• Nem Talált Eredményt

Metonymische Kompetenz

Metonymische Kompetenz und Grammatikerwerb

2 Metonymische Kompetenz

Zur Wissenschaftsgeschichte der metonymischen Kompetenz ist festzuhalten, dass bei Augst (1977)5 von einer „synchronen etymologischen Kompetenz“

die Rede ist, wonach Sprachteilhaber nicht nur diachron betrachtet, son-dern auch in einem Sprachzustand (synchron) belegbar über eine Fähigkeit verfügen, Bedeutungen metaphorisch zu übertragen oder metonymisch zu verlagern. Die Fähigkeit, neue Metaphern zu bilden und neue metonymische Bedeutungsverlagerungen vorzunehmen, gehört demnach zur Kompetenz eines native speakers. Dem ist die Fähigkeit vorgeordnet, rezeptiv gleichklingende Lautkomplexe durch Merkmalhinzufügung, -tilgung oder -dominanzverände-rung aufeinander zu beziehen, soweit diese Sachverhalte sprachkonventionell vorgegeben sind. Augst stellt hier auch in Bezug auf den Erstspracherwerb eine Forschungslücke fest. Die Lernaufgabe wird wie folgt bestimmt:

Wenn das Kind Metaphern und Metonymien erkennen will, muß es erst einmal bemerken, daß es gleichklingende Wörter mit verschiedenen Bedeutungen gibt.

Es muß die Fähigkeit entwickelt haben, Wörter aus ihrem determinierenden oder doch zumindest eingrenzenden Zusammenhang zu lösen und konterdetermi-niert aufeinander zu beziehen. (Augst 1977: 101)

Hier wird durch das Schlüsselwort „konterdeterminiert“ die Anknüpfung an Weinrichs Metapherntheorie offensichtlich.

Im Folgenden soll metonymische Kompetenz ‒ wie oben bereits ange-kündigt ‒ nicht im Kielwasser der Metaphernforschung und auch nicht als blasses Spiegelbild der metaphorischen Kompetenz betrachtet werden, son-dern möglichst unabhängig davon. Meine Arbeitsdefinition soll folgenden Anforderungen gerecht werden:

1. sie soll sprachhandlungsbezogen begründet sein;

2. sie soll aus der Erwerbsperspektive vorgenommen werden;

3. sie soll gut operationalisierbar und anwendbar, d.h. in die analytische Praxis gut umsetzbar sein;

4. Untersuchungsgegenstand ist der spontane Sprachgebrauch, natürliche Diskurse oder ihre Simulation in Unterrichtssituationen;

5. der Sprecher/Schreiber bzw. der Hörer/Leser befinden sich im Default-Fall im unbewusst–automatischen Verarbeitungsmodus, und ihre sprach- analytischen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterliegen einer starken

5 Metonymische Kompetenz kommt zwar bei Augst als Terminus nicht vor, sein Konzept der synchronen etymologischen Kompetenz umfasst jedoch sowohl die metaphorische als auch die metonymische Kompetenz.

individuellen bzw. gruppenspezifischen Variation, die wiederum ausge-sprochen instruktionsabhängig ist;

6. die Definition der metonymischen Kompetenz ist nicht nur zur kom-munikativen Kompetenz ‒ insbesondere zur Textkompetenz6 ‒, sondern auch zur kognitiv–konzeptuellen und kulturellen Kompetenz in Bezug zu setzen.

Metonymische Kompetenz definiere ich demnach als Fähigkeit und Fertigkeiten, metonymisch motivierte natürlichsprachliche Äußerungen einer Erstsprache spontan, unbewusst und automatisiert (d.h. ohne Verzögerung) zu erwerben, zu produzieren und zu verstehen. Die Erwerbsaufgabe richtet sich darauf, den ange-messenen rezeptiven und produktiven Umgang mit allen Metonymietypen einer bestimmten Sprach- und Kulturgemeinschaft als Erst-, Zweit- oder Drittsprache7 oder im Mehrsprachigkeitskontext8 zu erlernen. Die Interpretationsaufgabe (aus rezeptiver Sicht) besteht darin, von einzelnen Textexemplaren auf der Folie bestimmter Diskurstraditionen ausgehend Sinn zu konstruieren, wo-bei Inferieren die zentrale Rolle spielt (sowohl in der Erstsprache, als auch in Zweit- und Drittsprachen oder in Mehrsprachigkeitskontexten). Die Produktionsaufgabe (aus der Sicht der Sprachproduktion) richtet sich da-rauf, metonymisch motivierte Äußerungen hervorzubringen (sowohl in der Ausgangs- als auch in der Zielsprache bzw. in mehreren Zielsprachen). In Zwei- und Mehrsprachigkeitssituationen kommt eine weitere Aufgabe hinzu, und zwar die Transferierungsaufgabe, die den Transfer konzeptueller und/oder sprachlicher Metonymien zwischen Sprachen in beiden möglichen Richtungen zum Gegenstand hat.9 Teil der metonymischen Kompetenz ist die Fähigkeit, die Legitimität metonymischen Transfers beurteilen zu können. Zu erkennen, was legitim ist, liegt bereits im Übergangsbereich zur Analysekompetenz, die mul-tifaktoriell bedingt z.T. automatisiert, z.T. bewusst ist. Beim Zweitspracherwerb und in Mehrsprachigkeitssituationen ist die metonymische Kompetenz jedoch nicht nur für den Transfer von Metonymien aus der Erstsprache zuständig, die Metonymie kann nämlich in Sprachkontaktsituationen auch folgende Erscheinungsformen haben:

• Metonymie als Quelle für Transfer aus der Erst-, Zweit-, Dritt- oder Viert-sprache (wobei Bewegung im Prinzip in beiden Richtungen möglich ist)

6 Zum Begriff der Textkompetenz beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen vgl. Feld-Knapp 2014b.

7 Vgl. Cenoz et al. (Hrsg.) 2001 und Hufeisen 2003.

8 Vgl. Feld-Knapp (Hrsg.) 2014.

9 Vgl. dazu Kecskes/Papp 2003 und Kecskes 2008.

• Metonymie als Quelle für Transfer in multilingualen Netzwerken

• Metonymie als Teil des zielsprachlichen Inputs

• Metonymie als lernersprachliche Kompensationsstrategie (wenn sie we-der quell- noch zielsprachlich belegbar ist, und eindeutig als autonomes emergentes Merkmal einer Lernersprache zu identifizieren ist)

• Metonymie als kreative Kodierungs- oder Inferierungsstrategie

• Metonymie als Strategie des kontrastiven Lernens (als implizite oder ex-plizite Bewusstmachungsstrategie).10

Metonymie wurde in der bisherigen Forschung kaum aus der Erwerbs-perspektive betrachtet, dementsprechend gibt es auch im Allgemeinen kaum abgesichertes empirisches Faktenwissen über erwerbsbezogene Aspekte der Metonymie. Die wenigen verfügbaren Studien behandeln die lexikali-sche Metonymie im Erstspracherwerb11 bzw. im auffälligen Spracherwerb.12 Deutlich unterrepräsentiert ist die Erforschung der grammatischen Metonymie aus der Erwerbsperspektive. Die ersten umfassenden Arbeiten zur Rolle der Metonymie im Zweitspracherwerb liegen mit Littlemore (2009 und 2015)13 und Barcelona (2010) vor. Das Problem des Transfers von Metonymien wurde jedoch ‒ soweit mir bekannt ist ‒ in der Forschung noch nicht systematisch behandelt.14 Meine diesbezüglichen Überlegungen haben deshalb provisorischen Charakter und müssen noch durch detaillierte empi-rische Untersuchungen überprüft werden.

10 Vgl. dazu die in Brdar-Szabó 2010 entwickelte Konzeption, wobei auch eine Arbeitsdefinition der Kontrastivität vorgelegt wurde. Metapher als Bewusstmachungsstrategie wird von Selinker und Kuteva (1992: 249) am Beispiel der Vermittlung stark polysemer Verben ohne isomorphe Entsprechungen in der Erstsprache im Rahmen eines kognitiven Modells vorge-schlagen. Metapher wirkt hier nicht als Quelle für Transfer aus der Erstsprache, sondern als Strukturierungsprinzip bei der Aufbereitung des zielsprachlichen Inputs. Für eine vergleichba-re Einsetzung der Metonymie sind mir bisher keine Beispiele bekannt. Metonymisch motivierte Polysemie ließe sich m.E. durch diese Strategie auch effektiv vermitteln.

11 Vgl. Nerlich [et al.] 1999; Rundblad/Annaz 2010a; Falkum [et al.] 2016; Pérez-Hernández/

Duvignau 2016.

12 Vgl. Annaz [et al.] 2008; Rundblad/Annaz 2010b sowie Melogno [et al.] 2012.

13 Vgl. dazu insbes. Littlemore 2009: 107‒124 und ders. 2015: 161‒190. Littlemore et al. 2016 ist eine empirische Fallstudie zur Rezeption von Metonymien durch japanische L2-Lernende des Englischen.

14 Das bezieht sich sowohl auf die aktuelle Interferenz- bzw. Transferforschung (vgl. Jarvis/

Pavlenko 2008, Ortega 2009, Alonso Alonso [ed.] 2016), als auch auf die Lernersprachforschung (vgl. Fekete 2016). Littlemore (2015: 184) ist die einzige mir bekannte Ausnahme, wo ein Beispiel für negativen Transfer einer Metonymie aus dem Deutschen ins Englische erwähnt wird.