• Nem Talált Eredményt

Das mentale Lexikon

In document zeichen setzen ∙I∙∙∙∙∙∙∙ (Pldal 187-192)

Bilingualismus und das mentale Lexikon

3 Das mentale Lexikon

Aufgabe und Funktion des mentalen Lexikons sind vielfältig definier-bar – einerseits ist es zur „Speicherung der Wörter und der dahinter stehenden Konzepte“ (Riehl 2014: 39) im Langzeitgedächtnis geeignet, andererseits dient es auch als „die Nahtstelle zwischen spezifischen Sin-neseindrücken […] oder motorischen Mustern“ (Raupach 1997: 21). Die Bezeichnung „Lexikon“ ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass dieser Speicher als „eine Art (internes) Wörterbuch“ fungiert, „in dem al-le al-lexikalische[n] Einträge gesammelt sind, und in dem […] [der Mensch]

bei Bedarf an einer bestimmten Stelle ‚nachschlägt‘“ (ebd., S. 20). Im Rah-men des im Lexikon vorhandenen Wissens werden die „morphophono-logische[n], syntaktische[n] und semantische[n] Informationen“ vom

„kategoriale[n], enzyklopädische[n] Wissen“ abgegrenzt (ebd., S. 25).

3.1 Inhalte und Beschreibung eines mentalen Lexikons Worin sich einsprachige und mehrsprachige mentale Lexika voneinander unterscheiden, ist eine beliebte Untersuchungsfrage der Neurolinguistik.

Bilingualismus und das mentale Lexikon ∙ 187 Die zentrale Fragestellung dabei ist, wie die einzelnen Sprachen im Ge-hirn gespeichert sind, d.h. ob sie in einem gemeinsamen oder in von-einander getrennten Speichern repräsentiert (Riehl 2014: 40) und wie sie miteinander vernetzt sind. Dass dieser ‚Wort- und Konzeptspeicher‘ „sys-tematisch strukturiert“ ist und über sprachunabhängige Komponenten verfügt, ist allgemein bekannt, über die genaue Struktur aber „herrscht kein Konsensus unter den Forschern“ (Sopata 2013: 151). Im Falle eines mehrsprachigen mentalen Lexikons liegt der wesentliche Unterschied ei-nem einsprachigen Lexikon gegenüber hauptsächlich darin, dass „nicht immer dieselben Konzepte oder Konzeptverknüpfungen […] lexikalisiert werden“ (Raupach 1997:26). Zwischen den zwei Sprachen können außer-dem sogenannte „lexikalische Lücken“ entstehen; das bedeutet, dass Teil-bereiche des Wortschatzes nur in einer der Sprachen existieren.

Nach Paradis (2004) hängt die Strukturiertheit des mentalen Lexikons von unterschiedlichen Faktoren – so z.B. vom Erwerbsalter, Erwerbs-kontext und GebrauchsErwerbs-kontext – ab, die eine Vielzahl von Speicherungs-theorien implizieren.

Die ‚Subset-Hypothese‘ besagt, „dass die Sprachen in unterschiedli-cher Weise mit einem und demselben konzeptuellen Erfahrungsspeiunterschiedli-cher verbunden sind“ (Riehl 2014: 40). Dies bedeutet, das Konzept sei „unab-hängig von der Sprache“, obwohl einige für die Sprache charakteristische Merkmale vorhanden sind (ebd). Dies ist auf den repetitiven Gebrauch der Ausdrücke zurückzuführen, unter denen hierdurch besondere Ver-bindungen entstehen. Die Subset-Hypothese setzt also sprachspezifische Teilmengen (‚subsets‘) zu den jeweiligen Sprachen voraus, die aber auch quer (d. h. mit einem subset der anderen Sprache) vernetzt sein können.

Das Modell von de Groot und Kroll (1997) basiert hingegen auf Se-men: Sprachen bestünden demnach aus „Bedeutungsbausteinen“. Das

‚Distributed Feature Model‘ meint, „je ähnlicher zwei Begriffe in der ei-nen und anderen Sprache sind, desto mehr Bausteine auf der konzeptuel-len Ebene haben sie gemeinsam“ (Riehl 2014: 41). Dies sei auch eine mög-liche Erklärung dafür, dass sich Mehrsprachige konkrete Wörter besser merken können, da diese Begriffe in den beiden Sprachen „häufig aus den gleichen Bedeutungsbausteinen“ bestehen, und die Seme von abstrakten Begriffen bei Übersetzungsäquivalenten nicht immer deckungsgleich sind (vgl. ung. szeretet – szerelem vs. dt. Liebe). Konkrete Wörter sind

außer-188 ∙ FRANCISKA VAN WAARDEN

dem der dual-coding-Hypothese zufolge „zweifach gespeichert“, da sie ei-nerseits als eine „verbale Einheit (logogen), und […] als konkrete bild-liche Vorstellung“ im mentalen Lexikon repräsentiert und daher „leichter zugänglich“ sind (ebd, S. 42).

Einheiten im mentalen Lexikon können nicht nur aufgrund ihres Häufigkeitsgrades gruppiert bzw. einer Oberkategorie zugeordnet wer-den. Laut Green (1998) sind Lemmata mit sogenannten ‚language tags‘

(‘Sprachmarkierungen’) ausgestattet (Riehl 2014: 42). Dies sorgt dafür,

„dass beim Zugriff auf das mentale Lexikon das Lemma in der richtigen Sprache“ verwendet wird. Außerdem sind auch „konnotative“ Informa-tionen mit den Einheiten des mentalen Lexikons verknüpft, unter ande-rem mit soziolinguistischen Hinweisen (z.B. in welchem Kontext das Wort gebraucht wird – ebd).

Außerdem sind Vernetzungen auch zwischen phonetisch ähnlichen Einheiten festzustellen, „unabhängig von der Sprache, zu der sie gehören“

(ebd., S. 44). Im Falle einer Übersetzungsaufgabe zwischen den zwei betroffenen Sprachen kann diese Erscheinung zu einem semantischen Transfer führen, d.h. die Bedeutung auf das jeweilige Wort aus der Kon-taktsprache übernommen werden (v.a. bei den sogenannten ‚falschen Freunden‘, vgl. engl. gymnasium ‘Turnhalle’ vs. dt. Gymnasium; nl. slim

‘klug’ vs. dt. schlimm). Riehl meint unter anderem, „Mehrsprachige [ha-ben] oft Probleme, gleichlautende Wörter (Homophone) in der anderen Sprache zu erkennen“, und dabei zur gleichen Zeit „beide Bedeutungen [zu] aktivieren“, was impliziert, dass Mehrsprachige keinen „selektiven Zugang“ zu ihrem mentalen Lexikon haben (ebd., S. 49).

Die Strukturiertheit des mentalen Lexikons ist aber auch von dem

„Typus der Mehrsprachigkeit“ abhängig (vgl. Abschnitt 2.1). Obwohl es nach der Meinung einiger Forscher keine Unterschiede zwischen dem Le-xikon eines Mehrsprachigen und einer Person mit nur einer Mutter-sprache gibt, ist es laut Riehl notwendig, die Verschiedenheiten des koor-dinierten und des zusammengesetzten Bilingualismus zu verdeutlichen.

Anhand des ‚Revised Hierarchical Models‘sind „die Wörter in L1 stärker mit den Konzepten verbunden als die Wörter in L2“, was wiederum das Vorhandensein von Übersetzungsäquivalenten impliziert (Riehl 2014:

42). Diese Variante ist eher für Spätmehrsprachige, d.h. für Mehrspra-chige, „die ihre zweite Sprache nach der frühen Kindheit erworben haben

Bilingualismus und das mentale Lexikon ∙ 189 und deren dominante Sprache die Erstsprache ist“, charakteristisch (ebd., S. 43). Dabei ist es wichtig zu betonen, dass das ‚Revised Hierarchical Mo-del‘ als ein „dynamisches Modell“ zu betrachten ist, da die „Verbin-dungen zwischen Konzept und lexikalischem Lemma“ sich in ständiger Veränderung und Entwicklung befinden. Dies gelte auch für das mehr-sprachige mentale Lexikon, da dieser Wandel auch für die Rollenver-teilung der starken und schwachen Sprache typisch ist (vgl. die ‚Dynamic Systems Theory‘ von de Bot, Lowie und Verspoor 2007). Außerdem spielt auch die Erwerbssituation eine wesentliche Rolle: Laut Untersuchungen einer niederländischen Forschergruppe9 „weisen niederländische Schü-lerinnen und Schüler, die Wörter und Begriffe in L2 Englisch nicht über Übersetzungsäquivalente, sondern in natürlichen Situationen gelernt ha-ben, ähnliche Testergebnisse auf wie kompetente mehrsprachige Erwach-sene“ (Riehl 2014: 43). Zusammenfassend lässt sich also behaupten, dass der (beinahe) natürliche Spracherwerb auch bedeutende Einflüsse auf die Struktur des mentalen Lexikons ausübt.

3.2 Zugriff auf das mentale Lexikon

Der Zugriff auf das Lexikon selbst bildet einen weiteren grundlegenden Aspekt der Bilingualismusforschung. Allgemein geht man von der Hypo-these aus, „dass Informationen im Gedächtnis in einem gemeinsamen Speicher gespeichert sind, dass aber der Zugang selektiv ist“ (Riehl 2014:

49). Die Suchprozesse, die in einem mehrsprachigen Gehirn stattfinden, sind äußerst komplex, da Mehrsprachige „bei jedem lexikalischen Ent-scheidungsprozeß […] den gesamten Lexikonbestand durchsuchen“

müssen (Raupach 1997: 31). Dies ist unter anderem für die „Interaktionen zwischen ihren Sprachen“, wie das Code-Switching, das Zungenspitzen-phänomen und das Code-Mixing verantwortlich (Näheres hierzu siehe in Abschnitt 5). Neben diesem Suchprozess ist es auch erforderlich, die Kon-trolle aufrechtzuerhalten, „d.h. die lexikalischen Elemente der im Augen-blick nicht verlangten Sprache zurückzudrängen“ (ebd., S. 32). Während dieses Prozesses unterscheidet Green (1986) zwischen

9 Brenders/Van Hell/Dijkstra (nach Riehl 2014: 43).

190 ∙ FRANCISKA VAN WAARDEN

der jeweils „ausgewählten Sprache“ (‚selected language‘)

einer weiteren Fremd- oder Muttersprache, in der „die gleichen Pro-duktionsprozesse ablaufen, ohne […] zur Artikulation zu gelangen“

(‚active language‘) und

einer gespeicherten Sprache, die im „Langzeitgedächtnis gespeichert“

ist (‚dormant language‘).

Abschließend lässt sich feststellen, dass aufgrund der individuellen Aus-prägungen der Mehrsprachigkeit eine komplexe Annäherungsweise not-wendig ist, um die voneinander unabhängigen Hypothesen zur Struktur und Funktionsweise des mehrsprachigen mentalen Lexikons beschreiben zu können. Aus den jeweiligen Modellen zu dessen Strukturiertheit geht hervor, dass Einträge im mentalen Lexikon keineswegs isoliert vorhan-den, sondern mit einer Vielfalt von Informationen und sogar mit Wör-tern aus einer anderen Sprache verknüpft sind.

Aus der Perspektive einer zweisprachigen Person darf ich hierbei her-vorheben, dass die phonetisch ähnlichen Einheiten zwischen zwei Spra-chen tatsächlich auf eine komplexere Art und Weise miteinander ver-bunden sind. Meiner Ansicht nach ist dieses Phänomen besonders zwi-schen der niederländizwi-schen und der deutzwi-schen Sprache sichtbar, indem die beiden Sprachen zahlreiche ähnliche oder gleichlautende Ausdrücke gemeinsam haben. In einigen Fällen haben diese Wörter auch überein-stimmende Seme, wie z.B. das Sem [Gewässer] im Wortpaar nl. meer (‘See’ i. S. v. ‘Binnengewässer’) vs. dt. Meer. Auch bei der Konjugation starker Verben machen kleinere Unterschiede die Abgrenzung und die korrekte Flexion problematisch, besonders wenn eine der Sprachen als Muttersprache fungiert (vgl. dt. sein / war / istgewesen vs. nl. zijn / was / is geweest; dt. gelten / galt / hat gegolten – nl. gelden / gold / heeft gegolden) Bei den regelmäßigen Verben existieren ebenfalls derartige minimale Dif-ferenzen wie z.B. die Tatsache, dass deutsche Verben mit der Nachsilbe -ieren im Partizip II kein ge-Präfix bekommen, im Gegensatz zum Nie-derländischen mit der entsprechenden Nachsilbe -eren, vgl. dt. probieren / hat probiert vs. nl. proberen – heeft geprobeerd).

Bilingualismus und das mentale Lexikon ∙ 191

In document zeichen setzen ∙I∙∙∙∙∙∙∙ (Pldal 187-192)