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Literarisches und kulturelles Leben in der Temesvarer Zeitung (1871) Im Jahre 1871 feiert „die Alte“ ihren zwanzigsten Geburtstag. Die Bezeichnung

die deutsche Regionalpresse im Banat

3. Die Entstehung der Temesvarer Zeitung

3.4. Literarisches und kulturelles Leben in der Temesvarer Zeitung (1871) Im Jahre 1871 feiert „die Alte“ ihren zwanzigsten Geburtstag. Die Bezeichnung

„alt“ bezieht sich vor allem auf die Zielsetzungen der Zeitung:

Warum nennt man die TZ trotz ihrer blühenden Jugend die „Alte“? Ihre junge Kon-kurrentin hat die TZ, – wenn sie guter Laune war – mit dem Beiwort „Alte“ ausge-schmückt. […] Wir wollen auch wirklich – die Alten bleiben, die Alten in Gesin-nung und Treue, in unseren Zielen und für unsere Freunde. Insofern sind wir die Festen und Loyalen, die Konservativen und Charaktervollen. Nicht der Gott der täg-lich wechselnden Mode ist der unsere. Nicht bunte Laune, Sucht zu glänzen treibe uns, von Tag zu Tag in neue Gestaltungen. Unsere neuzehnjährige Vergangenheit weist keine Abtrünnigkeit von der alten, aber ehrwürdigen Fahne nach. Darum wenn ihr eine treue Begleiterin auf euern Lebenswegen und täglich recht viel Neues erfah-ren wollt, so haltet euch nur immer an die – „Alte“.26

Die Alte erscheint auch im Jahre 1871 jeden Tag, außer Montag und vermittelt den Banater Lesern die aktuellen Nachrichten aus dem In- und Ausland, die deutschen und ungarischen Klassiker, das Programm des Stadttheaters. Fast je-den Tag befindet sich in der Zeitung ein Original-Feuilleton: beginnend mit der 4. Nummer thematisiert ein Schuldirektor namens Kohn die soziale Stellung der Frau. Er empfiehlt den Frauen einen guten Elementarunterricht,

der sich die allseitige Bildung ihrer geistigen Kräfte und Anlagen, die Veredlung ih-res Herzens und die Entwicklung ihih-res Charakters zur Aufgabe macht, der sie mit den Grundsätzen und Grundbedingungen, die sie zur Lösung ihrer Lebensaufgabe befähigen, ausrüstet, der sie für ihren doppelten wichtigen Beruf als Gattin und Mut-ter vorbereitet, der sie zum Theil derart mit Kenntnissen und Fertigkeiten versorgt, damit sie in den Stand gesetzt werden, sich möglicher Weise eine selbständige Exis-tenz zu schaffen, und sich darin nicht unglücklich zu fühlen!27

In der 11. Nummer setzt sich dieses Thema fort und neben dem Elementarunter-richt werden auch die Fortbildungsschulen erwähnt, als Methoden zur Verbesse-rung der sozialen Stellung des weiblichen Geschlechtes. In dieser Zeit wurden Frauenbildungsvereine – nach Muster der deutschen und des sogar schon in Pest bestehenden – gegründet. Im vierten Teil dieses Artikels berichtet Kohn über die Bewegungen, welche in den verschiedenen Ländern Europas und in Nordameri-ka stattfinden.

Vor Allem ist es das aktive Wahlrecht der Frauen, auf welches Anspruch erhoben, und welches in Amerika von einer Anzahl höchst achtbarer Blätter vertreten wird, sowie diese überhaupt bei jeder sich darbietenden Gelegenheit für die soziale

26 Die „Alte“. Neujahrsgedanken und Oratio pro domo. Temesvar, 31. Dezember. Temes-varer Zeitung, 20, (1871)/1, S. 1.

27 Zur sozialen Stellung der Frauen. (Original-Feuilleton der „Temesvarer Zeitung“). Te-mesvarer Zeitung, 20, (1871)/4, S. 1.

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serstellung der Frauen in die Schranken treten. In England sind es hervorragende Gelehrte, wie John Stuart Mill und Professor Fawcett, die im englischen Parlamente die Anwälte dieser Bestrebungen bilden.28

Das Presseorgan der Banater Intelligenz fokussierte nicht zufällig auf den sozia-len Zustand der Frauen in Temeswar. Die Frauen haben sich in Deutschland schon 1865 zu Frauenverbänden zusammengeschlossen. Die erwünschten Ziele waren: Forderung nach politischer Gleichberechtigung und Recht auf Arbeit.

Die eigentliche Aufgabe der Frau in der Kaiserzeit entsprach dem ideologischen Bild der guten deutschen Hausfrau. Sie sollte viele Kinder bekommen, für ihren Mann leben und seine Wünsche erfüllen. Das Wahlrecht blieb ihnen untersagt und Frauen hatten keinerlei Recht auf Bildung, da Zweck der weiblichen Erzie-hung nicht die Entwicklung der Intelligenz, sondern des Gemüts sei. Auch die Bildungsmöglichkeiten für Frauen waren in der Kaiserzeit stark eingeschränkt.

So war es einer Frau beispielsweise bis 1901 in Baden und bis 1908 in Preußen untersagt, ihr Abitur abzulegen. Denn es herrschte die allgemeine Meinung im Land: „Jedes Mädchen lernt nur von dem Mann, den es liebt, und es lernt dasje-nige was und soviel wie der geliebte Mann durch seine Liebe als ihn erfreuend haben will[...]“.29Davon ausgehend kann man behaupten, dass die Temesvarer Zeitung mit den Ereignissen im Ausland Schritt gehalten hat. Zu diesem The-menkreis gehört noch die Original-Novelle, die eine Temeswarer Frau geschrie-ben hat, betitelt Ein edles Frauenherz (Original-Novelle von einer hiesigen jun-gen Dame). Die Novelle beschreibt das Leben von zwei Frauen: der Tochter des Landrats und des Zigeunermädchens, das als eine Fremde mit ihren großen vol-len schwarzen Augen erscheint. Es geht hier um die Entwicklung, um die

„Emanzipation“ des Zigeunermädchens Kathei, die Mitglied der Familie des Landrats wird. Dieses Vorankommen bedeutet den Weg von einem einfachen Zigeunermädchen zu einer renommierten Opernsängerin.

Im Feuilletonteil erscheinen Artikel über Grillparzer, dessen Festschrift Dr.

Constant v. Wurzbach zu seinem achtzigsten Geburtstag verfasst hat. Die Fest-schrift, „welche mit liebevollem Eingehen auf das kleinste Ereigniß im Leben des Dichters ein werthes Zeichen der Verehrung zu den zahllosen Huldigungen fügt.“30 Der österreichische Dramatiker genießt eine hohe Wertschätzung auch in weiteren Artikeln der Zeitung. Die 13. Nummer beschreibt die Grillparzer-Feier in Wien: „Wien hat den 14. Jänner zu einem Grillparzer-Feiertag gemacht. Das Grillparzer- Feier-kleid galt einem bescheidenen Greis, der von der Welt nichts besaß, dem aber

28 Ebd.

29 Florence, Herve (Hg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln: Pahl-Rugenstein, 1983, S. 32–34.

30 Züge aus dem Leben Grillparzers. („Aus der Presse“). Temesvarer Zeitung, 20, (1871)/4, S. 2.

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Zeus den Olymp geöffnet hatte.“31 Der Verfasser des Artikels schätzt die vater-ländische Gesinnung der Österreicher: „Wien nennt Grillparzer mit Stolz den Seinen, und der Kaiser auf dem Thron, wie der Handwerker auf dem Schemel, der Kritiker und der Schüler, Jung und Alt, Männer und Frauen, bringen dem greisen Dichter, ihrem Dichter, […], die aufrichtigsten, vielseitigsten Huldigun-gen zu.“32 Man vergleicht diese kraftvolle Zuneigung des österreichischen Vol-kes zum Dramenautor mit der Situation in Ungarn, im Banat. Die Frage stellt sich folgendermaßen auf: „ist es Lenau, ist es Vörösmarty, der solchem Ruh-mes- und Gedenktag entgegensieht?“33 Der Schreiber des Artikels beendet die Abhandlung über die Grillparzer-Feier mit solchen Gedanken, die den Akzent auf die Universalität der Kultur und Literatur legen:

Beruft euch nicht zu sehr darauf, daß Grillparzer ein österreichischer Dichter ist. Das ist ja eben seine Schranke. Schiller wurde von der französischen Republik zum Eh-renbürger gemacht, Göthe`s Ruhm geht, wenn auch in verstümmelten Operntexten, über die ganze Welt. […] Feiert euren Dichter als einen Volksdichter, und wir Alle, die wir uns an seinen Schöpfungen ergötzt und gelabt, wollen freiwillig einstim-men.34

Zweifelsohne sieht die Situation im Banat und in Temeswar ähnlich aus, da die verschiedenen Völkergruppen in dieser Region neben- und miteinander lebten:

Deutsche, Ungarn, Rumänen, Serben. Die daraus entstandene Kulturmischung, die inter- und intrakulturellen Wechselbeziehungen spiegeln in den verschiede-nen Presseorgaverschiede-nen des Banats wider.

In der 7. Nummer der Zeitung tritt das ungarisch-deutsche Pendant zu Grill-parzer auf: Lenau, „einen der größten Dichter deutscher Zunge in der Neuzeit, kann Ungarn mit Stolz den seinen nennen.“35 Es geht um seinen Aufenthalt in Ungarn, in Ungarisch-Altenburg (Mosonmagyaróvár), der eine scheinbar weni-ger interessante Episode seines stürmischen Lebens bildet.

Die Sichtung des 20. Jahrgangs der Temesvarer Zeitung lässt den Schluss zu, dass diese periodische Schrift eine bedeutende Rolle im geistigen Leben des Bürgertums und der Banater Intelligenz in dieser Region gespielt hat. Der Feuil-letonteil brachte Novellen, Legenden, Abhandlungen über aktuellen Themen, Berichte über das Theater. Die deutschen und ungarischen Klassiker,

31 Zur Grillparzer-Feier in Wien. (Original-Feuilleton der „Temesvarer Zeitung“). Temes-varer Zeitung, 20, (1871)/13, S. 1.

32 Ebd.

33 Ebd.

34 Zur Grillparzer-Feier in Wien. (Original-Feuilleton der „Temesvarer Zeitung“). Temes-varer Zeitung, 20, (1871)/13, S. 2.

35 Lenau in Ung.-Altenburg. Temesvarer Zeitung, 20, (1871)/7, S. 1.

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ler der Weltliteratur wurden in den 1870er Jahren im Banat durch dieses Presse-organ einer größeren Leserschaft zugänglich gemacht.