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Das Konzept Basisverb – Beispiel: werden

Pragmatische Inspirationen für den künftigen Grammatikunterricht

2 Pragmatische Erkenntnisse zum deutschen Verbsystem als didaktische Vorgaben

2.2 Das Konzept Basisverb – Beispiel: werden

Verschiedene „ungewohnte“ Sichtweisen ergeben sich laut Redder (1992: 129), wenn man die Rolle der „Hilfsverben“ sein, haben und werden prüft, sie also auf ihre verschiedenen ‚Leistungen‘ im komplex gebildeten Prädikat hin befragt.6 Als Basisverben oder Basisprädikate sind sie viel mehr als Hilfen für die Formbildung. Sie sind zunächst einmal die finiten Verben im Verbalkomplex, sie tragen also die grammatisch wesentlichen Subjekt-, Tempus- und Modusmerkmale. Das sog. Vollverb ist dagegen (nur) eine infi-nite Form im Prädikat; es bestimmt zwar die Prädikatsbedeutung wesentlich und bindet evtl. weitere Satzglieder an, z.B. ein Objekt. Aber es ist – ähnlich wie nominale Komplemente von sein/haben/werden – eine eher nicht ver-bale Konstituente. Im Unterschied zu flektierten Verbformen, z.B. einem Basisverb habe, ist das Vollverb für Redder eine „neutrale Konstituente“

(a.a.O., S. 142). Am Beispiel von werden macht Tab. 1 (s. auf der folgenden Seite) deutlich, welche semantischen Potenzen sich aus der Verbindung von einem Basisverb mit einer neutralen Konstituente ergeben.

Traditionell wird werden mit nominalen Ergänzungen, also in Kombination mit Nomen oder Adjektiven, als Kopulaverb oder als Vollverb behandelt.

Ansonsten wird der Blick auf den Verbalkomplex gelenkt, dessen gram-matische Funktionen als Futur, Passiv oder als Konjunktiv vorgestellt wer-den. Für den Sprachlerner erscheint der Beitrag von werden dabei nicht als wichtig, meist als kaum vorhanden, so als wäre seine Beteiligung an diesen Formen rein zufällig und als hätte sie nichts zu tun mit seiner „Vollverb“-Funktion. Redders handlungstheoretische Analyse verdeutlicht den inneren Zusammenhang der Formen über die Bedeutung des Verbs werden, die sehr allgemein zu fassen ist: Etwas Gedachtes, Gewolltes oder Mögliches wird wirk-lich, im Sinne eines Umschlagens von Möglichkeit in Wirklichkeit. Den Punkt oder Vorgang dieses Umschlagens, damit also einen Wechsel der Modalität,

5 Bei Zifonun et al. gibt es zwar drei „einfache Tempora“, aber hier wäre vielleicht eine Korrektur zu erreichen…

6 Auch hierbei besteht Übereinstimmung mit frühen Einsichten von Adelung (1782: 771).

verbalisiert dieses Verb in einer antizipierenden Feststellung (Redder 1995:

302ff.). Diese abstrakte Bedeutung konkretisiert sich jeweils anders, je nach dem Typ der Ergänzung zu werden (Nomen oder infinite Verbform).

In der Konstruktion mit dem Infinitiv wird die fragliche Handlung benannt, um sie vom Handlungsbeginn her anzuvisieren, die Verwirklichung zu anti-zipieren. Das geht deshalb, weil der Infinitiv als „Nennform“ des Verbs den Substantiven nahe ist und zum Symbolfeld der Sprache nach Bühler (1934/83) gerechnet werden kann.

Das Passiv, also die Kombination von werden mit dem Partizip II, ist ein anderer Prädikationstyp. Es erhält seine Deutung ebenfalls aus der abstrakten Grundbedeutung zusammen mit dem resultativen Charakter des Partizips:

Die benannte Handlung wird unter dem Aspekt ihres Ergebnisses zur Geltung

Beispiele Komplementtyp

I Ich werde gesund.

Ihm wird schlecht.

Er wird Ingenieur.

nominales Komplement in neutraler Form: unflektiert, meist ohne Arti-kelwort, valenzneutral

IIa Ich werde rechtzeitig da sein.

Er wird schon kommen. Infinitiv als grammatisch neutrale, situationsunabhängige Grundform des Verbs, Benennung der Hand-lung

IIb Ich würde das nicht so machen. wie Typ IIa, fungiert mit KonjII als generalisierter Konjunktivausdruck III Er wird nach Haus gebracht.

Diese Sitte wird hier gepflegt.

Sie ist befördert worden.

resultative infinite Form: Partizip II, unflektiert, zeigt Vollendung der Handlung an*

IV Das wird schon. unbesetzte Komplementstelle, wer-den als tatsächliches „Vollverb“

* „Vollendung“ bedeutet nur im Perfekt auch Abschluss der Handlung. Die Erreichung des Handlungszwecks wird mit dem Passiv nur anvisiert und kann sowohl bei perfektiven wie bei imperfektiven Verben in der Zu-kunft liegen (vgl. Redder 1995: 67).

Tab. 1:

Prädikatsbildung mit werden:

Basisprädikat werden mit seinen Komplementtypen1

1 Die Anordnung weicht von Redder (1992: 144) ab, um die seltenste Vorkommensweise als letzte zu nennen. Redders Analyse ist mit anderen Grammatiktheorien wie der X-bar-Syntax besser abgestimmt, was ich hier aber nicht im Einzelnen vemitteln kann.

gebracht (Redder 1992: 146), die Verwirklichung des Handlungszwecks liegt in der Gegenwart (Redder 1995: 67; Hoffmann 2013: 288). Eine empirische Studie von Shing-lun Chen (1995) zeigt sehr gut den Einsatz passivischer werden-Verwendungen in der betrieblichen Praxis. Sie schließt an die Redderschen Überlegungen an. Im Falle von werden + Partizip II ist demnach nicht von einer grammatikalisierten Passivform auszugehen, sondern das Basisverb wer-den zeigt in der Kombination mit dem resultativen Aspekt des Partizips dem Hörer, dass die benannte Handlung am Subjekt des Satzes vollzogen wird, häu-fig als prozessualer Übergang zur Realisierung des Handlungszwecks verstan-den (Hoffmann 2013: 287).7 Fehlt ein Subjekt, tritt der Vollzug der Handlung selbst in den Vordergrund, wie in der Äußerung: „Heute wird gefeiert.“

Die aus der Schule bekannte Gegenüberstellung von Aktiv und Passiv als scheinbar gleichwertigen allgemeinen Kategorien des deutschen Verbsystems (vgl. Redder 1995: 59) ist für Sprachlerner irreführend. Bei vielen Verben besteht nämlich keine Konversionsmöglichkeit zwischen den

„Genera verbi“ mit ihrer Opposition von Agens (Täter, Handelnder) und Patiens (Ziel, Gegenstand) der Handlung (a.a.O., S. 70). In der Konsequenz heißt das: Viele so genannte Aktivformen sind gar nicht agentivisch, denn sie stellen Vorgänge oder Zustände dar. Bei Umformungsübungen in Lehrbüchern wird das Problem oft deutlich. Daher sollte man die Aussage der Duden-Grammatik (2005: 550) ernst nehmen, dass das „Aktiv“ schlicht die Normalform des Verbs ist, und sich eine neue, einfachere Gliederung der Passivarten überlegen, die in Tab. 2 mit Beispielsätzen veranschaulicht werden. Denn schon die Bezeichnung „Vorgangspassiv“ trifft weder den Verbtyp noch die semantische Spezifik von werden (vgl. Tab. 2 auf der fol-genden Seite).

Jedes Basisverb, vor allem sein und haben, bildet wie werden ein kleines Teilsystem (Redder 1999: 327) mit parallelen zweiteiligen Prädikaten. Um noch ein weiteres Beispiel anzuführen: Im Falle des Basisprädikats haben führt die Kombination mit dem Partizip II eines Handlungsverbs dazu, dass das Subjekt als Agens verstanden wird und die abgeschlossene Handlung vom Standpunkt des erreichten Handlungszwecks her betrachtet wird – was als

„Perfekt“ bezeichnet wird (vgl. Redder 1995: 65ff.).

7 Im Unterschied zum englischen Passiv kommt im Deutschen noch die etymologisch interes-sante ältere Form „worden“ zum Einsatz, die noch stärker die Bewegung auf das Resultat hin zum Ausdruck bringt.

Beispiel Deutung in Abhängigkeit vom Verbtyp des Komplements

Der Lohn wird am

Ende ausgezahlt. Perspektivenwechsel mittels Subjektwechsel bei transiti-ven Verben (Handlungsverben); Patiens ist Subjekt Mir wurde

geholfen. Dativkomplement (Adressat) oder Es-Subjekt bei einigen intransitiven Verben

Hier wird

gegessen. Subjektloses Passiv bzw. Es-Subjekt, die Durchführung einer Tätigkeit steht im Vordergrund

Sie bekommen das

Geld ausbezahlt. „bekommen-Passiv“, Adressat der Handlung ist Subjekt Tab. 2:

Basisverben mit Partizip II in passivischen Konstruktionen

Sprachtypologisch ist interessant: Anders als in den verwandten europäischen Sprachen, so Redder, liegt im deutschen Prädikat durch die ausdrucksprägenden Basisprädikate „mehr Verbalität vor, als in der Valenzgrammatik zur Geltung kommt“ (1995: 66), weil von der Valenztheorie nur die syntaktische Qualität des Infinitivkomplements berücksichtigt wird. Je nach Basisverb können aber auch bestimmte Phasen oder Stadien der Handlungen und Vorgänge ins Prädikat eingebracht werden. Das soll noch einmal am sein-Passiv verdeutlicht werden.