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8 Minderheitenpolitik der Regierungen nach 199

8.1 Die Antall – Boross Regierung (1990-1994)

8.1.2 Kritik im Inland

8.2.1.1 Rumänien und die Slowakei

Durch die hohe Anzahl von ungarischen Minderheitenangehörigen in Rumänien (1.620.000) und der Slowakei (567.000), der zumindest latent vorhandenen minder-heitenfeindlichen-nationalistischen Grundeinstellung und der geringen Anzahl von rumänischen und slowakischen Minderheiten in Ungarn, fehlte es an der politischen Reziprozität, was den Abschluss der Grundlagenverträge grundsätzlich erschwerte.662

Da die Sozialistische Partei ihren Wählern bereits in ihrem Wahlprogramm einen Durchbruch in den bilateralen Beziehungen und den Grundsatzverträgen mit Rumänien und der Slowakei versprochen hatte, stand sie nun unter Zugzwang. Noch im Jahre 1994 wurden deswegen die Verhandlungen mit Rumänien wieder aufgenommen. Von Anfang an war klar, dass beide Seiten zum Abschluss kommen wollten. Durch den Verzicht auf Grenzveränderungen, den die ungarische Seite schon vor Verhandlungs-beginn bekannt gab, brachte sie die rumänische Gegenseite in Schwierigkeiten, da sich diese nun kooperativ in der Frage der Minderheiten zeigen musste.663 Da Horn zudem die Beteiligung und das Vetorecht der Minderheitenorganisationen verneinte und auch nicht allen Forderungen der Verbände nachgab, rückte die Aufnahme von europäischen Regelungen in den Vordergrund. Der Einschluss von Minderheitenrechten aus dem europäischen Regelungsrahmen (wie das Kopenhagener KSZE-Dokument) erwies sich für die rumänische Regierung zumeist als unproblematisch. So blieb, neben einigen

660 Genannt wurden: Das Kopenhagener KSZE-Dokument von 1990 und die Empfehlung 1201 der Parla-mentarischen Versammlung des Europarats. Zellner/Dunay (1998), S. 235

661 Zellner/Dunay (1998), S. 235-236

662 Brunner/Küpper (2004), S. 74

663 Ansicht vieler westlichen Politiker Ende 1994, Anfang 1995

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kleinen strittigen Punkten (wie das Recht auf Parteigründung für Minderheiten oder die Rückgabe von Kircheneigentum), nur die Ratifizierung der Empfehlung 1201 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates strittig. Diese enthielt nämlich die Möglichkeit von autonomer Minderheitenverwaltung und Kollektivrechten, womit sich Rumänien nicht einverstanden erklären konnte. Nach Absprache mit dem slowakischen Amtskollegen beschloss der rumänische Ministerpräsident die Artikel 11 und 12 der Empfehlung 1201,664 die sich auf die Autonomie und Kollektivrechte beziehen, in einer Fußnote im Vertrag als rechtlich irrelevant zu erklären. Damit ist Rumänien rechtlich nicht zur Gewährleistung der Territorialautonomie verpflichtet.665 Der wachsende westliche Druck auf beide Seiten und eine Erklärung der Führer mehrerer Minder-heitengruppen der Auslandsungarn und ungarischer Regierungsmitglieder im Sommer 1996 zugunsten von Autonomiebestrebungen, welche scharf vom westlichen Ausland verurteilt wurden, steigerte die Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. Des Weiteren standen Wahlen in Rumänien an und ein Durchbruch in den Verhandlungen wäre als Erfolg der Regierungspartei zu Gute gekommen. So kam es nach langen und schwierigen Beratungen am 16. September 1996 endlich zum Vertragsabschluss des

„Vertrages über gegenseitiges Verständnis, Kooperation und gute Nachbarschaft“ und noch im selben Jahr zur Ratifizierung in beiden Ländern. Allerdings musste Ungarn dafür jede Autonomieforderung aufgeben.666

Im Vertrag wurden die KSZE-Standards (Art. 1) festgehalten und die Empfehlung 1201 (Art. 5), unter Ausschluss der darin enthaltenen kollektiv- und autonomierechtlichen Bestimmungen, gewährt. Einer endgültigen Festschreibung von letzterem steht die Öff-nungsklausel (Art. 15) entgegen, wodurch zukünftige, von den Parteien eingegangene weitergehende Verpflichtungen automatisch in den Vertrag mit einbezogen werden. Die gewährleisteten Minderheitenrechte umfassen allgemeine Maßnahmen zur Identitäts-wahrung, konkrete Sprachregelungen, Namensrecht, zweisprachige Ortsschilder, die Wahrung des kulturellen und historischen Erbes, sowie ein Assimilierungsverbot und das Verbot der minderheitenfeindlichen Änderung von Bevölkerungsverhältnissen. Bei Schwierigkeiten finden die OSZE-Verfahren zur Überprüfung der minderheitlichen

664 Zellner/Dunay (1998), S. 280-297

665 Brunner/Küpper (2004), S. 76

666 Zellner/Dunay (1998), S. 280-297, Auf die langwierigen Schwierigkeiten kann hier nicht genauer ein-gegangen werden. Fakt ist, dass der Beitritt zur NATO und EU einen deutlichen Anreiz für beide Länder lieferte um sich auf einen Grundlagenvertrag zu einigen.

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Vertragserfüllung Anwendung. Die Implementierung des Vertrages wird von gemisch-ten Regierungsausschüssen begleitet.667 Im Vertrag wurden außerdem das Prinzip der territorialen Staatssouveränität (Art. 1-4) und die Verwirklichung der Prinzipien der UN-Charta festgeschrieben.668

Auch mit der Slowakei versuchte Horn die Verhandlungen wieder aufzunehmen, was durch die dortigen Parlamentswahlen jedoch erst wieder im Januar 1995 machbar war.

Innerhalb weniger Monate gelang es den slowakisch-ungarischen Grundlagenvertrag abzuschließen, der am 9. März 1995 unterzeichnet und im Juni von Ungarn, im März 1996 dann von der Slowakei ratifiziert wurde. Von den vier Streitpunkten – die Grenzfrage, die Frage der Aufhebung der Benes-Dekrete, der Streit um das Gabcikovo-Nagymaros-Projekt und die Frage der Minderheitenrechte – kamen zwei nicht in den Vertrag: Das Gabcikovo-Nagymaros-Projekt und die Benes-Dekrete. Bei ersterem waren sich die Vertragspartner einig, bei letzterem weigerte sich die Slowakei hart-näckig. Dies führte zu Debatten im ungarischen Parlament, ob der Vertrag so überhaupt hätte unterzeichnet werden dürfen.669 Die ungarische Regierung rechtfertigte die Aus-klammerung der Benes-Dekrete damit, dass die Regelung dieses Kontextes auch einem viel größeren europäischen Staat, nämlich Deutschland nicht gelungen sei.670

In der Slowakei diskutierte das Parlament ähnlich wie das rumänische über die Empfehlung 1201 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Problematisch waren auch hier die kollektiven Rechte und die Autonomiefrage. Die Slowakei sah in dem Passus „zum Schutz der Rechte der Personen“, die zur Minderheit gehören und

„unter Achtung der individuellen Menschen- und Bürgerrechte“ eine Beschränkung der Autonomieregelung. Da jedoch der Autonomieanspruch als Individualrecht formuliert wird und die positive Diskriminierung zugunsten von nationalen Minderheiten nicht im Widerspruch zu den Menschenrechten steht, greift das hier nicht. Das verabschiedete

667 Tontsch (2004), S. 61-63

668 Voigt, Katrin (2005): Der Schutz nationaler ungarischer Minderheiten durch ihren Ursprungsstaat aufgrund des ungarischen Statusgesetzes und dessen Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht (= Europäische Hochschulschriften Reihe 2, Rechtswissenschaft, Bd. 4260), Frankfurt am Main [u.a.]: Lang, Peter Frankfurt, S. 110-111

669 Zellner/Dunay (1998), S. 332-336, Die Benes-Dekrete machen alle Ungarn und Deutschen für Kriegs-verbrechen im Zweiten Weltkrieg verantwortlich.

670 Hauszmann, Janos (1995): Der slowakisch-ungarische Grundlagenvertrag. Ungarische Außenpolitik im Rahmen des europäischen Stabilisierungsprozesses, in: Osteuropa (9), S. A521-A527, S. A522

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Interpretationsdokument des Parlamentes ist völkerrechtlich irrelevant.671 Damit hat die Slowakei im Gegensatz zu Rumänien die Empfehlung 1201 komplett angenommen. Die einseitige Erklärung des Nationalrates, welcher der Ratifizierung zustimmte, jedoch die kollektiven Rechte, Schaffung von autonomen Strukturen und besonderen Statuten auf ethnischer Grundlage ablehnte, ist ebenfalls nicht rechtlich bindend.672

Im Grundlagenvertrag erklärten beide Parteien, dass der Schutz der nationalen Minder-heiten und der Rechte und FreiMinder-heiten der MinderMinder-heitenangehörigen Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzes sei und in den Rahmen der internationalen Zusammenarbeit falle. Damit stelle der Minderheitenschutz keine innere Angelegenheit der Staaten dar. Die Minderheiten haben ein Recht auf Selbstbestimmung, welches keine negativen Auswirkungen haben darf, sie sind gleichberechtigt vor Gesetz und es besteht ein Diskriminierungsverbot aufgrund nationaler Minderheitenzugehörigkeit.

Angehörige der Minderheiten haben das Recht einzeln oder gemeinsam mit anderen Minderheitenmitgliedern ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität auszudrücken, zu bewahren und zu entwickeln. Jegliche Assimilierung, sowie Bevöl-kerungsänderungen in Minderheitengebieten sind untersagt. Nach Art. 15 haben die Minderheiten das Recht um ihre Identität zu pflegen, eigene Organisationen, Vereini-gungen und politische Parteien, sowie Bildungs-, Kultur- und Religionsinstitutionen zu gründen und zu entwickeln. Auch die politische Partizipation auf lokaler und nationaler Ebene, die Nutzung der Muttersprache sowohl im privaten und öffentlichen Bereich als auch, im Amtsverkehr (Gericht und Behörden), die Nutzung der Vor- und Zunamen und topographischen Bezeichnungen in der Muttersprache, muttersprachliche Bildung und der Zugang zu eigenen Massenmedien ist gesichert. Die gemischte Kommission für den Mechanismus zur Umsetzung des Abkommens wurde durch ein Protokoll im November 1998 (bereits unter der Orbán I Regierung) geschaffen.673 Wichtig ist noch zu betonen, das die gewährten Minderheitenrechte nicht zur Bedrohung der Souveränität und territorialen Einheit der Slowakei und zu Diskriminierung anderer Staatsbürger führen dürfen.674 Jedoch muss auch herausgestrichen werden, dass die gewährten Minder-heitenrechte über den internationalen Regelungsrahmen hinausgehen.675

671 Brunner/Küpper (2004), S. 75-76

672 Hofmann (2005), S. 33-34, Zellner/Dunay (1998), S. 337-339, 341

673 Hofmann (2005), S. 34-35

674 Ebd. (2005), S. 10, 12-14, 23

675 Zellner/Dunay (1998), S. 344

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Die Vertragsabschlüsse mit Rumänien und der Slowakei standen unter hohem politischen und zeitlichen Druck, den insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union (EU) ausübten.676 Zum Abschluss trug auch die kurze Krise 1996 bei, ausgelöst durch das erste ungarisch-ungarische Treffen, an dem die ungarische Regierung, ungarische Parlamentsparteien und die Vertreter der Aus-landsungarn teilnahmen. Die Konferenz war dem Zweck gewidmet die Beziehungen zwischen der Republik Ungarn und den Gemeinschaften der Auslandsungarn zu definieren, politisch-strategische Fragen zu diskutieren und einen gemeinsamen Stand-punkt zu finden.677 Dabei entstand eine Erklärung zugunsten einer positiven Stellung der Regierung zu kollektiven Rechten und Autonomie. Deutschland, die USA und die Nachbarländer reagierten umgehend mit Kritik und warnten vor einem Rückfall in die Politik der Vorgängerregierung. Der Ministerpräsident und sein Außenminister reagierten prompt und beteuerten, dass sich die Minderheitenpolitik der Regierung nicht geändert hätte. Jedoch gerieten sie dadurch auch in Zugzwang, was den Abschluss der Grundlagenverträge und größere Kompromissbereitschaft förderte. Des Weiteren liefen, wie bereits erwähnt, auch Konsultationen zwischen Rumänien und der Slowakei, die sich über den Inhalt und die Vorgehensweise bei den Verhandlungen absprachen und dadurch eine stärkere Position erzielen konnten.678

Die Regierung sah es als besonderen Erfolg an, dass Rumänien und die Slowakei sich am Ende bereit erklärten drei Dokumente über Minderheitenrechte als rechtlich verbindlich anzuerkennen, die bis dahin nur zum Soft Law gehörten: Das Kopenhagener Dokument der OSZE, die Empfehlung 1201 des Europarates und die UN-Minder-heitendeklaration von 1992.679 Die Festschreibung des KSZE/OZE Standards in Minderheitenfragen durch die Verträge stellte die Minderheitenrechte in den drei Ländern auf die gleiche Grundlage. Gleichzeitig wurden jedoch in beiden Verträgen ausdrücklich die Loyalitäts- und Rechtstreuepflichten der Minderheiten (ihrem Wohn-sitzstaat gegenüber) unterstrichen.680

676 Schmidt-Schweizer (2007), S. 301

677 Pesti (2006), S. 318-319

678 Zellner/Dunay (1998), S. 241-242, 282-283, 332

679 Pesti (2006), S. 316

680 Tontsch (2004), S. 61

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Schwachpunkte der Grundlagenverträge sind ihre oft unscharfen Formulierungen, die Raum für Auslegung lassen und ein fehlendes Sanktionssystem. Zwar wird die Um-setzung von gemischten Regierungsausschüssen begleitet, jedoch sieht man am Beispiel der Slowakei wie lange die Einrichtung eines solchen Ausschusses dauern kann zumal die Effektivität derselben auch fraglich ist. Durch die Einbettung der Verträge in den Stabilitäts-Pakt der Europäischen Union für EU-Anwärter, an dem alle drei Länder teilnahmen, könnte die Einbeziehung der OSZE in die Vertragsumsetzung diese Schwierigkeiten eventuell mittelbar ausgleichen.681