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4. „HINTERGRUNDTECHNIKEN“ AUF DEM GELDMARKT

In document DAS UNSICHTBARE GELD (Pldal 66-73)

PRINZIPIEN UND PRAXIS

4. „HINTERGRUNDTECHNIKEN“ AUF DEM GELDMARKT

Neben den bisher dargestellten elementaren Methoden nimmt die Geldpolitik von Zeit zu Zeit auch eine Vielzahl anderer, spezieller Mittel in Anspruch. Oft sind diese Mittel länderspezifisch. Auf einige kommen wir später bei der Erörterung der Geldsysteme der an­

gelsächsischen Länder zu sprechen. Allgemein kann ein Trend zur Verfeinerung des geldpolitischen Instrumentariums konstatiert wer­

den. Die Vervollkommnung ist nahezu überall auf das Beschaffen von Notenbankgeld durch die Geschäftsbanken gerichtet. Häufig wird im Zusammenhang mit dem Erwerb des Geldes von zwei Hauptlinien der Refmanzierungstätigkeit der Geschäftsbanken gesprochen.

Betrachten wir zunächst ein Bankensystem, in dem aufgrund der hohen x und y Werte die Geschäftsbanken relativ stark von der Notenbank abhängig sind. Hier kann die Rediskontierung zur Haupt­

methode der Refinanzierung werden. Mit dem Einsatz von Rediskont­

kontingenten schlägt die Notenbank einen neuen Weg zur Beeinflus­

sung der Geschäftsbanken ein:

Die Banken bemühen sich im Laufe ihrer alltäglichen Geschäfts­

tätigkeit ständig, einen Vorrat an Notenbankgeld zu halten, der es ihnen erlaubt, unter Respektierung der vorgeschriebenen Reserve­

menge jederzeit ihren Notenbankgeld-Zahlungsverpflichtungen Folge zu leisten. Gleichzeitig streben die Geschäftsbanken nach einem mög­

lichst minimalen Reservebestand, bringt sie doch diese Bevorratung um Zinseinkommen.

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Eine „mittlere“ Reserve unter dem Motto „nicht zu viel und nicht zu wenig“ heißt in der Praxis, daß der Bestand an N o­

tenbankgeld mal überhöht und mal zu gering ausfallt: An Tagen, an denen die Geschäftspartner der jeweiligen Bank relativ viele Zahlungen gegenüber Klienten anderer Banken realisieren, ent­

steht der Bank nach dem Clearing eine hohe Zahlungsverbind­

lichkeit. An anderen Tagen ist die Situation umgekehrt. So benö­

tigen eine Reihe von Banken eine zusätzliche Menge an Noten­

bankgeld, um ihre täglichen Zahlungsverpflichtungen ohne Ver­

letzung der Mindestreservesätze erfüllen zu können. Einige Banken verfügen hingegen über einen gewissen Überschuß an Notenbank­

geld. Sie sind bestrebt, ihn so anzulegen, daß er einen Nutzen, ergo Zinsen bringt. Die Lage der Banken ändert sich von heute auf morgen. Tendenziell können sich diese Positionen aber ver­

festigen. Banken, die eine großzügige Geschäftspolitik betreiben, leiden möglicherweise dauernd an einem Mangel, an Notenbank­

geld. Andere Banken, die gemäßigt, in langsam steigendem Tempo, der Wirtschaft Kredite eröffnen, besitzen eine gewisse Zeit lang Überschüsse an Geld.

Beide Bankengruppen treffen sich — erforderlichenfalls unter Einschaltung ihrer Agenten — und formieren den Geldmarkt: Sie borgen einander Notenbankgeld. Die Anleihen haben allgemein sehr kurze Laufzeiten von 24 oder 48 Stunden. Es können aber auch auf einige Monate befristete Anleihen Zustandekommen. Zwischen den beiden Gruppen der Geschäftsbanken entsteht auf dem Geldmarkt ein ständig wechselndes Angebot und eine ebenso fluktuierende Nachfrage nach kurzfristigen Krediten.

Wird nun ein Rediskontkontingent verfügt, so hängen Angebot und Nachfrage auf dem Geldmarkt vom Kreditbedarf der Wirtschaft ab.

Bei einer kräftigen Kreditnachfrage neigen die Geschäftsbanken zu einer gesteigerten Kreditvergabe. Dadurch mangelt es den meisten Banken ständig an Notenbankgeld. Die steigende Geldnachfrage paart sich mit einem sinkenden Angebot, worauf der Zinsfuß auf dem Geldmarkt klettert. Selbst Banken, die nicht unter Geldknapp­

heit leiden, nutzen das Rediskontkontingent voll aus. Das so er­

worbene Geld verleihen sie profitabel (zum erhöhten Zins) auf dem Geldmarkt.

Bei einer lebhaften Kreditnachfrage und nicht allzu hohen Redis­

kontkontingenten liegt der Zinssatz des Geldmarktes um einiges über dem Rediskontsatz. Demnach zahlen die „geldarmen“ Banken — und das ist unter den geschilderten Umständen die Mehrheit — im Vergleich zum Rediskontsatz einen Strafzins. Das Ausmaß dieser Sanktion, der Differenz zwischen dem Zinsfuß des Geldmarktes und dem Rediskontsatz, kann für die Notenbank ein sehr feinnerviges Mittel sein, um zu signalisieren, in wieweit sie das eingeschlagene Tempo der Kreditvergabe billigt.

Die Offenmarktpolitik steht im Dienst einer elastischen Handha­

bung des Geldmarktzinses. In Ländern mit hohen x und y Koeffizien­

ten sind die Geschäftsbanken in großem Maße zur Refinanzierung gezwungen. Die Notenbank kauft im Rahmen der Offenmarktpolitik Wertpapiere von den Geschäftsbanken ab und stattet sie dabei mit Notenbankgeld aus. Variiert die Notenbank die Nachfrage und die Kaufbedingungen für Wertpapiere, so kann sie flexibel, Tag für Tag, das Ausmaß der Refinanzierungssanktionen auf dem Geldmarkt modifizieren. So kann sie auch eine Wende im Verhältnis der beiden Hauptmethoden der Refinanzierung erreichen: Kauft sie nämlich in großer Menge und zu günstigen Bedingungen Wertpapiere, läßt sie also billig ein großes Quantum Notenbankgeld zu den Geschäftsban­

ken gelangen, dann sinkt der Zinsfuß des Geldmarktes unter den Rediskontsatz. Die Geschäftsbanken werden an einer Verschuldung auf diesem M arkt interessiert und schöpfen daher ihre Rediskontie­

rungsmöglichkeiten nicht voll aus. Das Variieren der beiden Refinan­

zierungs-Grundtechniken vermag in dieser Weise eine monetäre Expansion zu stoppen. Genau das kann auch das Ziel der Notenbank gewesen sein, als sie den Zinssatz auf dem Geldmarkt „aufwiegelte“ . Wenn es auch den verfeinerten Techniken der Geldpolitik zu verdanken ist, daß sie langfristig erhebliche Abweichungen zwischen dem Zinsfuß des Geldmarktes und dem Rediskontsatz induzieren können, so sind auch diesem Vorgehen Grenzen gesetzt. In Frankreich dient beispielsweise allgemein die Rediskontierung zur Refinanzie­

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rung der Geschäftsbanken. Von Zeit zu Zeit senkt man im Interesse einer Geldexpansion auch mit Hilfe von Offenmarktoperationen den Rediskontsatz unter den Geldmarktzins. In diesem Fall erfolgt zwar der Wechsel der beiden Refinanzierungslinien, die monetäre Expan­

sion bleibt aber zumeist aus. „Das liegt“ , sagen viele, „an der Mentalität französischer Bankiers.“ Wir meinen, dieses Argument ist nicht sehr treffend. Hier treten nicht Reaktionen psychisch besonders veranlagter Personen zutage. Es handelt sich eher um das nüchterne Auftreten durchaus rational veranlagter Geschäftsleute.

Betrachten wir das Verhalten amerikanischer oder britischer Bankiers, so ist bei ihnen nicht die Mentalität, sondern die Position der Banken anders als in Frankreich. Die Geschäftsbanken der USA und Großbritanniens sind weniger zur Refinanzierung von Krediten, die sie der Wirtschaft gewähren, gezwungen. In diesen Ländern bedient sich die Geldpolitik primär der Offenmarktpolitik. Die Banken operieren auf einem besser versorgten Geldmarkt. Trotzdem kann es Vorkommen, daß einige dieser relativ unabhängigen Ban­

ken auch die andere Hauptlinie der Refinanzierung, die Rediskon­

tierung, in Anspruch nehmen müssen. Dort straft sie ein Zinssatz, der über dem Geldmarktzins liegt. Auf diese Weise werden die Geschäftsbanken zu einer selbständigen Mäßigung ihrer Kreditie­

rung ermahnt bzw. anderenfalls zur Aktivierung ermuntert. Das Verhältnis zwischen Rediskontsatz und Geldmarktzins kann in den angelsächsischen Ländern besondere Probleme ergeben, die wir später am Beispiel Großbritanniens veranschaulichen werden.

Es scheint hier noch eine Bemerkung über das Verhältnis der eben erwähnten Zinssätze bzw. zu deren Interpretation angebracht zu sein.

Selbst Experten beurteilen nicht selten eine nationale Geldpolitik nur auf der Basis von einem dieser Zinssätze. Zumeist wird der Redis­

kontsatz, mitunter aber auch der Zinsfuß des Geldmarktes zum allei­

nigen Maßstab kreiert.

Es ist offensichtlich falsch, so zu verfahren. Charakter und Trend der Geldpolitik können nicht allein von der einen oder anderen Hauptlinie der Refinanzierung der Geschäftsbanken widergespiegelt werden, sondern nur von beiden gemeinsam. Über die Handhabung

des Rediskontsatzes oder der Offenmarktpolitik verteuert bzw. ver­

billigt die Notenbank die jeweilige Hauptlinie der Refinanzierung.

Gleichzeitig geben die Maßnahmen der Notenbank den Geschäfts­

banken Hinweise zur Ausnutzung der anderen, der jeweiligen „Ne­

benlinie“ der Refinanzierung. Das Verhältnis der beiden Linien kann kurzfristig wechseln.

Auf keinen Fall sind pauschale Schlußfolgerungen angebracht.

Besonders der Zinsfuß des Geldmarktes kann von einer Vielzahl zufälliger Faktoren stark beeinflußt werden. Oftmals wird sein Verlauf von rein technischen Gründen bestimmt. So ist z.B. der Geldmarkt länger geöffnet als die Rediskontierungskasse der Noten­

bank. Mithin beenden die entsprechenden Bankabteilungen ihre Tätigkeit auf dem Geldmarkt erst zu später Tagesstunde. Entsteht beispielsweise einer Bank nach dem Kassenschluß der Rediskontie­

rungskasse ein Überschuß an Notenbankgeld, so kann sie, solange der Geldmarkt noch geöffnet ist, eine Anlagemöglichkeit für mindestens 24 Stunden finden. Dabei bringt ihr selbst ein unter dem Rediskont­

satz liegender Zins einen gewissen Zinsertrag.

Die Banken wägen sehr wohl ab, ob sie aus ihrer jeweiligen Lage heraus die Refinanzierung über die Rediskontierung oder über den Geldmarkt vorteilhafter betreiben können bzw. welchen Weg sie in Hinblick auf erwartete Entwicklungen beschreiten.

Beim Ausloten der Vor- und Nachteile spielt auch der Umstand eine Rolle, daß die Rediskontierung einen relativ endgültigen Charakter trägt. Die im Rahmen der Rediskontierung an die Notenbank verkauften Wertpapiere können nicht ohne weiteres zurückgekauft werden. Rechnet eine Bank für den kommenden Tag mit einem Überschuß an Notenbankgeld, dann erledigt sie einen Tag zuvor die Refinanzierung nur ungern über die Rediskontierung, da sie befürchtet, daß der Zinsfuß des Geldmarktes an den kommenden Tagen niedrig sein wird und sie dann das teuer rediskontierte Geld nach kurzem Nutzen nur billig auf dem Geldmarkt anlegen kann.

Selbst Banken, die keine Aussichten auf einen Überschuß an Notenbankgeld haben und in der näheren Zukunft eher mit einem Sinken des Geldmarktzinses rechnen, müssen die genannte Eigenart

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der Rediskontierung beachten. Wahrscheinlich werden Banken beider Gruppen zu ihrer Refinanzierung den Geldmarkt bevorzugen, das heißt mit Anleihen operieren, die eine sehr kurze 24- oder 48-stündige Laufzeit haben, egal ob der Zinsfuß für diese Anleihen bedeutend über dem Rediskontsatz liegt oder nicht.

Weiterhin wird das Verhältnis der beiden Sätze durch den internationalen Geld- bzw. Kapitalfluß kompliziert. Wir werden später sehen, wie die Notenbank — geleitet von den Zielen der Wechselkurspolitik — sich um eine Veränderung des Zinsfußes bemühen kann, nur um den internationalen Zinsfuß zu beeinflussen.

Solche Vorhaben können jedoch von vielen Faktoren — z. B. der Geldpolitik anderer Länder — durchkreuzt werden. Ein nationaler Geldmarkt kann leicht von Wirkungen betroffen werden, die vom internationalen Geldmarkt herrühren und im Gegensatz zu den nationalen geldpolitischen Absichten stehen. Noch heikler ist die Lage, wenn die Notenbank von der inneren Wirtschaftslage zur Zinssenkung, von den äußeren Umständen aber zur Zinserhöhung gedrängt wird. Solchen Zielkonflikten versuchen die Notenbanken zuweilen mit raffinierten Techniken zu entgehen. Beispielsweise betrieb die amerikanische Notenbank — das Federal Reserve System

— in den sechziger Jahren sogenannte Twist-Operationen im Rahmen der Offenmarktpolitik. Sie wollte damit einerseits entsprechend ihren internationalen Finanzzielen den Zinsfuß kurzfristiger Anleihen hochhalten und andererseits den Zinssatz der langfristigen Anleihen auf ein niedriges Niveau herabdrücken, weil dies den inneren Wirtschaftszielen entgegenkam. Die Twist-Operationen spalteten zeitweilig die „Zinssolidarität“ , den Zinszusammenhang zwischen den Zinsen für unterschiedlich befristete Anleihen. Die unnormale Situation führte wieder und wieder zu Ausgleichsbewegungen, die sich über die ganze Zinsstruktur des Geldmarktes erstreckten.

Es könnten noch weitere Faktoren aufgezählt werden, die eine Beurteilung des Verhältnisses zwischen Rediskontsatz und Geld­

marktzins erschweren. Manchmal kann der Beobachter aus der Bewegung eines Faktors oder mehrerer Faktoren — z. B. den genannten Zinssätzen — oder aus dem Verhältnis der Faktoren

zueinander kein klares Bild über die Geldpolitik gewinnen. Dann läßt sich nicht mehr feststellen, ob sie restriktiven oder expansiven Charakter trägt, geschweige denn, in welchem Ausmaße. Noch schwerer ist der Nachweis zu führen, wie sich eine gegebene Wirtschaftspolitik auf die Wirtschaft oder die Geschäftsbanken auswirken wird, worauf die Zinssätze tatsächlich reagieren werden u. a. m.

Vor den größten Schwierigkeiten stehen die Geldpolitiker und Bankberater, wenn sie den Einsatz dieser oder jener Technik entscheiden oder empfehlen sollen. Die Führung des Geldmarktes erfordert ein schnelles Auffassungs- und Entscheidungsvermögen und das oft in Momenten, in denen die Ursachen für ein ungewohntes Verhalten des Geldmarktes kaum erahnt werden können. Es ist nur allzu verständlich, daß sich die Notenbank über den Geldmarkt sowie das jeweilige „Allgemeinbefinden“ der Geschäftsbanken schnell und möglichst genau unterrichtet. Trotz guter und rechtzeitiger Informa­

tionen ist es möglich, daß ein bestimmter geldpolitischer Schritt der Notenbank, nachdem er das komplizierte Labyrinth des Geldmarktes durchlaufen hat, nicht die erwünschten Wirkungen zeitigt, vielleicht die Wirkung einer anderen Maßnahme durchkreuzt. Weder der hohe Grad an Organisiertheit des Geldsystems noch ein streng rationales Verhalten, noch ausgefeilte Techniken reichen aus, um eine sichere Geldpolitik durchzuführen. Hier handelt es sich eher um eine künst­

lerische Leistung als um eine Maschinerie, die in formalisierten Mo­

dellen der ökonomischen Theorie in unerbittlicher Determiniertheit und abgesteckter Richtung laufen würde.

5. ZIELE DER GELDPOLITIK

Nun haben wir uns einen Überblick über den Organismus des kapitalistischen Geldsystems verschafft, uns mit den Mitteln vertraut gemacht, die eine Notenbank zum Erreichen ihrer geldpolitischen Ziele nutzen kann. Bisher betrachteten wir diese Ziele jedoch nur unter dem Gesichtspunkt der Geldmengenregulierung. Wir sahen, daß die

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Instrumentarien der Geldpolitik weder jederzeit noch gleichermaßen zur Realisierung dieser geldpolitischen Ziele taugen. Zwar läßt sich die monetäre Restriktion allgemein durch Kombination mehrerer M it­

tel erreichen, wenn z. B. mit Hilfe der Rediskontierung oder der Offenmarktpolitik der Zinsfuß erhöht wird bzw. wenn direkt wirkende Instrumente — die Mindestreservequoten oder eventuell die Rediskontkontingente — zur Geldmengeneinschränkung dienen. Der Erfolg einer expansiven Geldpolitik läßt sich jedoch selbst mit einer kombinierten Ausnutzung der geldpolitischen Instrumentarien nicht garantieren.

Bisher gingen wir noch nicht den Ursachen für den jeweiligen Charakter der Geldpolitik nach, das heißt, welchen wirtschaftspoliti­

schen Zielen die Erweiterung bzw. Verknappung der in die Wirtschaft gelangenden Geldmenge untergeordnet ist. Bei der Klärung dieser allgemeinen, die Intentionen der Geldpolitik bestimmenden Ziele interessiert uns auch, ob und mit welchem Wirkungsgrad die Geld­

politik zur Realisierung dieser wirtschaftspolitischen Ziele befähigt ist.

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