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Die Beschreibung der Lesekompetenz

3 Mehrsprachigkeit

4.4 Lesekompetenz

4.4.1 Die Beschreibung der Lesekompetenz

Den Gegenstand des vorliegenden Abschnitts stellt die Auseinandersetzung mit drei Modellen dar, die die Lesekompetenz aus unterschiedlicher

Annähe-rung erfassen: Das kognitionspsychologisch orientierte, das kulturwissen-schaftliche und das Mehrebenenmodell der Lesekompetenz erlauben es, de-ren Komplexität aufzuzeigen.

In der PISA-Studie wird Lesekompetenz unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität für die Lebensbewältigung und deren Anschlussfähigkeit für das Weiterlernen in der Zukunft untersucht. Bei den PISA-Leseaufgaben geht es um den verstehenden Umgang mit Texten. Der Konzipierung der Lese-aufgaben liegt die theoretische Struktur der Lesekompetenz zugrunde, die textimmanente und wissensbasierte Verstehensleistungen unterscheidet (Ab-bildung 1). Das bedeutet, dass Lesende bei der Bewältigung einer Leseaufgabe als Grundlage entweder die im Text enthaltenen, primär textinternen Infor-mationen oder ihr Vorwissen bzw. textexternes Wissen nutzen.

Abbildung 1:

Theoretische Struktur der Lesekompetenz in PISA (Garbe 2009: 22)

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, werden beide Verstehensleistungen noch weiter differenziert. In den PISA-Aufgaben müssen Lesende überwie-gend Informationen aus einem vorgegebenen Text heraussuchen, ein allge-meines Verständnis entwickeln bzw. eine textbezogene Interpretation vor-nehmen. Darüber hinaus müssen auch Form und Struktur des Textes reflek-tiert und bewertet werden. Auf der letzten Ebene des Schemas finden sich fünf Kompetenz-Dimensionen, die sowohl auf der Textseite (Entwicklung eines allgemeinen Textverständnisses, Ermittlung von Informationen, Entwicklung einer textbezogenen Interpretation), als auch auf der Wissensseite (Reflexion über Textinhalt und über die Textform) realisiert werden. Die fünf Dimen-sionen werden zu drei TeildimenDimen-sionen (Informationen ermitteln, textbe-zogenes Interpretieren, Reflektieren und Bewerten) zusammengefasst (Bau-mert et al. 2001; Hurrelmann 2007: 23ff.; Garbe 2009: 22f.; Gailberger /Holle 2010: 291ff.). Obwohl die kognitive Komponente des Lesens nicht anzuzwei-feln ist, wird in der Lese- und Sozialisationsforschung Kritik an ihrer Domi-nanz geäußert. Vor allem wird kritisiert, dass das PISA-Kompetenzmodell die Erwerbswege und die subjektiven bzw. sozialen Funktionen des Lesens nicht mit berücksichtigt. Das Modell umfasst keine auf die Entwicklung und auf die soziale Einbindung der Lesefähigkeit gerichteten Dimensionen (Rosebrock/

Nix 2011: 9).

Dem kognitionspsychologisch orientierten PISA-Lesebegriff gegenüber betont die Lesesozialisationsforschung die aktive und konstruktive Leistung des Lesers. Lesen ist in diesem Zusammenhang ein konstruktiver Akt der Be-deutungszuweisung zu einem Text, der in einem Handlungszusammenhang steht, wozu auf der Leserseite nicht nur kognitive Fähigkeiten und Vorwissen erforderlich sind, sondern auch motivational–emotionale und kommunika-tiv–interaktive Fähigkeiten (Hurrelmann 2007: 23f.).

Hurrelmann (2002a) plädiert in diesem Zusammenhang für ein didak-tisches Konzept des Lesens als kultureller Praxis und bettet die Lesekom-petenz in einen weiteren gesellschaftlichen Kontext ein. Ausgehend von ei-nem ganzheitlichen Modell der Lesekompetenz im Sozialisationskontext, das Textverstehen in einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung verortet, wird Lesen als eine kulturelle Praxis aufgefasst, die sich die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zum Ziel setzt (Abbildung 2). Dieses Modell umfasst die personalen, sozialen und medialen Bedingungen einer erfolgreichen

Lese-sozialisation bzw. die sozialen und personalen Wirkungen einer gut entwi-ckelten Lesekompetenz. Die normative Dimension dieses weit gefassten Lese-begriffs enthält neben der Kognition weitere Dimensionen wie Motivationen, Emotionen, Reflexionen und die Anschlusskommunikation als Bestandteile der Lesekompetenz. Die normativen Dimensionen der Lesekompetenz wer-den in diesem Modell stärker akzentuiert und sind weniger pragmatisch aus-gerichtet als im PISA zugrunde liegenden Literacy-Konzept. Die Lesesoziali-sationsforschung geht von einem gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekt als normativer Leitidee aus. Dieses Subjekt kann Lesen nicht nur für instru-mentelles Handeln einsetzen, sondern auch als Medium der Persönlichkeits-bildung und -entwicklung. Das gesellschaftlich handlungsfähige Subjekt ist den Anforderungen einer schriftbasierten Mediengesellschaft gewachsen und kann seine Persönlichkeit und die gesellschaftlichen Verhältnisse sinnvoll gestalten.

Abbildung 2:

Lesekompetenz im Sozialisationskontext (Hurrelmann 2002a: 16)

Die deskriptive Dimension der Lesekompetenz wird in die drei Dimensio-nen (1) der KognitioDimensio-nen, (2) der MotivatioDimensio-nen und EmotioDimensio-nen sowie (3) der Reflexionen und Anschlusskommunikationen ausdifferenziert:

1) Zu den Kognitionen gehören automatisierte hierarchieniedrige und strategisch–zielbezogene hierarchiehöhere Prozesse. Die einzelnen Teilopera-tionen zielen auf die Bildung kohärenter mentaler TextrepräsentaTeilopera-tionen als Kern der Lesekompetenz ab. Kognition wird hier als ein modelltheoretischer Zusammenhang verstanden, wie Lesende bei der Textrezeption von der visu-ellen Wahrnehmung zu einem kohärenten Sinnzusammenhang gelangen.

2) Die motivationale Dimension beinhaltet die Fähigkeit zum Einsatz des Lesens für subjektive Ziele und zur Abstimmung von Lesebedürfnissen und Leseangeboten. Außerdem umfasst die motivationale Dimension die Lese-bereitschaft und die flexible Gestaltung des Leseprozesses. Die emotionale Di-mension, die mit der motivationalen die zweite Kompetenzdimension dar-stellt, bezieht sich auf die Fähigkeit zum Erleben und Balancieren von Gefüh-len beim Lesen und auf die Gestaltung der Lesemotivation.

3) Reflexionen und Anschlusskommunikationen machen die soziale Di-mension der Lesekompetenz aus. Sie betreffen zum einen die Bewusstma-chung und Überprüfung der Bedeutungskonstruktion, zum anderen die kri-tische Auseinandersetzung mit dem Text bzw. die Selbstreflexion. Anschluss-kommunikationen thematisieren und reflektieren also die kognitive Verarbei-tung einer Textvorgabe und gehören dadurch zum Rezeptionsakt.

Das Lesekompetenz-Konstrukt geht von dimensional unterscheidbaren Fähigkeitskomponenten aus, zwischen denen eine Wechselwirkung ange-nommen wird. Die einzelnen Komponenten des Modells stimmen mit der interdisziplinären Auffassung des Lesekompetenzbegriffs, der in Kooperation zwischen Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik entwickelt worden ist, überein. Lesekompetenz wird in diesem Verständnis als ein Verbund von vier prototypischen Leistungs- und Fähigkeitskomplexen betrachtet. Lesen ist also ein konstruktiver Akt, der

„kognitive Leistungen, motivationale Beteiligung, emotionale Beteiligung und die reflexive Beteiligung des Rezeptionsprozesses auf Metaebene sowie die Fähigkeit zur Teilnahme an Anschlusskommunikation umfasst“ (Scher-ner 2006: 70). Nur ein so breites Verständnis vom Lesen kann bewirken,

dass das Lesen über instrumentelles Handeln hinaus noch in andere Domä-nen der Handlungsfähigkeit hineinführt, die wie das normorientierte, das subjektorientierte und das verständigungsorientierte Handeln in engstem Zu-sammenhang stehen zu personaler Bildung. (Hurrelmann 2002a: 18) Das Modell der Lesesozialisationsforschung legt nahe, dass Lesekompetenz Teil einer umfassenden Lesekultur sein soll. Im Modell wird nämlich ein Un-terschied zwischen der Leseleistung bzw. Lesesozialisation und zwischen der Leistungsmessung bzw. der Einführung in die Welt der Schriftsprache ge-macht, daher ist es sowohl für die Sozialisationsforschung, als auch für die Di-daktik von weitgehend zentraler Bedeutung (Hurrelmann 2002a und 2002b;

Scherner 2006: 70ff.; Garbe 2009: 30ff.; Gaiser 2010: 388ff.; Neuland /Peschel 2013: 165f.).

Das didaktisch orientierte „Mehrebenenmodell“ von Rosebrock und Nix (2008, 2011) basiert auf dem ganzheitlichen Modell der Lesekompetenz. Das Modell ist insofern didaktisch ausgerichtet, als es neben den kognitiven Aspekten des Lesens auch die persönlichkeitsbestimmenden und kommuni-kativ–sozialen Aspekte, die für die handlungsorientierten und lesebezogenen Unterrichtsprozesse aus fachdidaktischer Perspektive von Bedeutung sind, berücksichtigt (Nix 2010: 144). Dem „Mehrebenenmodell“ (Abbildung 3) liegt ebenfalls ein umfassender Begriff der Lesekompetenz zugrunde.

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, wird Lesen in drei Kompetenzfelder bzw. drei Ebenen, die als ein Ausschnitt aus drei konzentrischen Kreisen dar-gestellt werden, geteilt. Im Zentrum befinden sich die kognitiven Tätigkeiten während des Leseprozesses sowie die kognitiven Anforderungen des Lese-aktes. Zur Prozessebene gehören fünf Anforderungsdimensionen, die die hierarchieniedrigen und hierarchiehohen Prozesse des Lesens umfassen, die von der Wortidentifikation über die lokale und globale Kohärenzbildung bis zum Erkennen von Superstrukturen, zum Aufbau eines mentalen Modells und zur Identifizierung von Darstellungsstrategien reichen.

Die Prozessebene wird von der Subjektebene umgeben, auf der Motiva-tion, Wissenskomponenten, innere Beteiligung und Reflexion Einfluss auf den Leseprozess ausüben. An dieser Stelle lässt sich eine Gemeinsamkeit mit Elementen des sozialisationstheoretischen Modells von Hurrelmann, in dem Motivation, Emotion und Reflexion als Dimensionen der Lesekompetenz auf-gefasst werden, aufdecken.

Abbildung 3:

Das „Mehrebenenmodell“ von Rosebrock und Nix (2008: 16) Den äußeren Kreis des Modells bildet die soziale Ebene, die verschiedene Sozialisationsinstanzen (u.a. Familie, Schule) bzw. das kulturelle Leben um-fasst und die Dimension der Anschlusskommunikation beschreibt. Dadurch wird der Relevanz des sozialen Kontextes beim Erwerb der Lesekompetenz Rechnung getragen. Die Ebenen der Lesekompetenz werden im Modell in konzentrischen Kreisen angeordnet, die auf die Interaktion und die Aufein-anderbezogenheit der Dimensionen verweisen.

Im Vergleich zum sozialisationstheoretischen Modell kommt in diesem

„Mehrebenenmodell“ vor allem der didaktische Aspekt zum Tragen. Der Schwerpunkt liegt darauf, „an welchen Dimensionen von Lesekompetenz ein-zelne Maßnahmen der Leseförderung ansetzen“ (Garbe 2009: 35). Da das Mo-dell von Rosebrock/Nix andere Zielsetzungen verfolgt als das sozialisations-theoretische, werden die Bedingungen und Wirkungen einer gelingenden Lesesozialisation und die normative Komponente des gesellschaftlich hand-lungsfähigen Subjekts kaum berücksichtigt. Ein solches Modell ermöglicht

die Zuordnung verschiedener Maßnahmen der Leseförderung zu Ebenen und zu Elementen dieser Ebenen der Lesekompetenz. Als Ertrag lassen sich die Erleichterung von Entscheidungen über die Zielgerichtetheit didaktischer Maßnahmen beim Lesen und die Systematisierung der Leseförderung nennen (Rosebrock/Nix 2008: 14ff. und 2011: 9ff.; Garbe 2009: 33ff.; Nix 2010: 144ff.;

Gailberger /Holle 2010: 306ff.; Neuland /Peschel 2013: 166f.).

In Bezug auf die im Vorigen vorgestellten Modelle der Lesekompetenz lässt sich feststellen, dass sie mit den gleichen Dimensionen arbeiten, aber unterschiedlich ausgerichtet sind und unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

Für die vorliegende Arbeit haben die Modelle und die Wechselwirkung ihrer Dimensionen eine hohe Relevanz.

Die Analyse der Modelle deutet auch an, dass die Beschreibung der zen-tralen Dimensionen bzw. der Teilkomponenten der Lesekompetenz als eines wissenschaftlichen und wertenden Konzeptes, die Behandlung der sie beein-flussenden Faktoren und die Kennzeichnung ihrer historisch–normativen Implikationen zu explizieren sind. Das Lesekompetenz-Konstrukt geht von dimensional unterscheidbaren Fähigkeitskomponenten aus. Zur Lesekompe-tenz gehören neben den kognitiven Leistungen motivationale und emotionale Fähigkeiten, „Fähigkeiten zur Reflexion und zur Weiterverarbeitung des Ver-standenen in Anschlusskommunikationen im Rahmen sozialer Interaktion“

(Hurrelmann 2002b). Lesekompetenz ist also keine angeborene Fähigkeit, sie ist als das Ergebnis der Sozialisation aufzufassen, „in der interindividuell un-terschiedliche Dispositionen, bereits erworbene (schrift-)sprachliche Rezep-tionsfähigkeiten und neue Situationsanforderungen der Lektüre miteinander interagieren“ (ebd.).