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Erwerbsfördernde Grammatikarbeit im L3-Deutschunterricht 1

In document Cathedra Magistrorum – Lehrerforschung (Pldal 196-200)

 Einleitung

Die voneinander abweichenden Eingangskompetenzen und Vorerfahrungen der Lernenden können vielfältige Chancen für die effiziente Erschließung und Verarbeitung neuer grammatischer Phänomene im Unterricht der zwei-ten Fremdsprache biezwei-ten – allerdings nur dann, wenn schon vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen in den Lernprozess einbezogen werden. In diesem Fall werden Neugier und dadurch Interesse einzelner Lernender für das Neue erweckt und der Erwerbsprozess positiv beeinflusst. Neurolinguistische Untersuchungen (vgl. Grein 2013) untermauern nämlich, dass jeder Reiz als erstes den Limbus passiert, und dass der Informationsinhalt mit bereits vor-handenen Wissensbeständen verglichen und emotional bewertet wird, und zwar danach, ob die ankommenden Reize bekannt oder unbekannt, wichtig oder unwichtig oder eben angenehm oder unangenehm sind. Weitergeleitet wird der Reiz, der einen emotional anspricht, für einen wichtig und sinnvoll ist und mit vorhandenen Wissensbeständen verknüpft werden kann.

Man sollte ferner damit rechnen, dass Lernende sich die erste Fremdsprache (L2) in individuell unterschiedlichen Entwicklungsphasen aneignen und die Unterschiede des Entwicklungsprozesses sich im Unterricht der zwei-ten Fremdsprache (L3-Unterricht) vervielfachen können� Daher soll-ten das unterschiedliche Sprachniveau und der abweichende allgemeine Entwicklungsstand der einzelnen Lernenden noch mehr berücksichtigt wer-den als im L2-Unterricht.

Aus der Erwerbsperspektive ist der Brennpunkt, wie die vorhandenen Wissensbestände der Lernenden aufgegriffen werden, damit der Unterricht zur optimalen Entfaltung der grammatischen Kompetenz von Einzelnen beiträgt. Im Beitrag wird studiert, wie viel Raum für die Ko-Konstruktion in der Grammatikarbeit geschaffen werden kann, wie die Beiträge einzel-ner Lernender von Anderen aufgegriffen und weitergeführt werden können.

1 Unter L3 wird hier die zweite Fremdsprache verstanden.

Ein zentrales Anliegen ist, durch die Beschreibung ausgewählter Übungen der Festigungs- und Transferphase die wichtigsten, erwerbsfördernden Merkmale der Übungen darzulegen.

2 L3-Deutsch lernen

Zuerst soll man darüber nachdenken, wodurch sich die Gruppe der L3-Lernenden auszeichnet. Wie Lerner-Befragungen zum Fremdspra-chenprofil, Sprachlernbiographien, Lernbiographien der Lernenden und Einstufungs-ergebnisse am Anfang des L3-Unterrichts davon zeugen, steigen Lernende der Mittelschule, um die es in unserem Fall geht, mit bereits mehr oder weniger, jedoch unterschiedlich entwickelten allgemeinen Kompetenzen und kommunikativen Sprachkompetenzen in den Lernprozess einer neu-en Sprache ein. Aus der Sicht der Fragestellung dieses Beitrags sollneu-en zwei Momente besonders hervorgehoben werden:

1. die Sprache wird im Fremdsprachenunterricht nicht nur als Mittel der Sprachproduktion gebraucht, sondern sie ist zugleich das Objekt der Re-flexionen über die Sprache als System

2. die Lernenden verfügen in diesem Alter bereits über ein entwickeltes Sprach- und Kommunikationsbewusstsein, so dass die Bewusstmachung im Grammatikerwerb dieser Gruppe eine außerordentliche Rolle spielt.

Wegen des unterschiedlichen Wissensstandes ist es äußerst relevant zu stu-dieren, welche Zugänge, welche Wege der Bewusstmachung die einzelnen Lernenden fördern.

2. Einstellungen der L3-Lernenden

Im Prozess der L2-Aneignung entfalten sich die kommunikativen Kom-petenzen von Lernenden, darunter auch die strategische Kompetenz. Der L2-Erwerb wird darüber hinaus durch Lebens- und Lernerfahrungen und die L1 selbst beeinflusst. Auf das L3-Lernen wirken ferner die L2-Fremdsprachen-lernerfahrungen und -strategien, die L2 und das Wissen um den eigenen Lerntyp (Hufeisen/Riemer 2010) ein.

Von den Einflussfaktoren des L3-Fremdsprachenlernens möchte ich zuerst die emotionalen Faktoren und konkret die Einstellungen hervorheben, die den Zugang zu der neuen Sprache entscheidend beeinflussen. Hufeisen und Riemer (2010: 828) behaupten nämlich, L3-Lernende scheinen risikofreu-diger, selbstständiger und offener dem FSU gegenüber und kreativer im

Sprachgebrauch als L2-Lernende, sie sehen formale Richtigkeit als weniger wichtig an, haben konkretes Wissen sowohl über das System der L1 als auch über das der L2, sie haben bereits ein Konzept vom Fremdsprachenlernen entwickelt und gehen gelassener vor, wenn sie etwas nicht auf Anhieb kön-nen. Eine spannende Frage ist, ob L3-Lernende in der Regel bereits so „reif“

geworden sind oder eben, wie sie in dieser Hinsicht „reif gemacht“ werden können; d.h. vor allem, wie dafür im L3-Grammatikunterricht Raum geschaf-fen werden kann.2

2.2 Eigenarten des L3-Fremdsprachenerwerbs

Untersuchungen zum mentalen Lexikon belegen, dass die Erstsprache und die Fremdsprache(n) interagieren, dass es nicht nur Verknüpfungen zwischen den Elementen derselben Sprache, sondern auch zu den Elementen verschie-dener Sprachen gibt (Raupach 1994: 31). Beim L2-Erwerb besteht bereits ein Begriffssystem als Referenz, durch Konfrontation mit Sprache (L2) und Kultur (K2) werden die muttersprachlichen Konzepte ausdifferenziert, beim L3-Erwerb stehen L1 und L2 als Referenz zur Verfügung. Der Umfang des mentalen Lexikons ist individuell verschieden, es ist ein System in Bewegung, das ständig „aus- und umgebaut“ wird (ebd., S. 26). Hier muss festgehalten werden, dass der für unsere Perspektive wichtige Aspekt – der erfolgreiche Grammatikerwerb – folglich einen an die Lernenden angepassten Input und den lernerorientiert gestalteten Prozess des Hypothesenbildens und -testens voraussetzt.

Die Einwirkungen bereits gelernter Sprachen auf die eben zu erlernende Sprache wurden von mehreren Experten erkannt (Klein 2001). Die vorhande-nen Sprachen sowie Sprachkenntnisse und -erfahrungen nehmen Einfluss auf den Erwerbsprozess der neuen Fremdsprache und können ihn entweder posi-tiv oder negaposi-tiv beeinflussen. In diesem Zusammenhang kann man über po-sitiven oder negativen Transfer sprechen. Die Übertragung von Kenntnissen und Kompetenzen in die neue Fremdsprache kann zugleich als eine wichtige Strategie erachtet werden, auch wenn sie gegebenenfalls doch nicht zu posi-tiven sprachlichen Ergebnissen führt.

Im L3-Unterricht ist es also sehr fruchtbar, auf die Kontaktpunkte zweier (oder mehrerer) Sprachen zu fokussieren, die Transfererscheinungen aufzu-decken. Zum Thema Transfer beim L3-Lernen liegen in der neuesten Literatur bereits auch konkrete Empfehlungen und nützliche Sammlungen vor (vgl.

Hufeisen/Neuner 2005; Boócz-Barna 2007 und 2009; Hufeisen/Marx 2010).

In diesem Zusammenhang soll auf die besondere Rolle des Englischen als

2 Vgl. die Übungsbeispiele in Abschn. 3.

L2 beim L3-Deutschlernen für nicht-indoeuropäische Muttersprachler hin-gewiesen werden (Marx 2000). Ermittelte Fälle eigener Untersuchungen un-termauern, dass ungarische Lernende öfter auf L2-Englisch, also auf eine mit dem Deutschen genetisch verwandte Sprache zurückgreifen, wenn sie etwas nicht wissen, als auf L1-Ungarisch (Boócz-Barna 2010).

3 Ziele und Prinzipien der Grammatikvermittlung

Im modernen Fremdsprachenunterricht wird Grammatik als Werkzeug betrachtet. Die Lernenden sollen über die Kenntnis der grammatischen Mittel der Zielsprache und über die Fähigkeit verfügen, diese kompetent zu verwenden. Grammatik ist also kein Selbstzweck, sie wird den jeweili-gen Kommunikationszielen untergeordnet. Die Lernenden werden befähigt, in echten, kommunikativen Situationen sozial angemessen und rollenad-äquat zu handeln. Als erfolgreich gilt der Grammatikerwerb, wenn gram-matische Phänomene langfristig verfügbar und schnell abrufbar sind und situationsadäquat angewendet werden können. Dabei sollte unbedingt das Aufheben der starken Trennung von Wortschatz- und Grammatikarbeit im Fremdsprachenunterricht beachtet werden (Edmondson /House 1993), wofür ich auch plädiere.

Wie im Fremdsprachenunterricht allgemein werden auch bei der Gram-matikarbeit die Prinzipien des handlungsorientierten Ansatzes und die der Mehrsprachigkeitsdidaktik (Hufeisen/Marx 2010) eingesetzt. Auch hier gelten die persönliche Relevanz der Lernenden, die Lernerorientierung und die Textorientierung, sowie das Prinzip des entdeckenden Lernens.

Die Bewusstmachung ist zentral, d.h. die des vorhandenen Wissens, der bereits bekannten Strategien oder eben neuer sprachlicher Mittel und neuer Strategien. Die Reflexion über Sprache, die Aufmerksamkeit im Sprachverarbeitungsprozess bewirken bei vielseitigen Verarbeitungsformen und „sinnvollen“ Übungen und Aufgaben mit persönlichem Bezug (Funk 2006) nachhaltiges Lernen.

Im Sinne des Vier-Lernfeldermodells (Funk et. al. 2014) arbeiten die Lernenden in der Phase von Lernen durch Hören, Lesen, Hörsehen mit be-deutungsvollen Inhalten, in der Phase des sprachbezogenen Lernens mit sprach-vollen Formen, danach folgt das Training von Flüssigwerden im Sprechen, Schreiben, Hören, Lesen und Hörsehen und schließlich produzieren sie bedeu-tungsvollen Output in der Phase des Lernens durch Sprechen und Schreiben.

Über die oben skizzierten fremdsprachendidaktischen Erkenntnisse hinaus soll hier auf die konstruktivistischen und psycholinguistischen

Forschungserkenntnisse verwiesen werden, die als wissenschaftliche Grundlage lernerorientierter Grammatikarbeit zu betrachten sind. Im Sinne der konstruktivistischen Auffassung dürfen Lernende nicht mit fertigem Wissen konfrontiert werden, sondern – da sie zum erfolgreichen Lernen alles neu konstruieren müssen – lediglich „Baumaterial“ erhalten, das sie selbst zu ihren individuellen Systemen zusammensetzen (Wolff 1996). Der Spracherwerb sollte als Prozess des Hypothesenbildens und -testens (Tönshoff 1995) betrachtet werden, den der Input und das Intake (Auswahl) grundsätz-lich beeinflussen.

3. Funktionen des Inputs im Grammatikerwerb

Die Spracherwerbsforschung befasst sich bereits seit den 1980er Jahren mit den Funktionen des Inputs im Grammatikerwerb (vgl. Klein 2001). Hier wird auf die Darstellung der Konzepte verzichtet, aufgegriffen werden zwei für die Perspektive des Beitrags besonders wichtige Annäherungen, nämlich die von Tönshoff (1995) und von Boeckmann (2010).

In seinem Modell „Prozess von Hypothesenbilden und Hypothesentesten“

zeichnet Tönshoff (1995) die Aufnahme und Verarbeitung des Inputs, also die Aufnahme der Sprachdaten nach. Da der Input von den Lernenden nicht vollständig, sondern nur teilweise wahrgenommen wird, wird das vom Input wahrgenommene Phänomen in Tönshoffs Modell als ‚Intake‘ ausdifferenziert.

Auf Intake hin bilden und testen die Lernenden Hypothesen und interna-lisieren anschließend die getesteten Sprachdaten. Intake erfolgt nach einer Relevanzprüfung. Das ist der Moment, der in der Einführung kurz angerissen wurde, nämlich dass der neue Informationsinhalt mit bereits vorhandenen Wissensbeständen verglichen und emotional bewertet wird, wobei nur als wichtig, sinnvoll und angenehm erkannte Reize weitergeleitet werden. Im Modell ist noch ersichtlich, dass die exogenen und endogenen Faktoren, von denen der Entwicklungsprozess beeinflusst wird, auf den Input zurückwirken.

Unter den neuesten Betrachtungen sollte Boeckmann (2010) herangezogen werden. Für den ‚Input‘ verwendet er ‚Sprachangebot‘, das alles umfasst,

„was für Erwerbende an sprachlichem Material zugänglich ist, sei es spezi-ell für sie bestimmt, aufbereitet bzw. zugeschnitten oder nicht“ (Boeckmann 2010: 7). Als Quellen des Sprachangebots im Fremdsprachenunterricht gel-ten nach Boeckmann hauptsächlich die Unterrichtssituation und die damit zusammenhängenden Aktivitäten, einbezogene Medien, evtl. Kontakte im Alltag (in verschiedenen Projekten), sowie Internetseiten, Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen. Bei der Effizienz des Sprachangebots können die Lehrmaterialien einen grundsätzlichen Beitrag leisten. Boeckmann hebt

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