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Theoretischer Hintergrund

In document zeichen setzen ∙I∙∙∙∙∙∙∙ (Pldal 107-110)

Eine vergleichende Analyse von Márta Kukri

1 Theoretischer Hintergrund

Im vorliegenden Abschnitt werden die theoretischen Aspekte kurz erläu-tert, anhand deren der Vergleich der beiden Königsfiguren durchgeführt wurde. Als Grundlage dient das Webersche Modell zur Herrschaftstheo-rie. Zur Kontextualisierung der Figuren werden anschließend die histo-rischen Epochen charakterisiert, in denen die Werke entstanden sind.

1.1 Herrschaftstheorien nach Max Weber

Um die vier Herrscherfiguren – Gunther und Siegfried bzw. Buda und Etzel – miteinander vergleichen zu können, wird die Herrschaftstheorie von Max Weber (Weber 2013) herangezogen. In der früheren Forschung wird der Begriff ‚Herrschaft‘ immer häufiger mit Hilfe dieser Theorie de-finiert (vgl. Ubl 2008: 9). Weber unterscheidet drei Typen der legitimen Herrschaft und definiert eine bürokratische, eine traditionelle und eine charismatische Herrschaftsform. Für die vorliegende Analyse sind beson-ders die traditionelle und die charismatische Herrschaftsform relevant.

Weber zufolge ist die reinste Form der traditionellen Herrschaft die patriarchalische, in der der traditionelle Herrscher seine Legitimation durch das Erbfolgerecht erhält. Über das Land herrscht eine königliche Familie, der König kann nur ein Mitglied dieser Familie sein. Der Herr-scher bekommt die Macht vererbt, seine Legitimation erfolgt durch seine Abstammung. Die Verwaltung des Landes beruht ebenfalls auf Traditio-nen: die Standesordnung, die Gesetze werden von Generation zu Genera-tion tradiert. Die Struktur der Gesellschaft setzt sich aus dem Herren und

Zur Legitimation der Macht im Nibelungenlied und in König Budas Tod ∙ 107 seinen Untertanen zusammen, wobei Letztere in einzelne weitere Schich-ten zu unterteilen sind.

Der charismatische Herrscher hingegen gewinnt seine Legitimation nicht durch Abstammung, sondern durch seine Fähigkeiten. Er ist in ers-ter Linie ein kompeteners-ter König – er ist fähig, sein Land vor dem Feind zu schützen und so zu regieren, dass Frieden und Wohlstand herrschen. In manchen Kulturen verfügt der König auch über magische Begabung und offenbart sich prophetisch. Der charismatische Herrscher kann auch als ein Heldentyp betrachtet werden: Er verfügt über außerordentliche kör-perliche Kraft und hervorragende geistige Fähigkeiten. Während der tra-ditionelle Herrscher sein Recht auf den Thron nur einmal – durch seine Abstammung – legitimieren muss, wird vom charismatischen Herrscher immer wieder verlangt, seine Position durch die Demonstrierung seiner Kompetenz zu stabilisieren. Falls er den Anforderungen nicht mehr ge-recht werden kann, muss er in Konsequenz davon mit dem Verlust seiner Macht rechnen. Die Legitimation des charismatischen Herrschers erfolgt – anders als beim patriarchalischen Herrscher – immer durch Zustim-mung des Volkes.

1.2 Historischer Kontext 1: Das Mittelalter

Im mittelalterlichen Europa war die patriarchalische Herrschaftsform do-minant und funktionierte anhand zahlreicher geschriebener wie unge-schriebener Regeln (vgl. Ubl 2008). Die Legitimation der königlichen Position selbst beruhte auf religiöser Argumentation: Obwohl von Gott ursprünglich alle Menschen gleich geschaffen wurden, musste nach dem Sündenfall ein Oberhaupt eingesetzt werden, damit eventuelle Sünden auch eine rechtliche Konsequenz hatten. Der König war also der irdische Repräsentant der göttlichen Gerechtigkeit und Ordnung und musste dem-zufolge für sein Volk vorbildlich wirken. Nach den zeitgenössischen Fürs-tenspiegeln verfügte der ideale König über die Tugenden der Gerechtig-keit, FrömmigGerechtig-keit, FreigiebigGerechtig-keit, Gastfreundlichkeit und Mitleid gegen-über Armen und Kranken (vgl. Fischer 2009). Aufgrund dieser Tugenden konnten der König und sein Land auf Gottes Segen hoffen, der sich in Wohlstand und Frieden manifestierte. Als Haupttugend wurde in diesem

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Zusammenhang die Gerechtigkeit betrachtet: ein in diesem Sinne vorbild-liche König wurde dementsprechend als rex iustus bezeichnet. Ein unan-gemessen und ungerecht handelnder Herrscher hieß hingegen rexinquus (vgl. ebd). Die königlichen Tugenden sollten nicht nur die göttliche Gnade garantieren, sondern sicherten auch den Rahmen der politischen Kon-fliktlösung (vgl. Ubl 2008: 37). Diese Funktion kommt auch bei der Szene der Ankunft Siegfrieds in Worms im Nibelungenlied zum Vorschein.

Zum mittelalterlichen Königsbild gehörte darüber hinaus auch die Machtrepräsentation. Dies geschah einerseits durch symbolische Gegen-stände – Krone, Zepter, Krönungsmantel –, andererseits durch die Dar-stellung des königlichen Reichtums. Am Hof arbeiteten Truchsesse, Kü-chenmeister, Mundschenke und Marschälle. Sowohl der König als auch das Königspersonal bedienten sich an den Luxusgütern dieser Zeit. Dies-bezüglich bieten den Kulturwissenschaftlern die sogenannten ‚Schneider-strophen‘ des Nibelungenliedes interessante Beiträge an.

Ein König kann im Mittelalter ohne ausreichende Unterstützung nicht unbedingt lange seinen Thron behalten. Die Vasallen schulden ihm Vasal-lenpflichten – z.B. consilium et auxilium (Rat und Hilfe) oder den soge-nannten ‚Steigbügeldienst‘ – und müssen für ihren Herrn gegebenfalls natürlich auch sofort in den Kampf ziehen.

1.3 Historischer Kontext 2: Die Gesamtmonarchie

Der historische Kontext der Entstehung von Aranys Werk im 19. Jahrhun-dert war für Ungarn die Zeit der Gesamtmonarchie. Nach der Nieder-schlagung des ungarischen Freiheitskrieges wurde das Habsburgerreich unter Franz Josef I. wieder vereint. Die erneut verlorene nationale Unab-hängigkeit Ungarns und die gesamteuropäische Tendenz zur National-staatenbildung führten zur Unzufriedenheit gegenüber dem König. Diese Ereignisse und Strömungen übten auch auf das literarische Leben einen weitgehenden Einfluss aus. In der Epoche der Gründung der europäi-schen Nationalstaaten galt die Zielsetzung, die eigene Kultur und Ge-schichte neu zu entdecken – so wurde während dieser Periode auch Das Nibelungenlied zum Nationalepos der Deutschen (vgl. Sőtér 1965: 134–137).

Zur Legitimation der Macht im Nibelungenlied und in König Budas Tod ∙ 109 Da in Ungarn kein Sprachdenkmal überliefert wurde, das die Elemente der mündlichen literarischen Tradition (etwa ungarische Sagen, Mythen, sprachliche Zeugnisse religiöser Rituale) aufbewahrt hätte, bestimmte das Programm der Schaffung eines ungarischen Sagen- und Mythenkreises den künstlerischen Werdegang zahlreicher Autoren. Das Werk von János Arany fügt sich ebenfalls in dieses literarische Programm (vgl. Németh G.

1985: 7). Aranys ursprüngliche Intention war es, eine Trilogie zu schaffen, von der er allerdings lediglich die Dichtung König Budas Tod fertigstellen konnte (vgl. Barta 1953). Das Epos sollte die nationale Identität des unga-rischen Volkes fundieren. In der Zeit kurz vor dem österreichisch–unga-rischen Ausgleich war das Motiv des tüchtigen und legitimen Herrschers besonders aktuell, folglich wird die Darstellung der Machtproblematik möglicherweise an diesem Umstand festgemacht werden können.

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