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5 Minderheitenrechte in Ungarn und seinen Nachbarstaaten

5.4 Minderheitenrechte in der Ukraine

Die Ukraine gehört mit etwa 25 Prozent Minderheitenanteil zu den Nationalitäten-staaten. Die größte Minderheit ist mit über 15 Prozent die russische, die nur zum kleinen Teil lange dort beheimatet ist. Die Mehrheit ist im Rahmen der sowjetischen Industrialisierung eingewandert. Andere größere Minderheiten – mit bis zu 100.000 Minderheitenangehörigen - wie Ungarn, Rumänen, Polen und Weißrussen sind über-wiegend mit der Eingliederung ihrer Siedlungsgebiete unter die Staatshoheit der Ukraine geraten.430

425 Schwellnus (2009), S. 37-38

426 Hofmann (2005), S. 36-37

427 Pan (2006), S. 26

428 Auer (2009), S. 201

429 Kaiser (2005), S. 55

430 Schmidt, Carmen: Minderheitenschutz im östlichen Europa: Ukraine. Berichte zur rechtlichen Ausge-staltung des Minderheitenschutzes. Forschungsprojekt des Instituts für Ostrecht der Universität zu Köln

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Durch die liberale Nationalitätenpolitik der ukrainischen Regierungen ist das Land, nach dem Zerfall der UdSSR, weitgehend von Minderheitenkonflikten verschont geblieben. Schon kurz nach der Verkündung der Unabhängigkeit 1991 wurden daher Regelungen zum Schutz der nicht ukrainischen Bevölkerung im Land getroffen. Noch im gleichen Jahr wurde die „Deklaration über die Rechte der Nationalitäten in der Ukraine“ verkündet, gefolgt von dem Gesetz über die nationalen Minderheiten in der Ukraine 1992. Letzteres gewährt den Minderheiten das Recht auf freie Entwicklung.

Die verschiedenen Minderheitenschutzbestimmungen wurden schließlich 1996 auch in die Verfassung aufgenommen. In der Verfassung wird der russischen Sprache eine Sonderstellung - im Vergleich zu den anderen Minderheitensprachen - in den Rechts-vorschriften und der Rechtsanwendung eingeräumt, obwohl die ukrainischen Behörden mit Sprachengesetzen vor allem im Bildungsbereich versuchen der ukrainischen Sprache auf Kosten der russischen einen Vorteil zu verschafften.431 Laut der Verfassung (Art. 11) hat der ukrainische Staat für die Entwicklung der ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Eigenarten der alteingesessenen Völker und nationalen Minoritäten zu sorgen. Obwohl die ukrainische Sprache als einzige Amtssprache ist, wird mit Art. 10 Abs. 2 und 3 der Verfassung den Minderheitensprachen besondere Fürsorge gewidmet und eine Pflicht zum Schutz dieser Sprachen postuliert, die damit auch ein positives Handeln des Staates begründet. Die Schutzpflicht erstreckt sich auch auf den Gebrauch der Muttersprache im Schulwesen (Art. 53).432 Im Privaten wird der Sprachgebrauch generell nicht eingeschränkt, die Zulassung einer zweiten Amtssprache auf lokaler oder regionaler Ebene liegt im Ermessen der Gebietskörperschaften und Be-hörden. So wurde in Transkarpatien die ungarische Sprache in Gebieten mit ungarischer Mehrheitsbevölkerung von oben durch Dekret des Präsidentenvertreters abgesegnet.433

Außer diesem etwas vagen Recht im Bildungswesen, enthält die Verfassung nur noch ein allgemeines Diskriminierungsverbot und ein Gleichbehandlungsgebot. Keinen Ver-fassungsrang hat die im Minderheitengesetz erwähnte national-kulturelle Autonomie, jedoch schließt die Verfassung auch nicht die Errichtung von territorialen Gebiets-einheiten unter ethnischen Gesichtspunkten aus. Die mehrheitlich russisch besiedelte

2005b, www.uni-koeln.de/jur-fak/ostrecht/minderheitenschutz/Vortraege/Ukraine/Ukraine_Schmidt.pdf vom 14.07.2014., S. 14

431 Schmidt (2005b), S.11-13

432 Ebd., S. 20

433 Ebd., S. 32

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Krim hatte bis 2014 einen verfassungsrechtlichen Sonderstatut,434 was sich jedoch nach den Unruhen wahrscheinlich ändern wird. Der seit Februar 2014 im Amt befindlichen Regierung wird generell eine Minderheitenfeindlichkeit vorgeworfen, die sich in erster Linie gegen die russische Minderheit richtet, jedoch natürlich auch Auswirkungen auf die restlichen Minderheiten hat.435

Zu einer Minderheit gehört in der Ukraine ein Gruppenangehöriger der als ukrainischer Staatsangehöriger eine nicht-ukrainische Volkszugehörigkeit hat, dessen Gruppe Ge-meinsamkeiten aufweist und ein nationales Selbstbewusstsein zum Ausdruck bringt, jedoch wird die Zugehörigkeit zur Minderheit einzig durch das subjektive Zugehörig-keitsgefühl des Einzelnen bestimmt.436 Die im Minderheitengesetz von 1992 gewährten Rechte sind in erster Linie Individualrechte, die zum untrennbaren Teil der allgemeinen Menschenrechte erklärt wurden (Art. 1 Minderheitengesetz). Einige andere Rechte, die der Nationalität als Gruppe zukommen sollen, reduzieren sich auf eine Gewährungspflicht durch den Staat (Recht der nationalen Selbstbestimmung, Gleichheit der ukrainischen Bürger, Zugang zu öffentlichen Ämtern). Gewährleistet wird des Weiteren das Namensrecht nach nationaler Tradition (Art. 12 Minderheitengesetz, Art.

39 Sprachgesetz), Zusätze in der Sprache der lokalen Bevölkerung bei topographischen Bezeichnungen (Art. 38 Sprachgesetz) und durch das Kulturgesetz die freie Entfaltung der Kultur der nationalen Minderheiten. Das Sprachgesetz von 1989 regelt den Gebrauch der Sprachen im Schulwesen, wobei das Recht auf Erziehung und Bildung in der Nationalsprache als unveräußerliches Recht der ukrainischen Bürger postuliert wird.

Dies ist jedoch nicht auf dem Rechtsweg durchsetzbar. Die Absicherung der Einflussnahme durch die Minoritäten auf die Entscheidungsprozesse ist schwach ausgestaltet, obwohl nach dem Minderheitengesetz (Art.5 Abs. 1) beim ukrainischen Parlament obligatorisch ein Ausschuss für Minderheitenfragen zu bilden ist, und selbiges fakultativ auch bei den örtlichen Volksvertretungen verlangt wird, ist ihre Besetzung mit Minderheitenvertretern nicht gesichert. Bei der ukrainischen Nationalitätenbehörde ist jedoch obligatorisch ein beratendes Gremium aus Minderheitenvertretern zu bilden (Art. 5), wodurch die Einflussnahme auf den

434 Schmidt (2005b), S. 21-24

435 Melnikowa, Xenia: In der Ukraine werden die Rechte der nationalen Minderheiten geschmälert 2014, www.german.ruvr.ru/2014_04_25/In-der-Ukraine-werden-die-Rechte-der-nationalen-Minderheiten-ge schmalert-8536/ vom 17.07.2014.

436 Schmidt (2005b), S. 18

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Willensbildungsprozess der Exekutive auf Staatsebene abgesichert ist. Außerdem ist 1997 durch Gesetz das Amt eines Menschenrechtsbeauftragten, mit Funktionen eines Ombudsmannes ins Leben gerufen worden, der sich jedoch bis 2005 nicht mit speziellen Minderheitenaspekten innerhalb der Menschenrechte befasst hat.437 2011 wurde des Weiteren eine Verordnung des Erziehungsministers erlassen, die den Oberschülern der ungarischen, rumänischen, polnischen und krimtatarischen Minderheit die Möglichkeit gibt, an den philologischen Fakultäten der ukrainischen Hochschulen ihre Aufnahmeprüfung in der Muttersprache abzulegen.438

Bereits 1973 wurde von der Ukraine das IPBRP und beide Fakultativprotokolle des ICESCR ratifiziert, seit 1997 sind die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und das Rahmenübereinkommen zum Schutz der nationalen Minderheiten in Kraft. Nach zwei Anläufen (1999 und 2003)439 wurde schließlich 2006440 die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen endgültig ratifiziert und hinterlegt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Minderheiten in der Ukraine einen Mindestschutz genießen, der vergleichbar ist mit anderen Staaten in der Region. Die Krise des vergangenen Jahres und deren Ausgang wird jedoch auch die zukünftige Politik gegenüber den Minderheiten beeinflussen.