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Lernen im Kontext der Sprachentwicklung

2 Lernen und Fremdsprachenlernen

2.2 Lernen im Kontext der Sprachentwicklung

Nach dem Überblick über die Wissenschaften, die in ihren Forschungen das Lernen und den Lernprozess erforschen, wird das Lernen in diesem Kapitel im Kontext der Sprachentwicklung untersucht. Die Sprachentwicklung von

Individuen kann sich auf zwei Wegen vollziehen. In der Psycholinguistik und in der Spracherwerbsforschung wird in Bezug auf den Kontext der Sprach-entwicklung ein Unterschied zwischen dem Spracherwerb und dem Spra-chenlernen gemacht (Hufeisen/Riemer 2010: 738). In den 1950er und 1960er Jahren verstärkte sich das Forschungsinteresse einerseits an der Erforschung des Erwerbs von (Fremd-)Sprachen außerhalb des Unterrichts, andererseits geriet die Beschäftigung mit dem Lernen von Fremdsprachen unter institutio-nellen Bedingungen in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschungen. Die Untersuchung dieser Fragen wurde durch den kontrastiv-linguistischen bzw.

den fehleranalytischen Ansatz und durch die starken Migrationsbewegungen in Europa angeregt. Die Forschung erstreckte sich also erstens auf die Unter-suchung der Prinzipien des Sprachenlernens, zweitens auf die des Sprach-erwerbs. Infolge der begrifflichen Polarisierung dieser zwei Forschungsrich-tungen entstand die Dichotomie des Lernens und des Erwerbens (Königs 2007: 435).

2.2.1 Lernen–Erwerben-Dichotomie

Unter Spracherwerb (acquisition) wird verstanden, dass die Sprache auf na-türlichem Wege, intuitiv und implizit erworben wird. Die Sprache entwickelt sich unbewusst und ungesteuert durch soziale Kontakte. Demgegenüber ist das Sprachenlernen (learning) ein explizites Lernen, ein bewusster Prozess, der gesteuert wird. Im Falle des Lernens entwickelt sich die Sprache unter ins-titutionellen Bedingungen, in den meisten Fällen im Fremdsprachenunter-richt (Edmondson/House 2011: 11; Ahrenholz 2010a: 191; Apeltauer 1997).

Diese Unterscheidung geht auf die Untersuchung von Krashen zurück, in der er unter acquisition den „Sprach- und vor allem Regelbewusstsein ausschal-tenden Aneignungsvorgang versteht“ (Königs 2007: 436). Im Gegensatz dazu betrachtet Krashen learning als einen Prozess, der durch von außen gesteuerte Maßnahmen bzw. durch einen Monitoreinsatz gekennzeichnet wird, und plä-diert statt einer Trennung für eine Synthese der beiden Bereiche. In diesem Sinne soll im Unterricht eine möglichst natürliche Lernumgebung ermöglicht werden. Königs (2007) setzte sich für eine solche Aufhebung der Dichotomie ein, weil Fremdsprachenlerner außerhalb des Unterrichts oft dem ungesteu-erten Erwerb ausgesetzt sind und die früher gelernten Fremdsprachen auf die

Aneignung der zurzeit zu lernenden Sprache einen wesentlichen lernpsycho-logischen Einfluss ausüben (Boócz-Barna 2007: 32).

Die Lernen–Erwerben-Dichotomie führte in den 1980er Jahren zu einer Debatte zwischen den Vertretern der Zweitspracherwerbsforschung und der Sprachlehr- und -lernforschung. Die zentrale Frage dieser Debatte war, inwie-fern der Fremdsprachenerwerb durch den gesteuerten Unterricht zu beein-flussen ist oder umgekehrt: ohne Steuerung den natürlichen Erwerbsprozes-sen folgt. Auf sprachdidaktischer Ebene wurde einerseits eine Orientierung an natürlicher Kommunikation im Unterricht vorgeschlagen, andererseits wurden gute Möglichkeiten gesehen, „Sprachaneignungsprozesse durch an-gemessene Lehrverfahren zu beschleunigen“ (Ahrenholz 2010a: 191). Heutzu-tage hat diese Debatte im Zusammenhang mit den Migrationsprozessen und der Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund wieder an Be-deutung gewonnen.

Mir ist bewusst, dass Fremdsprachenlernende in der globalisierten Welt auch außerhalb des Unterrichts dem ungesteuerten Erwerb ausgesetzt sind und im ungesteuerten Erwerbsprozess ebenso fremdgesteuerte Phasen wahr-zunehmen sind (Boócz-Barna 2007: 31f.). Für die vorliegende Arbeit ist aber die Lernen–Erwerben-Dichotomie von Bedeutung, weil im Mittelpunkt das Lernen unter institutionellen Rahmenbedingungen steht. Meinen Überlegun-gen liegt Fremdsprachenlernen als gesteuerter bewusster Prozess, der sich unter institutionellen Bedingungen vollzieht und curricular untermauert ist, zugrunde.

2.2.2 Hypothesen zum Spracherwerb

Die begriffliche Differenzierung des Erwerbs und des Lernens deutet auf die Existenz von Theorien und Ansätze hin, die den Aneignungsvorgang der Sprachen umfassend abzubilden versuchen. In der Fremdsprachen- und Zweitspracherwerbsforschung, die die Entwicklungsprozesse von Sprachen beschreiben, wurden Ansätze entwickelt, die sich zum Ziel setzen, den An-eignungsvorgang unter je unterschiedlichem Fokus zu modellieren (Königs 2010a: 322). Lerngegenstand, Lernvorgang und Interaktion stellen die drei Fokuspunkte des Aneignungsvorgangs dar, die bei der Förderung der

indivi-duellen Mehrsprachigkeit entscheidend sind. Im Folgenden werden diese drei Schwerpunkte in Anlehnung an Königs (2010a: 322ff.) in ihrer Bedeutung für die Untersuchung der Sprachentwicklung kurz umrissen.

Unter Lerngegenstand wird die jeweilige Fremdsprache, die gelernt wird, verstanden, die für den Aneignungsprozess in erster Linie verantwortlich ist.

In Bezug auf die Fremdsprache als Lerngegenstand geht die Kontrastivhypo-these davon aus, dass die Mutter- und die Fremdsprache ihre Wirkung auf den Sprachaneignungsprozess entfalten und die erstsprachlichen Strukturen die Mechanismen des Zweitspracherwerbs systematisch prägen (Königs 2010b:

756). Es wird dabei angenommen, dass die Ähnlichkeiten zwischen der Erst-und der Fremdsprache den Lernprozess erleichtern, die bestehenden Unter-schiede aber zu Lernschwierigkeiten und dadurch zu Fehlern führen (Hen-rici/Riemer 2007: 40; Brdar-Szabó 2010a: 521).

Beim Lernen mehrerer Sprachen ist es äußerst wichtig, sowohl die Ge-meinsamkeiten, als auch die Unterschiede zwischen den Sprachen bewusst zu machen. Heutzutage wird oft die Auffassung vertreten, dass die Erstsprache aus dem Fremdsprachenunterricht auszuklammern ist. Damit die Erstspra-che nicht ignoriert wird und das Prinzip der Kontrastivität zur Geltung kommt, muss Kontrastivität differenziert betrachtet und darf nicht mit der Kontrastivhypothese gleichgesetzt werden: Kontrastivität als Strategie ermög-licht nämlich die optimale Steuerung des Unterrichtsprozesses und die Be-wusstmachung sprachlicher Strukturen im Fremdsprachenunterricht (Brdar-Szabó 2010a: 524f.).

Der Kontrastivhypothese entgegengesetzt betont die Identitätshypothese den identischen Verlauf des Erst- und Zweitsprachenerwerbs, wobei angebo-rene mentale Prozesse aktiviert werden sollen (Henrici/Riemer 2007: 40; Kö-nigs 2010b: 756f.), denen beim Lernen mehrerer Sprachen eine große Bedeu-tung zukommt: Sie ermöglichen u.a. den Transfer von sprachenunabhängigen sprachlichen Elementen und Kompetenzen.

Der Lernvorgang, der den zweiten Fokuspunkt des Aneignungsvorgangs darstellt, wird durch einen Komplex mehrerer Ansätze modelliert. Dabei hat auch die Identitätshypothese eine Wirkung, die außer der zu lernenden Spra-che auch den Lernvorgang unter die Lupe nimmt. Die Identitätshypothese greift dabei auf die begriffliche Differenzierung zwischen Lernen und Er-werben in Bezug auf unterschiedliche Verarbeitungsmodi bei der Aneignung

zurück (Königs 2010a: 323). Die von Selinker vertretene Interlanguage-Hypo-these kann auch zur Beschreibung und Modellierung des Lernvorganges beitragen, indem der Aneignungsvorgang „als die Ausprägung eines den ler-nerspezifischen Bedingungen und Verarbeitungsprozeduren folgenden be-sonderen Systems“ bezeichnet wird (Königs 2010a: 323). Der Ausgangspunkt dabei ist eine vom Lernenden entwickelte spezifische Sprache, eine sog. „In-terlanguage“, die sowohl Merkmale der Erst- und der Zielsprache, als auch eigenständige Merkmale aufweist und auch Fehler enthalten kann (Aguado 2010: 142).

Eine den Aneignungsvorgang beschreibende weitere Hypothese ist die von Krashen entwickelte Monitorhypothese, in deren Mittelpunkt der Monitor als mentale Instanz steht, die den Spracherwerbs- und -produktionsvorgang überwacht. Reflexion über das eigene Produktionsverhalten in der Fremd-sprache kann sich unter Berücksichtigung situativer Bedingungen auf das Lernen als Aneignungsvorgang positiv auswirken (Königs 2010a: 323). Über die Monitorhypothese hinaus geht die auch die Inputhypothese auf Krashen zurück. Im Gegensatz zur Monitorhypothese liegt Letzterer jedoch die Idee zugrunde, dass der bedeutungsvolle, kommunikative sprachliche Input, der für die Lernenden eine Herausforderung bedeutet, von entscheidender Be-deutung für die Fremdsprachenaneignung ist (Königs 2010b: 759). Trotz der wichtigen Rolle des Inputs beim Spracherwerb reicht er im Sinne der Output-hypothese allein nicht aus. Der Spracherwerb gelingt erst dann, „wenn die zu erwerbende Sprache in der Interaktion benutzt wird“ und von Lernenden bewusst reflektiert wird (Hufeisen/Riemer 2010: 743). Der Output verfügt über mehrfache Funktionen und bezieht sich einerseits auf das Aushandeln von Bedeutung und auf die Sicherstellung der Kommunikation, andererseits fungiert er als Ergebnis des Aneignungsvorgangs, das Gegenstand der Ana-lyse und Reflexion von Lernenden ist. Daraus lässt sich darauf folgern, dass lernerseitige Reflexion, Aufmerksamkeitsfokussierung und strategisch moti-vierte kognitive Prozesse für die Beschreibung des Aneignungsvorgangs we-sentliche Elemente sind (Königs 2010b: 759f.).

Hinsichtlich des Lernvorgangs ist noch die Teachability-Hypothese (Lehr- und Lernbarkeitshypothese) von Pienemann zu nennen, die besagt, dass Spracherwerb nur in dem Falle stattfinden kann, „wenn die unterrichtlichen Maßnahmen auf den Entwicklungsstand der Interlanguage abgestimmt sind“

(Henrici/Riemer 2007: 40). Im Lehr- und Lernprozess ist der sprachliche Entwicklungsstand von Lernenden immer mit zu berücksichtigen. An den Entwicklungssequenzen lässt sich ablesen, „in welchem Stadium des Aneig-nungsprozesses sich ein Individuum befindet“ (Königs 2010a: 323f.).

Den dritten Fokus, nach dem der Aneignungsvorgang von Sprachen zu beschreiben ist, bildet die Interaktion. Die Interaktionshypothese geht davon aus, dass die Interaktion für das Sprachenlernen eine Voraussetzung darstellt und die erfolgreiche Sprachaneignung metasprachliche Reflexionsfähigkeit und entsprechende Reaktionen des sprachlichen Gegenübers voraussetzt (Königs 2010b: 760). Durch die Interaktion kann der Input vom Lernenden internalisiert bzw. verarbeitet werden (Hufeisen/Riemer 2010: 743). Die Ak-kulturationshypothese schließlich beschreibt den Aneignungsprozess nach der psychischen und sozialen Distanz, d.h. unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Lernzuwachs von der negativen und positiven Ausprägung dieser genannten Parameter abhängig ist (Henrici/Riemer 2007: 40).

Bei der Erforschung der Sprachentwicklung in mehreren Sprachen spielen Erkenntnisse und Modelle der Fremdsprachen- und der Zweitspracherwerbs-forschung eine wichtige Rolle. Ihre Ergebnisse geben dahingehend einen Ein-blick, unter welchen Bedingungen sich eine L2 entwickeln kann und in wel-cher Relation diese mit der jeweiligen L1 steht. Bei der Förderung der indivi-duellen Mehrsprachigkeit sind diese Fragen von hoher Relevanz, denn die theoretischen Ansätze zur Beschreibung und Erklärung von Spracherwerb ermöglichen differenzierte Einsichten in die menschliche Sprachverarbeitung und in die fremdsprachlichen Aneignungsvorgänge (Königs 2010a: 325).

2.3 Zur Problematik der Bezeichnung der Sprachen