• Nem Talált Eredményt

4. Kontexte

4.8. Heimkehr als Sehnsuchtsmotiv

In der Situation des erzwungenen Exils war die Hoffnung auf Heimkehr und auf Rücksiedlung in die Herkunftsregionen ein zentrales Sehnsuchtsmotiv vieler Vertriebener, zumal diese sich von den Entwicklungen in der „neuen Heimat“ – unabhängig davon, ob sie in die westlichen Besatzungszonen oder in die SBZ gelangt waren – nur wenig versprachen.342 Wie im Vorangegangenen ausgeführt, war eine Rücksiedlung der Vertriebenen in ihre jeweiligen Heimatländer in der von den Besatzern forcierten Assimilationspolitik aber nicht vorgesehen. Dennoch äußerten die aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen öffentlich immer wieder ihren Wunsch auf Heimkehr. In den Quellen lassen sich hierzu zahlreiche Beispiele finden. Nicht nur aus Briefen, die Heimkehrwillige an die entsprechenden Versorgungs- und Verwaltungsämter, an die ungarische Mission oder an kirchliche Trägervereine schickten, um die Heimkehr zu erwirken, sondern auch aus zahlreichen offiziellen Stellungnahmen der Verwaltungsbehörden geht hervor, dass in den unmittelbaren Jahren nach dem Krieg viele Vertriebene nicht auf einen dauerhaften Verbleib in den Aufnahmeregionen setzten.

Schon kurz nach ihrer Ankunft in den Quarantänelagern äußerten die heimatvertriebenen Deutschen aus Ungarn gegenüber den Lagerleitungen den Wunsch, wieder nach Ungarn zurückkehren zu wollen. Auf einen dauerhaften Aufenthalt in der SBZ richteten sich die Betroffenen zunächst nicht ein, wie etwa aus einem Auszug eines „politischen Berichts”

der Lagerleitung des Durchgangslagers Pirna über Transport Nr. 4803 vom 27. Januar 1948 hervorgeht: „Die Wunscherklärung der Umsiedler wäre, in Kürze nach ihrer Heimat, und zwar nach Ungarn, wieder zurückzukehren, da sie sich hier, sei es in der russischen sowie amerikanischen Zone, nicht viel versprechen. Vorteilhaft aber wäre es

340 Thüsing; Tischner; Schrammek: „Umsiedler“ in Sachsen 2005, 24.

341 Beer: Deutsche aus Ungarn in West- und Ostdeutschland 1997, 127–146, insbesondere 135; Kawakita:

Vertriebenenfrage 2002, 13.

342 Vgl. Agazzi; Schütz (Hrsg.): Heimkehr 2010.

in der amerikanischen Zone angesiedelt zu werden.343 Auch beim Eintreffen der sogenannten Repatriierungskommissionen in den Lagern äußerten Vertriebene aus Ungarn ihren Wunsch auf Heimkehr gegenüber der Lagerleitung. Diese Kommissionen waren von der SMAD eingesetzt worden, um die aus den baltischen Staaten, Rumänien, Weißrussland und der Ukraine von den Nationalsozialisten verschleppten Zwangsarbeiter wieder in ihre Heimatländer zu überführen.344 In den Kriegswirren waren viele von ihnen in den selben Lagern interniert, in denen auch die Vertriebenen aus Ungarn einquartiert waren. Während sich die DP's berechtigte Hoffnung auf Heimkehr machen konnten, war für die aus Ungarn und anderen Regionen Mittel- und Osteuropas vertriebenen Deutschen eine Heimkehr strukturell ausgeschlossen. Dass das Eintreffen der Repatriierungskommissionen auch unter den ungarndeutschen Vertriebenen große Hoffnung auf Heimkehr schürte, war auch den SBZ-Behörden nicht entgangen. Aus dem Quartalsberichts der Abteilung „Einbürgerung“ des Ministeriums des Innern der Landesregierung Sachsen vom 6. April 1949 geht hervor: „Das Eintreffen der rumänischen Repatriierungskommission hat unter den rumänischen Staatsangehörigen große Freude ausgelöst. Sie haben nun die Hoffnung, in Kürze zu ihren Angehörigen zurückkehren zu können. Die Stimmung der Ungarn ist dadurch voll neuer Hoffnung, denn auch die zu Unrecht ausgesiedelten Ungarn wollen wieder in ihre Heimat zurück.“345 Im Alltag der kommunalen Verwaltung war die Frage der Heimkehr in den Jahren nach 1945 täglich präsent, zumal der Aufenthalt in den Aufnahmegebieten von den Betroffenen häufig als nur vorläufig betrachtet wurde. Eine baldige Rückkehr in die Heimat schien vielen Vertriebenen zu diesem Zeitpunkt noch möglich. In einem Bericht über die „bisherige Tätigkeit des Umsiedleramtes beim Stadtrat Pirna“, der aufgrund seiner archivalischen Einordnung in den Sommer 1947 datiert werden kann, heißt es:

„Der tägliche Umgang mit den Neubürgern, die mit den verschiedenartigsten Anträgen

343 „Politischer Bericht“ der Lagerleitung Pirna über Transport 4803, SächsHStA, Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern, Nr. 2286, gedruckt in Wille (Hg.): Die Vertriebenen in der SBZ/DDR II 1999, 144.

344 Zum Komplex Repatriierung siehe Castecker, Frank: „Displaced Persons“ (Dps) in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Bade, Klaus; Emmer, Pieter; Lucassen, Leo; Oltmer, Jochen (Hrsg.):

Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, 529–535.

345 Quartalsbericht I. 1949, Dresden, 6. April 1949, in SächsHStA, 11377, Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern, Nr. 2975 (Evakuierte, Umsiedler, Vermisste, Interzonenpassangelegenheiten, Presse- und Rundfunkmeldungen), Abteilung Einbürgerung, AZ: VI 56a.

an das Umsiedleramt herantreten und dabei meistens das Bedürfnis haben ihr Herz auszuschütten, vermitteln dem Sachbearbeiter ein ziemlich getreues Stimmungsbild der von Haus und Hof Vertriebenen. Darnach muss festgestellt werden, sich die Masse der Neubürger, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, mit ihrem Schicksal abgefunden hat und bestrebt ist, sich hier eine neue Heimat zu schaffen. Trotz alledem hofft aber ein Großteil der aus den Ostgebieten Ausgesiedelten, daß bei der kommenden Regelung der Ostgrenze doch noch eine für Deutschland günstigere Position erreicht werden kann und dadurch ihre Rückkehr in ehemalige Heimat ermöglicht wird.“346

Die Verwaltungsbehörden aber hatten den Betroffenen zu vermitteln, dass ihr Aufenthalt in den Aufnahmeregimen auf Dauer angelegt ist. Dies zu vermitteln, stellte die lokalen Ämter und Behörden offenbar immer wieder für Schwierigkeiten. Wie ein Sachbearbeiter des Umsiedleramtes Pirna bei einer Ausschusssitzung aus der Praxis der Aufnahme und Anmeldung der Umsiedler bei den lokalen Behörden berichtete, hätten im Alltag der Verwaltung Angaben zu Wohn- und Aufenthaltsort immer wieder für Diskussionen gesorgt. Offizielle Vermerke, wie „2. Wohnsitz“ oder „Aufenthaltsgenehmigung bis auf weiteres“, hätten bei den Ankömmlingen „falsche Vorstellungen“ geweckt, denn die

„Neubürger nehmen an, daß ihr Aufenthalt nur befristet ist und ihr früherer Wohnort nach wie vor 1. Wohnsitz, in den sie zur gegebenen Zeit zurückkönnen, bleibt. Um bei Sudeten-Deutschen, Schlesiern usw. keine unberechtigte Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat zu erwecken, erachtet es der Sprecher für erforderlich, Abhilfe zu schaffen.“347 Aufgrund ihres Wunsches in die Herkunftsregionen zurückzukehren, waren viele der SBZ-Vertriebenen Deutschen aus Ungarn deshalb zunächst auch nicht an einer politischen Integration in der SBZ interessiert. Dies wird an dem Beispiel eines Volksbegehrens zur Einheit Deutschlands deutlich, das in der „Grauen Kaserne“ in Pirna in den Monaten Mai und Juni 1948 durchgeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich viele aus Ungarn ausgesiedelte Deutsche im Durchgangslager Pirna auf. An dem Volksbegehren beteiligten sich lediglich 4,2 Prozent der 3509 stimmberechtigten Lagerinsassen. Die Verweigerer begründeten in einem offenen Schreiben an die

346 Bericht über die bisherige Tätigkeit des Umsiedleramtes beim Stadtrat Pirna (ohne zeitliche Angabe), StA Pirna, Statistische Angaben über die Unterbringung von Umsiedlern und deren Unterstützung, 1946–1949, B IV–IV, 51, 95.

347 Protokoll der Ausschusssitzung vom 30. Mai 1947, StA Pirna, B IV–II, 61, 97–103, hier 102.

Lagerleitung ihre Ablehnung damit, dass „sie bereits einmal während der faschistischen Zeit durch eine Unterschriftenleistung und unter der Vorspielung falscher Tatsachen schwer geschädigt“ worden seien.348 Es ist davon auszugehen, dass hiermit die Beitrittserklärung zum VDU bzw. die Angaben zu Nationalität und Muttersprache bei dem 1941 durchgeführten Zensus gemeint waren. Insbesondere die Zensusdaten waren von den Aussiedlungskommissionen als Grundlage der Aussiedlungslisten herangezogen worden. Laut des Schreibens waren die Lagerinsassen außerdem der Meinung, dass sie

„absolut nicht hierherkommen wollten und sich als Ungarn fühlen, somit also an einer Einheit nicht interessiert sind.“349 Die öffentliche Äußerung des Rückkehrwunsches konnte Heimkehrwillige im Umfeld der SBZ unter Umständen unter Revanchismusverdacht bringen. Deutlich wird dies aus einem Schreiben des Stadtrats Pirna an das Amt für Umsiedler beim Kreisrat des Landkreises Pirna vom 22. September 1947. Auf Aufforderung des Kreisrates berichtete der Stadtrat in dem Schreiben von der Situation der Umsiedler in der Gemeinde und nahm Stellung zu verschiedenen Fragen rund um die Versorgungslage und die Bedingungen der Aufnahme der Umsiedler in Pirna. In dem Schreiben wurden die von Seiten der Vertriebenen vorgebrachten Forderungen nach Rückkehr – im Sinne der SED-Propaganda – als faschistische Hetze kategorisiert. Auf die Frage, inwiefern „profaschistische Propaganda“ unter den Umsiedlern verbreitet sei, erwiderte der Stadtrat unter Punkt 6 des Antwortschreibens:

„Als profaschistische Propaganda kann man wohl die Gerüchtemachung über eine evtl.

Rückkehr der Neubürger in ihre Heimat bezeichnen.“350

In den westlichen Besatzungszonen konnte der Rückkehrwunsch seit Lockerung des

„Koalitionsverbotes“ offen geäußert werden. Vor allem die sich in der Trizone seit 1947 etablierenden Landmannschaften und Heimatbewegungen artikulierten in öffentlichen Stellungnahmen Forderungen nach einem „Recht auf Heimat“.351In den Reihen der aus Ungarn vertriebenen Deutschen tat sich in dieser Frage der ungarndeutsche

348 Beer: „die helfte hir und tie helfte zuhause“ 2004, 56–57.

349 Ebd., 56–57.

350 Betr. Befehl Nr.124 des Kommandantendienstes der SMA, in: StA Pirna, Statistische Angaben über die Unterbringung von Umsiedlern und deren Unterstützung, 1946–1949, B IV–IV, 51, 82 und B IV–II, 62, 454.

351 Ihren Höhepunkt fand dies in der Verkündigung eines „Rechts auf Heimat“ in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen in Stuttgart/ Bad Cannstadt im August 1950.

Heimatverband „hüssegel a hazért“ („In Treue zur Heimat“) mit radikalen Forderungen hervor. In einer Rede des Vorsitzenden vom 1. Januar 1949 zeigt sich die Programmatik der Organisation: „Unsere Ziele sind die Befreiung unseres Vaterlandes und daß wir unsere Heimkehr erkämpfen, nicht aber, daß wir als gebrandmarkte Heimatlose in der großen Welt herumirren.“352 In den westlichen Besatzungszonen erschienen darüber hinaus zahlreiche Heimatzeitungen und Informationsblätter, in denen die Forderung nach Heimkehr öffentlich geäußert wurde.353 Die seit Januar 1947 in Stuttgart erschienene ungarndeutsche Heimatzeitschrift „Unsere Post“, als eine der bedeutendsten ungarndeutschen Mitteilungsblätter in den westlichen Zonen und der BRD, setzte sich mit dieser Frage wiederholt auseinander, so etwa in der Neujahrausgabe 1950 in dem einleitenden Artikel „Mit neuen Hoffnungen ins Neue Jahr“. Der Artikel wurde von Ludwig Leber, damaliger Leiter der ungarischen Abteilung des Caritasverbandes und später Gründungsmitglied und Vorsitzender der 1949 gegründeten Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, verfasst.354 In dem Artikel heißt es: „Das Recht auf unsere Heimat ist und bleibt unser innigster Neujahrswunsch, solange bis er in Erfüllung geht.“355 Wenngleich die Hoffnung auf Rückkehr weiter bestand hatte, erkannten viele Ungarndeutsche, dass die Rückkehr nach Ungarn weder realistisch, noch wünschenswert war. Dieses Stimmungsbild wird in einer Ausgabe von „Unsere Post“ aus dem Jahr 1950 deutlich. Die Lebenssituation in Ungarn sei sehr schlecht und die deutsche Minderheit strukturell diskriminiert und an den Rand gedrängt, so dass sich „seit Jahr und Tag Tausende von daheim-verbliebenen Landsleuten mit allen Mitteln, zu ihren Angehörigen

352 Zit. n. Füzes: Etwas blieb daheim in Ungarn 1999, 120.

353 Beer: „die helfte hir und tie helfte zuhause“ 2004, 62.

354 Leber setzte sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Caritasverbandes immer wieder mit der Frage der Heimkehr auseinander und reichte diesbezüglich zahlreiche Anfragen bei den ungarischen Auslandsbehörden ein. Dies geht etwa aus einem Briefwechsel zwischen Leber und Josef Hajdu, dem außerordentlichen Gesandten Ungarns an der ungarischen Mission in Berlin vom 21. März 1950 hervor.

Hajdu antwortete auf eine Anfrage Lebers bezüglich der kursierenden Gerüchte, dass eine Rücksiedlung möglich werde: „Auf ihr Schreiben vom 4.d.M. teilen wir Ihnen mit, dass die Gerüchte bezüglich der Rücksiedlung der aus Ungarn ausgesiedelten Personen deutscher Muttersprache nicht der Wahrheit entsprechen. Weder die ungarische Regierung noch die Ungarische Diplomatische Mission in Berlin haben in diesem Sinn eine Verlautbarung erlassen bezw. eine Verfügung getroffen. Alle Personen, die im Laufe der Aussiedlung das Gebiet Ungarns verlassen haben, haben die ungarische Staatsbürgerschaft verloren und daher ist auch ihre Rückkehr nicht möglich.“ Siehe BayHStA, 61572, Briefwechsel Hajdu/Leber, 21. März 1950.

355 Leber, Ludwig: Mit neuen Hoffnungen ins Neue Jahr, in: Unsere Post, Mitteilungen für die Heimatverriebenen aus Ungarn, 5. Jahr, Nr. 1, Stuttgart, 1. Januar 1950, 1.

nach Deutschland zu kommen“. Die Frage, die sich Heimkehrwillige stellen müssten sei nicht ob eine Heimkehr möglich, sondern vielmehr, ob diese ratsam sei. Mit Blick auf die im Frühjahr 1950 veröffentlichte Amnestiegesetz, das die Wiederanerkennung ungarischer Staatsbürgerschaften ermöglichte, schrieb „Unsere Post“: „Für die überwiegende Mehrheit derselben (für die heimatvertriebenen Deutschen) war nicht so sehr die Frage ausschlaggebend, ob die Nachrichten über eine Rückkehrmöglichkeit den Tatsachen entsprechen oder nicht, als vielmehr die klare Erkenntnis, daß unter den gegebenen Verhältnissen jeder vernünftige Mensch eine Rückkehr ablehnen muß, wenn er hierfür nicht einen ganz besonders zwingenden familiären Grund hat.“356 Die Möglichkeit der Heimkehr schien schon mit Gründung der deutschen Staaten und der zunehmenden politischen Etablierung Ungarns kaum mehr als machbare Option. Die politische-ideologische Blockbildung zwischen Ost und West verschärfte diese Situation.

Die Rückkehr blieb so „allenfalls als vage Hoffnung der Individuen bzw. als radikalutopische Forderung der Vertriebenenverbände virulent“, wie Andrea Schmelz herausstellt.357