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Aufgabenorientierter Unterricht

Eine notwendige Vorbemerkung

2. Innovationsfelder im Fremdsprachenunterricht, auf die die Ausbildung der LehrerInnen noch nicht ausreichend

2.3. Aufgabenorientierter Unterricht

Die Frage nach der „richtigen“, der besten Unterrichtsmethode begleitet unser Fach seit seinem Bestehen – heute kann als gesicherte Erkenntnis der fremd-sprachlichen Methodenforschung die Einsicht gelten, dass „Methode“ ein nur begrenzt taugliches Konstrukt für die Unterrichtspraxis ist, dass die Vielfalt der Lernziele, Lernbedingungen und Lernvoraussetzungen zu einer Auflösung des klassischen Methodenbegriffs geführt hat.

Seit Sterns immer noch lesenswertem Standardwerk „Fundamental Concepts of Language Teaching“ (1983) sind wir im Nach-Methoden-Zeitalter angekom-men: Stern betrachtet Unterricht nicht durch die Methoden-Brille, sondern als Geflecht von im Unterricht wirksamen Prinzipien: Es ist nicht die eine Methode, die Unterricht strukturiert, vielmehr fließen in die Lehrtätigkeit ebenso wie in das Lernverhalten unsere Konzepte von Sprache, von Lernen und von Lehren ein. Für Lernende heißt Sprachenlernen z.B. oft, Wörter und Regeln lernen; Spiele oder Unterrichtsprojekte sind zunächst nichts, was sie

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mit ‚Lernen‘ verbinden, weshalb wir ihnen unser Konzept von Lernen erst einmal begreiflich machen müssen.

Slowakische Studierende z.B., von mir befragt, haben die österreichischen Professoren als dumm und faul charakterisiert, weil sie nämlich die Fragen im Unterricht nicht selbst beantworten, sondern erst einmal abwarten, ob andere Studenten sie beantworten können. Hier trafen unterschiedliche Konzepte von Lehren und Lernen aufeinander – erst wenn diese geklärt sind, werden methodische Vorgaben interpretierbar: Unsere handlungslei-tenden Unterrichtsprinzipien wie kommunikatives Interagieren und freies Sprechen, bei dem man auch Fehler machen darf, intelligentes Üben, bei dem Lernende selbst die Regeln herausfinden, und individuelles Fördern (vgl. die Unterrichtsprinzipien von H. Meyer 2004) zum Beispiel praktizieren wir, weil unsere Vorstellung von Sprache nicht die von Sprache als System, sondern von Sprache als sozialem Handeln ist, weil unsere Vorstellung von Lernen nicht auf Memorieren und Reproduzieren zielt, sondern wir Lernen als eigenak-tive, sinnsuchende Tätigkeit und Lehren als lernförderndes, sinnstiftendes Kommunizieren verstehen. Aus diesen Grundprinzipien ergibt sich auf der methodischen Ebene ein aufgabenorientierter Deutschunterricht, d.h. ein Unterricht, der den Lernenden selbst zutraut, Wege in die neue Sprache zu finden: Texte z.B. enthalten dann nicht nur bekannten Wortschatz, sondern auch neue Wörter und neue Grammatik, die entdeckt und erschlossen werden wollen; Aufgaben werden in der Lerngruppe gemeinsam gelöst und jeder trägt sein sprachliches Wissen und Können bei.

Methodenpluralismus und der freiere Umgang mit Lehrwerken sowie schülereigene Texte sind Kennzeichen eines solchen aufgabenorientierten Sprachunterrichts.

Lernaufgaben im aufgabenorientierter Unterricht sind als Herausforderungen an die Lernenden gedacht: Es sind Aufgaben, die Lernprozesse in Gang setzen, indem sie zum Handeln auffordern. Charakteristika von Lernaufgaben:

Arbeitsvorhaben formulieren:

Was ist zu tun?

Lernergebnis definieren:

Was soll am Ende herauskommen?

Materialien suchen:

Was brauchen wir, um die Aufgabe zu lösen?

den Lernprozess gemeinsam planen:

Wie gehen wir vor?

die Sozialformen organisieren:

Wie arbeiten wir zusammen?

die Ergebnisse besprechen:

Was haben wir gemacht? Wie haben wir es

ge-macht? Können wir zufrieden sein?

Beim Bearbeiten und Lösen einer Lernaufgabe mobilisieren die Lernenden

61 Veränderungen im Bereich des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen ihre sprachlichen Ressourcen, erproben und entwickeln auch soziale Kompetenzen (z.B. der Kooperation) und erhalten bei Lösung der Aufgabe ein positives Feedback. In diesem Sinne sind Aufgaben ganz unmittelbar mit handlungsorientierten Unterrichtskonzepten und dem Konzept der Lernautonomie verbunden (vgl. Krumm 2005) und haben in der Schule be-reits seit der Reformpädagogik einen festen Platz: Wochenplan, Arbeitsschule, Stationenlernen und Projektarbeit sind charakteristische Arbeitsformen, die den Rahmen für die Bearbeitung von Lernaufgaben abgeben. Der Grundgedanke ist: Wenn Lernende ihr Können einsetzen müssen, um ein Ziel zu erreichen, wenn sie dabei selbst Mittel und Wege suchen müssen und immer wieder Gelegenheit haben, auch selbst ihr Vorgehen zu beurteilen, dann findet Lernen statt. Der Gebrauch von Sprache zwingt die Lernenden dazu, auf beides zu achten, auf die inhaltlichen Aspekte und zugleich Sprache auch formal (morphologisch-syntaktisch) zu verarbeiten. Damit wird die Vernachlässigung der Sprachform, der Grammatik, wie sie in den Anfängen des kommunikativen Unterrichts eingetreten ist, korrigiert – nicht im Sinne eines sturen Grammatikpaukens, sondern in dem Interesse, das auch die Lernenden haben, nämlich dann, wenn es darum geht, ein korrektes Produkt vorweisen zu können.

Mit „aufgabenorientiertem Unterricht“ in diesem Verständnis ist also nicht jenes willkürliche Sammelsurium an Aufgaben gemeint, welches Unterricht vielfach kennzeichnet – vielmehr wird darunter verstanden, dass die jeweiligen Lernaufgaben in besonderer Weise einem Lernkonzept entsprechen, das durch Stichwörter wie Selbständigkeit des Sprachhandelns (Lernautonomie), Relevanz der verhandelten Themen und Inhalte, Zielbezogenheit, Ganzheitlichkeit u.ä.

charakterisiert werden kann. Die Freinet-Pädagogik hat diesen Gedanken für den Fremdsprachenunterricht im Zusammenhang mit kommunikativen Lernzielen aktualisiert: Hier werden drei Ebenen der Kommunikation und Arbeit in der Klasse unterschieden, die Phase der gemeinsamen Arbeit (Verabredung der Ziele und Aufgaben in Form von Aufträgen; eventuell wird ein Lernvertrag abgeschlossen), die Phase der personalisierten Arbeit, der vertieften Bearbeitung von Lernaufgaben allein oder auch gemeinsam, wobei die Klasse als Werkstatt bezeichnet und teilweise auch entsprechend ausgestattet wird (es sei an die Bedeutung des Druckens und Publizierens in der Freinet-Pädagogik erinnert), und schließlich die Phase der Präsentation der Arbeitsergebnisse. Dem entspre-chen Konzeptionen der Projektarbeit, die durch Vorgabe komplexer Aufgaben (Projekte) Lernende zu einer vertieften Verarbeitung von Sprache veranlassen (vgl. Krumm 1991): Konkrete Ziele, selbständige Recherche und Aktion der

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Lernenden sowie die Präsentation von Ergebnissen sind auch hier die zent-ralen Merkmale. Zu den Charakteristika von Lernaufgaben gehören die „tiefe Verarbeitung“ (Portmann-Tselikas 1998: 122f.), die Integration verschiedener Fertigkeiten (Krumm 2001a: 6f.) sowie die Präsentation der Aufgabenlösung. Die traditionelle Abfolge – erst Üben, dann Anwenden – wird hier zugunsten eines

‚erzwungenen Outputs‘ umgekehrt. Erst aus der Sprachnot bei der Bewältigung von Aufgaben ergeben sich eventuell auch Übungsanlässe. Damit das funktio-niert, sollten Lehrende über ein reiches methodisches Instrumentarium verfü-gen, mit den Grundlagen und den unterrichtspraktischen Erfordernissen von Arbeitsformen wie dem Projektunterricht oder Stationenlernen vertraut sein und auch Sprachenportfolios oder ähnliche Lernbegleiter einsetzen können.

Zu fragen ist an dieser Stelle, wo und wie angehende Lehrkräfte die Kompetenzen erwerben, die sie befähigen, Lernaufgaben und entsprechen-de Unterrichtsarrangements zu entwickeln und die Lernenentsprechen-den mit entsprechen-der ge-botenen Zurückhaltung bei der Lösung ihrer Lernaufgaben zu begleiten?