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Begriffserklärungen

Welches Lehrerwissen erfordern unterrichtliche Interaktionen?

1. Begriffserklärungen

1.1. Interaktion – Diskurs – Diskurskompetenz

In diesem Kapitel wird erläutert, wie die Begriffe Interaktion, Diskurs und Diskurskompetenz interpretiert und im Weiteren verwendet werden, und es werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit die für die fremdsprachenun-terrichtliche Perspektive wichtigsten Aspekte von Interaktion, Diskurs und Diskurskompetenz zusammengefasst.

1.1.1. Interaktion

Interaktion ist ein partnerorientiertes, intentionales Handeln von GesprächspartnerInnen, in dem die Interagierenden gegenseitige Verständigung erreichen wollen. Bei der Konstituierung von Gesprächen sind durch die Interagierenden drei Prinzipien zu beachten: die Reziprozität der Perspektiven (die Fähigkeit, die Position des/der Anderen einnehmen zu können), die Unterstellung von Normalität und Rationalität des Handelns und „das dialo-gische Ökonomieprinzip“ (Brinker/Sager 1996: 134f.).

In der allgemeinen Kommunikation unterscheidet man drei verschiede-ne Modi: symmetrische, komplementäre und paradoxe Kommunikation (Watzlawick 1972: 69). In unterrichtlichen Prozessen sind Interaktionen entwe-der symmetrisch oentwe-der komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den SprechpartnerInnen auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.

Ein wichtiges Merkmal von Alltagsgesprächen ist eine auf der zwischen-menschlichen Beziehung beruhende Motivation der GesprächspartnerInnen, dem/der Anderen eine Antwort zu geben. Der Partner/die Partnerin hat jedoch auch das Recht auszuweichen.

Wenn man die obigen Merkmale auf unterrichtsspezifische Gespräche be-ziehen möchte, kann man erkennen, dass Unterrichtsgespräche „echt“ sind, wenn

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(a) die Lernenden sich selbst einbringen, bereit, das Gefühlsrisiko zu tragen, (b) sie sich dabei auf die Impulse der anderen beziehen, bereit, aufzugreifen, weiter-zuführen oder zu revidieren – auch sich selbst (Nissen 1986: 26).

Im Unterricht werden Lernende jedoch oft drangenommen, die nicht an Gesprächen teilnehmen wollen und eigentlich nichts zu sagen haben. Das

„Ausweichen“ ist im Unterricht, ohne die Gefahr sanktioniert zu werden, eher selten. Das hängt sehr stark mit Lehr– und Lerntraditionen und mit (oft falsch) vermuteten Erwartungen der Lernenden zusammen. Ich mache hier darauf aufmerksam, dass falls Lernende im Unterricht „ausweichen“ dürfen, sie die für ihre Sprachentwicklung wichtigen und notwendigen Kommunikationsroutinen erlernen können.

Für Lernende und Lehrende bestehen im Unterricht unterschiedliche Kommunikationschancen. Im modernen kommunikativ-handlungsorientier-ten Fremdsprachenunterricht wird angestrebt, dass Lernende mitdenken und den Lernprozess mitgestalten. Die symmetrische Kommunikation ermöglicht die Beteiligung für alle Kommunikationsagierenden.

Die Kommunikationschancen werden durch die realisierten Interaktionsmuster und Arten des Zu-Wort-Kommens beeinflusst.

Von den Sozial- und Arbeitsformen abhängig treten unterschiedliche Interaktionsmuster auf. Im traditionellen Unterricht dominieren folgende zwei– und dreiphasige Interaktionsmuster:

LehrerInnenfrage >>> LernerInnenantwort >>> LehrerInnenfeedback;

LehrerInnenaussage >>> LernerInnenwahrnehmung.

Im modernen Fremdsprachenunterricht soll(t)en vielfältige und mehr-phasige Interaktionsmuster realisiert werden, damit Lernende differen-zierte Sprecher– und Hörerrollen wahrnehmen können, sich angemessene Sprecherwechselformen (Sprechpausen, längere Pausen, bzw. Schweigen,

„Überlappen“ und Unterbrechung) verbal und nonverbal realisieren, Nachdenken oder Unsicherheit signalisiert werden können.

Die Arten des Zu-Wort-Kommens sind „Fremdwahl“ und „Selbstwahl“.

Fremdwahl wird durch Lehrende, Methoden (z.B. Kettenübung oder Spielregeln) oder durch andere Lernende initiiert. Bei der Selbstwahl signali-sieren Lernende ihre eigene Sprechabsicht. Die Fremd– und Selbstwahl können verbal oder nonverbal, durch Blickverhalten, Gestik, Mimik, Körperpositur, Manipulation von Objekten etc. erfolgen.

Meiner Ansicht nach sollte man noch eine spezifische Art unterrichtli-cher Interaktionen erkennen, nämlich die „nicht erfolgreiche Selbstwahl“.

111 Wirksamkeit der Interaktionen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache Darunter verstehe ich solche Momente, wenn Lernende im Frontalunterricht nicht das Rederecht erhalten, d.h. sich zu Worte melden und ein Anderer/eine Andere von den Lehrenden aufgerufen wird. Ohne darauf eingehen zu wollen, möchte ich hier auf erzieherische und affektive Aspekte der Frage aufmerk-sam machen. Aus kommunikativer Perspektive ist jedoch von Relevanz, dass

„nicht erfolgreiche Selbstwahl“ etwas anderes meint, als wenn man sich in einem Gespräch nicht durchsetzen kann. Es ist äußerst wichtig, dass Lernende im Plenum und in Kleingruppen verschiedene Diskussionen erleben, in de-nen sie Kommunikationsstrategien und –routide-nen erproben, sowie erfahren, wie sie sich in einem Gespräch effektiv durchsetzen können, verschiedene Strategien des Sprecherwechsels einsetzen, um die Initiative zu ergreifen, um die Interaktion aufrecht zu erhalten und um das gegenseitige Verständnis zu sichern oder Missverständnisse zu klären.

1.1.2. Diskurs

Für meine fremdsprachendidaktische Annäherung erscheint die funktional-pragmatische Betrachtung von Diskurs nach Bührig als hilfreich:

Unter Diskursen werden sprachliche Tätigkeiten von zwei oder mehr Aktanten ver-standen, die in einer Sprechsituation kopräsent sind. Kennzeichnend für Diskurse ist die Einbettung des Handelns in eine Sprechsituation. (Bührig 2010: 265f.) Diskurs wird von mir im Weiteren zur Bezeichnung des Untersuchungs-gegenstandes äquivalent mit „Gespräch“ (vgl. Henrici, 1995: 38) und in Anlehnung an Bührig (2010) verwendet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kohärenz. Ein Gespräch gilt als kohärent, wenn sich die einzelnen Gesprächsschritte aufeinander bezie-hen. Die Gesprächskohärenz beruht darauf, dass die Interaktionsaktanten dem Kooperationsprinzip nach handeln, dass jeder Gesprächsschritt der TeilnehmerInnen als Reaktion auf den vorausgehenden Schritt des/der Anderen verstanden wird. Besonders auffallend ist es daher, wenn jemand die Aussage des Gesprächspartners außer Acht lässt, als ob der/die Andere nicht gesprochen hätte (Brinker/Sager 1996: 75ff.).1

Die Strukturierung mündlicher Diskurse kann nach Bührig (2010) gemäß folgenden Gesichtspunkten erfasst werden:

Sequentialität: sprachliche Strukturen werden in ihrer zeitlichen

 Erstreckung betrachtet Thematizität: Thema – Rhema

1 Vgl. Unterrichtsbeispiele in Boócz-Barna 2007: 113ff.

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Supportivität: im Rahmen mündlicher Diskurse finden sich oft Spuren

 einer aktuellen Verstehensbearbeitung durch supportive Äußerungen (z.B. Reformulierungen bei Gülich und Kotschi 1987)

Identität: „soziale, kulturelle, ethnische oder geschlechtsspezifische

 Charakterisierungen von Personen” (Bührig 2010: 267).

Unterrichtliche Diskurse weisen spezifische Züge auf, die interaktiven Aushandlungsprozeduren werden nämlich durch verschiedene Einflussfaktoren wie lerner-endogene, lerner-exogene Faktoren und subjektive Theorien be-einflusst. Für den Fremdsprachenunterricht ist eine weitere Eigenart von Gesprächen kennzeichnend. Dieses Spezifikum ergibt sich aus der doppelten Funktion der Fremdsprache, die als Ziel des Lernens/Lehrens und zugleich als Kommunikationsmittel im Unterricht gleichzeitig präsent ist. Daraus re-sultieren „koexistierende Diskurswelten“ (Edmondson/House 1993: 260), d.h.

natürliche, echte Diskurse zwischen Lehrenden und Lernenden bzw. unter Lernenden einerseits sowie pädagogisch oder didaktisch geprägte Diskurse an-dererseits. Diese Unterrichtsdiskurse sind zwar institutionalisiert, jedoch von Fall zu Fall einzigartig. In diesem Prozess entfalten sich ja die Lernersprachen einzelner Individuen, wobei rasche Entwicklungen und auch Rücktritte auf eine frühere Entwicklungsstufe wahrzunehmen sind. Aus dieser Eigenart des Unterrichtsdiskurses resultierend können im Fremdsprachenunterricht keine so festen Interaktionsnormen abgeleitet werden wie in den verschiedenen Gesprächstypen im Alltag.

Unterrichtliche Diskurstypen werden in der fremdsprachendidaktischen Fachliteratur unterschiedlich gedeutet. Ich verweise hier auf die aus kommuni-kativer Sicht wichtigsten Klassifizierungen. Portmann (2001: 252) unterschei-det „Unterrichtsorganisation“ und „themenbezogene Unterrichtsaktivitäten“, Bührig (2010) interpretiert die Diskurstypen als „Hauptdiskurs“ und

„Paralleldiskurs“. Paralleldiskurs differenziert Bührig in Begleitdiskurs (Bezug auf Hauptdiskurs von Lernenden) und Nebendiskurs (ohne Bezug auf Hauptdiskurs von Lernenden). Ein nächster Subtyp von Bührig ist die Bezugnahme auf Paralleldiskurse durch Lehrende wie Aufgreifen oder

„Disziplinieren“.

1.1.3. Diskurskompetenz

Ohne auf alle Lernkompetenzen eingehen zu wollen, möchte ich im Folgenden die wichtigen pragmatischen Kompetenzen ausführen:

Pragmatische Kompetenzen betreffen das Wissen der Sprachverwendenden/

Lernenden um die Prinzipien, nach denen Mitteilungen a) organisiert,

113 Wirksamkeit der Interaktionen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache strukturiert und arrangiert sind (Diskurskompetenz); b) verwendet werden, um kommunikative Funktionen zu erfüllen (funktionale Kompetenz); c) nach inter-aktionalen und transinter-aktionalen Schemata angeordnet sind (Schemakompetenz).

(GER 2001)

Unter Diskurskompetenz versteht man das Wissen um Thema/Fokus; be-kannt/neu; „natürliche“ Reihenfolge: z.B. zeitlich, Ursache/Wirkung. Bei der Strukturierung von Diskursen werden in GER (2001) Kriterien auf-gezählt wie thematische Organisation, Kohärenz und Kohäsion, logische Anordnung, Stil und Register, rhetorische Effektivität, das Kooperationsprinzip nach Grice, Textgestaltung (Kenntnis der Gestaltungskonventionen der Sprachgemeinschaft).

Nach der Deutung von Interaktion und Diskurs sollen im nächsten Abschnitt Lehrerkompetenz und Lehrerwissen erläutert werden.

1.2. Lehrerkompetenzen – Lehrerwissen – Fachwissen

Didaktischen LehrerInnenkompetenz-Modellen liegen verschiedene Auffassungen zugrunde, gemeinsam ist jedoch, dass diese theoriegeleiteten Konzepte – erweitert durch praxisorientierte Generalisierungen – auf die Professionalisierung der Ausbildung und des Berufs zielen (Hallet 2006:

32ff., Schocker-von Ditfurth 2002). Für Forschung und Unterricht erscheint mir ein komplexes Verständnis von Lehrerwissen als fruchtbar (auf den Aspekt der Verarbeitung von Wissen wird unten noch näher eingegangen).

Hierbei geht es

[…] um das Verhältnis zwischen dem (expliziten) LehrerInnenwissen, auch als Professionswissen bezeichnet, und dem LehrerInnenkönnen, d.h. um die Frage, wie Wissen an (angehende) Lehrer vermittelt und bei ihnen verarbeitet werden muss, damit es handlungsleitend werden kann und in der Unterrichtspraxis genutzt wird. (Krumm 2010: 187)

Bei Schocker-von Ditfurth (2002) gilt die Klärung des eigenen beruflichen Selbstverständnisses der Lehrenden als Grundlage für die Entfaltung der Lehrerprofessionalität. Durch Einsatz und Reflexion wissenschaftlicher Forschungserkenntnisse einerseits und Reflexion des Erfahrungswissens andererseits entwickeln sich Fachwissen und didaktische Kompetenzen.

Durch selbstreflexive Prozesse der Lehrenden entfaltet sich ein neues Professionsbewusstsein, dessen fünf Domänen – also Kompetenzfelder wie Professionsbewusstsein, Reflexions– und Diskursfähigkeit, Differenzfähigkeit, Kooperation und Kollegialität, Personal Mastery – von der Arbeitsgruppe EPIK

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in dem so genannten EPIK-Modell entwickelt wurden.2 In diesem Konzept werden Lehrerwissen und Lehrerkönnen in den inhaltlichen Kontext der LehrerInnen-Arbeit eingebettet und auf der Landkarte der Professionalität in ihren Zusammenhängen sehr plastisch dargestellt.

Ohne auf die einzelnen Kompetenzen der FremdsprachenlehrerInnen ein-zugehen, möchte ich hier auf das Kompetenzmodell von Hallet (2006) und das von Majorosi (2006: 48ff.) verweisen und den Begriff Fachkompetenz näher erläutern.

Zur Fachkompetenz von Fremdsprachenlehrenden zählen grundsätzlich lin-guistische (psycholinlin-guistische, textlinlin-guistische, kommunikationstheoretische, soziolinguistische etc.), literaturwissenschaftliche, landeskundliche und kultur-geschichtliche Kompetenzen. Interdisziplinäre Kompetenz meint Kenntnisse über die Forschungsergebnisse der erwähnten Fachdisziplinen und das Erkennen der Relevanz neuer Untersuchungen für den Fremdsprachenunterricht.

Fachkompetenz und interdisziplinäre Kompetenz bilden das Fachwissen. Erst wenn Lehrende die Entwicklung der für sie relevanten Fachwissenschaften nicht vor Augen verlieren, sondern deren Erkenntnisse fortwährend kennen lernen und reflektieren, kann es zur notwendigen Erneuerung der Mentalität, zu einer veränderten und innovativen Sicht des Lernens und Lehrens kommen und wird es den Lehrenden möglich, den jeweils neuen Anforderungen gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang plädiert Feld-Knapp (2011) mit Recht für die inhaltliche Erneuerung des Faches DaF. Die FremdsprachenlehrerInnenausbildung sollte näm-lich ausgehend vom Berufsprofil die Bildungsinhalte in den Fachwissenschaften, in der Fremdsprachendidaktik und der Pädagogik harmonisieren:

Eine große Aufgabe für die Zukunft ist es, das Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik und das Verhältnis von Theorie und Praxis im Rahmen der Lehrerausbildung zu klären. (Feld-Knapp 2011: 628)

In diesem Sinne soll(te) sich die Lehrerfort– und Weiterbildung von Zeit zu Zeit erneuern.