• Nem Talált Eredményt

4. Kontexte

4.9. Möglichkeiten der Heimkehr bis 1949

Die Möglichkeit der Rückkehr nach Ungarn war in den unmittelbaren Jahren nach 1945 politisch ausgeschlossen und durch die rigide Grenzpolitik der Besatzungsmächte Deutschlands, Österreichs und Ungarns stark eingeschränkt. Um Kontrolle über die Flüchtlinge und Heimkehrwilligen zu bekommen, hatten die Besatzungsbehörden der westlichen Besatzungszonen und der SBZ bereits kurz nach Beginn der Besatzung ein generelles Wanderungsverbot verhängt.358 Seit dem 30. Juni 1946 waren die Grenzen zwischen den Besatzungszonen – diese wurden nunmehr als Demarkationslinien bezeichnet – gesperrt. Die Grenzüberwachung wurde von den jeweiligen

356 Unsere Post, Mitteilungen für die Heimatverriebenen aus Ungarn, 5. Jahr, Nr. 8, Stuttgart, 15. April 1950.

357 Schmelz, Andrea: Migration und Politik im geteilten Deutschland während des Kalten Krieges. Die West-Ost-Migration in die DDR in den 1950er und 1960er Jahren, Forschung Politik 43, Opladen 2002, hier 20. Vgl. auch Jolles, Hiddo: Soziologie der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, Köln/Berlin 1965, 138 ff.

358 Bauerkämper: Assimilationspolitik und Integrationsdynamik 2008, 29. Siehe auch Wille: Ankunft und Aufnahme 1996, 10.

Besatzungsbehörden übernommen. Einzig mit dem, durch den vom Alliierten Kontrollrat eingeführten Interzonenpass war es möglich, legal die Zonengrenzen zu überschreiten.

Ab 1948 benötigten Reisende aus der SBZ zusätzlich zum Interzonenpass eine Aufenthaltsgenehmigung der SMAD, die Flüchtlingen, Vertriebenen und Ausgesiedelten aber in der Regel nicht ausgestellt wurde.359 Ab 1948 wurde die Grenzsicherung der SBZ-Demarkationslinie von der 1946 gegründeten Deutschen Grenzpolizei (DGP) übernommen. Die DGP wurde von der SMAD überwacht. Versuche von illegalen Grenzübertritten wurden unter Strafe gestellt und Zuwiderhandlungen hart geahndet.

„Illegale Grenzgänger“ mussten mit einem Gefängnis- oder Lageraufenthalt, mit scharfen Sanktionierungen und mit Rückführung in die Aufnahmegebiete rechnen.360 Zwar wurde die Grenzüberwachung seitens der Behörden der SBZ/DDR vor allem in den ersten Jahren nach Ende des Krieges oft nur halbherzig betrieben, da jede Abwanderung als

„soziale Entlastung der Zusammenbruchsgesellschaft“ gedeutet wurde. Gleichzeitig aber offenbarte jeder Wegzug auch ein „grundlegendes Defizit des ostdeutschen Staates“, weshalb das Grenzregime der SBZ/DDR analog zu den wachsenden ideologischen Differenzen zwischen Ost und West zunehmend ausgebaut wurde, wie Damian van Melis herausstellt.361

Trotz der offensichtlichen Risiken und Ungewissheiten kam es zu massiven illegalen Wanderungsbewegungen, hauptsächlich von Ost nach West. Ein nicht unwesentlicher

359 Der Pass war dreißig Tage gültig. Eine Ausreisegenehmigung wurde nur im Falle dringender privater Angelegenheiten gewährt. Die Ausstellungspraxis war allerdings vor allem in der SBZ sehr restriktiv.

Siehe hierzu Rittberg-Klas, Karoline: Kirchenpartnerschaften im geteilten Deutschland am Beispiel der Landeskirchen Württemberg und Thüringen, Göttingen 2006, 76–77. Vgl. auch Meinicke, Wolfgang:

Flüchtlinge, Umgesiedelte, Vertriebene in der Sowjetischen Besatzungszone – Ein kurzer historischer Überblick, in: von Plato, Alexander; Meinicke, Wolfgang (Hrsg.): Alte Heimat – Neue Zeit, Flüchtlinge, Umgesiedelte, Vertriebene in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR, Berlin 1991, 23–81, hier 39. Siehe auch Ther: Deutsche und polnische Vertriebene 1998, 54.

360 Bennewitz, Inge; Potratz, Rainer: Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze. Analysen und Dokumente, Forschungen zur DDR-Gesellschaft, Berlin 2012, 14 ff. Die Abwanderungsbewegungen aus der SBZ wurden von der Abteilung K-5 der politischen Polizei, die später im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) aufging, systematisch dokumentiert. Fälle von illegalen Grenzübertritten sollten auf Anordnung der SMAD und der Führung der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) seit Oktober 1947 von den Landeskriminalämtern mit Angabe der Fluchtursachen an die DVdI übermittelt werden.

Bei den in diesen Dokumentationen angegebenen Fluchtgründen erscheint neben den Vermerken

„Wohnungswechsel“ oder „Berufswechsel“ auch der Vermerk „in die Heimat zurück“, wie Damian van Melis feststellt. Siehe van Melis, Damian: „Republikflucht“. Flucht und Abwanderung aus der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, München 2006, 22–

23.

361 van Melis: „Republikflucht“ 2006, 122.

Teil der in die SBZ vertriebenen Deutschen machte sich nach einem mehr oder minder langen Aufenthalt in der SBZ auf den Weg in die westlichen Besatzungszonen. Vor allem in den Jahren bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten ist eine große Zahl SBZ-Vertriebener in den Westen emigriert.362 Im Jahr 1947 waren 198.400, 1948 166.300 und 1949 insgesamt 129.000 SBZ-Vertriebene in die sogenannte Trizone emigriert. Häufig waren sie aufgrund von Familienzusammenführungen, aber auch aufgrund der politischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen in der SBZ in die Trizone übergesiedelt.363 Wer als SBZ-Vertriebener in einer der westlichen Besatzungszonen ohne Aufenthaltsgenehmigung aufgehalten wurde, wurde von den amerikanischen Besatzungsbehörden als „Illegaler“ eingestuft und entsprechend der alliierten Vereinbarungen umgehend wieder in die SBZ zurückgeführt. Ab 1948 wurde unter bestimmten Voraussetzungen ein Verbleib geduldet.364

Auch viele aus Ungarn in die SBZ vertriebene Deutsche sind bis 1950 in die westlichen Besatzungszonen emigriert, wie die Volkszählungsdaten der SBZ/DDR vermuten lassen.

In der SBZ waren 1946 12.000 Ungarndeutschen registriert worden. In den Folgejahren stieg diese Zahl vor dem Hintergrund der nunmehr systematisch durchgeführten Bevölkerungstransfers um weitere rund 50.000 Menschen an. Nach Angaben der Volkszählungsdaten aus dem Jahr 1950 lebten aber lediglich noch 10.000 Deutsche ungarischer Herkunft in der DDR. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein großer Teil der in die SBZ ausgesiedelten Ungarndeutschen in den Jahren 1947 bis 1949 in die westlichen Besatzungszonen geflohen ist und dort sesshaft wurde oder aber von dort

362 Vgl. Heidemeyer, Helge: Deutsche Flüchtlinge und Zuwanderer aus der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR in den westlichen Besatzungszonen bzw. in der Bundesrepublik Deutschland, in: Bade, Klaus; Emmer, Pieter; Lucassen, Leo; Oltmer, Jochen (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, 485–488. Die Flüchtlingszahlen aus der DDR stiegen vor allem seit dem Jahr 1952. Infolge dessen wurde die Grenzüberwachung weiter ausgebaut.

Siehe van Melis: „Republikflucht“ 2006, 37–40.

363 Siehe dazu die Darstellung „Statistische Erfassung der Abwanderungsbewegungen aus der SBZ/DDR zwischen 1946 und 1961“ in Heidemeyer, Helge: Flucht und Zuwanderung aus der SBZ/DDR 1945/49–

1961. Die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland bis zum Bau der Berliner Mauer, Düsseldorf 1994, 43–44. Ders.: Deutsche Flüchtlinge und Zuwanderer 2007, 485–488. Siehe auch Schrammek, Notker: Alltag und Selbstbild von Flüchtlingen und Vertriebenen in Sachsen 1945–1952, Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 990, Frankfurt am Main 2004. Vgl. auch Donth, Stefan: Vertriebene und Flüchtlinge in Sachsen 1945 bis 1952. Die Politik der sowjetischen Militäradministration und der SED, Geschichte und Politik in Sachsen 15, Köln 2000.

364 Heidemeyer: Flucht und Zuwanderung 1994, 234–235.

ausgehend nach Übersee emigrierte.365 Wiederum mehrere tausend SBZ-Vertriebene aus Ungarn kehrten bis 1949 nach Ungarn zurück. Es ist anzunehmen, dass ein Großteil der nach Ungarn heimgekehrten Deutschen zuvor in die SBZ ausgewiesen wurde und von dort ausgehend die Rücksiedlung nach Ungarn vollzog.

Auch Ungarn betrieb eine restriktive Grenzpolitik, um die Kontrolle über die Binnenmigrationen herzustellen und die staatliche Souveränität zu stärken. Bereits am 12. Februar 1945, wenige Wochen nach dem Waffenstillstandsabkommen, war im ungarischen Parlament über die Struktur, Organisation und die Aufgabenbereiche von Grenzschutzeinheiten diskutiert worden. János Vörös, Verteidigungsminister der amtierenden provisorischen Nationalregierung, gab am 23. Februar 1945 eine Verordnung über die neue ungarische Verteidigungsstrategie heraus. Diese wurde am 14.

Mai 1945 vom Alliierten Kontrollrat genehmigt. Fortan waren sowohl das Militär als auch eine eigens hierfür eingerichtete Grenzpolizei in die Grenzüberwachung involviert.

Diese nahmen im November 1945 ihren Dienst in den Orten Orosvár, Hegyeshalom, Sopron, Szentgootthar, Kelebia, Nyivabany und Hidasnémeti auf.366 Die westliche Grenze zu Österreich, die Hauptübergangsroute der heimkehrenden Vertriebenen, wurde bereits im Sommer 1946 durch die lokalen Polizeiverwaltungen und durch militärische Grenzschutzeinheiten durchgehend überwacht. Für diese Zeit sind erste Berichte nachgewiesen, in denen die Rücksiedlungsbewegungen von zuvor aus Ungarn vertrieben Deutschen dokumentiert sind.367 Neben den polizeilichen und militärischen Grenzschutzeinheiten war auch die politische Polizei in die Verfolgung der Rückkehrenden involviert, da die Deutschen in Ungarn – und so auch die Heimkehrenden – als Gefährdung der inneren Ordnung betrachtet wurden. Im Oktober 1946 war im Rahmen der Verordnung 533900/1946 durch László Rajk die ungarische Staatspolizei, die sogenannte Magyar Államrendőrség Államvédelmi Osztálya (ÁVO), ins Leben gerufen worden. Die inneren Strukturen der Organisation wurden durch die Verordnung 535059/1946 BM neu aufgesetzt und die Befugnisse der ÁVO ausgebaut. Mit dem

365 Es ist nicht auszuschließen, dass viele „Neubürger“ in der SBZ eine Herkunftsangabe verweigerten. Die hier herangezogenen Zahlen können deshalb lediglich als Annäherungen betrachtet werden. Siehe Füzes: Etwas blieb daheim in Ungarn 1999, 92.

366 Tóth: Hazatértek 2008, 19–23.

367 Ebd., 24.

zunehmenden politischen Einfluss der MKP gewann auch die ÁVO, die nach der Ernennung János Kádárs zum Innenminister (10. September 1948) durch die Verordnung 288.009/1948 B.K. in der Staatssicherheitsbehörde Államvédelmi Hatóságot (AVH) aufging, zunehmend an Bedeutung.368

Das Vorgehen der Grenzbehörden und der politischen Polizei gegen die illegal vollzogene Einwanderung war radikal. Die von den Behörden als

„Zurückgeflüchteten“ (ung. „visszaszököttek“), „Zurückgesickerten“ (ung.

„visszaszivárgok“) oder „Zurückgetriebenen“ (ung. „visszatérök“) bezeichneten Heimkehrer wurden im Falle eines Aufgriffs an den Grenzen oder während ihrer Rücksiedlung in die Heimatgemeinden innerhalb des Landes festgehalten und interniert.

Eine gängige Praxis war, die Zurückkehrenden in Sammellager zu bringen, wo sie oft wochenlang festgehalten und nach ihren politischen Überzeugungen und Zielsetzungen verhört wurden. Das zentrale Lager für die vorläufige Aufnahme der Aufgegriffenen befand sich in der heutigen Andrássy út in Budapest.369 Viele aus dem Ausland zurückgekehrten Schwaben wurden nach einigen Wochen des Aufenthalts in diesen Lagern wieder zurück auf den Weg in das besetzte Deutschland geschickt und im Rahmen der Abschiebung an die österreichisch-ungarische Grenze gebracht. Hier wurden sie unter Androhung von Gewalt zu einem Grenzübertritt in das besetzte Österreich gezwungen.

Dieses Verfahren der Internierung und Rückführung entbehrte jeder rechtlichen Grundlage und war in keiner Weise durch zwischenstaatliche Vereinbarungen legitimiert.370 Ab Anfang der 1950er wurden illegale Grenzübertritte unter Umständen mit mehrjährigen Haftstrafen und anschließender Rückführung geahndet.371