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Einführende Gedanken und Zielsetzung

Autoethnografie einer ungarischen Sprachlehrerin über ihre Lehrtätigkeit in Izmir

1. Einführende Gedanken und Zielsetzung

Die sprachliche und kulturelle Homogenität der Klassenverbände wurde in den vergangenen Jahren in weiten Teilen Europas und Nordamerikas durch sprachlich und kulturell heterogene Unterrichtsszenen abgelöst. Die Ursache hierfür sind ökonomische, politische und gesellschaftliche Prozesse sowie die vereinfachte und kostengünstige Mobilität und Kommunikation. Dabei sind in einem Klassenzimmer die folgenden Kombinationen sprachlicher und kultureller Hintergründe anzutreffen:

[1] Lehrkraft und Schüler haben den gleichen sprachlichen und kulturellen Hintergrund. Dieser deckt sich größtenteils mit der Mehrheitskultur.1 [2] Die Lehrkraft und die Mehrheit der Schüler haben den gleichen

sprachlichen und kulturellen Hintergrund, der zum größten Teil mit der Mehrheitskultur deckungsgleich ist. Ein bestimmter Anteil der Schüler verfügt über einen von der Mehrheitskultur unterschiedlichen sprachlichen und kulturellen Hintergrund (z.B. Unterrichtszene in einer Einwanderungsgesellschaft).

[3] Die Lehrkraft repräsentiert die Mehrheitskultur, während die Schüler untereinander, sowie von der Lehrkraft verschiedene sprachliche und kulturelle Hintergründe haben (z.B. segregierter Unterricht für Flüchtlingskinder im Aufnahmeland).

[4] Die Lehrkraft hat einen anderen kulturellen Hintergrund als die Schüler, die zur Mehrheitskultur gehören (z.B. übt die Lehrkraft ihre Tätigkeit im Ausland an einer öffentlichen Schule aus).

1 Mehrheitskultur bezeichnet im Folgenden diejenige gesellschaftliche und diskursive Praxis, die von der Mehrheit der Gesellschaft geteilt wird, d.h. in der die Unterrichtsszene institutionell eingebettet ist, durch die sie reguliert wird.

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[5] Die Lehrkraft hat einen anderen kulturellen Hintergrund als die Schüler, die auch alle über unterschiedliche sprachliche und kulturelle Hintergründe verfügen (z.B. internationale Schulen weltweit).

In den vergangenen Jahren behandelten immer mehr wissenschaftliche Studien die Frage, inwieweit das Berufsprofil des Lehrers von einer zunehmend globali-sierten Welt und von der zunehmenden Zahl von sprachlich und kulturell hete-rogenen Unterrichtsszenen beeinflusst wird (vgl. u.a. Cushner 2007, DeJaeghere/

Zhang 2008, Robertson 2000, Waltersa u.a. 2009).2 Ich sehe die Notwendigkeit von Veränderungen vor allem in den folgenden vier Aspekten:

[a] Lehrer sollten das didaktische Konzept des Globalen Lernens immer mehr einsetzen und globale Themen, die das Lokale beeinflussen, in den Unterricht einbetten, so dass ihre Schüler ihre Wahrnehmung der vernetzten Welt schulen können.

[b] Lehrer sollten die Möglichkeit nutzen, die Kommunikation mit Fremdsprachigen effektiv in den Unterricht zu integrieren.

[c] Lehrer sollten sich für eine Lehrtätigkeit in einem fremden Land vorbereiten können (vgl. Unterrichtsszenen [4]–[5]).

[d] Lehrer sollten sich für den Einsatz in einem sprachlich und kulturell fremden Klassenzimmer vorbereiten können, wobei die Vermischung von sprachlichen und kulturellen Hintergründen in sehr unterschiedlichen Kombinationen resultieren kann (vgl. Unterrichtsszenen [2]–[5]).

In der pädagogischen Forschung wird den Unterrichtsszenen [1], [2] und [5] viel mehr – obwohl leider nicht genug – Beachtung geschenkt als den Unterrichtsszenen [3] und [4]. Es wird in der relevanten Forschungsliteratur wenig systematisch reflektiert, über welche Kompetenzen und welches Wissen eine Lehrkraft verfügen muss, um in der Unterrichtskonstellation [3] oder [4]

eingesetzt werden zu können, und ob es Kompetenzen und Wissen gibt, die in allen fünf Konstellationen unentbehrlich sind.

Außerdem kann festgestellt werden, dass die im nationalen Rahmen organi-sierte Lehrerausbildung die (angehenden) Lehrer weiterhin überwiegend für die Konstellation [1] vorbereitet. Es wird sowohl in der Forschung als auch in der Praxis zu wenig darauf eingegangen, wie Lehrkräfte sich selbst weiter-bilden können, um als effektive und bewusste Akteure den Veränderungen und Erweiterungen ihres Tätigkeitsprofils bezüglich der Aspekte [a], [b], [c] und [d] entgegensehen zu können (eine Ausnahme bilden jene Inhalte,

2 Im Text bediene ich mich der generisch maskulinen Form von Substantiven, weibliche Repräsentanten sind selbstverständlich überall mitgemeint.

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die sich auf die Unterrichtszene [2] beziehen). In vielen wissenschaftlichen Stellungnahmen wird offenbar davon ausgegangen, dass Lehrer mit fehlendem

„Global-Bewusstsein“ dennoch in der Lage sind, ihren Schülern Fertigkeiten und Wissen zu vermitteln, die sie zu globalen Bürgern machen, bzw. sie selbst global handeln und arbeiten lassen.3

Die folgenden Fragen stehen offen: Ist es möglich, eine genaue Skala von Lehrerkompetenzen und Wissensbeständen festzulegen, die für eine Lehrkraft in der jeweiligen Unterrichtsszene [1]–[5] unentbehrlich ist? Ist die sog. „inter-kulturelle Kompetenz“ eine der Kernkompetenzen, und wenn dem so ist: wie lässt sich diese definieren und unter den anderen Kompetenzen einordnen?

Inwiefern vermittelt die institutionelle Lehreraus– und –fortbildung bereits jetzt die erwünschten Kompetenzen und Wissensbestände? Wodurch sollte die institutionelle Lehreraus– und –fortbildung erweitert und ergänzt werden, damit sie Lehrkräfte für die unterschiedlichen Unterrichtszenen [2]-[5] und den Herausforderungen des veränderten und erweiterten Berufsprofils ([a]-[d]) vorbereiten kann? Inwiefern sind Inhalte und Forschungsergebnisse im Curriculum integriert, die die heterogenen Unterrichtsszenen [2]-[5] reflek-tieren und thematisieren würden?

Der vorliegende Artikel ist eine Autoethnografie, die meine Arbeit als Sprachassistentin für Englisch als Fremdsprache an einem staatlichen türki-schen Gymnasium in Izmir von Februar bis August des Jahres 2008 reflektiert. In der Analyse wird der Frage nachgegangen, wie ein Auslandsaufenthalt in einem fremden Land dazu beitragen kann, die Kompetenzen und Wissensbestände des Lehrers zu erweitern, die es ermöglichen, den Unterricht und die eige-ne Arbeit in eieige-nem globalen Kontext zu gestalten. Anhand der Analyse der Berufserfahrung in Izmir kommt man meiner Ansicht nach zu dem Ergebnis, dass eine Lehrkraft, die über bestimmte Kernkompetenzen und ein bestimmtes Kernwissen verfügt, in allen Unterrichtskonstellationen ([1]-[5]) erfolgreich eingesetzt und den Herausforderungen des veränderten Berufsprofils ([a]-[d]) effektiv gerecht werden kann. Weiterhin wird dafür plädiert, dass diese Kernkompetenzen und das benötigte Kernwissen in entsprechend intensiver Weise v.a. bzw. nur durch einen Auslandseinsatz entwickelt und gefördert

3 Der Ausdruck global-bewusst wird hier verwendet, weil mir zurzeit kein adäquaterer Begriff für das Gemeinte zur Verfügung steht. Durch die Verwendung des Ausdrucks soll jedoch keineswegs die Tatsache unter den Teppich gekehrt werden, dass Begriffe wir Globalisierung, global und global-bewusst hochdebattierte und politisch geladene Ausdrücke sind, und dass die präzise Anwendung solcher Ausdrücke in erziehungswissenschaftlichen Arbeiten zuerst von kompetenten Fachleuten systematisch diskutiert werden sollte.

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werden können. Ein weiteres Ziel dieses Artikels ist es, (angehenden) Lehrern reflektierende Gedanken und nützliche Aspekte über die eigene Lehrtätigkeit in einem fremden nationalen Kontext sichtbar zu machen und somit ihre kritische Denkweise zu fördern. Diese Zielsetzung steht mit dem folgenden Zitat im Einklang:

Interkulturelles Lernen in einem weiten Sinn des Begriffs kann sich innerhalb oder außerhalb von Institutionen vollziehen und deckt sich im zweiten Fall mit der Verarbeitung interkultureller Lebenserfahrung, die etwa durch Tourismus, Migration, Schüler– und Jugendaustausch, interkulturelle Partnerbeziehungen und Ehen, Auslandsentsendungen von Arbeitskräften sowie mit der Begegnung mit den Angehörigen fremder Gesellschaften und Kulturen vermittelt und erworben werden kann. Interkulturelle Lebenserfahrung und ihre Verarbeitung stellen mit Abstand die wichtigsten Formen interkulturellen Lernens dar. Sie werden jedoch häufig für Formen des institutionellen interkulturellen Lernens zu wenig nutzbar gemacht und sowohl in der Forschung wie in der pädagogischen Praxis zu wenig aufgearbeitet und kritisch reflektiert. (Lüsebrink 2005: 66; Hervorhebungen von mir, B.B.) Die Sekundärliteratur zu diesem Thema verwendet – wie auch das Zitat – oft Fachausdrücke in einer Kombination mit dem Konzept der „Interkulturalität“.

Im nächsten Abschnitt wird auf dieses Konzept eingegangen.