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Entwicklung der Germanistik in Tschechien nach 1989

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Germanistik und die deutsche Sprache in der Tschechischen Republik: Bestandsaufnahme und

1. Entwicklung der Germanistik in Tschechien nach 1989

Die tschechische Germanistik hat seit ihrer Entstehung vor fast 130 Jahren1 einen langen Weg zurückgelegt und besonders in den zwei Jahrzehnten nach der Wende eine intensive Entwicklung erlebt. Während sie im ersten Jahrhun-dert ihrer Existenz hauptsächlich Persönlichkeiten prägten, die in drei Zentren konzentriert waren – zu diesen gehörten neben der Prager Universität noch die Universitäten in Brno (Brünn)2 und Olomouc (Olmütz)3 – hat sich die Situation nach dem Jahr 1989 wesentlich verändert: im Zusammenhang mit der Gründung neuer Universitäten ist eine Reihe neuer germanistischer Lehrstühle entstanden. Man kann sogar von einer Expansion sprechen, weil innerhalb von 20 Jahren die Anzahl der germanistischen Institute von vier4 vor 1989 existierenden Lehrstühlen auf 17 gestie-gen ist (davon bestehen 12 als selbständige Institutionen, 5 als Bestandteil eines Fremd-spracheninstituts).

Diese Expansion brachte selbstverständlich einen enormen Anstieg der An-zahl der im Bereich der Germanistik tätigen Mitarbeiter mit sich, wobei die meis-ten von ihnen zwar pädagogische Erfahrungen hatmeis-ten, es fehlmeis-ten ihnen jedoch Erfahrungen im wissenschaftlichen Bereich, so dass sie erst nach der Anstellung an der Universität das Promotionsstudium aufgenommen haben. Heute stellen Mitarbeiter ohne Doktortitel an den meisten Instituten eher eine Ausnahme

1 Im Jahre 1888, kurz nach der Teilung der Prager Karl-Ferdinands-Universität (1882) in eine tschechische und eine deutsche Universität, wurde an der tschechischen Philosophischen Fakultät das Seminar für deutsche Sprache und Literatur gegründet: Dieses existierte dann ein halbes Jahrhundert parallel neben dem Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur am deutschen Teil der Prager Universität, der 1849 gegründet worden war, vgl. Vodrážková-Pokorná (2006: 81).

2 An der Brünner Masaryk-Universität entstand das Seminar für Germanische Philologie im Jahre 1920.

3 In Olomouc wurde die Germanistik 1950 gegründet, sie war jedoch bis 1990 mit der Anglistik in einem Institut vereint.

4 Seit 1967 gab es einen Lehrstuhl für Germanistik auch in České Budějovice (Budweis), der besonders mit der Tätigkeit von Hildegard und Václav Bok ab dem Jahr 1976 an Bedeutung gewann.

dar. Das Promotionsstudium wurde bis vor kurzer Zeit nur an drei Universitä-ten angeboUniversitä-ten: in Prag, Brno und Olomouc. Seit etwa zehn Jahren haben auch die Lehrstühle in Ostrava (Ostrau) und Opava (Troppau) das Promotionsrecht in der Linguistik, was ermöglicht hat, dass auf dem Gebiet der Germanistik eine so breite Nachwuchsbasis geschaff en wurde wie nie zuvor. Viele der Absolventen des Promotionsstudiums wurden gleich nach dem Abschluss des Studiums an den Universitäten angestellt und haben sich weiter qualifi ziert: Besonders in den letzten 10 Jahren haben mehrere Kolleginnen und Kollegen habilitiert oder sie wurden zu Professorinnen/Professoren ernannt, so dass die meisten Lehrstühle die Bedingungen für die erfolgreiche Akkreditierung der Studienprogramme er-füllen. Ganz optimal ist die Lage in der Qualifi kationsstruktur jedoch noch nicht überall, an einigen Lehrstühlen müssen noch Kollegen aus dem Ausland als Ga-ranten von Studienprogrammen aushelfen.

Die Phase der intensiven Entwicklung hörte jedoch in den letzten zwei Jah-ren auf: Da es an fast allen Lehrstühlen zu einer deutlichen Abnahme von Bewer-bern um das Studium gekommen ist und die Anzahl von Germanistikstudieren-den sinkt, befi nGermanistikstudieren-den sich heute die meisten Institute in der Lage, dass sie nicht nur fast keine neuen Mitarbeiter anstellen können, sondern eher den Kreis ihrer Angestellten reduzieren müssen.

In der Gegenwart wirken an den germanistischen Instituten in Tschechien etwa 170 Hochschullehrer (inklusive DAAD-Lektoren bzw. Assistenten und ös-terreichischer Lektoren), d.h. durchschnittlich sind an einem Institut etwa 10-11 Germanisten angestellt. Es gibt Lehrstühle, die weniger Personal aufweisen, es gibt auch Institute, deren Mitarbeiterliste länger ist: als Beispiel können Ústí nad Labem (Aussig) oder Olomouc angeführt werden; die höhere Anzahl von Mitar-beitern ist dort dadurch bedingt, dass einige Mitarbeiter nur eine Teilzeitstelle haben oder nur im Rahmen eines Projekts angestellt sind.

Was die Anzahl von Studierenden betriff t, gibt es zurzeit an den germanis-tischen Instituten etwa 2700 Studierende in den BA und MA-Studiengängen:5 der Anteil der Lehramtsstudierenden beträgt etwa 70%. An einigen wenigen Instituten – vor allem an Pädagogischen Fakultäten – ist das Lehramtsstudium immer noch die einzige Studienausrichtung, wobei das Interesse am Lehramts-studium stark gesunken ist. Dies ist auf das Zusammenwirken mehrerer Fakto-ren zurückzufühFakto-ren. Eine wichtige Rolle spielen dabei nicht nur niedrige Löhne von Lehrenden und das sinkende Prestige des Lehrerberufs überhaupt, sondern

5 Die Anzahl ist jedoch schwer einzuschätzen, weil die genauen Angaben aus dem letzten akademischen Jahr nicht vorliegen.

auch die Tatsache, dass die Stellen an Mittelschulen Anfang des Jahrtausends fast vollständig besetzt waren, so dass es jetzt problematisch ist eine Stelle zu bekommen. An vielen Grundschulen wurde vielen Deutschlehrern sogar gekün-digt, weil dort der Deutschunterricht in den letzten Jahren abgeschaff t wurde.

Auch die Umstrukturierung des Studiums in eine Bachelor- und Masterphase, die etwa vor zehn Jahren an den meisten Instituten vorgenommen wurde, hat sich negativ ausgewirkt in dem Sinne, dass viele Studierende nach dem Abschluss der Bachelorphase entweder direkt in die Praxis übergehen oder etwas anderes zu studieren beginnen.

Eine negative Auswirkung auf die Anzahl von Bewerbern um das Lehramts-studium kann (vor allem für die Zukunft) ein Ende des Jahres 2013 verabschiede-tes Gesetz haben, nach dem die Qualifi kation eines Fremdsprachenlehrers auch durch die Absolvierung eines anderen Studienganges (also nicht unbedingt nur des Fremdsprachenstudiums) zu erwerben ist: man muss zusätzlich einen Nach-weis über das Bestehen der Sprachprüfung auf dem Niveau C1 des Gemeinsa-men Europäischen ReferenzrahGemeinsa-mens für Sprachen vorlegen und ein fachdidak-tisches „Minimum“ absolvieren.6 Diese Neuerung mindert wesentlich den Wert des Lehramtsstudiums von Fremdsprachen überhaupt; außerdem ist zu erwar-ten, dass die fachliche Qualifi kation von Deutsch-/Fremdsprachenlehrern nicht immer gewährleistet wird. Die Proteste der fachlichen Öff entlichkeit7 haben je-doch an der Entscheidung des Parlaments und der Regierung nichts geändert.

Probleme mit Bewerberzahlen erscheinen nicht nur im Rahmen des Lehr-amtsstudiums, sondern auch in anderen Studienausrichtungen im Rahmen der Germanistik. Diese Situation hängt nicht nur mit der Tatsache zusammen, dass tschechische Mittelschulabsolventen andere Fächer wie z. B. Medizin oder Jura bevorzugen, sondern auch damit, dass an tschechische Hochschulen Jahrgänge mit niedrigen Geburtenraten kommen, so dass nicht nur die Germanistik, son-dern auch viele andere Studienrichtungen und alle Universitäten um Studenten kämpfen müssen.8 Diese ungünstige Situation wird leider noch mehr als zehn Jahre andauern, weil eine Verbesserung der demographischen Situation, d.h. ein größerer Zuwachs der Bevölkerung erst in den letzten Jahren – aber leider nur vorübergehend – zu verzeichnen war.

6 Diese didaktische Ausbildung soll aus wenigstens 60 Unterrichtsstunden bestehen.

7 Auch der Germanistenverband der Tschechischen Republik hat seine negative Einstellung zu dieser Neuerung in der Ausbildung von Fremdsprachenlehrern an das Bildungsministerium geschickt.

8 Nach 1989 hat nicht nur die Germanistik, sondern das ganze Hochschulsystem in der Tschechischen Republik einen großen Boom verzeichnet. Zurzeit gibt es in Tschechien 27 staatliche und über 40 private Universitäten und Hochschulen.

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