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Lernen als Forschungsgegenstand

2 Lernen und Fremdsprachenlernen

2.1 Lernen als Forschungsgegenstand

Lernen ist ein Begriff, der in vielen Kontexten verwendet und in verschiede-nen Wissenschaften von unterschiedlichen Aspekten her erforscht wird. Der Lernbegriff wird einerseits in einer alltäglichen, andererseits in einer wissen-schaftlichen Bedeutung verwendet.

Im alltäglichen Gebrauch wird unter Lernen eine Art Informationsauf-nahme, Informationserwerb und die Anpassung des neu Gelernten an das Vorhandene verstanden. Die Wissenschaften haben sich von diesen „naiven“

Vorstellungen vom Lernen abgewandt und haben ihre eigenen Fragestellun-gen in Bezug auf die Untersuchung des Lernens entwickelt (Nahalka 2003:

104). Laut einer weit verbreiteten wissenschaftlichen Definition ist Lernen

„ein Prozess der Veränderung von Wissen, Einstellungen, Werten, Fertigkei-ten oder VerhalFertigkei-ten aufgrund von Erfahrung“ (Tschirner 2010: 190) und bil-det im Sinne dieser Deutung den Forschungsgegenstand verschiedener Dis-ziplinen.

An erster Stelle ist die Kognitionswissenschaft zu erwähnen, die sich mit dem menschlichen Erkennen und dem Lernen beschäftigt. Die Kognitions-wissenschaft gilt seit den 1980er Jahren als eine integrative Wissenschaft, die verschiedene Wissenschaften mit dem Forschungsinteresse, den menschli-chen Geist und die menschliche Kognition zu untersumenschli-chen, verbindet. Den Gegenstand der Kognitionswissenschaft bildet daher „die Analyse der kogni-tiven Systeme des Menschen und anderer Lebewesen sowie ähnlicher maschi-neller Systeme“ (Wolff 2002a: 19). Die Kognitionswissenschaft versucht durch die Untersuchung der Kognition zu verstehen, wie Wahrnehmung, Lernen, Denken und Urteilen im menschlichen Geist funktionieren. Bei der Beschrei-bung kognitiver Systeme werden die Dimensionen der Tektonik (Aufbau des Systems), der Dynamik (Funktionsweise des Systems) und der Genetik (Ent-stehung und Veränderbarkeit des Systems) unterschieden. In Bezug auf die

Erforschung des Lernens hat die Genetik eine wichtige Rolle, in deren Rah-men untersucht wird, wie sich das kognitive System Wissen aneignet, d.h. wie das Lernen erfolgt. Lernen steht also im Mittelpunkt genetischer Fragestel-lungen in der Kognitionswissenschaft (Wolff 2002a: 21ff.).

Die kognitive Psychologie ist eine kognitionswissenschaftliche Teildiszip-lin und beschäftigt sich damit, „wie Menschen Information verarbeiten und in ihrem Gedächtnis verankern“ (ebd., S. 35). Im Rahmen von Theorien der kognitiven Psychologie werden komplexe Lernprozesse untersucht, wobei Lernen als ein Prozess der Informationsverarbeitung betrachtet wird. In der kognitiven Psychologie wird der Frage nachgegangen, wie der Mensch lernt und wie der Lernprozess modelliert werden kann (ebd., S. 65ff.).

Über die Kognitionswissenschaft hinaus beschäftigt sich u.a. die Gehirn-forschung als ein Teilgebiet der Neurowissenschaften mit dem Lernen. Dieser Wissenschaftszweig stellt die Fragen in den Mittelpunkt, wie das menschliche Gehirn aufgebaut ist und wie es funktioniert. Im Kontext des Fremdspra-chenlernens untersucht die Gehirnforschung, welche mentalen Prozesse der Sprachverarbeitung zugrunde liegen, inwiefern sich Prozesse des Erst-, Zweit- und Fremdspracherwerbs unterscheiden und welchen Einfluss diese Prozesse auf das Fremdsprachenlernen haben (Barkowski/Zippel 2010: 98f.).

Der Lernprozess ist auch Gegenstand der Erziehungswissenschaft, die Bildungs- und Erziehungsprozesse erforscht. Das Forschungsinteresse der Erziehungswissenschaft erstreckt sich auf die Ziele, den Verlauf und die Ergebnisse des Lernprozesses. Sie untersucht außerdem die institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen die Erziehung und das Lernen stattfinden bzw. die am Lehr- und Lernprozess beteiligten Lehrpersonen und Lernenden.

Seit einer langen Zeit setzt sich die Erziehungswissenschaft die Erziehung der Jugendlichen zur Handlungsfähigkeit und zur Selbstbestimmung zum Ziel.

Diese Wissenschaft beschäftigt sich also mit dem Lernprozess, mit Fragen der Erziehung und der Bildung, mit Methoden des Lernens und mit dem Zusam-menhang der Schule und der Gesellschaft (Meyer 2007: 43ff.).

Lernen ist einer der didaktisch–methodischen Gegenstände des Faches Deutsch als Fremdsprache. Mit der Erforschung von Lernen und Lehren fremder Sprachen unter institutionellen Rahmenbedingungen befasst sich die Fremdsprachendidaktik, die auf die Erforschung, Erklärung und Optimie-rung von Lehr- und Lernprozessen abzielt. Fremdsprachendidaktik

fungiert als eine Theorie vom Lehren und Lernen fremder Sprachen in ihren unterschiedlichen Dimensionen und Faktoren, als eine Bildungstheorie, die die gesellschaftlichen, kulturellen und sprachlichen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen des Fremdsprachenlernens analysiert und entwirft. (Feld-Knapp 2014c: 37)

Die Fragestellungen der Fremdsprachendidaktik, die sich u.a. für die Förde-rung der Mehrsprachigkeit im institutionellen Fremdsprachenunterricht en-gagiert (Feld-Knapp 2012 und 2014c), sind für die vorliegende Arbeit von ho-her Relevanz.

Im Kontext des Fremdsprachenlernens ist die Lernpsychologie eine Wis-senschaft, deren Erkenntnisse über die Vorgänge des Lernens von großer Be-deutung sind. Lernpsychologie fungiert als Psychologie der Lehr- und Lern-methoden, indem sie Lernprozesse analysiert und Erkenntnisse über den Erwerb und die Veränderungen von psychischen Vorgängen und Repräsenta-tionen liefert (Schönpflug 2007: 49f.). Die lernpsychologischen Forschungs-ergebnisse geben Anstöße für die Lerntheorien, die die Beschreibung, Erklä-rung und Prognose von Lernen anstreben (Königs 2010c: 195).

Die wichtigsten Lerntheorien mit unterschiedlichen Konzepten und Mo-dellen vom Lernen bzw. vom Lernprozess sind die behavioristische (Mitchian 2010; Edmondson/House 2011), die kognitive (House 1998; Zimmermann 1998; Börner 1998; Krumm 1998), die konstruktivistische (Wolff 1996, 1997a, 2000 und 2002a; Müller 1996) und die konnektionistische Lerntheorie (Schmidt 2010; Schönpflug 2007).

Dem Sprachen- und Fremdsprachenlernen im institutionalisierten Fremd-sprachenunterricht liegen heutzutage die konstruktivistischen und konnek-tionistischen Gedanken zugrunde. Dabei gilt Konstruktion einerseits als Grundprinzip der Sprachverarbeitung und des Sprachenlernens, andererseits als fremdsprachendidaktisches Konzept. Der Unterricht moderner Fremd-sprachen lässt sich im Rahmen eines konstruktivistischen Paradigmas gestal-ten, das davon ausgeht, dass Sprachenlernen und Sprachgebrauch Konstruk-tionsprozesse darstellen (Wolff 2000: 91ff. und 2002a: 339ff.). Dementspre-chend bedeutet Sprachenlernen den Erwerb von individuellen, komplexen mentalen Prozessen, von kooperativen Prozessen des gemeinsamen Bedeu-tungskonstruierens und den von sprachlichen Mitteln in konkreten, authenti-schen Situationen (Wolff 2002a: 341f.). Aus den Überlegungen der

konstrukti-vistischen Lerntheorie leitet sich vor allem das Konzept der Lernerautonomie ab, das für die Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit von hoher Relevanz ist. Mehrsprachigkeit setzt nämlich ein autonomes und strategisches Verhalten beim Lernen voraus. Im autonomen Lernprozess kommen der Eigenverantwortung, der Selbstorganisation, dem bewussten bzw. reflektier-ten Umgang mit Strategien und dem Strategietransfer eine große Bedeutung zu (Feld-Knapp 2010a: 21 und 2011a; Rampillon 2006; Vollmer 1998; Wolff 1994: 426f. und 2007). Strategien werden in einem lernerorientierten bzw.

autonomiefördernden Fremdsprachenunterricht als Kernkomponente ansehen. Lernenden soll ein breites Spektrum an Strategien zur Verfügung ge-stellt werden, um die für sie geeignetesten, ihren sprachlichen Handlungs-zielen und ihren individuellen Lernstilen entsprechenden selbstständig aus-wählen zu können. Bei der Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit sind die auf der kognitiven und metakognitiven Ebene eingesetzten Sprach-lern-, und Sprachgebrauchsstrategien gleichermaßen von hoher Relevanz (Feld-Knapp 2005 und 2010a; Tönshoff 2007; Bimmel 2012; Schramm 2014).

Die Rolle der Strategien und des Strategietransfers wird im Kontext des Lesens in Abschnitt 4.4.2 ausführlich behandelt.

Für die vorliegende Arbeit sind über die Erkenntnisse der konstrukti-vistischen Lerntheorie hinaus die Erkenntnisse des konnektionistischen An-satzes besonders relevant. Der Auffassung vom Lernen mehrerer Sprachen liegt nämlich das Konzept der Verknüpfung neuronaler Verbindungen zu-grunde, nach dem sprachliche Handlungsfähigkeit sich als Ergebnis der Ver-netzung eines neuronalen Netzwerks betrachten lässt, wobei das Wissen über diese neuronalen Architekturen in kognitive Modelle eingebunden wird (Schmidt 2010: 813ff.) und die Wissenselemente nicht voneinander isoliert behandelt werden. Die neuronalen Verbindungen ermöglichen außerdem den Transfer, also die Übertragung des Gelernten auf neue Situationen (Keß-ler 2010: 164; Schönpflug 2007: 51f.).