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7 Politische Parteien in Ungarn nach 1989/90

7.1 Rechtes politisches Spektrum

Das Ungarische Demokratische Forum (Magyar Demokrata Fórum, MDF) formierte sich 1989 und war in erster Linie eine Volks- und Nationspartei mit liberalen, konservativ-christlichen und nationalradikal-populistischen Elementen, in deren Mittelpunkt die Nation stand. Diese entwickelte sich zu einer Mitte-Rechts Volkspartei.

Die Parteimitglieder waren gespalten und so gab es innerhalb des MDF einen konservativ gemäßigten, pragmatischen Flügel, repräsentiert von Antall, und einen rechten radikalen Flügel. Nach dem Tode Antalls 1993 zerfiel die Partei zunehmend, teilte sich mehrmals (1993 und 1996), und konnte neben dem erstarkenden Fidesz nur noch die zweite Geige spielen. Den Einzug ins Parlament schaffte das MDF 1998 und 2002 nur durch Kooperation mit dem Fidesz.541 Bei den Wahlen von 2006 lieferte es sich einen erbitterten Kampf mit den Jungdemokraten um die konservativen Wähler und verlor. Das Forum erreichte noch nicht mal drei Prozent der Parlamentsmandate.542 Durch den nicht nachzuvollziehbaren Kurs und das Bündnis mit der SZDSZ 2010 konnte die Partei dann nur noch 2,67 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen, womit sie ihre Parlamentspräsenz verlor.543 2014 trat sie bei den Wahlen nicht mehr an.544

stand für eine langsame Entwicklung im Einverständnis und Kooperation mit den Habsburgern, Kossuth vertrat die eher nationale Seite, die sofort umfassende Rechte für die Ungarn, wie ein unabhängiges Parlament, forderte. Letzteres führte im Grunde zur Revolution 1848. Siehe 3.1

540 Ausführlicher zu der Parteienentwicklung:

Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 169-197, Körösényi, András/Fodor, Gábor G./Dieringer, Jürgen (2010):

»Das politische System Ungarns«, in: Wolfgang Ismayr (Hg.), Die politischen Systeme Osteuropas, Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss, S. 357–417, S. 387-398 und Dieringer (2009), S. 67-156

541 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 390-391, Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 179

542 Dieringer (2006), S. 160

543 Kiszelly, Zoltán (2011): Laboratorium der Politik. Ungarns Parteien und ihre Wähler, in: Osteuropa (12), S. 167–175, S. 169

544 Wahlkommission der Republik Ungarn (Hg.): Ungarische Parlamentswahlen, www.valasztas.hu vom 15.09.2014.: Ungarische Parlamentswahlen 2014

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Der Fidesz (A Fiatal Demokraták Szövetsége / Fidesz-Magyar Polgári Párt, Bund der Jungen Demokraten) fing bereits vor der Wende als radikal-anti-kommunistische Jugendorganisation an, gehörte allerdings eher in das liberale Spektrum. Die junge Partei konnte sich jedoch nicht im neu gewählten Parlament behaupten und drohte vergessen zu werden. Anfangs fand dadurch eine Annäherung an das MDF statt, was ab 1992 durch Wahlüberlegungen umschlug. Ab diesem Zeitpunkt übte der Fidesz Kritik an der Regierung, insbesondere an deren rechtem Flügel und versuchte sich als große liberale Volkspartei zu profilieren.545 Durch interne Veränderungen (Streichung der Altersgrenze) und eine Richtungsänderung von Liberal-Mitte in das rechte Politik-spektrum, zu liberal-konservativ mit christlichen Werten gemischt, konnte die Partei sich 1998 den Wahlsieg sichern. Dabei ging sie eine enge Kooperation mit dem MDF ein und gab die scharfe Abgrenzung gegenüber der radikaleren FKGP auf. Ihr Wahlkampf 1998 trug teilweise rechtspopulistische Züge. Nach der Krise der FKGP (1998-2002) schaffte es der Fidesz, die gesamte Basis der Kleinen Landwirte aufzu-saugen und einen Großteil ihrer Politiker an sich zu binden. Mit dem endgültigen Zerfall der MDF 2006 fielen damit beide rechts-konservativen Konkurrenten weg.

Allerdings war der Fidesz, der nach dem Zerfall der FKGP 2001 eine Minderheiten-regierung bildete, auf die stillschweigende Unterstützung der radikalen Rechten (MIÉP) angewiesen. Während der Regierungszeit 1998-2002 tendierte der Bund immer mehr zu traditionell konservativen Werten, die sich auch in der Betonung von Nationalinteressen zeigten, bis heute bestimmend sind und die Partei zur leitenden politischen Kraft des Mitte-Rechts Lagers machten. Im Wahlkampf 2002 versuchte der Fidesz die soziale Basis der FKGP und MIÉP zu übernehmen, was auch die nationalistische Rhetorik, wie

„Nur wir haben dieser Nation etwas zu sagen“546 und die Übernahme von Begriffen und Redewendungen von rechtspopulistischen und rechtsextremen Politikern deutlich zeigt.

Dies barg unter anderem die Gefahr den Rechtsradikalismus salonfähig zu machen.

Zwar betrachtete der Bund die MIÉP nicht als strategischen Partner, sondern als taktischen Verbündeten, schloss jedoch eine Kooperation oder Koalition im Falle eines Wahlsieges 2002 nicht aus.547 Der Fidesz wechselte erst 1998 seinen Namen in Bund der Jungen Demokraten – Ungarische Bürgerliche Partei (FIDESZ-MPP, Magyar

545 Schmidt-Schweizer (2007), S. 255

546 Ebd., S. 374, Zitat Kövér bei seinem Amtsantritt als Parteivorsitzender bei dem Fidesz

547 Ebd., S. 324, 373-376

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Polgári Párt) und dann 2003 in FIDESZ – Ungarischer Bürgerlicher Bund (FIDESZ – Magyar Polgári Szövetség). Von der Namensänderung versprach sich Orbán nach der Wahlniederlage von 2002 einen Zuwachs an Mitgliedern und Wählerstimmen.548 2006 verlor der Bund jedoch erneut bei den Wahlen knapp gegen die MSZP. Erst bei den Wahlen 2010 erhielt sie 52 Prozent der Stimmen und erreichte damit zusammen mit der KDNP eine Zweidrittelmehrheit im Parlament (67,88 Prozent der Mandate).549 2014 bestätigten die Wahlen das Parteibündnis Fidesz-KDNP mit 66,83 Prozent der Mandate im Amt.550 Die Partei betreibt statt der Privatisierung eine Politik der Renaturalisierung, und ist bereit ihren Mittelstand mit protektionistischen Mitteln zu schützen. Revisio-nistische Vorhaben lehnt sie ab, und hofft, dass sich im Rahmen der EU die ungarische Kulturnation wieder bilden kann.551

Die Unabhängige Partei der Kleinen Landwirte (Független Kisgazdapárt, FKGP) nahm 1990 an der ersten Regierung teil und war von inneren Spannungen und Konflikten geprägt. Die ehemals bürgerliche Partei radikalisierte sich zunehmend. 1992 kam es erst zum Austritt aus der Regierungskoalition und dann ein Jahr später, durch die Loyalität der meisten FKGP-Parlamentsmitglieder zur Regierungskoalition, zur Zersplitterung der Partei. Die Kleinen Landwirte stabilisierten sich nach den Wahlen 1994 mit dem gewohnten Rechtspopulismus und Verbalradikalismus, schafften es als drittstärkste Kraft 1998 ins Parlament und wurden Koalitionsmitglied. Die Partei profitierte dabei auch vom Zerfall der KDNP. In den Regierungsjahren 1998-2002 wurde die FKGP von Fehlentscheidungen, politischem Klüngel, Bestechungs- und Korruptionsskandalen erschüttert, was 2001 zum Ausschluss des Parteivorsitzenden Torgyan und zum Zerfall der letzten historischen Partei Ungarns führte.552 Zentraler Punkt ihres Programms war während der gesamten Zeit die Bodenfrage und die damit zusammenhängende Reprivatisierung.553

548 Hauszmann (2004), S. 277-279

549 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2010

550 Ebd.: Ungarische Parlamentswahlen 2014

551 Dieringer, Jürgen/Tóth, Ákos (2011): Die Europapolitik Ungarns. Historischer Hintergrund und aktu-elle Befindlichkeiten, in: Osteuropa (12), S. 185–198, S. 193-194

552 Schmidt-Schweizer (2007), S. 246-248, 321-323, 371-373

553 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 192

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Die Christlich-Demokratische Volkspartei (Kereszténydemokrata Néppárt, KDNP) nahm ebenfalls an der ersten Regierung unter Antall in Koalition mit dem MDF teil.

Nach 1994 kam die Partei ähnlich wie die FKGP vor ihr in eine tiefe Krise, vollzog einen deutlichen Rechtsruck und rutschte ins politische Abseits ab.554 Sie ist im kultur-ideologischen Sinne radikal und steht rechts von dem Fidesz.555 Seit 2006 ist die KDNP mit der Partei und Fraktion des Fidesz verbunden und hat ihre Eigenständigkeit dadurch verloren.556 Dadurch schaffte sie es jedoch 2006 mit 23, 2010 mit 36 und 2014 mit 16 Mandaten ins Parlament.557

Die Partei der Ungarischen Gerechtigkeit und des Ungarischen Lebens (Magyar Igazság és Élet Pártja, MIÉP) entstand 1993 durch die Spaltung der MDF und gehört dem rechts-radikal politischen Spektrum an. Sie ist die einzige Partei, die offen Grenz-revisionen fordert, den EU-Beitritt,558 Globalisierung, Pluralismus und Demokratie ablehnt und eine Art Ethno-Demokratie herstellen möchte, welche die „fremden“

Parteien und Politiker von der Teilnahme ausschließt.559 Der Erfolg der antisemitischen Ausfälle und Hetztiraden des Vorsitzenden Csurkas führten zu ihrer einzigen Teilnahme am Parlament von 1998-2002. Partiell arbeitete die MIÉP während dieser Periode mit der Regierungskoalition zusammen, unterstütze die in die Minderheitenregierung geratene Fidesz und kritisierte nicht die national-konservative Regierung, sondern die Opposition. Die Wahlkampagne der Partei fiel 2002 noch radikaler aus, was auch zu Aufsehen im Ausland sorgte.560 Seit 2002 schaffte die Partei allerdings die fünf Prozent Hürde für das Parlament nicht mehr und fiel damit aus dem Rennen.561 Sie verlor seit 2003 viele ihrer Wähler an die Jobbik.

Die Bewegung für ein rechtes und besseres Ungarn, kurz Jobbik (Jobbik Magyar-országért Mozgalom) wandelte sich 2003 von einer Jugendgruppe zur Partei. Sie deckt neben, inzwischen anstelle der MIÉP das Radikal-Rechte Spektrum ab, betont den christlichen Aspekt und bezeichnet sich selbst als nationalistisch. Des Weiteren ging aus

554 Schmidt-Schweizer (2007), S. 319-320

555 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 391

556 Kiszelly (2011), S. 168

557 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2006, 2010, 2014

558 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 390

559 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 196-197

560 Schmidt-Schweizer (2007), S. 326-327, 376-377, 393

561 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 196-197, 1998 schaffte die MIÉP den Einzug ins Parlament durch die vier Prozent Hürde, die danach, aufgrund der Teilnahme der Partei, auf fünf Prozent erhöht wurde.

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ihr auch die verfassungswidrige,562 paramilitärische und Roma feindliche Ungarische Garde hervor.563 Bei den Parlamentswahlen 2010 schaffte sie es mit 16,67 Prozent gewählt zu werden, was dem Anteil der MSZP (19,3 Prozent) sehr nahe kam.564 2014 erhielt sie bereits 20 Prozent der Stimmen und lag damit ebenfalls nahe am Ergebnis des linken Wahlbündnisses der MSZP-Együtt-DK-PM-MLP (25 Prozent).565 Unterstützung findet die Jobbik nicht nur bei der älteren Generation, wie es bei der MIÉP der Fall war, sondern zum Großteil bei Jüngeren. Inbesondere Abiturienten, aber auch fast jeder dritte ungarische Student würde ihnen seine Stimme geben.566