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Code of Ethics als Reaktion auf zunehmende Verfahrensobstruktion?

Siegfried H. E LSING *

3. Behandlung von obstruktiven Maßnahmen

3.5. Code of Ethics als Reaktion auf zunehmende Verfahrensobstruktion?

Soweit es darum geht, dass es die Parteivertreter sind, die für die Obstruktion des Verfahrens sorgen, wird von verschiedener Seite gefordert, dem mit einer Kodifi zierung ethischer Standards zu begegnen.65 Hierzu hat es auch bereits einige Anläufe gegeben.66

Kürzlich hat beispielsweise die IBA die IBA Guidelines on Party Represen-tation in International Arbitration verabschiedet.67 Hierbei handelt es sich aber, wie der Name schon nahelegt, lediglich um Richtlinien, nicht aber um ein bindendes Regelwerk. Um den ethischen Standards eine bindende Wirkung zu verleihen, wird vorgeschlagen, dass die Schiedsinstitutionen einen Verweis auf

62 LAU: TDM (2) 2010. 1.

63 LAU a.a.O., 2.

64 Siehe dazu SCHERER: In: WOLFF (Hrsg.): New York Convention, Commentary. Art. III Rn. 7.

65 BISHOP: ICCA Congress Series 2010. 383., 387., der einheitliche und bindende Ethikregeln insbesondere für erforderlich hält, um das Vertrauen in die Schiedsgerichtsbarkeit zu erhalten.

Ebenso HORVATH: Austrian Yearbook of International Arbitration 2011. 297., 312.

66 Vgl. zu einigen Beispielen SUSSMAN: The American Review of International Arbitration (ARIA) 2001. 611., 618 f.; HORVATH–WILSKE (Hrsg.) Guerrilla Tactics in International Arbitration. Appendices I-V.

67 Abrufbar unter http://www.ibanet.org/Publications/publications_IBA_guides_and_free_

materials.aspx.

79 diese in ihre Regeln aufnehmen, so dass Parteien die ethischen Verhaltensregeln zusammen mit den Verfahrensregeln vereinbaren.68 Ein solches Regelwerk hätte auch die schwierige Aufgabe, zwischen den widerstreitenden Interessen eine Brücke zu schlagen, nämlich der Integrität des Schiedsverfahrens auf der einen und der berechtigten Wahrnehmung der Interessen und Rechte des Mandanten auf der anderen Seite. Dass eine klare Abgrenzung und Klassifi zierung verschiedener Verhaltensweisen vielfach nicht möglich ist, wurde bereits erörtert (siehe oben II.). Im Übrigen besteht bei verbindlichen Regelwerken für Schiedsverfahren stets die Gefahr, dass dadurch die Flexibilität des Verfahrens eingeschränkt wird, die gerade im internationalen Kontext und der damit verbundenen Verbindung unterschiedlicher Rechtsvorstellungen einen der wesentlichen Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit darstellt.69 Andererseits wird die Flexibilität durch die Handreichung verbindlicher ethischer Standards für Parteivertreter weniger eingeschränkt als etwa durch detaillierte und bindende Vorgaben für die Verfahrensführung und Beweisaufnahme selbst. Auch bei Einhaltung (verbindlicher) ethischer Standards kann das Schiedsverfahren in der diesem eigenen auf den konkreten Fall anpassbaren fl exiblen Art und Weise geführt werden. Freilich müsste es dann auch eine Aufgabe solcher Ethikregeln sein, diese Flexibilität unangetastet zu lassen.

Problematisch für die Kodifi zierung von internationalen Ethikstandards ist auch das bereits angesprochene Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturkreise in internationalen Schiedsverfahren. Dementsprechend gibt es nämlich auch divergierende Auffassungen darüber, was als unethisch anzusehen ist und was (abgesehen von kriminellen Handlungen) eine angemessene und übliche Art der Prozessführung darstellt.70 Als Beispiel sei hier die Vorbereitung und Einwirkung auf Zeugen im Vorfeld der mündlichen Verhandlung genannt, die etwa nach amerikanischen Vorstellungen absolut an der Tagesordnung und üblich ist, andernorts aber nicht oder nur in engeren Grenzen für zulässig gehalten wird.71

Selbst wenn Verfahrensbeteiligte aus verschiedenen Ländern dortige (vielleicht auch kodifizierte) ethische Regeln (beispielsweise von Anwaltskammern) beachten, ist nicht gewährleistet, dass ein gleichermaßen

68 BISHOP: ICCA Congress Series. 2010. 383., 388.; SUSSMAN: The American Review of International Arbitration (ARIA). 2001. 611., 621.; SCHNEIDER: ASA Bulletin 2013. 497., 498. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in dem Fall das Einverständnis der Parteivertreter, als eigentlich von den Regeln Betroffene, von der Parteivereinbarung umfasst sein müsste.

69 BLACKABY–PARTASIDES–REDFERN–HUNTER: Redfern and Hunter on International Arbitration.

Rn. 1.95; BORN: International Commercial Arbitration. 81.

70 SUSSMAN: The American Review of International Arbitration (ARIA) 2001. 611., 617.

71 BISHOP: ICCA Congress Series. 2010. 383.

hoher Standard erreicht wird. Deshalb kann es auch zu einer Ungleichbe-handlung kommen, wenn ein Parteivertreter strengeren Regeln unterworfen ist als sein Gegner.72 Auch diese Unterschiede müssten Ethikregeln, wenn sie international verbindlich sein wollen, zu vereinen versuchen. Außerdem müsste Klarheit dahingehend bestehen, welche Regeln für das konkrete Verfahren (bindend) Anwendung fi nden, da ansonsten eine Vielzahl von Verhaltensregeln im Raum steht, ohne dass den Handelnden eine Orientierung gegeben wird.73

Ein weiteres Problem ist die Durchsetzung der Verhaltensregeln. Denn nur dann, wenn gewährleistet ist, dass ein Verstoß hiergegen Konsequenzen zeitigt, sind solche Vorgaben auch geeignet, obstruktives Verhalten – sofern von den Regeln erfasst – nicht nur zu sanktionieren, sondern in einem vorhergehenden Schritt bereits zu verhindern. Nicht von der Hand zu weisen ist auch die Möglichkeit, dass es gerade bezogen auf Konsequenzen aus Verstößen gegen Verhaltensregeln zu gesonderten Streitigkeiten kommt.74 Dies würde dem Zweck, für ein reibungsloses Verfahren zu sorgen, gerade nicht entsprechen.

Auch „unterhalb“ festgeschriebener ethischer Standards müssen sich die Parteivertreter aber bewusst sein, dass ihr Verhalten jedenfalls von den Schiedsinstitutionen (ganz abgesehen von berufsständischen Organisationen) beobachtet und im Falle einer Veröffentlichung der Entscheidung gegebenenfalls sogar publik wird. Bis zu einem gewissen Grad kann also auch der durch die Berufsgenossen und die beobachtenden Institutionen ausgeübte

„Peer Pressure“ ein Korrektiv darstellen. Dies gilt natürlich insbesondere auch für Schiedsrichter, die sich an „Guerrilla Tactics“ im weitesten Sinne beteiligen. Denn gerade Schiedsrichter, die sich auf Dauer etablieren wollen, sind auf einen tadellosen Ruf angewiesen.

4. Fazit

Das Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit macht das Verfahren auch in besonderem Maße anfällig für Verzögerungstaktiken der Parteien. Es ist schwierig, solchen Taktiken Einhalt zu gebieten, ohne die Attraktivität in Gestalt der besonderen Flexibilität des Verfahrens einzuschränken. Ohnehin sind allen Beteiligten gegenüber kriminellen Handlungen die Hände gebunden, da diesen auch durch

72 BISHOP–STEVENS: ICCA Congress Series. 2013. 473., 483.; ROGERS. In: HORVATH–WILSKE

(Hrsg.): Guerrilla Tactics in International Arbitration. § 5.02, 316.

73 So auch SCHNEIDER: ASA Bulletin. 2013. 497, 498. Konkret bemängelt SCHNEIDER, dass die IBA Guidelines on Party Representation nur ein weiteres unverbindliches Regelwerk darstellen, das, mangels Kompetenz der IBA zur bindenden Festlegung von Verhaltensregeln, entgegen seinem erklärten Zweck nur ein weiteres unter vielen in Betracht kommenden ist.

74 Vgl. SCHNEIDER: ASA Bulletin 2013. 497., 499.

81 Verfahrensregeln und deren strikte Handhabung nicht beizukommen ist. Geht es also um strafbare Handlungen, ist die einzige Bekämpfungsmöglichkeit die Einschaltung der zuständigen Strafverfolgungsbehörden.

Ein Schiedsverfahren kann nur dann effi zient durchgeführt werden, wenn alle Beteiligten ihren Teil dazu beitragen. Auch unterhalb der Schwelle krimineller Handlungen hat das Schiedsgericht nur begrenzte Möglichkeiten, eine Partei, die unter allen Umständen auf eine Behinderung des Verfahrens drängen will, zur Verfahrenstreue zu bewegen. Deswegen muss das Schiedsgericht die in den Regeln vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten auf obstruktives Verhalten zu nutzen verstehen und Verzögerungsversuchen Einhalt gebieten. Das Ziel und auch die dem Schiedsgericht von den Parteien übertragene Aufgabe ist der Erlass eines Schiedsspruchs, der für vollstreckbar erklärt werden kann.

Demgemäß müssen Aufhebungsgründe vermieden werden. Gleichwohl darf das Schiedsgericht mit Blick auf dieses Ziel oder auch aus falsch verstandenem Pfl ichtgefühl gegenüber den Parteien75 nicht davon absehen, den Parteien Anweisungen zu erteilen und Anträge gegebenenfalls abzulehnen.

Die Parteien tun gut daran, mittels Bestellung möglichst erfahrener und versierter Schiedsrichter zur Verfahrenseffizienz beizutragen, die Verzögerungstaktiken zu erkennen und damit umzugehen wissen. In dem von den Parteien gesteckten Rahmen kann das Schiedsgericht durch eine vorausschauende, transparente und im Angesicht von Verzögerungsversuchen möglichst rigorose Verfahrensleitung auf eine effi ziente Durchführung des Schiedsverfahrens hinwirken. Sicher wird auch die Jubilarin in ihrer Schiedsrichtertätigkeit Erfahrungen mit der einen oder anderen Art von den hier behandelten Taktiken von Schiedsparteien gemacht haben und sie wird in gleichermaßen freundlicher und unnachgiebiger Art Mittel gefunden haben, diesen zu begegnen.

Was die Diskussion über ethische Vorgaben für Parteivertreter angeht, ist in Rechnung zu stellen, dass dadurch nur ein Teil des Problems angegriffen werden kann. Denn in vielen Fällen werden es auch die Parteien selbst und nicht die Rechtsanwälte sein, die sich krimineller und obstruktiver Maßnahmen bedienen. Das sollte aber kein Grund sein, die Bemühungen um einheitliche und verbindliche ethische Standards und Verhaltensregeln einzustellen. Denn diese sind, gerade dann, wenn die Ahndung von Verstößen gewährleistet ist, in jedem Fall zur Vorbeugung obstruktiven Verhaltens geeignet.

75 BLACKABY–PARTASIDES–REDFERN–HUNTER: Redfern and Hunter on International Arbitration. Rn. 6.50; CRAIG. In: BÖCKSTIEGEL (Hrsg.): Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren. 9, 24; RIVKIN: Arb. Int’l 2008. 375., 379.

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