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Die verschiedenen Sprachen

In document Deutsch 3.0 Konferenzband (Pldal 96-100)

Wie Schüler über ihre und andere Sprachen denken

7. Die verschiedenen Sprachen

Sprachen sind verschieden. Diese Feststellung, zu deren Beweis es lediglich der Evidenz des Augenscheins bedarf, ist an sich trivial; sie hat jedoch Weiterungen, wenn man sich bewusst macht, dass die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus nicht nur beispielsweise Gegenstand grammatisch-typologischen Interesses ist, sondern auch bestimmte alltagsweltliche und damit soziale Impli-kationen trägt. Sprache ist immer ein sehr starkes Unterscheidungs-, das heißt – im Wortsinne – Diskriminationsmerkmal; als solches wird sie von Sprechern genutzt. Sprachen haben ein unterschiedliches soziales Prestige; der Frage, wie sich die verschiedenen Prestigelagen in Deutschland verteilen, sind wir in die-sem Beitrag nachgegangen. Die Ergebnisse lassen sich in drei Punkten zusam-menfassen:

1. Von den zirka 5000 bis 6000 Sprachen der Welt ist für die Sprecher in Deutschland nur ein sehr kleiner Teil – einige Dutzend – kognitiv und so-zial relevant. Für diese wenigen Sprachen zeigt sich allerdings bezüglich des Prestiges ein ziemlich klares Muster. Bei der im Rahmen unseres Pro-jekts durchgeführten Repräsentativumfrage werden auf die off ene Frage nach sympathischen fremdsprachigen Akzenten dominant die Sprachen der großen (west-)europäischen Nachbarn des Deutschen (Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch) genannt; bei den unsympathischen Akzen-ten entfällt eine größere Zahl von Nennungen auf Russisch, Türkisch und Polnisch. Dieses Muster bestätigt sich grosso modo bei den von uns be-fragten Schülern.

2. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen führt bei den befragten Schülern auch die Auff orderung, eine Reihe vorgegebener Sprachen zu bewerten; beson-ders schlecht schneiden wiederum die Sprachen der größeren Migranten-gruppen ab. Dasselbe Muster erbringt die Frage nach Sprecherstereoty-pen: der „typische Deutsche“ wird im Schnitt positiv, der „typische Türke“

im Schnitt negativ bewertet.

3. Diff erenziert man die Antworten nach Sprechergruppen, zeigt sich ein mehrschichtiges Bild. Einerseits sind die Selbstbewertungen durchgängig positiv. Andererseits gelten die Negativstereotype, die die Mehrheitsgrup-pe gegenüber den einzelnen Minderheiten zeigt (die Deutsch-Sprecher bewerten die Türkisch- und die Russisch-Sprecher negativ), auch für ge-rade diese Minderheiten (d.h. auch die Türkisch-Sprecher bewerten die Russisch-Sprecher negativ und umgekehrt). Die am stärksten negativen Bewertungen entfallen konsequent auf das Türkische bzw. den „typischen Türken“.

Diese Befunde, nach denen insbesondere den beiden größten Sprachminderhei-ten in Deutschland, den Sprechern des Russischen und des Türkischen, durch-gängig (außer bei ihren jeweiligen Eigengruppen) ein sehr geringes Prestige zuerkannt wird, sind zwar in Bezug auf die Schüler-Daten nicht repräsentativ, aber dennoch aufschlussreich und in der Tendenz zweifellos aussagekräftig. Bei-spielsweise wird so unmittelbar plausibel, warum etwa Vorstöße zur Einrichtung deutsch-türkischer Gymnasien (nach dem Vorbild der sehr erfolgreichen – und prestigeträchtigen – deutsch-französischen Gymnasien) in weiten Teilen der Be-völkerung auf ein sehr verhaltenes Interesse stoßen.

Welche integrat ions- oder bildungspolitischen Konsequenzen nun aus diesen Daten zu ziehen wären, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Eine kohärente Sprachenpolitik sollte sie jedenfalls berücksichtigen.

8. Literatur

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Roberta V. Rada (Budapest)

Auslandsgermanistiken in der

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