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Eine Bewegungspartei im Internetzeitalter?

B. Das Terrain: Jobbik als radikale Rechte 2.0

3. Eine Bewegungspartei im Internetzeitalter?

Das Terrain bzw. der theoretische Rahmen, in welchem sich diese Arbeit bewegt, ist teils eine Synthese der vorgestellten Theorien Sidney Tarrows zum Entstehen sozialer Bewegungen und Manuel Castells zu den neuen sozialen Bewegungen des Internetzeitalters. Jobbik bildet dabei den Dreh- und Angelpunkt. Einerseits wird untersucht, ob Jobbik eine Bewegungspartei ist. Zu diesem Zweck werden Verknüpfungen der Partei zur Subkultur untersucht und die identitären Strukturen analysiert. Andererseits soll herausgefunden werden, inwiefern Jobbik eine Partei des Internetzeitalters ist. Dafür wird die Nutzung der sozialen Medien unter die Lupe genommen und examiniert, inwiefern die Partei dazu beiträgt, hybride öffentliche Räume zu schaffen. Es wird angenommen, dass die Protestereignisse von 2006 cycles of contention ausgelöst haben. Somit haben sie dazu beigetragen, dass Jobbik als ein Bewegungsunternehmer, direkt oder indirekt, nachhaltig die herrschende Ordnung infrage gestellt hat. Voraussetzung dafür sind wiederum politische Gelegenheitsstrukturen, die in Ungarn das Entstehen und Wirken rechtsradikaler Akteure begünstigen. Nachfolgend wird der theoretische Rahmen dieser Arbeit mitsamt der Methodik zur Prüfung der Fragestellung, ob Jobbik eine Bewegungspartei des Internetzeitalters ist, visualisiert.

47 ABBILDUNG I-1:THEORETISCHER RAHMEN ZUR PRÜFUNG DER FRAGESTELLUNG

Im Schaubild verdichten sich Elemente des theoretischen Rahmens (links und rechts), der Fragestellung (zentral) und der Methoden zur Überprüfung der Fragestellung (links und rechts), welche jeweils Bezug auf Teile des theoretischen Rahmens nehmen. Während links zentrale Merkmale sozialer Bewegungen, nämlich Netzwerke und identitäre Strukturen abgebildet sind, stehen rechts Merkmale der sozialen Bewegungen des Internetzeitalters, nämlich die effektive Nutzung der sozialen Medien und die Schaffung hybrider öffentlicher Räume. Ausgehend von den Merkmalen auf beiden Seiten weisen Pfeile auf den jeweiligen Aspekt der Fragestellung, zu welchem die theoretischen Merkmale und die zur Prüfung dieser Merkmale genutzten Methoden zugeordnet sind. Nicht auf dem Schaubild zu sehen sind die Voraussetzungen für Tarrows Theorie des Entstehens sozialer Bewegungen und Castells Theorie der neuen sozialen Bewegungen des Internetzeitalters, die in den vorherigen Kapiteln als Annahmen, denen dieses Modell zugrunde liegt, erarbeitet worden sind. 2006 im Zuge der Anti-Regierungsproteste nahm Jobbik die Rolle einer Bewegungsorganisation ein, profitierte dabei von günstigen politischen Gelegenheitsstrukturen und nahm an Infragestellungen der herrschenden Ordnung maßgeblich teil und tut dies seitdem kontinuierlich. Wie die resultierenden kollektiven Handlungen, die seitdem organisiert werden unter Zuhilfenahme von engmaschigen sozialen Netzwerken, effektiven verbindenden Strukturen und handlungsorientierten kulturellen Deutungsmustern zusammenwirken und damit eine soziale Bewegung bzw. - im Sinne dieser Arbeit – eine Bewegungspartei formen, ist Gegenstand dieser Arbeit. Wie im Schaubild auf der linken Seite gezeigt, stehen dabei die Netzwerke einerseits und die identitären Strukturen andererseits im Fokus. Erstere werden mithilfe von Netzwerk- und Protesteventanalysen, letztere durch Inhaltsanalysen untersucht. Dabei wird jeweils ein Ist-Zustand zu einem bzw.

zwei bestimmten Zeitpunkten ins Auge gefasst. Die Netzwerke wurden an zwei Zeitpunkten in den Jahren 2013 und 2015 untersucht. Das Parteiprogramm stammt von 2014, die Selbstbeschreibungen der Twitter-Follower von Nutzern, die bis 2013 bzw. bis 2015 Jobbik auf Twitter folgten. Die Liedtexte stammen von Alben, die hauptsächlich nach der Jahrtausendwende aufgenommen wurden. Somit bildet dieser Aspekt der Untersuchung die identitäre Struktur der Subkultur ab dynamisch. Daher ist dieser linke Teil des Schaubildes sowohl statisch, als auch in geringem Maße dynamisch und bildet den theoretischen Rahmen für die Frage, ob Jobbik eine Bewegungspartei ist.

Für den rechten Teil des Schaubildes ist 2006 ebenfalls das Jahr, in denen die entscheidenden Voraussetzungen für den Status quo geschaffen wurden. In Castells Sinne können die Protestereignisse von 2006 als der erste Funke verstanden werden, der ursächlich zur Bildung der neuen sozialen Bewegung des Internetzeitalters geführt hat. Aufgrund der

Internetdurchdringung, der Cyberaktivismus-Kultur und dem Vorhandensein von Massen-Kommunikationsnetzwerken konnten in den folgenden Jahren kontinuierlich Inhalte rasend schnell verbreitet werden und in Ungarn und darüber hinaus Bekanntheit erlangen.

Kommunikation wurde und wird sukzessive zur Organisationsstruktur und die Bewegung zeichnet sich durch die Gleichzeitigkeit und Interdependenz von kollektiven Handlungen in der realphysischen, wie der digitalen Welt aus. Zentral ist dabei die effektive Nutzung der sozialen Medien, wie beispielsweise Twitter und Facebook. Diese effektive Nutzung wurde für die vorliegende Arbeit vergleichend zwischen 2013 und 2014 erhoben, es stellt also einen dynamischen Zeitausschnitt dar. Die Schaffung hybrider öffentlicher Räume als ein weiteres Merkmal der neuen sozialen Bewegungen des Internetzeitalters wird einerseits beispielhaft anhand der Maifeste aufgezeigt und andererseits hilft die Untersuchung der Herkunft der Twitter-Follower dabei, Hinweise auf die Gleichzeitigkeit von realphysischer und digitaler Unterstützung und Mobilisierung zu erhalten. In der Tendenz ist dieser rechte Teil des Schaubildes also dynamisch und er zeigt den theoretischen Hintergrund sowie – in groben Zügen – die Methodik mit der Frage, ob Jobbik eine Partei des Internetzeitalters ist, beantwortet werden kann.

Zusammengefasst steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit die Fragestellung, ob Jobbik eine Bewegungspartei des Internetzeitalters ist aufgrund:

(1) der Verknüpfung mit subkulturellen Akteuren in online- und offline Netzwerken (siehe Kapitel III. Unterkapitel A.);

(2) gemeinsamer identitärer Strukturen, die sowohl Elemente einer kollektiven Identität als auch Deutungs- und Interpretationsmuster beinhalten (siehe Kapitel III. Unterkapitel B.-D.);

(3) von effizienten virtuellen Kommunikationsprozessen, die die internationale und die nationale Beliebtheit steigern, und dadurch wiederum helfen, die identitären Strukturen zu verbreiten und zu festigen (siehe Kapitel IV.).