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Der ungarische Dramatiker und Prosaist, Ferenc Molnár ist inner- und außerhalb Ungarns vor allem für seine geistreichen Lustspiele, seinen Jugendroman Die Jungen der Paulstraßeund die über ihn erzählten unzäh-ligen Anekdoten bekannt. Er war eine der schillerndsten Gestalten der Budapester Literaturszene der Jahrhundertwende und der 20-er Jahre. In der Zwischenkriegszeit gehörte er zu den erfolgreichsten europäischen Dramatikern, seine Werke wurden auf unzähligen Bühnen der europäi-schen Großstädte und den USA aufgeführt. Wegen seiner jüdieuropäi-schen Herkunft fühlte sich Molnár nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland unmittelbar bedroht und emigrierte Anfang 1940, nach-dem er sich Jahre hindurch mit seiner Sekretärin und Lebensgefährtin Wanda Bartha in Italien, Frankreich und der Schweiz aufhielt, nach New York. Dort verbrachte er den Rest seines Lebens, und wohnte bis 1952 in einem Zimmer des Hotel Plaza. In der Emigration schrieb der beinahe 70 Jährige seine Autobiografie, an der er unmittelbar nach dem Selbstmord der Freundin im Jahr 1947 zu arbeiten begann. Soweit die trockenen Fakten. Bezüglich Molnárs Autobiografie, in der die Exiljahre einen thematischen Schwerpunkt bilden, drängen sich gleich mehrere Fragen auf: Welche Position nimmt der Aufzeichner der Erinnerungen in der Autobiografie ein? Tritt er mit dem Anspruch der Zeitzeugen-schaft auf, oder verbleiben seine Erinnerungen auf der privaten Ebene und reflektieren die großen historischen und politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts nur indirekt? Nimmt er Bezug auf den Schreibprozess und problematisiert die Grenzen der Erinnerungsfähigkeit oder meint er seine Vergangenheit kohärent und lückenlos rekonstruieren zu können?

Welchen Stellenwert erhalten die Exiljahre in den Aufzeichnungen?

Die Liste der Fragen ließe sich noch erweitern, aus Raumgründen erscheint es aber ratsam, den Fragenkreis einzuschränken und die oben angeführten Fragestellungen als Ausgangspunkt für den vorliegenden Beitrag fruchtbar zu machen.

Auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bezogen schreibt Roy

Pascal 1965 über die Autobiografie: „In jüngster Zeit haben die furcht-baren Verwirrungen, verursacht durch Revolutionen und Bürgerkriege, durch ideologische Kriege und Diktatoren, eine große Ernte an Autobiographien von Verbannten und Flüchtlingen gebracht“1.

Richard Critchfield untersuchte die Lebensbeschreibungen von Exilanten hinsichtlich der Problematisierung der Unzuverlässigkeit menschlichen Erinnerungsvermögens in Autobiografien, ferner mit Blick auf die in ihnen erzählten religiösen oder politischen Bekehrungsgeschichten und auf den Anspruch, Zeitgeschichte zu schrei-ben.2Der erste Aspekt von Critchfields Untersuchungen hat durchaus auch im Fall von Molnárs Autobiographie Relevanz. Wie viele andere Exilautobiographen, nimmt auch er Bezug auf die Problematik der Gattung. Der Schriftsteller setzt im Vorwort zu seinem letzten Werk Gefährtin im Exil. Aufzeichnungen für eine Autobiographie3 klare Grenzen für solche Unternehmen. Er betont den überaus subjektiven Charakter des Genres und räumt ein, dass gerade diese Subjektivität, die an vielen Stellen in Intimität übergeht, nicht für alle Leser gleichermaßen interes-sant sein dürfte. Nichtsdestotrotz besteht er auf das Recht, ein solches Werk hervorzubringen, zumal er zwei triftige Gründe dafür nennt. Der erste ist persönlicher Art: die Vorahnung einer nahenden Depression, die

„zu einem verzerrten Sehen der Wirklichkeit und zur Verfälschung der Tatsachen führt“, wie Molnár aus einer „Abhandlung“ in der Encyclopaedia Britannicazitiert. (GiE 8) Der zweite ist ein poetologischer Grund, das seit der Antike wohl bekannte Bedürfnis der Dichter, mit ihrem Werk ein Denkmal zu setzen. Das literarische Denkmal soll zum Träger der Erinnerung an Wanda Bartha werden. Die beschriebenen Symptome der befürchteten Depression, die verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit und die daraus folgende „Verfälschung der Tatsachen“ sug-gerieren eine Betrachtungsweise, die die Fragwürdigkeit der menschli-chen Erinnerungsfähigkeit völlig außer Acht lässt. Molnár scheint tat-sächlich davon überzeugt zu sein, in seinen Erinnerungen über alles wahrheitsgemäß berichten zu können, wenn er nur im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Das zweite Anliegen jedoch, die Erinnerung an Wanda Bartha festzuhalten, macht eine solche Objektivität überflüssig.

Mit der Ankündigung, dass unzählige „Nichtigkeiten“ (GiE, 8) „viel-leicht allzu offen“, „beunruhigend offen“ (Ebda) mitgeteilt werden sol-len, verwirft der Schriftsteller den Anspruch auf Objektivität. Sein Szilvia Ritz

Vorhaben, eine Person durch ein literarisches Werk unsterblich zu machen, ist vielleicht einer der am häufigsten verlauteten Wünsche der Dichter. Während Horaz selbstsicher verkündet: „exegi monumentum aere perennius“4und Shakespeare die von der Zeit unzersetzbare Kraft seines dichterischen Wortes im Sonett Nr. 55 zum Ausdruck bringt:

„Not marble, nor the gilded monuments / Of princes, shall outlive this powerful rime“5, gibt sich Molnár (den ich mit den oben genannten Dichtern keineswegs auf eine Stufe stellen möchte) auffällig bescheiden, wenn er sowohl das Material (Papier und Tinte) als auch seine

„Fähigkeiten, eine Biographie zu verfassen” herunterspielt. Als Wandas Grabmal errichtet werden soll, schreibt er über den Architekten der Friedhofsverwaltung:

Ich beneidete ihn […] weil das Material, aus dem er ein Denkmal für den Friedhof von Linden Hill meißeln sollte, Granit war, der Jahrhunderte über-dauern würde – nicht nur papierene Seiten (bald vergessen, falls jemals gelesen) eines Freundes, der noch eher dem Vergessen anheim fallen würde. (GiE 10) In diesem Vorwort konstruiert Molnár eine dichterische Pose, durch die er die Bedeutung des Geschriebenen scheinbar mindert, um im Folgenden das Gegenteil des Behaupteten zu demonstrieren. Dass es hier um eine Pose geht, bestätigen spätere Stellen, die im Gegensatz zu den obigen Zeilen gerade das Bleibende der Schrift, und damit des fixierten Dichterwortes betonen:

Aber von meiner Kindheit an und durch meine lange Laufbahn hindurch bin ich dazu angehalten worden, das gedruckte Wort zu achten; der Aberglaube (bei einem Schriftsteller nichts Ungewöhnliches), daß ein gedrucktes Buch etwas Dauerhaftes darstellt, nur weil es ein Buch ist – mir ist er in Fleisch und Blut übergegangen. Immerhin hat man Paläste, die dazu bestimmt sind, Jahrhunderte zu überdauern, zur Aufbewahrung von Büchern gebaut. (GiE 253)

Da im Zentrum dieses, im Untertitel als Autobiografie apostrophierten Textes eine andere Person als der Verfasser steht, ist es eine logische Entscheidung, die Lebensbeschreibung nicht in der üblichen Weise, mit der Kindheit und dem familiären Hintergrund des Verfassers zu

begin-„Ich bin ein Wanderer, ein Emigrant…“

nen. Stattdessen konzentriert sich der Erzähler auf die Ereignisse der gemeinsam verbrachten Jahre, die von wiederkehrenden Reflexionen über die Zeit nach dem Tod des geliebten Menschen begleitet werden. Es stellt sich die berechtigte Frage, warum diese Erinnerungen an eine ande-re Person als Autobiografie bezeichnet werden. Dieses Werk ist alles andere als ein herkömmlicher Vertreter der Gattung. Die im Untertitel angeführte Gattungsbezeichnung legitimiert sich jedoch dadurch, dass die Erinnerungen an Wanda sich immer wieder mit der Person des erzäh-lenden Ich verbinden, zumal die von Wanda aufgezeichneten Geschichten über Molnár einen beträchtlichen Teil des Textes ausma-chen. Da Molnár bereits seit Jahren im Ausland lebte, als er Wanda Bartha kennen lernte, fällt die von der Autobiografie aufgegriffene Zeitspanne mit Molnárs „Exiljahren“ zusammen.

Die Bezeichnung „Exiljahre“ umfasst zwei längere Perioden in Molnárs Leben. Er verließ seine Heimat, Ungarn, bereits 1923, als er beschloss, seinen Wohnsitz hauptsächlich nach Wien zu verlegen. Die auch von ihm selbst als „Exil“ bezeichnete Zeit begann erst in den spä-ten dreißiger Jahren und gipfelte in seiner Flucht in die USA. Die erste Phase des Auslandsaufenthaltes war Molnárs große Zeit. Er bereiste Westeuropa, insbesondere Frankreich, Italien, Deutschland und die Schweiz und feierte durchschlagende Bühnenerfolge. In seinen Briefen aus den 20er Jahren kristallisiert sich eine unstete, äußerst mobile Lebensweise heraus, nicht selten wechselte er seine Aufenthaltstorte monatlich. Einen Ort zwischenzeitiger Ruhe repräsentiert Venedig, wo der Autor sich immer wieder, sogar mehrere Monate am Stück aufhielt.

Molnár verfügte über ein internationales Netz an Freunden, Bekannten und Kollegen, mit denen er persönlich und brieflich Kontakt pflegte.

Durch dieses Netzwerk konnte er die Aufführungen seiner Stücke aus der Ferne organisieren, überblicken und kontrollieren. Ebenso bediente er sich dieses Netzwerks bei den Übersetzungen, Verfilmungen und Musical-Adaptationen seiner Werke.

In den 30-er Jahren lernte Molnár während eines seiner Budapester Aufenthalte die junge, intelligente, geschiedene Wanda Bartha kennen, und es begann eine Beziehung, die bis zu Wandas Selbstmord hielt. Sie schloss sich Molnár auf seiner Wanderschaft durch Europa an und reis-te ihm sogar ins amerikanische Exil nach. Der eher apolitische Molnár kümmerte sich bis zum Anschluss wenig um die sich allmählich verän-Szilvia Ritz

dernde politische Situation. Er zweifelte am Ausbruch eines Krieges, und als es 1939 doch dazu kam, meinte er, wie viele europäische Intellektuelle, dass dieser nicht lange dauern würde. Erst die unmittelba-re Gefahr, die Molnár in seiner Autobiografie an mehunmittelba-reunmittelba-ren Stellen anspricht, veranlasste ihn dazu, Europa zu verlassen. Seine Flucht erklärt er damit, dass er „Folter und Ermordung – wie sie so viele unserer Verwandten in Budapest und im Konzentrationslager ereilt hatten“ ent-gehen wollte. (GiE 18) Rückblickend konstatiert er, dass diese Flucht sein und Wandas Leben „lediglich um einige Jahre verlängert“ hatte, weil die katastrophalen Nachrichten über den Tod von Familienzugehörigen und Freunden bedeutende psychische Schäden verursachten. Auch Wandas Selbstmord erklärt Molnár mit dem Umstand, dass sie den gewaltsamen Tod ihres Bruders in einem KZ nicht verkraften konnte, und unter die-ser seelischen Last zusammenbrach.

Ab 1938 häufen sich in Molnárs Briefen an seine Frau, Lili Darvas, Hinweise auf die immer schwieriger werdende Lage der europäischen Juden. Diesbezüglich schreibt er anerkennend über die italienischen Be-hörden, die jüdischen Touristen ohne jede Sondergenehmigung einen Jahresaufenthalt gewährten. In diesen Briefen bekennt sich der sonst ziem-lich zurückhaltende Molnár offen zu seinem Judentum und nimmt eine deutliche „Wir-Position“ ein: „[J]etzt kann man nicht wählerisch sein, wenn auch die Schweiz und Frankreich sich so schroff verhält. […] vielleicht kann man zwischen Italien und der Schweiz hin und her pendeln, wenn sie es dort nicht strenger nehmen. Aber heutzutage geht es halt so mit uns zu.“6

„Heute gibt es keine Wahl, man geht dort hin, wo der Fremde hereingelassen und nichts gefragt wird. Und in Italien ist das der Fall.“

– heißt es in einem anderen Brief.7Angesichts der Ungewissheit, kommt zur gleichen Zeit aber schon der Gedanke an eine Emigration in die USA auf, bestärkt durch die Angebote mehrerer Agenten und Firmen aus Hollywood Molnár unter Vertrag zu stellen. Aber ein Jahr vor seinem endgültigen Entschluss, auszuwandern, verwirft er diese Idee noch vehe-ment: „Ich gehe nicht nach Hollywood, solange ich etwas zu essen habe.

Ich versuche eine Niederlassungsgenehmigung in Nizza zu bekommen.“8 Im April 1939 saß Molnár in Nizza dennoch schon mit einem amerika-nischen Visum in der Tasche.

Sowohl die von Flüchtlingen bevorzugten Länder als auch Ungarn erscheinen in Molnárs Darstellungen im Vergleich zu den 20-er Jahren

„Ich bin ein Wanderer, ein Emigrant…“

völlig verändert. Ehemals ruhige, erholsame Orte verwandelten sich in seinen Erinnerungen in wimmelnde Ameisenhaufen, und Ungarn war aufgewühlt durch die täglichen politischen Veränderungen.

Paradigmatisch für die Umwälzungen steht die Erwähnung des auch von Molnár oft besuchten Kurorts Karlsbad. 1938 streicht Molnár die Kurstadt symbolisch von der Liste jener Orte, die für ihn noch existie-ren: „Karlsbad gibt es für mich nicht mehr, ich glaube auch nicht mehr für die Tschechen.“9Die in raschem Nacheinander verfassten Briefe zei-gen eine ungeheure allgemeine Verunsicherung. In den Nachrichten über Freunde und Bekannten häufen sich existenzielle und persönliche Schicksalsschläge. Diese Mini-Berichte führen überdeutlich vor Augen, wie dem Leben die Berechenbarkeit abhanden gekommen ist und dass die Zukunft höchstens auf einen Tag voraus zu planen ist. Sogar die Abstammung von Menschen wird fraglich: Molnár schreibt an seine Frau, dass kraft des ersten Judengesetzes alle seine jüdischen Freunde wie-der zu Christen wurden, alle jene, die „rechtzeitig zu einer anwie-deren Religion konvertiert sind.“10, wobei er anschließend sofort hinzufügt, dass das aber nur der augenblickliche Stand der Dinge sei. Die jüdische Bevölkerung, so Molnár, wanderte entweder aus oder ergab sich ihrem Schicksal.11

In der Flucht vor den Nazis lässt sich eine Analogie zu vielen ande-ren emigrierten Schriftstellern erkennen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie sich immer nur zögernd von der Heimat entfernten, und erst als die Gefahr anwuchs, in das nächste Nachbarland weiterreisten. So erfolgte die Emigration nach Amerika sozusagen Stück für Stück, was auf das Festhalten an der europäischen Kultur, auf das Zugehörigkeitsgefühl zum alten Kontinent zurückzuführen ist. Der radikale Bruch mit der Heimat erfolgte meist erst angesichts der konkreten Lebensgefahr. Auch Molnár reiste zunächst nach Italien, später nach Frankreich. Wanda und er verbrachten insgesamt sieben Jahre in Österreich, Italien, Frankreich und in der Schweiz, sie waren also schon lange vor der prekären politi-schen Situation dauernd unterwegs. Erst in den Aufzeichnungen, die sich in der Autobiografie auf die späten 30er Jahre beziehen, beginnen Molnárs und Wandas „Wanderungen“ einen hektischeren Charakter anzunehmen. Im Vordergrund stehen in diesen kurzen Passagen die bürokratischen Angelegenheiten wie das Gewähren von Aufenthalt-serlaubnis und die Besorgung von Visa. Der gemeinsame Daueraufent-Szilvia Ritz

halt im Ausland wurde dennoch als provisorisch betrachtet. Dafür spricht, dass Molnár und Wanda nie eine Wohnung gemietet hatten, sondern ausschließlich in Hotels wohnten. „’Nach Hause’ – das war für mich das Hotel.“(GiE 251), schreibt Molnár am Ende seines Lebens. Die Emigration nach Amerika brachte in diesem Aspekt keine nennenswerte Veränderung. Als Molnár 1952 starb, bewohnte er seit über einem Jahrzehnt ein Zimmer im Hotel Plaza in New York. In einem Brief an den Freund György Ruttkay schrieb er nach Wandas Tod, er habe sein Hotelzimmer räumen und alle Gebrauchsgegenstände entfernen lassen, die zu Wandas Lebzeiten ins Hotelzimmer kamen. Er wollte sich nur mit dem Nötigsten umgeben, genau wie 15 Jahre lang in Venedig, Nizza, Wien und San Remo, wo er praktisch aus dem Koffer lebte, ohne sich jemals einzurichten.12 Dieser Entschluss macht den Wunsch zur Rückkehr zur Lebensform in den zwanziger Jahren deutlich, die zugleich den Höhepunkt von Molnárs schriftstellerischer Karriere bildeten.

Augenscheinlich verkraftete Molnár die Zeit des Exils und die Wanderjahre davor ziemlich gut. Wie Max Reinhardt oder Stefan Zweig, gehörte auch Ferenc Molnár zur geistigen Elite der österreichischen oder ungarischen Flüchtlinge. Sie hatten schon vor ihrer Emigration Kontakte zu Amerika. Molnár besuchte die Staaten bereits früher, als er dort Verhandlungen über Aufführungsrechte führte. Er war schon vor seiner Ankunft in den USA bekannt und anerkannt. Helmut F. Pfanner sieht den Vorteil einer solchen Anerkanntheit darin, dass Emigranten wie Molnár, Reinhardt oder Zweig nicht der berufliche Abstieg drohte.13 In der Autobiographie geschilderte Gewohnheiten, wie z.B. viele Stunden an europäischen Bahnhöfen damit zu verbringen, den Abfahrenden zuzusehen, lassen jedoch daran zweifeln, dass die Lage tatsächlich so rosig war. Die in diesem Konnex erzählten, scheinbar völlig alltäglichen Geschichten, suggerieren Einsamkeit und Isolation. Immer wieder stehen Flüchtlinge ganz unterschiedlicher Herkunft, sozialer Stellung und poli-tischer Ansicht im Zentrum dieser kleinen Episoden. Seien es arme Osteuropäer oder der im Exil lebende König von Spanien, die durch die Heimatlosigkeit aufs Engste verbunden sind. In diesem breiten Spektrum heimatloser Menschen stellt Molnár sich und Wanda als Wanderer dar, er definiert sich und die Freundin als ein „einsames, schweigendes, wanderndes Paar in Zügen, Hotels, kleinen Schenken und Straßencafés“. (GiE 46) Aus der Analyse des eigenen Verhaltens im Exil

„Ich bin ein Wanderer, ein Emigrant…“

leitet Molnár bestimmte, auch für andere Emigranten typische Handlungsformen ab, die er fortan quasi als Unterscheidungsmerkmal oder Erkennungszeichen betrachtet. Eine Metapher der Heimatlosigkeit ist ein sonderbares Lächeln, das der Schriftsteller an vielen Emigranten beobachtet und auf Grund dessen er eine Schicksalsgemeinschaft kon-struiert: „wir sahen, wie er [der König von Spanien, Sz.R.] sich hinter sei-nem Lächeln in vergeblichem Sinnen, Kummer und Bitterkeit verzehrte – ebenso wie wir, während unsere Blicke gelassen über die Nelkenfelder hinwanderten“ (GiE 88) In Amerika übernimmt der scheinbar auf ein Ziel gerichtete leere Blick die Funktion der Metapher des Lächelns, und macht einsame, traurige Flüchtlinge identifizierbar:

Durch lange Übung ist es mir gelungen, meine Augen und meinen Mund zu beherrschen. Die Menschen in New York ahnen nicht, wie vielen Hunderten solcher Europäer sie täglich in der Menge auf der Fifth Avenue begegnen. Sie alle haben gelernt, nicht zu weinen. Sie alle haben die Fähigkeit entwickelt, ihren Körper ganz getrennt von den Nöten ihrer Seele zu halten. Sie alle sind Männer und Frauen, denen das Liebste, was sie auf der Welt hatten, in gemeiner Weise ermordet wurde. Ihr Leben wurde zer-stört. Selbst sie weinen nicht mehr. Wenn die Bitterkeit sie einmal über-mannt, bleiben sie höchstens stehen und starren eine Auslage an, die kaum einen Blick wert ist. Ich kenne diese Menschen, die so ein Schaufenster betrachten. (GiE 94)

In New York angekommen unterhielten Molnár und Wanda Beziehun-gen zu anderen Emigranten aus ganz Europa, vornehmlich zu Schrift-stellern, Kritikern und Theaterleuten. Unter ihren Bekannten befanden sich unter anderen Friedrich Torberg, Alfred Polgar, Max Reinhardt und Béla Bartók. Nach Wandas Tod zog sich Molnár jedoch endgültig zurück, 1949 schrieb er an den Budapester Freund Adorján Stella, er tref-fe nur wenige Freunde, und mit den übrigen Mitgliedern der „Kolonie“

verkehre er überhaupt nicht, da er sehr zurückgezogen lebe, und auf das Ende warte.14Die zunehmende, auch altersbedingte Depression verstärk-te sich nach dem Verlust der Freundin. In der Autobiografie und in den Briefen aus Molnárs letzten Jahren häufen sich die Erinnerungen an Europa. Seine oft sentimentalen Rückblicke beziehen sich weniger auf sein Heimatland Ungarn, als viel mehr auf Europa. Die Verhältnisse in Szilvia Ritz

Amerika verleiteten ihn immer wieder zum Vergleich mit dem alten Kontinent. Europa wird in der Autobiografie zum Gegenpol von Amerika konstruiert, wobei Letzteres immer das Fremde repräsentiert.

Die kulturelle Fremdheit, verbunden mit den sprachlichen Schwierigkeiten bildet die Grundlage der ablehnenden Haltung des alten Schriftstellers. Europa symbolisiert dabei nicht nur das Vertraute, Bekannte, Heimische, sondern auch die vergangene Jugend, zugleich die Zeit und Stätte beruflicher Erfolge. Trotz vieler Aufführungen, Verfilmungen und Bearbeitungen seiner Werke konnte er in Amerika nichts Originelles mehr hervorbringen. Der bei vielen Emigranten kon-statierte Kreativitätsschwund15setzte auch bei Molnár ein. Die Gründe dafür sind in seinem zur Zeit der Emigration relativ hohen Alter, in den spät erworbenen Sprachkenntnissen, sowie in seiner Verwurzelung in der europäischen Kultur zu suchen. Seine Exiljahre zeigen einige Parallelen zu denen Heinrich Manns, der ebenfalls spät und ohne Englisch-kenntnisse ein neues Leben in Amerika anfangen musste. Trotz einer großen Offenheit fremden Sprachen gegenüber wurde auch Heinrich Mann mit einer Situation konfrontiert, auf die er überhaupt nicht vor-bereitet war. Wie Enderle-Ristori in diesem Zusammenhang ausführt, fehlten dem 70-Jährigen die Voraussetzungen für publizistische Arbeit, die er in Frankreich betrieben hatte.16 Ähnlich erging es anderen Intellektuellen, die einem neuen Leben in Amerika sprachlich nicht

Die kulturelle Fremdheit, verbunden mit den sprachlichen Schwierigkeiten bildet die Grundlage der ablehnenden Haltung des alten Schriftstellers. Europa symbolisiert dabei nicht nur das Vertraute, Bekannte, Heimische, sondern auch die vergangene Jugend, zugleich die Zeit und Stätte beruflicher Erfolge. Trotz vieler Aufführungen, Verfilmungen und Bearbeitungen seiner Werke konnte er in Amerika nichts Originelles mehr hervorbringen. Der bei vielen Emigranten kon-statierte Kreativitätsschwund15setzte auch bei Molnár ein. Die Gründe dafür sind in seinem zur Zeit der Emigration relativ hohen Alter, in den spät erworbenen Sprachkenntnissen, sowie in seiner Verwurzelung in der europäischen Kultur zu suchen. Seine Exiljahre zeigen einige Parallelen zu denen Heinrich Manns, der ebenfalls spät und ohne Englisch-kenntnisse ein neues Leben in Amerika anfangen musste. Trotz einer großen Offenheit fremden Sprachen gegenüber wurde auch Heinrich Mann mit einer Situation konfrontiert, auf die er überhaupt nicht vor-bereitet war. Wie Enderle-Ristori in diesem Zusammenhang ausführt, fehlten dem 70-Jährigen die Voraussetzungen für publizistische Arbeit, die er in Frankreich betrieben hatte.16 Ähnlich erging es anderen Intellektuellen, die einem neuen Leben in Amerika sprachlich nicht