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Europäische Öffentlichkeiten im Web2.0:

Umsetzungspraktiken im Internet

4. Europäische Öffentlichkeiten im Web2.0:

Um nun abschließend zu den internetbasierten Plattformen europäi-scher Öffentlichkeiten vorzustoßen, soll erst einmal mit einer selbstver-ständlich unvollständige Auflistung begonnen werden.20 Zu nennen wären: ArtsandLettersDaily, CafeBabel.com, EurActiv.com, eurocult.org, europa-digital.de, Europaeische-Bewegung.de, europatermine.de, euroto-pics.net, EuroZine.com, GateEurope.net, ngotv.eu, kultur-macht-euro-pa.eu, opendemocracy.net, prospect-magazine.co.uk, SignandSight.com.

Diese Internet-Angebote richten sich mehr oder weniger speziell und exklusiv an Europa-interessierte Leser bzw. Nutzer und gehen damit über die Angebote, die die klassischen Massenmedien im Internet bereitstel-len, hinaus.

Ein Beispiel, das ich hier eingehender vorstellen möchte, ist das Projekt euro|topics, das von der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Perlentaucher Medien GmbH (Berlin) und dem Courrier International (Paris), seit Mai 2008 vom Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung (n-ost) bereitgestellt wird. Dieses Angebot will expressis verbis „zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen“, und es sollen „transeuropäische Diskussionen sowie die Herausbildung neuer Netzwerke des medialen, kulturellen und politi-schen Austauschs gefördert werden.“21 euro|topics besteht im Schwerpunkt aus einer werktäglichen Presseschau, wobei Redakteure und Korrespondenten Zeitungen und Magazine bzw. deren Online-Pendants aus 28 europäischen Staaten sichten und ca. 12-14 Zusammenfassungen der ihnen am wichtigsten erscheinenden Artikel produzieren – wo möglich – mit einem Link zum Original versehen.

Diese Prozedur funktioniert also noch nicht automatisch mit Hilfe von social tagging, ebenso wenig wie die Übersetzung der Zusammenfassungen in Deutsch, Englisch und Französisch, die von professionellen Übersetzern übernommen wird. Portale wie das genann-te euractiv.com verfahren hier progressiver und schalgenann-ten Übersetzungs-programme (Systran) zwischen oder lassen Artikel von freiwillige Laien ihres Netzwerks übersetzen (wobei es dann natürlich zu Qualitätseinbußen kommt). Hinzu kommen wöchentliche Schwerpunktthemen, die ausführlicher recherchiert und z.B. mit Interviews ergänzt werden. Eine Bürgerplattform soll in Kürze folgen.

Frens Stöckel

Eine wichtige Voraussetzung der Verbreitung ist – wie in derlei Angeboten heute üblich – die kostenlose Bereitstellung der Inhalte. Dies wird hier durch einerseits den klassischen Newsletter, andererseits das RSS- oder Atom-Protokoll realisiert, das es dem Rezipienten erlaubt, Inhalte aus unterschiedlichsten Quellen seinen Interessen entsprechend zusammenzustellen. Konkret kann man dann also z.B. aus o.g.

Angeboten nur die Artikel zu kulturpolitischen oder -philosophischen Themen auswählen oder nach Kriterien wie Leserinteresse, Land o.Ä.

zusammenstellen. Diese und ähnliche Angebote verzeichnen seit weni-gen Jahren teils enorme Zuwächse der Nutzerzahlen.22

Man muss heute konstatieren, dass die Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten, eine europäische Res publika in Europa zunimmt, auch wenn sich der regionale oder nationale Euro-Provinzialismus wei-ter hält und halten wird. Das Inwei-ternet scheint in besonderer Weise dazu geeignet, einen gemeinsamen europäischen „Referenzhorizont“23zu eta-blieren, denn es trägt durch die Entstehung neuerer diskursiver Praktiken zu einer ergänzenden europäischen Dimension unserer Identität bei – ein Phänomen, was sich weiter zu beobachten lohnt, aber auch zur Teilnahme animiert.

Anmerkungen

1Magerski, Christine: Literaturwissenschaft als Studium der Formen literarischer Kommunikation. In: Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hg.):

Germanistentreffen, Deutschland – Süd-Ost-Europa, 2.–6.10.2006, Dokumentation der Tagungsbeiträge. Bonn: DAAD, 2006, S. 30. Für eine knap-pe Übersicht über den diesbezüglichen Diskussionsstand vgl. dies., S. 30–34.

2Vgl. beispielsweise die Grenzüberschreitungen des Reporters Theodor Fontane oder im Narrative Journalism eines Truman Capote und seinem nonfiktionalen Roman In Cold Blood. Einige der ersten bzw. bekanntesten Beispiele im Internet wären: URL: http://www.salon.com/ oder URL: http://www.theatlantic.com/. -Ohnehin muss hier auf das fruchtbare Wechselverhältnis zwischen Literatur und Journalismus seit dem 17. Jahrhundert hingewiesen werden, dazu u.a.: Eder, G.:

Literatur und Journalismus: ein komplexes Beziehungsgeflecht. Schnittmengen und Funktionsunterschiede in einer analysierenden Betrachtung. Fachjournalist Nr. 20, 2005, S. 22–25, URL: http://www.dfjv.de/uploads/tx_eleonartikel/167-Zur Entstehung einer europäischen Res publica

eder.pdf (Zugriff: 01.04.2008), die den Grad der Fiktionalität, Aktualität und die Polyfunktionalität der Literatur als Hauptunterscheidungsmerkmale hervorhebt.

Auch der Begriff des Storytelling ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, s. dazu z.B. Salmon, C.: Eine gute Story. Die Macht ist mit dem, der die beste Geschichte erzählt. Le Monde diplomatique (Deutsche Ausgabe), 10.11.2006, URL: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2006/11/10.mondeText.artikel,a0058.idx,22 (Zugriff:

28.04.2008).

3 Habermas, Jürgen – Derrida, Jacques: Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt Europas. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 31. Mai 2003, URL:

http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~ECB E3F8FCE2D049AE808A3C8DBD3B2763~ATpl~Ecommon~Scontent.html (Zugriff: 10.03.2008).

4Kocka, Jürgen: Wege zur politischen Identität Europas. Europäische Öffent-lichkeit und europäische Zivilgesellschaft. Online Akademie der Friedrich Ebert Stiftung, überarbeitete Fassung einer Rede von Jürgen Kocka bei der Tagung

„Europäische Identität“ der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. Juni 2003 in Berlin, URL: http://library.fes.de/pdf-files/akademie/online/50361.pdf (Zugriff:

10.04.2008).

5Hier schließe ich mich der Ansicht von Douglas Kellner an, der Habermas eine inadäquate theoretische Vernachlässigung der Funktion moderner Medien vor-wirft: Kellner, Douglas: Habermas, the Public Sphere, and Democracy: A Critical Intervention. New York: Columbia University, o.J., URL:

http://www.gseis.ucla.edu/faculty/kellner/essays/habermaspublicspheredemocra-cy.pdf (Zugriff: 17.02.2008), v.a. S. 14ff.

6 Luhmann, Niklas: Veränderungen im System gesellschaftlicher Kommunikation und die Massenmedien. In: Ders.: Soziologische Aufklärung 3.

Soziales System, Gesellschaft, Organisation. 2. Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1991, S. 320. Der Begriff Realität wird hier von Luhmann in einem sozi-alkonstruktivistischen Sinne gebraucht.

7Gerhards, Jürgen: Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoreti-scher Bestimmungsversuch. In: Neidhardt, Friedhelm (Hg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1994, S. 87f.

8Kohring, Matthias: Kommunikation, Medien, Öffentlichkeit. Pflichtvorlesung im Modul „Gesellschaft, Öffentlichkeit, Kultur“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Institut für Kommunikationswissenschaft, 2008, URL:

Frens Stöckel

h t t p : / / e g o r a . u n i m u e n s t e r . d e / i f k / p e r s o n e n / b i n d a t a / K o m m M e d -Oeff_Oeffentlichkeit_als_System_14.01.2008.pdf (Zugriff: 01.04.2008), S. 24.

9Gerhards [Anm. 7], S. 97.

10Gerhards, Jürgen. – Neidhardt, Friedhelm: Strukturen und Funktionen moder-ner Öffentlichkeit. In: Stefan Müller-Dohm – Neumann-Braun, Klaus (Hg.):

Öffentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation, Oldenburg: BIS Verlag, 1991, S.

57.

11Steeg, M. van den – Risse, T.: The Emergence of a European Community of Communication: Insights from Empirical Research on the Europeanization of Public Spheres (14.05.2007), URL: web.fu-berlin.de/atasp/texte/030624_europe-anpublicsphere.pdf (Zugriff: 17.02.2008), S. 2.

12Kantner, Cathleen: Kein modernes Babel. Kommunikative Voraussetzungen europäische Öffentlichkeit, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004.

13Yoo, Hyun-Joo: Text, Hypertext, Hypermedia. Ästhetische Möglichkeiten der digitalen Literatur mittels Intertextualität und Intermedialität, Würzburg:

Königshausen & Neumann, 2007, S. 12.

14 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der Beitrag der Kommission in der Zeit der Reflexion und danach: Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion (KOM (2005) 494) endgültig, URL: http://eur-lex.euro-pa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2005:0494:FIN:DE:PDF (Zugriff:

11.03.2008), S. 11: „Das Internet ist ein wichtiges meinungsbildendes Diskussionsforum geworden.“ Als eine marketingtechnisch erwähnenswerte Aktion wäre hier auch die Einrichtung des Kanals EUtube bei Googles Video-Portal YouTube zu nennen.

15 Vgl. Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf der zweiten Stufe.

Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1993.

16Deleuze, Gilles – Guattari, Felix: Rhizome. Paris: Éd. de Minuit, 1976; bzw.

Deleuze, Gilles – Guattari, Felix: Mille Plateaux – Capitalisme et schizophrénie 2. Paris: Éd. de Minuit, 1980.

17 Vgl. Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden:

Westdeutscher Verlag, 1996.

18Hier ist ebenfalls anzuführen, dass der wesentlich leichtere, da technisch vor-aussetzungslosere Zugang zum Internet und seinen Möglichkeiten ein entschei-dendes Merkmal des Web2.0 ist (so haben sich z.B. die Termini Blogosphäre und Bürgerjournalismus herausgebildet).

Zur Entstehung einer europäischen Res publica

19Berger, Peter L. – Berger, Brigitte – Kellner, Hansfried: Das Unbehagen in der Modernität. Frankfurt a.M./New York: Campus, 1987, S. 62.

20 Ähnlich: Bayrischer Rundfunk 2: Nachstudio Kleinformat, Sendung vom 29.01.2008, 20:30 Uhr, Beitrag von Thomas Palzers, URL: http://www.br-onli-ne.de/imperia/md/audio/podcast/import/2008_01/2008_01_29_10_55_16_po dcastnachtstudiokleinformat2_a.mp3 (Zugriff: 20.02.2008).

21 euro|topics, URL: http://www.eurotopics.net/de/eurotopicsinfo/idea.html (Zugriff: 02.04.2008).

22Seit Zählung der Webstatistik von euro|topics im März 2006 stieg die Zahl der unterschiedlichen Besucher bzw. die Anzahl der Besuche von 4.419 / 5.518 auf 18.659 bzw. 26.399 im Dezember 2006; im Dezember 2007 lagen die Zahlen schon bei 42.356 bzw. 58.717; die Zugriffe insgesamt beliefen sich für das Jahr 2007 auf 7.204.631.

23Steeg – Risse [Anm. 11], S. 2.

Frens Stöckel

Beate Petra Kory (Timiºoara)