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Selbstbeschreibungen aus dem Ausland

D. Selbstbeschreibungen der Twitter-Anhänger

3. Selbstbeschreibungen aus dem Ausland

Um präzisere Anhaltspunkte zu erhalten, weshalb nicht-ungarischsprachige Nutzer Jobbik möglicherweise auf Twitter folgen, werden im Folgenden Untersuchungsergebnisse zu einer Auswahl deutscher, englischer, französischer und spanischer Selbstbeschreibungen nach demselben Schema wie im vorigen Unterkapitel untersucht. Es erscheint lohnenswert mit Hinblick auf das nächste Kapitel, in der die effektive Nutzung der sozialen Medien im Fokus steht, herauszuarbeiten, weshalb Nicht-Ungarn Jobbik auf Twitter folgen. Wie die Sprachenanalyse gezeigt hat, ist ein signifikanter Anteil Follower Jobbiks – vor allem aus der ersten Phase – nicht ungarischsprachig.

„Übermensch. […] Antizionist.“

Dieser Nutzer präsentiert eine Vielzahl von Selbstbezeichnungen, die in der Deutlichkeit im Datensatz einzigartig sind. An dieser Stelle muss erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich um ein virtuelles Selbstbild handelt. Im realen Leben ist davon auszugehen, dass die Hemmschwelle sich als Übermenschen zu bezeichnen höher ist als im Internet. Außerdem geben die wenigsten Online ihre wirklichen Namen komplett an, so dass sich einige aufgrund einer vermeintlichen Anonymität eher zu extremistischen Aussagen hinreißen lassen, als sie das andernfalls würden. Des Weiteren ist Aufmerksamkeit eine wichtige Ressource in den sozialen Netzwerken um Verbreitung zu finden. Im deutschen Kontext würde die Bezeichnung Übermensch aufgrund ihrer Verwendung in der Zeit des Nationalsozialismus innerhalb des

„Herrenmenschen-Diskurses“ stark auffallen. Aus der Gesamtschau der Selbstbezeichnung des Nutzers wird deutlich, dass er sich auf den Philosophen Friedrich Nietzsche bezieht, der den Topos des Übermenschen in seinen Werken geprägt hat. Der Zusammenhang zwischen den Ideen des Philosophen und seines Werkes mit der Ideologie der Nationalsozialisten ist hochkomplex und streitbar. Aufgrund der Tatsache, dass der Nutzer sich als Antizionist bezeichnet, kann vermutet werden, dass er der nationalsozialistischen Herrenmenschen-Ideologie nahe steht.

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„[…] Man muss seine Haut verteidigen [Kreuz] [SS-Runen] #Antizionist

#WhitePrideWorldWide“

Rassisten, die in ihren Selbstbeschreibungen einen biologischen Rassismus propagieren, sind unter Jobbik-Anhängern auf Twitter selten. Dieser Nutzer bildet eine Ausnahme. Er sieht die weiße Hautfarbe weltweit als bedroht an und solidarisiert sich durch den Hashtag WhitePrideWorldWide mit anderen weißen Rassisten auf der ganzen Welt. Außerdem bezeichnet er sich als Antizionisten und somit als Gegner eines jüdischen Staates. Da er außerdem noch das Symbol der SS (die Schutzstaffel der Nationalsozialisten, die u.A. für die Bewachung und Organisation der Konzentrationslager mit zuständig war und somit eine herausgehobene Rolle im Holocaust gespielt hat) in seine Selbstbeschreibung aufgenommen hat, weisen weiterhin darauf hin, dass er antisemitisch eingestellt ist. Im ungarischen Kontext sind SS-Runen, bzw. Elogen auf die SS oder die Nationalsozialisten in den meisten Milieus der Rechtsradikalen wenig verbreitet. Man sieht zum Teil entsprechende Symbole bei Demonstrationen von Jobbik bei Teilnehmern und jedes Jahr wird am 14. Februar der „Tag der Ehre“ gefeiert, bei dem den nationalsozialistischen Verteidigern Budapests gedacht wird. Die NPD und andere Rechtsradikale aus Deutschland sind bei der Hauptveranstaltung in den Budaer Bergen regelmäßig anwesend. Jobbik steht nicht offiziell damit in Verbindung, wenngleich sie eigene Gedenkveranstaltungen auf die Beine stellen. 2015 ist einerseits Jobbiks Vizepräsident Előd Novák (zusammen mit dem Kárpátia-Sänger János Petrás) bei einem Gedenkmarsch des Jobbik-Ortsverbandes Óbuda mitgelaufen, andererseits hat Jobbik zusammen mit HVIM, den ungarischen Garden, der Betyársereg, eine kleinere Veranstaltung organisiert.

„Ein turanischer Kämpfer […]“

Der Turanismus ist ein Gedankengebäude, welches sich gegen die Theorie der Verwandtschaft der Finnischen und Ungarischen Sprache richtet, und daraus folgend der gemeinsamen ethnischen Ursprünge der jeweiligen Völker. Der Turanismus propagiert eine gemeinsame Herkunft und kulturelle Nähe des ungarischen Volkes von den Turk- und altaischen Völkern bis nach Korea und Tibet. Dies wird als „Meta-Narrativ“ (Akcali/Korkut 2012) von Jobbik seit 2010 genutzt, um eine ideologische Basis für eine Abwendung vom Westen zu geben (Akcali/Korkut 2012: 600). Laut Akcali und Korkut ist Turán der persische Name für Zentralasien und wurde von türkischen und ungarischen Nationalisten Anfang des 19.

Jahrhunderts in die Debatte eingebracht (ebd.). Eng verwandt bzw. ineinander übergehend ist das Narrativ der mythologischen Abstammung und Verwandtschaft der Magyaren mit den Hunnen und den Skythen (siehe die Band Szkìtia).

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In Ungarn hat die Abstammung bzw. Verwandtschaft mit Türken, Skythen und Hunnen einerseits und Finnen andererseits zu akademischen Debatten Anfang des 19 Jahrhunderts geführt (Akcali/Korkut 2012: 602-603). Akcali und Korkut weisen darauf hin, dass der Turanismus eine intellektuelle Strömung blieb und zunehmend antisemitisch wurde (Akcali/Korkut 2012: 604). In jedem Fall steht dieser Nutzer laut seiner Selbstbeschreibung diesem Gedankengut nahe.

„Antizionisten, helft Ungarn!“

Dieser Nutzer gehört zu jenem Teil der ungarischen Rechtsradikalen, die eine zionistische Verschwörung gegen Ungarn als Grund vermuten, weshalb es Ungarn wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich angeblich schlecht gehen soll. Damit ist er ein klassischer, idealtypischer Rechtsradikaler. Man könnte in diesem Zusammenhang vermuten, dass er solch bekannte antisemitische Schriften wie „Mein Kampf“ (käuflich auf Kuruc.info zu erwerben), „Der internationale Jude“ von Henry Ford (auf Jobbiks Maifeier 2012 käuflich zu erwerben) oder die

„Protokolle der Weisen von Zion“ schätzt, sofern er sie liest. Dieser Teil der Follower Jobbiks wird von solchen Aktionen, wie der des Abgeordneten Márton Gyöngyösi, der im November 2012 im Parlament forderte, dass Abgeordnete und Regierungsmitglieder jüdischer Abstammung gelistet werden sollen, angesprochen. Die Idee, dass eine jüdisch dominierte Welt (-Verschwörung) das eigene Land unterdrückt ist nahezu idealtypisch rechtsradikal (Mudde 2007: 79). Insbesondere der ehemalige, 2012 verstorbene MIÉP-Chef István Csurka war bekannt für diese Art des Antisemitismus (Mudde 2007: 82).

Insgesamt ist neben Antisemitismus und Ultranationalismus der Topos der nationalen Widergeburt präsent in allen untersuchten nicht-ungarischen Sprachgruppen. Einige Nutzer, die durchaus der ungarischen Sprache mächtig sind, haben ihre Selbstbeschreibung auf Englisch verfasst, wie diejenigen, von denen die letzten beiden untersuchten Selbstbeschreibungen stammen. Es kann gemutmaßt werden, dass Teile der rechtsradikalen Diaspora das Internet zur Verknüpfung mit Jobbik nutzen. Ansonsten sind überproportional viele Nutzer westliche Rassisten, die vermutlich aus der Mischung von Berichterstattung über Jobbik und den Wahlerfolgen einerseits und der mehrsprachigen Online-Präsenz im Zusammenspiel mit der effektiven Nutzung von Social Media wie Facebook und Twitter andererseits angesprochen werden. Mit Letzterem befasst sich das nächste Kapitel.

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