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Tätigkeitsbedingungen und -orte der siebenbürgisch- siebenbürgisch-deutschen Gelehrten

Mit der Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, etablieren sich die Logen, geselligen Vereine, (literarischen) Salons, Kaffeehäu-ser, Lesegesellschaften, öffentliche Bibliotheken, Theater und nicht zuletzt die Zeitschriften als neue Orte und Medien bzw. als Treffpunkte des sich herausbil-denden Bildungsbürgertums. Für Siebenbürgen heißt es, dass sich um den Baron Samuel von Brukenthal und den Verleger und Buchdrucker Martin Hochmeister ein Kreis von freimaurerisch tätigen Gelehrten herausbildete, zu dessen Mitglie-dern u.a. Johann Filtsch, ein Erzieher und evangelischer Geistliche, der Abbé Joseph Karl Eder, Direktor der Hermannstädter Normalschule, der Lehrer und späterer Rektor des Hermannstädter Gymnasiums Johann Binder, der Hammers-dorfer Pfarrer und nachmaliger Superintendent Jakob Aurelius Müller und sein Nachfolger im Bischofsamt Daniel Georg Neugeboren gehörten, die auch Mit-arbeiter der von Hochmeister herausgegebenen Siebenbürgischen Quartalschrift waren.21

Von wesentlicher Bedeutung für Hermannstadt und Siebenbürgen war die zwischen 1767–1790 tätige Loge templerischen Systems St. Andreas zu den drei Seeblättern im Orient zu Hermannstadt, die vor allem in den Bereichen der Phi-lanthropie, der Verbreitung von Kultur und Bildung wirkte.22 Die Loge hatte ei-ne gemischt konfessioei-nelle Mitgliedschaft und setzte sich überwiegend aus Staatsbediensteten in Verwaltung und Heer zusammen. Die Hermannstädter Lo-ge des 18. Jahrhunderts ist somit eine der weniLo-gen VereinigunLo-gen Siebenbür-gens, die zahlreiche ethnische, ständische und konfessionelle Schranken über-wand: Sie setzte sich neben einigen Vertretern anderer Nationalitäten Sieben-bürgens zu etwa gleichen Teilen aus Deutschen und Ungarn zusammen, unter den Mitgliedern waren der Gouverneur Siebenbürgens Georg Graf Bánffy, der

20 Konzepte bischöflicher Schreiben 1712–1791. Zit. nach: Göllner–Stănescu [Anm. 5], S.

11.

21 Siehe: Wittstock–Sienerth [Anm. 6], S. 44.

22 Ebd., S. 28.

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die achtziger Jahre über der Loge vorstand, sowie der spätere Superintendent der evangelischen Kirche Siebenbürgens, Johann Aurelius Müller.23

In einem lockeren Zusammenhang zur Loge St. Andreas zu den drei Seeblät-tern im Orient zu Hermannstadt gründete 1784 Johann Filtsch eine Lesegesell-schaft in Hermannstadt, deren Mitglieder sich im Hause Hochmeisters versam-melten. Im Lesekabinett Brukenthals diskutierte der Gubernator mit seinem en-geren wissenschaftlichen Kreis – bestehend u.a. aus Joseph Karl Eder, Martin Felmer, Johann Filtsch, Joseph Raditschnig von Lerchenfeld und Daniel Georg Neugeboren – die Werke deutscher und französischer Aufklärer, darunter die von Voltaire, Leibniz, Herder und Mendelssohn.24 In diesem Kreis entwickelte Filtsch seinen Plan einer „sächsischen Sozietät der Wissenschaften“ in Her-mannstadt, die – als eine Akademie mit einer naturwissenschaftlichen, histori-schen und literarihistori-schen Klasse – dazu bestimmt war, das Vaterland aufzuklären und kultivieren.25

Trotz dieser an sich positiven Entwicklungen werden die Bedingungen des literarisch-kulturellen Lebens in Siebenbürgen als stiefmütterlich beschrieben. In der Siebenbürgischen Quartalschrift thematisiert Daniel Georg Neugeboren in seinem Ueber die Lage und die Hindernisse der Schriftstellerei in Siebenbürgen betitelten Beitrag die verschiedensten sozialen, kulturellen, konfessionellen und geschichtlich-politischen Faktoren, die dazu geführt haben, dass auf dem Gebiet der Literatur und Wissenschaft nur „der Siebenbürger Boden allein so unfrucht-bar sei“:

Die sonderbare Mischung der verschiedenen Nationen und Religionen, welche die Einwohner Siebenbürgens, zwar nicht trennet, aber doch in mehr als einer Rücksicht unterscheidet; seine physische Lage, die Geschichte seiner Staatsveränderungen;

dieses alles zusammengenommen, muß dem Beobachter manche Erscheinung erklä-ren, die von dem, was in andern Ländern erwiesen wahr ist, unendlich abweicht.

[…] Das Publikum ist so getheilt, daß da einmal die Materie, das anderemal die Sprache jeden Vereinigungspunkt unmöglich macht, und es schlechterdings niemals als ein Publikum wirket. […] Auch sind wir von der ausschweifenden Lesewuth, die besonders in einigen Gegenden Deutschlandes, zum großen Nachtheil des thätigen Lebens, alle Stände ergriffen hat, und wovor der Himmel unserer Landesleute ge-sunde Vernunft auch auf ewig bewahren wolle! Noch nicht angesteckt.26

23 Ausführlicher zur Tätigkeit der Loge siehe: Șindilariu, Thomas: Freimaurer in Sieben-bürgen 1749–1790: Die Loge „St. Andreas zu den drei Seeblättern“ in Hermannstadt (1767–1790). Ihre Rolle in Gesellschaft, Kultur und Politik Siebenbürgens. Gundels-heim, Württ: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, 2011.

24 Wittstock–Sienerth [Anm. 6], S. 16.

25 Ebd., S. 17.

26 Neugeboren, Daniel Georg: Ueber die Lage und Hindernisse der Schriftstellerei in Sie-benbürgen. In: Siebenbürgische Quartalschrift. Erstes Quartal, 1790, S. 6 u. 16.

„Freund des Vaterlandes, der Wahrheit, der Tugend…“ 29

Diese Ausführung ist deshalb noch interessanter, weil in den von ausländischen Reisenden verfassten Reiseberichten die Vielfalt der Nationen, Sprachen und Religionen zum wichtigsten Kennzeichen Siebenbürgens avanciert wird, wie etwa in der Reiseberschreibung des Grafen Hoffmannsegg:

Unter den hiesigen geistlichen Herren ist ein einziger, der ein hübsches Haus macht, der Domherr Koller, ein gescheuter und gelehrter Mann.... Er spricht sieben Spra-chen vollkommen gut, die von einander sehr abweiSpra-chen, nämlich: Ungarisch, Deutsch, Lateinisch, Französisch, Italienisch, Schlawakisch und Raezisch. Alle die-se Sprachen sind hier gebräuchlich, und oft hört man drei oder vier davon an einer Tafel auf einmal sprechen. Fast jeder Dorfpfarrer kann drei oder vier davon, nämlich Ungarisch, Deutsch, Lateinisch und Raezisch.27

Das 18. Jahrhundert markiert in der europäischen Literatur- und Kulturgeschich-te die verschiedenen Stationen der EntsKulturgeschich-tehung des Typus des freien SchriftsKulturgeschich-tel- Schriftstel-lers, dessen erste Vertreter in den Gestalten von Klopstock, Wieland und Les-sing verkörpert sind, auch wenn keiner nur von seinen Einkünften als Schrift-steller leben konnte. Den siebenbürgischen Dichtern wurden aber beide Exis-tenzformen versagt: Die Ursache ist der Mangel an Fürstenhöfen, an einem für die Kunst interessierten wohlhabenden Bürgertum, an „gelehrten Gesellschaf-ten“ und Universitäten bzw. an solchen neuen Publikationsformen, die in Deutschland durch die Erscheinung von Moralischen Wochenschriften, Musen-almanachen, bzw. Rezensions- und Literaturzeitschriften gesichert wurden. Die-ser Aspekt wird im Neugeborens Aufsatz gründlich ausgeführt:

Wer soll schreiben? Wenn die Gelehrten einen besondern Stand ausmachten; das heißt, wenn die Einrichtung und die Bedürfnisse des Staates zu der ausschließlichen Beschäfftigung mit Gelehrsamkeit durch sichere Vortheile einlüden und ermunter-ten; so müsste es nothwendig die Pflicht dieses Standes sein: denn Gelehrsamkeit und Wissenschaft sind unstreitig die ersten Erfordernisse eines Schriftstellers. Aber wie die Sachen beinahe in ganz Europa liegen, hangt es von der äußern Lage des Gelehrten, der in unsern Staaten nur entweder als Diener der Kirche oder des Staats, oder als Privatmann existieren kann, ab, ob ihm Muße und Muth übrig bleibt, auch als Schriftsteller auf seine Nation, und auf sein Zeitalter zu wirken.28

Die Emanzipation eines freien Schriftstellerstandes und die Herausbildung eines Lesepublikums sind von dem Entstehen eines funktionierenden Buchmarktes abhängig, was auch die sehr mangelhafte heimische Buchdruckstätigkeit in den Vordergrund rückt, auch wenn im 18. Jahrhundert über eine Neustrukturierung des literarischen Marktes zu sprechen ist: Die Zahl der Druckereien nahm in

27 Hoffmannsegg, Johannes Centurius von: Reise des Grafen Hoffmannsegg in einige Ge-genden von Ungarn bis an die türkische Gränze. Ein Auszug aus einer Sammlung von Original-Briefen. Görlitz: C. G. Anton, 1800, S. 90.

28 Neugeboren [Anm. 26], S. 4–5.

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Ungarn und Siebenbürgen von 17 (um 1760) auf 51 (um 1790) zu, die Drucker und Verleger verkörperten nicht mehr den Typus des (geistlichen) Literaten des 17. Jahrhunderts, sie waren in immer größerem Maße technisch gut gebildete Fachleute bürgerlicher Herkunft, wie z. B. Johann Landerer (Pest), Franz August Patzko (Pest), Josef Kurzböck (Wien), Peter Simon Weber (Preßburg), Joseph Streibig (Raab), Martin Hochmeister (Hermannstadt, Klausenburg).29 Damit pa-rallel nahm auch die absolute Zahl der Publikationen zu: Laut den Forschungen wurden in der Periode zwischen 1712–1790 insgesamt 15103 Bücher herausge-geben, wobei die Statistiken der einzelnen Jahrzehnte wichtige Tendenzen wi-derspiegeln: Während zwischen 1712–1720 nur 459 Publikationen erschienen, wurden zwischen 1780–1790 schon 3663 Bücher gedruckt. Mit der Zunahme der Quantität der herausgegebenen Bücher änderte sich auch die sprachliche Verteilung der Veröffentlichungen: Die Zahl der lateinsprachigen Veröffentli-chungen sank im josephinischen Jahrzehnt von 49,9% auf 36,8%, zur gleichen Zeit aber stieg die Zahl der ungarischen und deutschen Bücher von 27,4% auf 33,8% bzw. von 16,6% auf 23,3%.30

Die Siebenbürgische Quartalschrift veröffentlicht die anonym erschienenen Gedanken über den jetzigen Zustand der Gelehrsamkeit in der Sächsischen Na-tion in Siebenbürgen, sammt einigen Vorschlagen zur Verbesserung (1795), wo-rin alle Bedingungen eines lebendigen und blühenden wissenschaftlichen und literarischen Lebens inventarisiert: Zur Förderung des wissenschaftlichen Le-bens sind gute Schulen mit kompetenten Fachleuten besetzten Lehrstühlen un-entbehrlich, aber in Siebenbürgen sind sie noch nicht verwirklicht; zur Zeit der Entstehung der öffentlichen Bibliotheken sind in Siebenbürgen die mit moder-nen Fachbüchern ausgestatteten Büchersammlungen auch Raritäten, so dass

„ausser in einigen Bibliotheken der Magnaten und Privatgelehrten gute Bücher sehr schwer bekömmt“31.

Der anonyme Verfasser der Gedanken vermisst neben guten Schulen, Buch-druck und Buchhandel auch eine „sächsische Sozietät der Wissenschaften“, so-wie die anderen unentbehrlichen Anstalten zur Beförderung der Gelehrsamkeit,

„welche mit vereinigten Kräften arbeiteten und sich gegenseitig unterstützten“.32 Zur gleichen Zeit wird aber auch die mangelhafte Bildung des Publikums bzw.

29 Kosáry, Domokos: Művelődés a XVIII. századi Magyarországon. Budapest: Akadémiai Kiadó, 1983, S. 529.

30 Ebd., S. 529.

31 Anonym: Gedanken über den jetzigen Zustand der Gelehrsamkeit in der Sächsischen Nation in Siebenbürgen, sammt einigen Vorschlagen zur Verbesserung Gedanken. In:

Siebenbürgische Quartalschrift, 1795, S. 259.

32 Ebd., S. 250.

„Freund des Vaterlandes, der Wahrheit, der Tugend…“ 31

sein fehlendes Interesse für wertvolle Schriften getadelt, was dazu führt, „daß sie eher den Motten als vernünftigen Lesern bekannt werden dürften“.33

Als positive Gegenbeispiele werden die Bemühungen der beiden Hochmeis-ter (VaHochmeis-ter und Sohn) erwähnt, die den siebenbürgischen Gelehrten die fehlende Öffentlichkeit zu sichern versuchten; Anerkennung gewinnen die „großmüthi-gen Verwendun„großmüthi-gen“ des siebenbürgischen Bischofs Ignaz von Batthyány, der durch sein Mäzenatentum für die Wissenschaft, durch die Gründung einer klei-nen Gelehrtenakademie und Stiftung einer bedeutenden Bibliothek (des so ge-nannten Batthyaneums) zur Entwicklung der heimischen Gelehrsamkeit wesent-lich beigetragen hat.

4. Zusammenfassung

Das 18. Jahrhundert war im Großfürstentum Siebenbürgen ein Zeitalter tiefgrei-fender gesellschaftlichen Umwälzungen, bzw. der Herausbildung und Konsoli-diereung der Institutionen der bürgerlichen Öffentlichkeit: Zeitschiften, Theater, Verlage, Leihbibliotheken, Lesegesellschaften usw. wurden um einen engen Kreis freimaurerisch tätigen Gelehrten in Hermannstadt gegründet. Trotz dieser positiven Entwicklungen konfrontierten sich die Anhänger der Aufklärung in Siebenbürgen mit grundsätzlichen Problemen: der Mangel an Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen, bzw. die daraus resultierenden prekären Le-bens- und Arbeitsbedingungen der siebenbürgischen Gelehrten, die (ansonsten positiv angesehene) ethnische Vielfalt und Zergliederung des potentiellen Publi-kums, die für die Herausbildung eines selbständigen Gelehrten- und Schriftstel-lerstandes ungünstigen gesellschaftlich-ökonomischen Zustände des Großfürs-tentums Siebenbürgen prägen den Kontext der öffenlichen Diskussionen über die Möglichkeiten der Verbreitung und gesellschaftlichen Verankerung der auf-klärerischen Ideen, bzw. über die Perspektiven der tiefgreifenden gesellschaft-lich-kulturellen Neuerungen des josephinischen Zeitalters.

33 Ebd., S. 261.

Krise der Wahrnehmung