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Kognitive ‚Nachteile‘ der Mehrsprachigkeit

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Bilingualismus und das mentale Lexikon

4 Kognitive ‚Nachteile‘ der Mehrsprachigkeit

Geht man von der Tatsache aus, dass das menschliche Gehirn im ‚Nor-malfall‘ nur auf eine Sprache eingestellt ist, ergibt sich die Frage, ob dies für bestimmte ‚Störungen‘ während der Sprachproduktion verantwort-lich ist. Laut Kielhöfer/Jonekeit (1983: 63) können „sprachverantwort-liche Unsicher-heiten wie Verzögerungen, längere Pausen, hm-Signale, Fehlstarts etc.“

als „Stottern in der schwächeren Sprache“ betrachtet werden. Für die Ur-sache des gewöhnlichen Stotterns sei aber „nicht die Zweisprachigkeit verantwortlich“ (ebd).

Trotz alldem scheinen mehrere Erscheinungen im Zusammenhang mit der Sprachmischung oder der Aneignung verschiedener Muster aus der jeweils anderen Sprache bei der Sprachproduktion einer mehrspra-chigen Person zu existieren.

4.1 Das Zungenspitzenphänomen

Das Zungenspitzenphänomen (in der englischsprachigen Fachliteratur auch als TOT bezeichnet)10 „ist ein fehlerhafter Wortwiedergebungsver-such, charakterisiert durch einen unmittelbar bevorstehenden Aufruf mit einer größeren Chance zur partiellen Wiedergabe der Information des gesuchten Wortes“11 (Yan / Nicoladis 2009: 324). Fast jeder Mensch ist von diesem Phänomen betroffen, obwohl laut relevanten Forschungen Mehrsprachige häufiger davon betroffen sind. Das Zungenspitzenphä-nomen hat mehrere komplexe psycholinguistische Gründe. Einerseits ist die Ursache in der Rollenverteilung der schwachen und der starken Spra-che zu suSpra-chen: „Mehrsprachige Kinder lernen ihre beiden SpraSpra-chen selten in ähnlichen Kontexten“, was Schwierigkeiten beim Wortschatzzugang bereiten kann; vor allem bei selten verwendeten Wörtern, da „der seltene Gebrauch zu verhältnismäßig schwächeren Verbindungen zwischen

10 Abkürzung für engl. tip-of-the-tongue.

11 „TOTs are word retrieval failures characterized by a feeling of imminent recall and a greater than chance probability of accurately reporting partial informa-tion of the sought-after word.“

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netischen und semantischen Wortsystemen führen könnte“12 (ebd). Prag-matisch betrachtet erscheint dies auch nicht merkwürdig, denn Mehr-sprachige haben sozusagen ‚weniger Zeit‘, sich in einer ihrer Sprachen zu vertiefen, da sie im Alltag beide Sprachen mehr oder weniger ständig, aber mindestens abwechselnd benutzen müssen.

In der von Stephanie Yan und Elena Nicoladis durchgeführten Studie wurden mehrsprachige Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren mit einer Situation konfrontiert, in der Forscher/innen bei ihnen möglichst viele Zugenspitzenphänomene auszulösen versuchten. Unter anderem mussten auch Kinder mit nur einer Muttersprache anhand von Bildern bestimmte Gegenstände benennen. Diese Ergebnisse wurden dann mit der Leistung von Mehrsprachigen verglichen. Dabei zeigte sich, dass zweisprachige Kinder deutlich mehr Zungenspitzenphänomene erlebten und Schwierigkeiten dabei hatten, Wörter aus ihrem passiven Wortschatz erfolgreich zu aktivieren. Außerdem gab es Fälle, in denen „mehrspra-chige Kinder oft richtig geantwortet haben, nur nicht in der Zielsprache“13 (ebd., S. 332). Zur Bewältigung des Zungenspitzenphänomens benutzen die Kinder verschiedene Strategien, z.B. „das Wiederholen des ersten Buchstabens oder der ersten Silbe“14 und konzentrieren sich stärker, indem sie „auf- und heruntergucken“, oder eine Umschreibung zum ge-suchten Wort geben (ebd., S. 327).

4.2 Code-Switching

Unter ‚code-switching‘ versteht man den Sprachwechsel „innerhalb des Gesprächs und manchmal sogar innerhalb eines Satzes“ (Riehl 2014: 100).

Der Wechsel kann „zwischen zwei (oder mehr) Sprachen oder Varietä-ten“ stattfinden und nicht nur einzelne Wörter, sondern auch Satzteile betreffen (ebd). Aufgrund der Funktionalität kann das pragmatisch

12 „Infrequent usage could lead to relatively weaker connections between pho-nological and semantic word systems.“

13 „[…] the bilingual children gave the correct answer but not in the target lan-guage.“

14 „repeating the first letter or syllable“.

Bilingualismus und das mentale Lexikon ∙ 193 vierte (=funktionale) Code-Switching von dem psycholinguistisch moti-vierten (=nicht funktionalen)Code-Switching getrennt werden (ebd., S.

101). Beim funktionalen Code-Switching ist die Ursache einerseits die Entstehung einer neuen Gesprächssituation, andererseits ist der Auslöser des Code-Switchings oft ein praktischer Umstand – dem Sprecher fällt das entsprechende Wort in der jeweiligen Sprache nicht ein. In manchen Fällen ist das auf eine „unvollständige Kompetenz in der Erstsprache“ zu-rückzuführen (ebd., S. 102).

Kinder wechseln ihre Sprachen häufig zu dem Zweck, die Aufmerk-samkeit des anderen Elternteiles zu erwecken. Ein weiteres Motiv hierfür ist die Authentizität, d.h. der Sprecher möchte in seiner Äußerung ein

„wörtliches Zitat“ „in der direkten Rede“ verwenden (ebd). Die Voraus-setzung dafür ist, dass der Gesprächspartner mit beiden Sprachen vertraut ist, sonst wird die kommunikative Absicht nicht erreicht. Oft steckt hinter einer solchen Aussage auch eine „persönliche Einstellung“ oder ein emo-tionaler Kommentar (Riehl 2014: 102).

Die zweite Variante von Code-Switching ist psycholinguistisch moti-viert und verläuft eher unbewusst. Dies offenbart sich darin, dass sich „die Sprecher […] nach dem Code-Switching selbst korrigieren“, möglicher-weise weil der Gesprächspartner monolingual ist (ebd., S. 103). Auch der

„Sprachwechsel zwischen Dialekt und Standard“ kann zum nicht-funk-tionalen Code-Switching gerechnet werden (ebd., S. 104). Außerdem kön-nen diese Entlehnungen auch flektiert werden, besonders in dem Fall, wenn die Sprachen genetisch verwandt sind.

4.3 Code-Mixing

‚Code-Mixing‘ kann als ein übergeordneter Begriff fungieren für „alle Fäl-le, in denen lexikalische Einheiten und grammatische Strukturen aus zwei verschiedenen Sprachen in einem Satz vorkommen“ (Riehl 2014: 107).

Auch hier ist es möglich, drei Subkategorien voneinander zu unterschei-den:

Insertion: das Einbetten von „einzelne[n] Wörter[n]/ Stämme[n] oder auch komplexe[n] Konstituenteneinheiten“

Alternation: der Wechsel der Sprache innerhalb eines Satzes

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kongruente Lexikalisierung: im Falle eines Wechsels, bei dem „die syntaktische Struktur für beide Sprachen gleich ist“ und diese Tat-sache der Auslöser für den Wechsel ist (ebd., S. 107).

Bei mehrsprachigen Kindern ist es nicht ungewöhnlich, dass sie beim Er-werb ihrer beiden Sprachen diese während der Sprachproduktion mitein-ander vermischen. Inwieweit dies überhaupt vorkommt, hängt unter an-derem auch davon ab, wie die Eltern auf dieses Phänomen reagieren.

Elizabeth Lanza (2001: 208) erweiterte in diesem Zusammenhang das Modell von Ochs (1988) wie folgt:

1. Minimal Grasp Strategy: „Der Erwachsene signalisiert, dass er die durch das Kind gewählte Sprache nicht versteht.“15

2. Expressed Guess Strategy: „Der Erwachsene stellt eine Ja-Nein-Frage in der anderen Sprache.“16

3. „Der Erwachsene wiederholt den Inhalt der Aussage des Kindes in der anderen Sprache.“17

4. Move On Strategy: „Das Gespräch setzt sich einfach fort.“18

5. Code-switching: Falls das Elternteil die andere Sprache des Kindes gut beherrscht, kann er/sie das Gespräch in der Sprache weiterführen, in die gewechselt wurde.

Lanza weist darauf hin, dass das Ausmaß solcher Wechsel weitgehend vom Input abhängig ist, d.h. davon, welcher Sprache das Kind öfters aus-gesetzt ist. In vielen Fällen verschwindet das frühkindliche Code-Swit-ching, ohne Spuren in der Sprachproduktion eines mehrsprachigen Er-wachsenen zu hinterlassen, wobei Lanza betont, dass selbst „erwachsene Mehrsprachige in manchen Fällen nicht bewusst bestimmen können, welche Sprache sie sprechen, da sie so tief in der Interaktion versunken sind.“19

15 „Adult indicates no comprehension of the child’s language choice.“

16 „Adult asks a yes-no question using the other language.“

17 „Adult Repetition of the content of the child’s utterance, using the other lan-guage.“

18 „[…] the conversation merely continues.“

19 „[…] even adult bilinguals may be unaware of what language they are using as they are so immersed in the interaction.“

Bilingualismus und das mentale Lexikon ∙ 195 Wichtig zu betonen ist noch: „um als vollwertige Mitglieder ihrer Sprachgemeinschaft gelten zu können, müssen die Kinder die jeweiligen gemeinschaftsspezifischen Charakteristika und die Funktionen des Code-Mixings erwerben“20 (Comeau/Genesee/Lapaquette 2003: 115). Darüber hinaus ist es nicht ungewöhnlich, dass mehrsprachige Kinder mit der Wahl der Sprache gleichzeitig den Empfänger angeben, so z.B. wenn das Kind beiden Eltern eine Geschichte erzählt und mit der bewussten Wahl der Sprache verschiedene Aussagen innerhalb einer Äußerung hervor-hebt, die für das jeweilige Elternteil relevanter oder interessanter wirken könnten.

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