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Sprachstrukturen im kommunikativen Kontext

3 „Wie viel Grammatik braucht der Mensch?“ – Eine Gretchenfrage revisited

3.2 Sprachstrukturen im kommunikativen Kontext

Grammatikbetrachtung mit dem Aufbau kommunikativer Kompetenz zu verbinden, ist eine wichtige Aufgabe modernen Grammatikunterrichts für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Methodengeschichtlich wurde dieser Anspruch in verschiedenen Konzepten unterschiedlich gelöst.

Während die kommunikative Grammatik (DaF) sich etwa auf didaktischer Ebene damit auseinandersetzte, Grammatikunterricht mit kommunikativen Aufgaben zu verknüpfen, bei denen alle vier Fertigkeiten (Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben) geübt werden (vgl. z.B. Tschirner 2005: 7ff.), ging es Barkowski in seiner „Mitteilungsgrammatik“ (für DaZ-Kontexte entwickelt) auch und vor allem um die Tiefenstruktur der Progression im Unterricht. Er versuchte, der traditionellen „grammatischen“ Progression eine Progression nach Mitteilungsbereichen entgegenzusetzen und auf diese Weise ein „funk-tionalistisches Modell der Zuordnung von Mitteilungsintentionen und for-malsprachlichen Mitteln zu deren Realisierung“ zu schaffen (Barkowski 1982:

16). Sein Konzept stellt einen Versuch dar, „das Gesamt der kommunikativen Leistungen der Sprache“ für den Deutsch als Zweitsprache-Unterricht „in ei-ner Weise zu systematisieren, daß eine Gliederung im Sinne kommunikativer Teillernziele überhaupt möglich wird“ (Barkowski 1982: 127). Ziel dabei war, die Kluft zwischen Mitteilungsbedürfnissen und den vorhandenen Mitteln zu deren sprachlicher Realisierung schnell, ökonomisch und effektiv ab- und funktionale Sprachkompetenz aufzubauen.

Es kann Barkowski als besonderes Verdienst angerechnet werden, dass er sich schon früh intensiv mit dem Zusammenhang von grammatischer und kommunikativer Kompetenz auseinandergesetzt hat. Zwar hat sich das Ziel einer lückenlosen Beschreibung von Mitteilungsbereichen, denen ebenso lü-ckenlos alle erdenklichen sprachlichen Strukturen zugeordnet werden kön-nen, schließlich als zu hoch gesteckt erwiesen – Rösler (2007) bezeichnet die

Mitteilungsgrammatik als „in Ehren gescheitert“ – doch ist das Bewusstsein für die didaktische Notwendigkeit einer Verbindung von grammatischen Strukturen und kommunikativen Bedürfnissen heute ein wichtiger Bestandteil modernen Grammatikunterrichts für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.

Auch wenn sich eine Progression nach Mitteilungsbereichen nicht durchgesetzt hat (wohl auch nicht zuletzt deshalb, weil die „grammatische Progression“ so gut etabliert ist, dass sie leichter überschaubar anmutet), wurde Barkowskis Konzept in einigen Grammatiken zumindest ansatz-weise aufgegriffen, und zwar auch in DaF-Kontexten: Hier sind etwa die

„Kommunikative Grammatik Deutsch als Fremdsprache“ (Engel/Terta 1993) oder die „Grammatik in Feldern“ (Buscha u.a. 2002) zu nennen. In beiden Grammatiken wird (großteils) von semantischen Feldern ausgegangen, die Barkowskis Mitteilungsbereichen durchaus ähneln. So wird etwa nicht eine grammatische Struktur eingeführt und dann darüber reflektiert, bei welchen kommunikativen Anlässen diese Struktur eine Rolle spielt, sondern es wird z.B. vom Feld der Person, Feld der Bedingung, Feld des Wunsches (ebd.) oder Bereichen wie „Mitteilen und Fragen“, „Möglichkeit, Notwendigkeit, Einschätzung“, „Sachverhalte näher bestimmen“ o.Ä. (Engel/Terta 1993)12 ausgegangen und dann darüber reflektiert, welche grammatischen Strukturen in diesen Bereichen hauptsächlich benötigt werden. Im Unterschied zu Barkowskis „Mitteilungsgrammatik“ erheben diese Übungsgrammatiken allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit – und es geht auch nicht dar-um, eine durchgehende Progression zu entwerfen: Beide Übungsgrammatiken wenden sich an fortgeschrittene Lernende, die ihr bereits erworbenes Grammatik-Wissen und -Können aus einer kommunikativen Perspektive wiederholen und festigen sollen. Das bewusste „Umdrehen“ der Perspektive, durch das die kommunikativen Ziele in den Mittelpunkt gestellt und von ihnen ausgehend die sprachlichen Mittel zur Realisierung dieser Ziele ge-sammelt werden, erlaubt dabei die Arbeit an Sprachbewusstheit und die analytische Auseinandersetzung auf einer Meta-Ebene im Einklang mit der pragmatisch-funktionellen Reflexion kommunikativer Bedürfnisse.

Einen neueren Ansatz zur Verbindung von analytischer Sprachbetrachtung und dem Aufbau kommunikativer Kompetenz stellt die „Formfokussierung“

dar, ein fremdsprachendidaktischer Zugang, der in den 1990er Jahren im angloamerikanischen Raum unter der Bezeichnung „focus on form“

Verbreitung fand (vgl. Schifko 2008: 37). Es handelt sich dabei nicht um eine Unterrichtsmethode im strengen Sinn, sondern vielmehr um ein

12 Engel/Tertel behandeln in ihrer „Kommunikativen Grammatik“ aber auch „klassischere“ gram-matische Bereiche wie etwa jenen der Valenz als eigenes Kapitel.

aufmerksamkeitssteuerndes Prinzip. Ähnlich wie in der Mitteilungsgrammatik und in der kommunikativen Grammatik geht es um eine Verbindung von analytisch–formalen und kommunikativen Lernzielen. Durch gezielte Anleitung soll „Noticing“ stattfinden (vgl. dazu auch Aguado 2008: 57), d.h. „neue (Sprach)elemente“ sollen „in mehr oder weniger expliziter Form in den Aufmerksamkeitsfokus gelangen“ (Schifko 2008: 37). In diesem Zusammenhang kann die Arbeit mit Chunks sehr wertvoll sein. Chunks sind Sprachbausteine, die zunächst als vollständige Phrase gelernt und in der Kommunikation angewendet werden können. Beispiele dafür wären etwa die Phrasen Ich hätte bitte gerne… oder Meiner Meinung nach…. Damit diese Sprachbausteine in Kommunikationssituationen angewendet werden kön-nen, müssen die zugrunde liegenden grammatischen Strukturen (Konj. II bzw. Genetiv) noch nicht erworben sein, die Phrasen können auch als ganzes gelernt und angewendet werden. Auf diese Weise stellen sie auch wertvol-len Auto-Input dar (vgl. Aguado 2008: 57f.). Später, wenn das grammatische Phänomen im Unterricht behandelt wird, kann auf die Chunks als bereits bekannte Elemente zurückgegriffen werden.

Die im Rahmen der Formfokussierung angewendeten didaktischen Interventionen können nun einen unterschiedlichen „Grad an kognitiver Aufdringlichkeit“ (Schifko 2008: 38) aufweisen: Als relativ „unaufdring-liche“ Intervention nennt Schifko (ebd., S. 39f.) etwa die Inputflut, bei der authentisches Textmaterial mit einer bestimmten Form angereichert wird, die dadurch auffällig oft vorkommt. Aufgaben, die implizites Lernen be-fördern, aber sich intensiv mit einer bestimmten Struktur auseinander-setzen, wie etwa die Aufgaben in „Grammatik kreativ“ (Gerngroß/Krenn/

Puchta 1999), oder die „forcierte Produktion“ in einem Dictogloss13 stuft Schifko (2008: 43f.) kognitiv bereits als etwas „aufdringlicher“, und schließ-lich sprachbewusstseinsfördernde Aufgaben, in denen in der Zielsprache über Regeln der Zielsprache sowie korrekte und fehlerhafte Äußerungen reflek-tiert wird, als kognitiv „am aufdringlichsten“ ein. Wichtig ist bei all diesen Aufgaben die Berücksichtigung der kommunikativen Kontexte. Ebenfalls wichtig ist die Einbettung des Grammatikunterrichts in eine Vielfalt von ande-ren Aufgaben, und die Berücksichtigung der Interessen der Lernenden. Dies betont auch Funk (2014: 183), wenn er „sprachliche Strukturen und Regeln“

in einem modernen Fremdsprachenunterricht als „eines von vier Lernfeldern neben dem Lernfeld der Arbeit mit für die Lernenden bedeutungsvollem

13 Bei einem Dictogloss wird ein kurzer Text zwei Mal in normalem Sprechtempo vorgelesen.

Beim ersten Mal hören die Lernenden nur zu, um den Inhalt zu erfassen, beim zweiten Mal machen sie Notizen. Anschließend werden die Texte in Kleingruppen rekonstruiert und schließlich die verschiedenen Versionen verglichen (vgl. Schifko 2008: 43).

Input, dem Lernfeld der Automatisierung von Mustern und Strukturen durch wiederholenden und einübenden Gebrauch und dem Lernfeld der Produktion sinnvoller Äußerungen“ verortet – und für einen aufgaben- und lernzielgelei-teten Unterricht plädiert, der vielfältige Sozialformen nutzt und die Interessen der Lernenden in Bezug auf Themen und Texte in den Blick nimmt.