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4. Kontexte

4.4. Die Aussiedlung der Deutschen aus Ungarn

Auf der Grundlage eines Planes zur Aufnahme der aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen aus Mittel- und Osteuropa, der von der Alliierten Kontrollkommission im Sommer 1945 ausgearbeitet und im November 1945 rechtskräftig wurde, war vorgesehen, dass die vertriebenen Deutschen aus Ungarn in der amerikanischen Besatzungszone aufgenommen werden sollten. Laut Plan waren in der amerikanischen Besatzungszone insgesamt 2.250.000 Deutsche aus der Tschechoslowakei und aus Ungarn zur Aufnahme vorgesehen. Vertriebene Deutsche aus polnischem Gebiet sollten in der SBZ angesiedelt werden. Eine Aufnahme von vertriebenen Deutschen aus Ungarn in der SBZ war nicht vorgesehen.268

Im Januar 1946 setzten die Aussiedlungsaktionen in Ungarn ein und folgten fortan einer pragmatischen politischen Strategie. Die Evakuierungs- und Umsiedlungsmaßnahmen

266 Verordnung Nr. 7970/1946 M.E. erweiterte Anordnung Nr. 12330/1945 M.E. Letztere legitimierte die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung zwar, der Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft aber war in ihr nicht vorgesehen. Siehe Verordnung Nr. 7970/1946 M.E. der Regierung der Ungarischen Republik über den Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft der nach Deutschland Umgesiedelten, in:

Tóth: Rechtliche Regelungen zur Lage des Ungarndeutschtums 2007, 292.

267 Tóth: Hazatértek 2008, 12. Siehe auch Spannenberger, Norbert: Assimilation oder Ausweisung:

Optionen für eine nationale Sozialreform in Ungarn nach 1945, in: Beer, Mathias; Beyrau, Dietrich;

Rauh, Cornelia (Hrsg.): Deutschsein als Grenzerfahrung. Minderheitenpolitik in Europa zwischen 1914 und 1950, Essen 2009, 305–322, hier 310 f.

268 Füzes, Miklós: Valami Magyarországon maradt. Etwas blieb daheim in Ungarn: Eingliederung der vertriebenen Ungarndeutschen in Deutschland, Pécs 1999, 86.

betrafen zunächst die Regionen des Landes, die für die ungarische Regierung strategische Bedeutung hatten. So wurden die Maßnahmen zunächst in der Region um Budapest – die ersten Transporte wurden in Budaörs/Wudersch im Komitat Pest am 16. Januar 1946 zusammengestellt – und in der Grenzregion zu Österreich umgesetzt.269 Im Süden Ungarns begannen die Aussiedlungen mit einiger Verzögerung Ende Mai 1946 in den Gemeinden Beremend und Magyarbóly im Komitat Baranya.270

Die Aussiedlungen erfolgten in mehreren Schüben.271 Bis zum Sommer 1946 wurden rund 112.000 Deutsche aus Ungarn in die amerikanische Besatzungszone Deutschlands gebracht. Es folgte dann ein kurzzeitiger Aussiedlungsstop. Die ungarische Regierung wollte Reparationsforderungen durch das konfiszierte Vermögen der vertriebenen Deutschen abgelten, was von den USA nicht gebilligt wurde. In Folge bilateraler Verhandlungen wurde der ungarischen Regierung aber eine Fortführung der Aussiedlungen erreicht.272 Im Zeitraum von September bis November 1946 erfolgten weitere Aufnahmen von Deutschen aus Ungarn in der amerikanischen Zone.273 Es ist davon auszugehen, dass im Laufe des Jahres 1946 insgesamt zwischen 125.000 und 168.000 Deutsche aus Ungarn in die amerikanische Besatzungszone umgesiedelt wurden.274Jüngste realistische Schätzungen gehen davon aus, dass wahrscheinlich rund 130.000 Deutsche aus Ungarn im Rahmen dieser ersten Aussiedlungswelle in die

269 Schieder: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn 2004, 63E.

270 Dövény; Szala: Die Auswirkungen der dem Zweiten Weltkrieg folgenden Migrationen auf die lokalen Gemeinschaften Süd-Transdanubiens 2011, 209. Einen interessanten Überblick zu den Entwicklungen im Vorfeld der Vertreibungen liefert die von Gábor Gonda ausgearbeitete Regionalstudie für das Komitat Tolnau. Siehe Gonda, Gábor: Individuelle Beurteilung statt Kollektivschuld – ein gescheiterter Versuch, Vorbereitungen zur Vertreibung im Komitat Tolnau, Gerlingen 2009. Vgl. außerdem Bank, Barbara; Őze, Sándor: A „német ügy“ 1945–1953: a volksbundtól tiszalökig, München 2005.

271 Die Evakuierungs- und Aussiedlungsaktionen sollten nach Beschluss des Alliierten Kontrollrates bis zum 1. August 1946 abgeschlossen sein. Siehe hierzu Tóth: Rückkehr nach Ungarn 2012, 15.

272 Schieder: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn 2004, 64E.

273 Beer: Flucht und Vertreibung der Deutschen 2011, 95–96.

274 Die Angaben über den zahlenmäßigen Umfang der Vertreibungen schwanken je nach Quelle stark.

Siehe Dövényi, Zoltán: Zeitliche und räumliche Aspekte der Migrationswellen in Ungarn, in: Seewann, Gerhard (Hg.): Migrationen und ihrer Auswirkungen. Das Beispiel Ungarn 1918–1995, München 1997, 7–33, hier 15–16. Nach Angaben von Theodor Schieder wurden in der ersten Phase der Aussiedlungen 170.000 Deutsche aus Ungarn vertrieben. Siehe Schieder: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn, 64E.

amerikanische Besatzungszone gelangt sind.275 Zeitgleich wurden vielerorts Deutsche in

„Vorbereitung der Vertreibung“ in Lagern „zusammengesiedelt“.276

Ende 1946 setzten die Transporte auf Initiative der amerikanischen Besatzer, die zuvor mehrfach eine Verminderung der Flüchtlingszahlen gefordert hatten, aus.277 In der amerikanischen Zone kam es zunehmend zu Problemen bei der Unterbringung und Versorgung der großen Zahl von Flüchtlingen, Vertriebenen und DP's.278 Außerdem waren die amerikanischen Besatzungsbehörden der Ansicht, dass die ursprünglich im Potsdamer Abkommen vereinbarte Bedingung über eine „ordnungsgemäße“ und

„humane“ Art des Umsiedlungsprozesses seitens der verantwortlichen ungarischen Dienststellen nicht eingehalten wurde.279

Die provisorische ungarische Regierung bemühte sich in den Folgemonaten wiederholt um die alliierte Zustimmung zur Wiederaufnahme der Aussiedlung der Deutschen aus Ungarn, auch weil sich die Flüchtlingssituation in Ungarn als Folge der Aufnahme ungarischer Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei verschärft hatte.280 Bereits Anfang 1946 hatte die tschechoslowakische Regierung die Forderung eines

„Bevölkerungsaustauschs“ in die politische Debatte eingebracht und gefordert, die ungarisch sprechende Bevölkerung der süd-östlichen Tschechoslowakei, die vor allem in der Grenzregion zu Ungarn lebte, nach Ungarn umzusiedeln. Gleichzeitig sollte die slowakische Minderheitenbevölkerung Ungarns in die Tschechoslowakei umgesiedelt werden. Am 27. Februar 1946 kam es schließlich zur Unterzeichnung einer

275 Beer: Flucht und Vertreibung der Deutschen 2011, 96.

276 Dövény; Szalai: Die Auswirkungen der dem Zweiten Weltkrieg folgenden Migrationen auf die lokalen Gemeinschaften Süd-Transdanubiens 2011, 209.

277 Tóth: Rückkehr nach Ungarn 2012, 15.

278 Nach Abschluss der Ansiedlungsaktionen in die amerikanische Besatzungszone waren 147.000 ehemals in Ungarn lebende Deutsche hierhergekommen, so das Ergebnis einer Volkszählung vom 29. Oktober 1946. Nach Angaben einer weiteren Volkszählung vom 13. September 1950 lebten in den Westdeutschen Zonen bereits 178.000 Ungarndeutsche, 98.000 davon in Baden und Württemberg, 49.000 in Bayern, 26.000 in Hessen, 2.000 in Niedersachsen, 2.000 in NRW, 10.000 im Rheinland und der Pfalz. Innerhalb der westlichen Besatzungszonen zogen viele Ungarndeutsche von Bayern nach Württemberg. Insgesamt existierten in der amerikanischen und britischen Zone sechs große Auffanglager in denen ungarndeutsche Vertriebene aufgenommen wurden. Siehe dazu Füzes: Etwas blieb daheim in Ungarn 1999, 90.

279 Zinner, Tibor: A magyarországi németek kitelepítése (Die Aussiedlung der Ungarndeutschen), Budapest 2004, 221.

280 Tóth: Migrationen in Ungarn 2001, 57 f.

tschechoslowakisch-ungarischen Vereinbarung über den „Bevölkerungsaustausch“.281 In Folge dieses Bevölkerungstransfers waren mehr als 70.000 Slowaken aus Ungarn in der Tschechoslowakei angesiedelt worden. Wiederum rund 90.000 Angehörige der in der Tschechoslowakei lebenden ungarischen Minderheit waren im Laufe des Jahres nach Ungarn gekommen.282 Hier wurden sie in vielen Fällen in die freistehenden und geräumten Häuser und Wohnungen der ausgesiedelten Deutschen einquartiert.283

Im Laufe des Jahres 1947 wandte sich die ungarische Regierung wiederholt an die Alliierte Kontrollkommission.284 Am 11. Juli 1947 ersuchte Ungarn in einer an den Alliierten Kontrollrat gerichteten Anfrage schließlich offiziell, die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung fortsetzen zu dürfen. Diese Pläne wurden von der SU unterstützt, die sich zu einer Aufnahme von 50.000 aus Ungarn auszusiedelnden Deutschen in der SBZ bereit erklärte. Am 19. August 1947 setzten die Aussiedlungsaktionen erneut ein.285 Die Umsiedlungen, die nunmehr hauptsächlich in der Region Südungarn durchgeführt wurden, endeten im Juni 1948.286 Der letzte registrierte Aussiedlungstransport erreichte

281 Siehe dazu Dövény: Zeitliche und Räumliche Aspekte der Migrationswellen in Ungarn 1997, 13.

282 Dövény; Szalai: Die Auswirkungen der dem Zweiten Weltkrieg folgenden Migrationen auf die lokalen Gemeinschaften Süd-Transdanubiens 2011, 208. Andere Angaben gehen von 55.487 Menschen ungarischer Herkunft aus, die offiziell im Rahmen des Bevölkerungsautauschs aus der Tschechoslowakei nach Ungarn gekommen sind. Wiederum seien 59.774 Slowaken aus Ungarn in die Tschechoslowakei gesiedelt. Siehe Sutaj, Štefan: Zwangsaustausch bzw. Aussiedlung der Madjaren aus der Slowakei – Pläne und Wirklichkeit, in: Brandes, Detlef; Ivaničková, Edita; Pešek, Jirí (Hrsg.):

Erzwungene Trennung. Vertreibung und Aussiedlung in und aus der Tschechoslowakei 1938–1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, Essen 1999, 251–270, hier 267.

283 „Solange, wie die Umsiedlung der ungarndeutschen Bevölkerung nach Deutschland aufgrund des am 20. November 1945 vom Alliierten Kontrollrat getroffenen Beschlusses sowie aufgrund des von der ungarischen Regierung mit der Berliner Militärregierung der Vereinigten Staaten von Amerika am 22.

August 1946 geschlossenen Abkommens nicht fortgesetzt werden kann, solange können die im Sinne von Verordnung Nr. 12330/1945 zur Umsiedlung nach Deutschland verpflichteten Ungarndeutschen provisorisch gemeinsam in Wohnungen einquartiert werden, damit die aus der Tschechoslowakei aufgrund des ungarisch-tschechoslowakischen Abkommens über den Bevölkerungsaustausch, das in Gesetz Nr. XV des Jahres 1945 niedergelegt wurde, nach Ungarn umgesiedelten Ungarn angesiedelt werden können“, heißt es in der Verordnung Nr. 4300/1947 der Regierung der Republik Ungarn über die gemeinsame Einquartierung der deutschen Bevölkerung Ungarns vom 31. März 1945. Siehe dazu Verordnung Nr. 4300/1947 der Regierung der Republik Ungarn über die gemeinsame Einquartierung der deutschen Bevölkerung Ungarns, in: Herder-Institut (Hrsg.): Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte. Themenmodul „Deutsche in Ungarn“, bearb. von Gerhard Seewann, online abrufbar unter https://www.herder-institut.de/resolve/qid/464.html, zuletzt am 9. Februar 2015.

284 Beer: „die helfte hir und tie helfte zuhause“ 2004, 49–50.

285 Tóth: Migrationen in Ungarn 2001, 140–145.

286 Beer: „die helfte hir und tie helfte zuhause“ 2004, 50–52.

die SBZ am 15. Juni 1948. Insgesamt wurden in dieser zweiten Aussiedlungswelle in 33 Transporten 35.000 Deutsch-Ungarn in die SBZ evakuiert.287 Zum Zweck von Familienzusammenführungen wurden im Jahr 1950 weitere sogenannte

„Repatriantentransporte“ aus Ungarn in die zwischenzeitlich gegründete DDR geschickt.288

Ein Wechselspiel verschiedener sozialer sowie außen- und innenpolitischer Faktoren hatte letztendlich die Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung Ungarns zur Konsequenz. Dabei ist davon auszugehen, dass sich im Laufe der Jahre 1946 und 1947 die Konzepte der Vertreibung grundsätzlich gewandelt hatten. Die ethnopolitisch begründeten Motive für eine Aussiedlung der deutschstämmigen Bevölkerung wurden zunehmend sozioökonomischen Beweggründen untergeordnet. Auch aufgrund der großen Zahl ungarischer Flüchtlinge aus den Nachbarländern, deren Unterbringung und Versorgung nach wie vor nicht ausreichend gewährleistet war, hatte Budapest weitere Umsiedlungen von Deutschen aus Ungarn gefordert. Durch die Vertreibung der Deutschen und durch Konfiskation und Umverteilung deutschen Vermögens sollten auch die durch die innenpolitische Entwicklung entstandenen sozialen Missstände in Ungarn beseitigt werden.