• Nem Talált Eredményt

Erforschung einer terra incognita: Rechtsradikalismus in Ungarn

B. Aufbau der Arbeit

I. Erforschung einer terra incognita: Rechtsradikalismus in Ungarn

Rechtsradikalismus in Ungarn

„Wenn es mich noch immer in die ſchönen Länder des heißen Erdgürtels zog, ſo war es jetzt nicht mehr der Drang nach einem aufregenden Wanderleben, es war der Trieb, eine wilde, großartige, an mannigfaltigen

Naturprodukten reiche Natur zu ſehen, die Ausſicht, Erfahrungen zu ſammeln, welche die Wiſſenſchaften förderten.“22

Was heißt forschen? Forschen bedeutet etwas zu erkunden und zu entdecken. Wissenschaft setzt systematisches, nachprüfbares, methodisches Arbeiten voraus. Im Idealfall erforscht der Wissenschaftler seinen Forschungsgegenstand auf diese Art und Weise. Damit er sich nicht ausschließlich im stillen Kämmerlein bewegt und vor allem damit er absehen kann, dass seine Forschung neue Erkenntnisse und Entdeckungen zutage fördert, ist es notwendig, dass er einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung in seinem Gebiet und zu seinem Forschungsgegenstand hat. Exakt diesen Überblick zu liefern, ist ein Zweck dieses Kapitels.

Der zweite Zweck ergibt sich aus einem weiteren Erfordernis wissenschaftlichen Arbeitens:

dem Verbinden von Theorie und Empirie. Im Popperschen Idealfall der Falsifizierung (Popper 1973) wird eine Theorie, bzw. eine These oder eine Fragestellung empirisch auf ihre Stichhaltigkeit geprüft. Um es vorwegzunehmen: Ein solches Vorgehen wurde in der vorliegenden Arbeit nicht konsequent beibehalten, da erstens der Forschungsgegenstand eine Art terra incognita in der Forschung ist und somit in vielerlei Hinsicht Neuland betreten wurde.

Zweitens hat sich die Herangehensweise im Verlauf des Forschungsprozesses geändert, da neue Daten zugänglich und daher erhoben wurden. In der Rückschau ist es somit ein datenorientierter Zugang an die terra incognita. Um es konkret zu machen: Die Menge, Detailliertheit und Vollständigkeit der Twitter-Datensätze hat es sinnvoll erscheinen lassen, diese für die vorliegende Arbeit ausführlich zu nutzen und zu analysieren. Man könnte dieses Vorgehen mit einem Archäologen vergleichen, der versucht alte Ruinen im schwer erschließbaren Dschungel zu erforschen und aufgrund neuartiger Laser-gestützter Messmethoden, anstatt nur an der Oberfläche einzelner Gebäude zu kratzen, einen kompletten 3D-Plan der vorzeitlichen Stadt

22 Humboldt 1859: 5

22

erhält. Es ist anzunehmen, dass er sich auf diese Daten stürzen würde und sie sein Forschungsdesign beeinflussen.

Im Titel dieses Kapitels ist von einer Terra incognita die Rede. Damit ist der Rechtsradikalismus in Ungarn gemeint. Zwar ist es nicht mehr ein komplett unbekanntes Terrain, da es in den letzten Jahren essentielle Forschung dazu gegeben hat (Róna 2014, Varga 2014). Nichtsdestotrotz liegt vieles im Dunkeln und der Anspruch dieser Arbeit ist es, weitgehend unbekannte bzw. wenig bekannte Abschnitte dieses Terrains zu beleuchten, zu erkunden und zu erforschen, um damit Forschungslücken zu schließen und den Weg für weitergehende Erkundungen zu ebnen. Als Forschungslücke wurde die Frage, inwiefern Jobbik als eine Bewegungspartei des Internetzeitalters verstanden werden kann, identifiziert. Diese Forschungsfrage ist das Ergebnis eines langen Prozesses. Die einzelnen Unterkapitel zeigen die Schritte auf, wie und weshalb es zu dieser Art der Annäherung an die terra incognita gekommen ist.

Stellt man sich einen Naturforscher im 19. Jahrhundert vor, der einen weitgehend unbekannten Kontinent erforschen möchte, so kann man anhand dessen die Logik dieses Kapitels nachvollziehen. Der Forscher muss zunächst wissen, in welche Richtung er möchte. Beim Naturforscher sind damit in erster Linie die Himmelsrichtung und der Kontinent gemeint. Als Geisteswissenschaftler mag diese ebenfalls relevant sein, falls man seinen Forschungsgegenstand geographisch eingrenzen muss oder möchte. Ein wichtiger Schritt ist es in jedem Fall, mithilfe der Forschungsrichtung innerhalb der Geisteswissenschaften eindeutiger zu bestimmen, in welcher Forschungstradition man sich verortet. Diese Entscheidung ist in der vorliegenden Arbeit zugunsten der Forschung zu sozialen Bewegungen und des Rechtsradikalismus gefallen. Die Erläuterung dieser Richtungsentscheidung anhand der Literatur erfolgt im ersten Unterkapitel. Sobald der Naturforscher des 19. Jahrhunderts die Richtung kennt, in die er aufbrechen möchte, muss er konkreter festlegen, welches Terrain er untersuchen möchte. Je nach Kontinent, Insel oder Eiland hat er dabei u. A. die Wahl zwischen Wüste, Küste, Wald oder Steppe. Selbst bei kleineren Eilanden oder innerhalb der zuvor genannten Vegetationszonen gibt es immer noch diverse Subbiotope, die zu erforschen sind:

vom Tümpel über den Weiher, bis hin zum Baumwipfel oder Ameisenhaufen. Im Gebiet des Rechtsradikalismus und der sozialen Bewegungen – selbst wenn man sich auf Ungarn beschränkt – gibt es ebenfalls eine Vielzahl zu erforschender Gebiete: die Rolle paramilitärischer Organisationen, den Habitus von Mitgliedern von Partei und Bewegung, die Motivation von Teilnehmern an Protestveranstaltungen etc. Weshalb in dieser Arbeit Jobbik als radikale Rechte 2.0 das Terrain der Forschung darstellt, wird im zweiten Kapitel dargestellt.

23

Damit wird nicht nur das Forschungsfeld abgesteckt, sondern das theoretische Fundament der Arbeit geliefert. Als Naturforscher ist es sinnvoll, ein Forschungsobjekt konkret festzulegen und anhand von Merkmalen zu klassifizieren und näher zu bestimmen, damit nicht Affen mit Bären verglichen werden. Diese nähere Bestimmung erfolgt als Sozialwissenschaftler in der Regel mithilfe von Definitionen, damit intersubjektiv nachvollziehbar ist, welches Objekt der Forscher untersucht hat. Aus diesem Grund hat das dritte Unterkapitel zum Ziel die Terminologie zu konkretisieren, auf deren Basis gearbeitet wird. Schlussendlich ist es sowohl als Naturforscher als auch als Sozialwissenschaftler unumgänglich die Methodik und die Daten zu erläutern. Somit stellt dies das Ziel des abschließenden Unterkapitels dieses Kapitels dar.

24

A. Die Richtung: Rechtsradikalismus und soziale