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Die Wiederspiegelung der Revolution im Neuen Weg, in der Neuen Banater Zeitung und in der Karpatenrundschau

In document Großwardeiner Beiträge zur Germanistik (Pldal 147-153)

Die Wende von 1989 in der deutschsprachigen Presse Rumäniens

3. Die Wiederspiegelung der Revolution im Neuen Weg, in der Neuen Banater Zeitung und in der Karpatenrundschau

Folgende Zeitungs- bzw. Artikelanalysen versuchen die inhaltlichen Änderun-gen der Tageszeitung Neuer Weg, der Neuen Banater Zeitung und der Wochen-schrift Karpatenrundschau Ende Dezember 1989 unmittelbar in den Tagen vor und nach der Revolution festzuhalten. Das Untersuchungskorpus bilden folgen-de Ausgaben: Neuer Weg vom 21., 22., 23. Dezember 1989, die Neue Banater

20 Vgl. Die Nachricht über Demonstrationen Für Freie Presse. In: NBZ, Nr. 8422/20. Janu-ar 1990, S. 1.

21 Weber–Josting–Hopster, [Anm. 17], S. 45.

22 Schuster, Hannes: Ein Ort kollektiver Selbstvergewisserung. Siebenbürgische Zeitung Online, 28. Mai 2007, http://www.siebenbuerger.de/cgi-bin/sbz/sbz-druck.cgi?-1180371853,82660 (Zugriff am: 12.06.2007)

23 Ebd.

24 Ebd.

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Zeitung vom 21., 22–23. und 26. Dezember 1989 und die Ausgaben der Karpa-tenrundschau vom 15., 23. und 29. Dezember 1989.

Inhaltlich wird erforscht, wie diese Artikel die geschichtlichen Ereignisse wiederspiegelt haben. Die Analyse der Seiten nimmt die Untersuchung der Titel und Untertitel vor, der bearbeiteten Themen, der Handlungsträger der Artikel, ihres Authentizitäts- und Realitätseffekts (Darstellung und Interpretation der Er-gebnisse) und beschäftigt sich auch mit der Sprache der Zeitungstexte.

Neuer Weg vom 21. Dezember 1989 ist als Zeitung des Landesrates der Front der Sozialistischen Demokratie und Einheit bezeichnet, Ort der Erschei-nung ist auf Rumänisch angegeben (Bucureşti), benachbart von Daten der Re-daktion und Verwaltung (Adresse, Telefonnummer, ReRe-daktionsvertretungen) und in der Ecke oben rechts von der Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“. Die linke Ecke oben behaust die Aussage über Erscheinungsdichte und über Abonnementsmöglichkeiten.

Themen der Titelseite sind: Der offizielle Freundschaftsbesuch des Genos-sen Nicolae Ceauşescu in der Islamischen Republik Iran und Bericht des Genos-sen Nicolae Ceauşescu auf dem XIV. Parteitag. Obwohl die erste Seite der Zei-tung gewöhnlicherweise keine Rubriktitel hat und daher – nach Mouillaud und Tétu25 – als „offene“ Seite bezeichnet werden könnte, würde ich es trotzdem nicht tun, weil sie immer wieder nur die von der Zensur geforderten aktuellen politischen Berichte holt. Sowohl die Referenztitel, als auch die erklärenden Aussagen verwenden einen systemspezifischen Wortschatz, wie etwa „Genos-se“, „Parteitag“, „Partei“, „Arbeiterdemokratie“, „Interesse des ganzen Volkes“, usw.26

Die Handlungsträger der ersten Seite wiederfinden wir in einem kleinen Maß auch an der zweiten Seite, auf der der Bericht über Ceausescus Iran-Besuch fortgesetzt wird. Die zweite Seite wird aber hauptsächlich den Auslandsnach-richten gewidmet. Die meisten Informationen unter der Rubrik Kurz aus aller Welt listen negative Ereignisse auf, wie z.B. Kriminalität in New York27, Wirt-schaftsprobleme in Schweden, Großbritannien und Washington28, Drogenhänd-ler aus Rom und Bogota29 u.a. Die Nachrichten, die keine westlichen Länder behandeln oder eben ein Thema, das auch im Kommunismus als allgemeiner

25 Mouillaud, Maurice – Tétu, Jean François: Presa cotidiană. Bucureşti: Editura Tritonic, 2003, S. 124.

26 Neuer Weg, 21. Dezember 1989, S. 1.

27 New Yorks Metro – Ein unterirdischer Tatort. In: Neuer Weg, 21. Dezember 1989, S. 2.

28 Ungünstige Prognosen für OECD-Länder. Gedrosseltes Wirtschaftswachstum/Hohe Defizite/Entlassungen. In: Neuer Weg, 21. Dezember 1989, S. 2.

29 Reiche Drogenfänge. In: Neuer Weg, 21. Dezember 1989, S. 2.

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Wert angesehen wurde (die Kindheit zum Beispiel), sind dagegen eher positiv gesinnt.30

In der Ausgabe vom 22. Dezember 1989 des Neuen Wegs sind schon Arti-kel, Schriften zu finden (politische Rede des Staatsführers und Dekret können in keine journalistische Gattung eingegliedert werden), die über die vorrevolutio-nären Ereignisse in Temeswar zu wissen geben. Wie objektiv diese „Berichter-stattung“ ist, kann schon von dem Autor der Texte abgeleitet werden: der eine Text ist die Rede des Genossen Nicolae Ceausescu über die Sender des Hör- und Fernsehfunks, der andere ist das Präsidialdekret über die Verhängung des Ausnahmezustands über das Gebiet des Kreises Timis.31 Fast dieselben Texte, mit winzigen Übersetzungsunterschieden (Rede des Genossen Nicolae Ceauses-cu über die Rundfunk- und Fernsehsender, Präsidialdekret über die Ausrufung des Notstands auf dem Gebiet der Kreises Timis) wird schon ein Tag früher, am 21. Dezember in der Neuen Banater Zeitung veröffentlicht.32 Die Rede selbst wurde am Abend des 20. Dezembers im Rumänischen Fernsehen gesendet und – wie interessant! – an demselben Abend, spät nach der zweiten Schicht strömten Arbeiter mehrerer Betriebe landesweit, um ihre Unterstützung des Standpunkts von Ceausescu zu äußern. Über diese Versammlungen wurde schon am nächsten Tag im Neuen Weg an der 2. Seite ausführlich berichtet.33 Natürlich ging es um vorbestellte Äußerungen. Der Text der Rede ist auch das Spiegelbild einer kon-struierten Wirklichkeit, vermittelt Teilwahrheiten und Spekulationen. Dieser Aufruf des Diktators an das Volk auf der Titelseite beider Tageszeitungen wirkt, soll mit News-Wert wirken, denn das ist in der geschriebenen deutschen Presse des damaligen Rumäniens das erste abgedruckte Zeichen über die Anfänge der Revolution. Umso mehr ist zu bewundern, dass an der nächsten Seite gleich nach dieser Rede schon die so gesagten Reaktionen, Meinungen des „Volkes“ zu lesen sind. Ein perfektes Beispiel für die manipulierende Rolle der Presse im Kommunismus.

30 Einheitliche Nationalpartei Zimbabwes gegründet und UNICEF: Die Rechte der Kinder schützen. Das Kinderhilfswerk bereitet für 1990 Weltkonferenz vor. In: Neuer Weg, 21.

Dezember 1989, S. 2.

31 Beide Texte in: Neuer Weg, 22. Dezember 1989, S. 1.

32 Neue Banater Zeitung, 21. Dezember 1989, S. 1. und 4.

33 Fester Entschluss des ganzen Volkes, in völliger Einheit mit der Partei seine revolutio-nären Errungenschaften, die Unabhängigkeit und Souveränität der Heimat zu verteidi-gen, auf dem Weg des sozialistischen Aufbaus voranzuschreiten. In: Neuer Weg, 22.

Dezember 1989, S. 2.

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Die vierte Seite des Neuen Wegs vom 22. Dezember 1989 hält dem Leser (mindestens dem heutigen Leser) noch eine Überraschung: den Schuldspruch des Bischofs László Papp über László Tőkés.34

Die nächsten drei Ausgaben, die ich nebeneinander stellen möchte sind am derselben Tag erschienen: der Neue Weg vom 23. Dezember 1989, die Sonder-ausgabe der Neuen Banater Zeitung vom 22–23. Dezember 1989 und die Karpa-tenrundschau vom 23. Dezember.

Die zwei Tageszeitungen, Neuer Weg und Neue Banater Zeitung begrüßen exaltiert die Freiheit mit einer neuen Losung auf der Titelseite: „Das Volk hat gesiegt!“ (NW) bzw. „Es lebe das freie Rumänien!“ (NBZ) Die Karpatenrund-schau weist sich in diesem Fall etwas zurückhaltender: Auf dem Titelblatt be-zeichnet ein kurzer Brief an die Leser – An unsere Leser und Freunde – die Wahrnehmung der neuen Zeiten seitens der Zeitung. Der Text erscheint unter einem großen „Freiheitsbild“ (etwa viermal größer als der Text): Frau in deut-scher Tracht mit Blumen in der Hand, Unterschrift: Blumen für den Frieden.

Daneben das Kommunique ans ganze Land seitens des Rates der Front zur Nati-onalen Rettung. Die internationalen Echos auf der zweiten Seite weisen noch auf die Revolution hin, die anderen Artikel behandeln andere Themen – akzep-tabel von einer Wochenschrift, die stets Platzmangel zu bekämpfen hat.

Ab dem 23. Dezember definiert sich der Neue Weg als Tageszeitung für Po-litik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur und gibt als Ort ihrer Erscheinung Bu-karest an. Im Artikel In eigener Sache äußert sich die Redaktion über seine neue Rolle und neuen Aufgaben – hier wird ausgesprochen, dass sie ab jetzt wieder die deutschen Ortsnamen verwenden wird. Praktisch ist außer der Kulturseite die ganze Nummer mit der Revolution beschäftigt.

Dasselbe gilt auch für die Sonderausgabe der Neuen Banater Zeitung von 22–23 Dezember. Titel wie Erklärung der Rumänischen Demokratischen Front aus Temeswar, Gründung des Nationalkomitees der Demokratie, So begann der Lenz des nationalen Erwachens, Temeswar tat den ersten Schritt und das ganze Land zog mit! und die ausländischen Stellungnahmen zu den Ereignissen in Rumänien oder die der Presseagentur Agerpres (die übrigens auch im Neuen Weg erschienen ist, in der Ausgabe vom 24. Dezember) bestätigen das.

Die Möglichkeit und Bedarf wieder die deutschen Ortsnamen zu verwenden beziehungsweise die kommunistischen Losungen (Wie etwa Proletarier aller Länder, vereinigt euch!) loszuwerden ist offensichtlich. Was mir besonders auf-fiel, war die Schwierigkeit, in den Formulierungen und Textsorten Änderungen

34 Mehr über László Papp: Ceausescu megbízásából Papp László református püspök nyugatra érkezett. In: http://www.hhrf.org/dokumentumtar/irott/emh/1987.045.pdf (Zu-griff am: 02.09.2012.)

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zu bringen. Ich nenne als Beispiel die abgedruckte Rede von Ion Iliescu und Pet-re Roman in der NBZ vom 27. Dezember 1989. Das Titelblatt bringt nur diese zwei Texte: Ansprache des Vorsitzenden der Front der Nationalen Rettung, Ion Iliescu und Ansprache des Premierministers Petre Roman: „In diesen Tagen sind wir in einem sehr angespannten Programm erfasst, aber wir wollten im Studio zugegen sein, und wenn Sie wollen, auch aus einem persönlichen Grund – ich habe gehört, dass es Gerüchte gibt, dass wir nicht mehr existierten [...]“35 Auf dieses „wir“ reflektiert Andreea Raluca Maierean in ihrer Studie The Media Coverage of the Romanian Revolution36: sie meint, die neue postrevolutionäre Führung identifiziert sich leichter mit den Zuhörern, mit der Masse und in dieser Hinsicht ist die Verwendung des Pronomens „wir“ von Bedeutung.

4. Schlussfolgerungen

Die Krisendarstellung in den analysierten Ausgaben des Neuen Wegs, der Neuen Banater Zeitung und der Karpatenrundschau ist eine rückgängige. Obwohl es auch um zwei Tageszeitungen geht, im Falle des Neuen Wegs und der Neuen Banater Zeitung, haben diese Presseorgane auch nicht sofort und aktuell unter den damaligen Umständen der Zensur über die Ereignisse der Revolution be-richten können. Die ersten Hinweise auf die Unruhen im Land erscheinen in der Nummer von 22. Dezember 1989 des Neuen Wegs und in der NBZ vom 21. De-zember, in der die Rede von Ceausescu, die im Fernsehen übertragen wurde, auf dem Titelblatt abgedruckt wird. Es ist praktisch ein Aufruf des Diktators an das rumänische Volk, die Ordnung im Land zu bewahren, es geht also noch immer um einen bestellten Propaganda-Text.

War diese Revolution, waren die gesellschaftlichen Veränderungen eine Be-freiung für die Presse und darunter für die deutschsprachige Minderheitenpres-se? Bedeutete die Krise, bzw. die Art und Weise der Krisenwahrnehmung und der Krisendarstellung seitens der Presse eine professionelle Entwicklung, eine Bereicherung, einen Neuanfang auf höherem Niveau?

Einerseits lautet die Antwort positiv. Tabuthemen wurden wieder wachgeru-fen (z.B. Weihnachten, Hunger, Mangel an Nahrungsmittel, Probleme mit der Heizung, Elektrizität), Meinungen geäußert und formuliert, die Muttersprache wieder grenzenlos verwendet (siehe Ortsnamen).

35 Neue Banater Zeitung, 27.12.1989, S. 1.

36 Maierean, Andreea Raluca: The Media Coverage of the Romanian Revolution. Iaşi:

Lumen, 2006, S. 70.

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Andererseits ist das Erbe der kommunistischen Zeit geblieben, vor allem ei-ne journalistische Mentalität, die schwer loszuwerden ist. Damals, in der Ceausescu-Ära war es praktisch „unmöglich“,

in den Medien zu arbeiten ohne Nicolae Ceausescu lobend zu erwähnen oder aus ihm zu zitieren. Es wurde also klar, daß kein Säuberungsprozeß unter den Journalis-ten stattfinden wird und daß dieser Prozeß nicht stattfinden könnte, wenn nicht eine ganz neue Journalistengeneration an die Macht kommen würde, eine Generation, die nicht in der kommunistischen Presse gearbeitet hat.37

37 Mungiu [Anm. 16], S. 240.

Medea Christa Wolfs im Kontext der humanen Sinn- und

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