest: Balassi, 2000, S. 152f., 162f.

! Im Zusammenhang mit dem Reichstag zu Frankfurt 1454 erwähnte auch Johann Vitéz Karl den Großen und Gottfried von Bouillon unter den größten Helden der Kreuzfahrten. Vgl.: B oronkai, Iván (Hg.): Vitéz János le­

velei és politikai beszédei [Briefe und politische Reden des Johann Vitéz], Budapest: Szépirodalmi, 1987, S.

355f. Osvát Laskai wirft jedoch Nicolaus de Lyra vor, daß ihm von den Sarazenen nur Karl der Große einfallt.

Zitiert nach: T árn ái, A ndor: „A magyar nyelvet írni kezdik". Irodalmi gondolkodás a középkori Magyar- országon [„Man beginnt, ungarisch zu schreiben“. Literarische Denkweise im mittelalterlichen Ungarn], Budapest: Akadémiai Kiadó, 1984, S. 220.

6 Spie g e l, Gabr ie l leM.: Political Utility in Medieval Historiography. - ln: History and Theory 14 (1975), S. 323.

7 Ra u s c h e n, Ge r h a r d(Hg.): Die Legende Karls des Großen im II. und 12. Jahrhundert. Leipzig: Duncker und Humblot, 1890, S. 16; Sz o v á k, Ko r n é l: The Image o f the Ideal King in Twelfth-Century Hungary (Remarks on the Legend o f St Ladislas). - In: Du g g a n, An n eJ. (Hg.): Kings and Kingship in Medieval Europe. London:

King’s College, 1993, S. 241-264.

Kaiser Karl der Große und Ungarn 197 kann jed o ch nicht als abgeschlossen gelten. Kornél Szovák unternahm den Versuch, m it H ilfe ein er sorgfältigen A rgum entation den unm ittelbaren T extbezug zw ischen den beiden L egenden in Z w eifel zu ziehen.8 D em gegenüber betrachten w ir die vom bereits erw ähnten Jó zsef D eér und von uns entdeckten zahlreichen Parallelen oder Ü bereinstim m ungen der L egendenm otive nicht als Zufall, sondern w ir halten eine ab­

sichtliche E ntlehnung für w ahrscheinlich. Ü ber eine w ortw örtliche E ntlehnung kann nur selten gesprochen w erden, es handelt sich vielm ehr um gedankliche Parallelen, w ie etw a im Falle einiger A usdrücke der K apitel 1, 4, 6, und 7 der K arlslegende. A uf G rund der Parallelen im K apitel 139 der C hronik scheint es jed o ch fast sicher zu sein, daß der R edakteur einiges auch der K arlslegende entlehnte.9 F ür besonders charak­

teristisch halten wir, daß beiden H errschern durch die Fürstenw ahl zum ersehnten Ruhm verholfen w urde. D ieses letztere M om ent ist unter den B ezügen zum ersten K reuzzug in d er L adislaus-L egende ohnehin am um strittensten.

W ir w ollen au f die persönliche B egegnung von König B éla III. und F riedrich B arba­

rossa im Jahre 1189 hinw eisen. D er K aiser und seine G efolgschaft, die auf ihrem Weg ins H eilige L and w aren, w erden einen tiefen E indruck au f den ungarischen H of g em acht haben. Es soll erw äh n t w erden, daß die ungarische R ezeption der deutschen A ttila-T radition sow ie die O rganisierung der ersten ritterlichen Turniere sich an diesen B esuch knüpfen lassen .10 A uch die H ypothese, die G eschichte der ungarischen K rone und der K roninsignien sei von denen der deutschen und französischen H err­

scher sow ie ihren B estrebungen zur E rneuerung beeinflußt w orden, w ird nicht je g ­ licher G rundlage entbehren. Falls es zur endgültigen Z usam m enstellung der ungari­

schen K rone unter der R egierung B élas III. kam , kann vor allem das französische B eispiel, die B ezugnahm e au f Karl den G roßen, inspirierend gew esen sein.11 Tatsache ist jed o ch , daß unter den französischen nationalen Sym bolen die Identifizierung der O riflam m e, der im R olandslied beschriebenen Fahne K arls des G roßen, als K riegs­

banner des L andes nach den A nfängen im 12. Jahrhundert m it dem N am en Philipps II. verbunden ist - ein A nzeichen für die A ffinität des K önigs für die Invention neuer Sym bole. G uillaum e le B reton vergleicht den unter dem Schutz der O riflam m e erru n ­ genen Sieg bei B ouvines m it dem K arls des G roßen über die Sachsen; nach R igord

* Sz o v á k, Ko r n é l: Szent László alakja a korai elbeszélő forrásokban. A László-legenda és a Képes Krónika 139. fejezete forrásproblémái [Die Gestalt des Königs Ladislaus des Heiligen in den frühen erzählerischen Quellen. Die Quellenprobleme der Ladislaus-Legende und des Kapitels 139 der 'Bilderchronik’]. - In: Századok

134 (2000), S. 133-136.

’ Vgl. die Formulierungen des Prologs zur Karlslegende (z.B. „in odorem suavitatis“, S. 17), ferner I, 6:

Nachdem sie zum Kaiser bzw. zum Kreuzzugsführer gewählt wurden, verhielten sich Karl und Ladislaus ähn­

lich: „que Christi essent, non que sua quereret“ - vgl. Scriptores, a.a.O., Bd. 1, S. 417 (ähnliche Formulierung).

10 De ér, a.a.O., S. 34f., zur höfischen Kultur im allgemeinen siehe: Mora w, Pe t e r: Die Hoffeste Kaiser Friedrich Barbarossas von 1184 und 1188. - In:. Sc h u lt z, Uw e(Hg.): Das Fest. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. München, 1988, S. 70-83.

" Vajay, Sz a b o l c s: Az Arpád-kor uralmi szimbolikája [Herrschersymbolik der Árpádenzeit]. - In: Ho r v á t h, Já n o s; Székely, Gy ö r g y(Hg.); Középkori kútfőink kritikus kérdései. Budapest: Akadémiai Kiadó, 1974, S. 363 (dt.: Das „Archiregnum Hungaricum" und seine Wappensymbolik in der Ideenwelt des Mittelalters. - In:

Festschrift Michael Ferdinandy. 1973, S. 647-667); Sc h r e u e r, Ha n s: Die rechtlichen Grundgedanken der französischen Königskrönung. Weimar: Böhlau, 1911, S. 73.

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efm unterte der französische K önig Philipp seine Soldaten vor der Schlacht, dem B eispiel d er A hnen, der Trojaner, K arls des G roßen, Rolands und O livers, zu folgen.12 Es ist gar nicht unw ahrscheinlich, daß Peter R evay der erste war, d er am A nfang des 17. Jahrhunderts aus der Inschrift „K onstantin“ au f dem griechischen Teil der ungari­

schen K rone auf K onstantin den G roßen folgerte.13 M öglicherw eise w urde m an b e ­ reits u nter dem E influß der historisierenden B etrachtungsw eise der Z eit K önig Bdlas III. d arau f aufm erksam , und die A nfänge der E ntstehung der ungarischen K rone w ur­

den daher in die ferne V ergangenheit projiziert.

Z ur Inbesitznahm e des Erbes K arls des G roßen wurde Philipp A ugust dank seiner Verw andtschaft mit den K arolingern auf w eiblicher Linie, durch die Verm ählung L ud­

wigs V II. m it A dela von C ham pagne, berechtigt. Im L egalisierungs- und H istorisie- rungsprozeß der königlichen D ynastie w ar die E rneuerung der gedanklichen und fo r­

m alen M erkm ale des K aisertum s durch die Person K arls ausschlaggebend (der N am e A ugustus, der A dler au f dem Siegel, A ufträge zur A nfertigung von historischen Epen und anderes).14 B ew ußt w urde nicht das A ndenken des K önigs d er F ranken, sondern das des K aisers der R öm er w iederbelebt, zusam m en m it seinen expansiven T raditio­

nen. 1204 sah sich sogar der Papst Innozenz III. gezw ungen, die vornehm e A bstam ­ m ung Philipps zu betonen. D ie Schw ester Philipp A ugusts III., M argarete, w urde G e­

m ahlin K önig B elas III. und m ag laut M einung der m odernen Forschung einen großen E influß au f den ungarischen H o f ausgeübt h aben.15

Das nächste M al tauchte der N am e K arls des G roßen in U ngarn im 15. Jahrhundert auf. In ein er au f die M itte des 15. Jahrhunderts datierten B earbeitung der W eltchronik von Johannes de U tino ist zu lesen, daß die Pfalzgrafen K arls des G roßen, nachdem sie die Sarazenen in H ispanien besiegt hatten, 802 durch U ngarn zogen. N ach einem erneuten Sieg, diesm al in U ngarn, siedelten sie zehntausend S achsen in Siebenbürgen und in d er Zips an.16 D as Interesse für die deutschen Siedlungen in U ngarn und für ihre G eschichte w ar fü r das dam alige E uropa allgem ein charakteristisch. D ie Frage der A bstam m ung der S iebenbürger D eutschen w urde auch im W erk D e E uropa des E nea Silvio Piccolom ini behandelt. Sein B eispiel w urde im ausgehenden 15. Jahrhun­

dert auch von H artm ann Schedel befolgt. D em gegenüber brachte Piccolom ini in einem seiner B riefe die Z ipser D eutschen, genauer gesagt den N am en d er Zips, m it den G epiden in Z u sam m enhang.17

S p ie g e l, G a b r i e l l e M .: The Reditus Regni ad Stirpem Karoli Magni. A New Look. - In: French Historical Studies 7 (1 9 7 1 ), S. 1 4 5 -1 7 4 ; L e w is, A n d r e w W .: Royal Succession in Capetian France: Studies on Familial Order and the State. C a m b rid g e , M ass., 1981, S. 1 0 4-122.

' 5 B ó n is , G y ö r g y : Révay Péter [P é te r R év a y ]. B u d ap e st: A k a d ém iai K ia d ó , 1981, S. 69.

M Bard bury, Jim: Philipp Augustus. King o f France 1180-1223. L o n d o n ; N e w Y ork, 1998, S. 2 2 0 f.

15 G y ö r f f y , G y ö r g y : Árpád-kori oklevelek 1101-1196 [U rk u n d e n a u s d e r Á rp á d e n z e it 1101-1 1 9 6 ). B u d ap e st:

B alassi, 1997, S. 7.

'6 Vesz pr é m y, Lá s z l ó: Troppaui Márton (Martin von Troppau) a középkori magyar historiográfiában. - In:

Századok 130 (1 9 9 6 ), S. 9 8 3 . D e u tsc h e F a ssu n g : Martin von Troppau in der ungarischen Historiographie des Mittelalters. - In: Ko s e l l e k, Ge r h a r d (H g.): Die Anfänge des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Frühhumanismus. F ra n k f u rt a .M .; B erlin ; B ern : L a n g , 1997, S. 2 3 4 . V g l. fern er: Vizk elety, An d r á s: Zur Über­

lieferung der Weltchronik des Johannes de Utino. - In: Mil d e, Wo l fg a n g; Sc h u d e r, Wer n e r (H g .): De captu lectoris. Wirkungen des Buches im 15. und 16. Jh. B erlin ; N ew Y ork, 1988, S. 2 8 9 -3 0 9 .

Kaiser Karl der Große und Ungarn 199 U nseres W issens w urde der zeitgenössische U rsprung der in der ungarischen Variante der C hronik von Johannes de U tino enthaltenen A bstam m ungslegende einige Jah r­

zehnte später von A ntonio Bonfini bewiesen, der übrigens auch den Nam en des fränki­

schen K aisers m ehrm als erw ähnte. In seinem W erk verlegte er die L andnahm e der Ungarn in die Zeit Karls des Großen, weil er nämlich die Awaren m it den Ungarn gleich­

setzte, da seiner M einung nach die fränkisch-aw arischen Kriege der ungarischen L and­

nahm e einen viel w ürdigeren R ahm en abgegeben hätten, als es in der ungarischen T radition zu lesen war. G leichzeitig verriet er dam it seine B elesenheit, da er sich dies­

bezüglich au f die authentischste, von E inhard verfaßte B iographie K arls berief. Es w ar näm lich E inhard, der in seiner B eschreibung des K riegszuges in Pannonien ( Vita Caroli, c. 13) die Aw aren m it den U ngarn gleichgesetzt hatte. D as W erk konnte Bonfini bereits vor dessen editio princeps im Jahre 1521 benutzt haben, da m ehrere seiner w ichtigsten M anuskripte in W ien vorhanden w aren.18

D er „schreckliche K a m p f ' zw ischen den U ngarn und den Franken dauerte acht Jahre lang (I, 9, 165ff.), und in dieser Zeit w urde auch die S chatzkam m er des ungarischen K önigs, des hunnischen K agan in Ó buda (A ltofen, Sicam bria), geplündert. Karl zog persönlich in Ó buda ein und verlangte den königlichen Palast für sich (I, 9, 230).

D iesbezüglich erw ähnte B onfini, daß der K aiser G erm anen hinterlassen hatte, dam it sie die U ngarn zügelten. An einer anderen Stelle (I, 9, 255) schrieb er, daß nach U nterw erfung der Sachsen „nicht nur die Söhne der V ornehm en als G eiseln ver­

schleppt w urden, sondern - um ihre M acht unter das ansehnliche N iveau zu drücken - viele von ihnen w urden als K olonisten nach D acien, Pannonien und in sonstige Provinzen gebracht, ja viele von ihnen w ohnen bis in unsere Tage in Sarm atien und im anderen D acien “. A u f dieses Ereignis kom m t er später w ieder zu sprechen (IV, 7, 75). D a b estätigt er noch einm al seine frühere B ehauptung: Im A bschnitt üb er das H eer Stephan B áthoris in der Schlacht zu K enyérm ező (dt. B rotsfeld, rum. C im pul Piinii, 1479) bem erkt er, daß „das H eer aus Sachsen, W alachen und U ngarn besteht.

M an sagt näm lich, daß Karl der G roße, nachdem er U ngarn erobert hatte, diese G egend m it Sachsen besiedeln ließ, gleichsam als V erbannung für sie, da er so oft gegen sie käm pfen m ußte. D ie Sachsen, die zivilisiert in Städten leben, baten selbst darum , in den ersten R eihen käm pfen zu dürfen.“ F erner m eint er zu w issen, daß das C hristentum in dieser P rovinz zuerst von Karl dem G roßen verbreitet w urde, und indem er sich a u f einen einzigen erhalten gebliebenen Stein beruft, bezeichnet er die K apelle d er W eißen M aria als die erste gew eihte K irche (I, 9, 239).19 A ls Z w eiter in

17 Kl e in, Ka r l Ku r t: Transsylvanien. München, 1963 (= Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission, 12), S. 98f.

“ Ku l c sá r, Pé t e r: Bonfini magyar történetének forrásai és keletkezése [Quellen und Entstehung der Geschichte der Ungarn von Bonfini], Budapest: Akadémiai Kiadó, 1973, S. 51, 180. Kritische Ausgabe: Fó g e l, Jó zse f

[u.a.] (Hg.): Antonius de Bonfinis: Rerum Ungaricarum decades. (4 Bde.) Leipzig: Teubner; Budapest:

Akadémiai Kiadó, 1936-1976.

19 Nach Bonfini meint auch Gergely Gyöngyösi über das Kloster Fehéregyháza zu Óbuda zu wissen, daß es von Karl dem Großen 800 gestiftet wurde. Gy ö n g y ö si, Ge r g e ly: Arcok a magyar középkorból. [Gestalten aus dem ungarischen Mittelalter]. Budapest: Szépirodalmi, 1983, S. 158 (Kap. 55). Gyöngyösi wird ferner zitiert von Tá r n á i, a.a.O„ S. 217.

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der C hristianisierung sollte dem K aiser F ürst G éza folgen (I, 10, 330). D ie P lünde­

rung der S chatzkam m er des aw arischen K agans taucht später als H auptm otiv der Schilderung der S treifzüge d er U ngarn auf. D ie U ngarn versuchten näm lich, die ent­

w endeten S chätze zurückzubekom m en - m it nicht geringem E rfolg (I, 10, 84).

H inw eise au f die B ekehrung der U ngarn enthalten ferner die K apitel über die R egierungszeit K aiser H einrichs und Salom os (II, 3, 30). H ier w ollen w ir auch au f die U ngarngeschichte des Pietro R ansano verw eisen, in der der italienische H um anist - einigerm aßen ungenau - die B iographie Karls des G roßen von D onatus A cciaiolus als Q uelle angibt.20

D er K riegszug K arls des G roßen in Pannonien zur U nterw erfung d er Awaren w ar tat­

sächlich allgem ein bekannt. E r soll persönlich daran teilgenom m en, ja nach den neues­

ten H ypothesen, von der V erehrung des Hl. M artin geleitet, sogar dessen G eburtsort S avaria besucht haben.21 D er G eburtsort des H eiligen w urde auch in der von Sulpicius Severus verfaßten L egende angegeben, ferner konnte darüber in den liturgischen G e­

beten des H eiligen gelesen w erden. D ieser authentische historische K ern w urde schon sehr früh um die A ufzählung der unterworfenen V ölker ergänzt - ähnlich den G eschich­

ten über A lexander den Großen. Zu diesen V ölkern gehörten als angenom m ene N ach­

kom m en der Awaren und H unnen auch die U ngarn - so steht im zw eiten B and des um 1200 entstandenen gereim ten W erks K arolinus des A egidius Parisiensis. Seine B ezü­

ge zur Geschichte Ungarns wurden dadurch untermauert, daß in die Ergänzung zum Werk auch die Sicam bria-Legende mit der Bem erkung „in fines Pannonié sive Ungarie“ oder die B esiegung der U ngarn („U ngros“ , I, 236) aufgenom m en w urde.22

Es ist erstaunlich, daß G obelinus Persona (1358-1421), der etw a zur E ntstehungszeit der ungarischen Variante der Weltchronik lebte, von der T radition der Siebenbürger Sachsen nur soviel bekannt ist, daß sie von den von ihren Streifzügen heim kehrenden U ngarn m itgeschleppt w urden.23 D iese Feststellung.w urde w örtlich vom Zeitgenossen D ietrich E ngelhus (ca. 1362-1434) in seine W eltchronik übernom m en.24 A us dem 16.

Jahrhundert lassen sich jed o ch bereits zahlreiche B eispiele für die Ü berlieferung zitieren, nach der die A nsiedlung der Sachsen in Siebenbürgen von Karl dem G roßen

” R a n s a n u s , P e t r u s : Epithoma rerum Hungararum. B u d ap e st: A k a d é m ia i K ia d ó , 1977, S. 9 3 (V II); C sa p o d i, C s a b a ; C s a p o d in é , G á r d o n y i K l á r a (H g .): Bibliotheca Hungarica. Kódexek és nyomtatott könyvek Magyarországon 1526 előtt [K o d iz e s u n d g e d ru c k te B ü c h e r in U n g a rn v o r 1526]. B u d ap e st: M T A K ö n y v tá ra , 1994. N r. 1512. D e r B an d w a r h ö c h stw a h rs c h e in lic h b e re its in d e r B ib lio th e k d es K ö n ig s M a tth ia s v o rh a n d e n . 21 K iss, G á b o r [u .a.]: Savaria-Szombathely története a város alapításától 1526-ig [D ie G e sc h ic h te v o n S a v aria- S z o m b a th e ly v o n ih re r G rü n d u n g b is 1526], S z o m b a th e ly : S z o m b a th e ly M e g y e i J o g ú Ö n k o rm á n y z a ta , 1998, S. 6 7 , 85 (B eitr. v o n E n d re T ó th ).

22 Co l k e r, M . L .: The ‘Karolinus’ o f Egidius Parisiensis. - In: Traditio 2 9 (1 9 7 3 ), S. 2 0 6 , 2 3 8 f., 284.

23 „ q u o s in fin ib u s e o ru m v e rsu s T ra c ia m p ro sp ic ie n tib u s c o llo c a b a n t. U n d e u sq u e ad h o d ie rn u m d ie m h a b ita n tes in illis lo c is lin g u a T e u tó n ic a u tu n tu r v u lg a ri id io m a te et ab U n g a ris S a x o n e s T ran ssy lv an i n o m in a n tu r, q u o n i- a m sy lv a m a g n a s e c e m it e o s a b U n g a ris “ . Cosmidromius, aetas 6, K ap. 48 . Z itie rt v o n : Ba u m a n n, An e t t e: Weltchronik im ausgehenden Mittelalter. Heinrich von Herford, Gobelinus Person, Dietrich Engelhus. F ra n k fu rt a.M .; B e rlin ; B ern : L a n g , 1995 (= E u ro p ä isc h e H o c h sc h u lsch rifte n , R eih e III, 6 5 3 ), S. 13-15, 6 8 f.; Horvath, Fr a n z: Der Mythos der germanischen Kontinuität in Siebenbürgen. - In: Zeitschrift fü r Siebenbürgische Landeskunde 22 (1 9 9 9 ), S. 2 2 3 f.

24 A r m b r u s t e r , A d o l f : Eine unbekannte mittelalterliche Ansicht über den Ursprung der Siebenbürger Sachsen. -In: Korrespondenzblatt des Arbeitskreises fü r Siebenbürgische Landeskunde 111. F o lg e 2 (1 9 7 2 ), H . 3, S. 6 5-67.

K aiser K arl d er G ro ß e u n d U ngarn 201

eingeleitet w urde. D iese B eispiele w urden von der Sachliteratur schon zum großen Teil bearbeitet.25 A n dieser Steile w ollen w ir nur eins herausgreifen, das W erk H ungaria des N ikolaus O láh (cap. 14), in dem bezüglich der A bstam m ung der Siebenbürger Sachsen — nach B onfini - au f den B eschluß K arls des G roßen

eingeleitet w urde. D iese B eispiele w urden von der Sachliteratur schon zum großen Teil bearbeitet.25 A n dieser Steile w ollen w ir nur eins herausgreifen, das W erk H ungaria des N ikolaus O láh (cap. 14), in dem bezüglich der A bstam m ung der Siebenbürger Sachsen — nach B onfini - au f den B eschluß K arls des G roßen

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 186-196)