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3 Geschichte der Minderheiten in Mitteleuropa

3.1 Zerfall der Habsburgermonarchie (1791-1914)

3.1.3 Rumänien und der Balkan

Durch den Berliner Kongress (1878), der die Balkankrise (1875-1878) abschloss, erlangten Rumänien, Serbien und die Montenegriner die völkerrechtliche Anerkennung der Eigenstaatlichkeit.90 Im Folgenden werden die beiden Nachbarstaaten Ungarns, Rumänien und Serbien eingehender betrachtet.

Im Gebiet Rumäniens bekamen unter den Osmanen die Bojaren die wichtigsten Posten in den beiden Fürstentümern Walachei und Moldau. Alles schien eine Frage des Geldes zu sein und die Vasallen wurden ausgebeutet. Es gab keine Loyalität zwischen den Menschen und die politische Elite in Kontrolle war der Bevölkerung fremd. Besagte Elite kämpfte jedoch später um die Unabhängigkeit und erlangte diese auch.91

87 Swain, Nigel (2006): »The Innocence of Article Eighteen, Paragraph Two, Subsection E.«, in: Osamu Ieda/Balázs Majtényi (Hg.), Beyond sovereignty. From status law to transnational citizenship?, Sapporo, S. 225–241, S. 237-238

88 Borsody, Stephen (1988): »State- and Nation-building in Central Europe: The Origins of the Hungarian Problem«, in: Stephen Borsody (Hg.), The Hungarians. A divided nation, New Haven, S. 3–31, S. 22

89 Polányi (1994), S. 30

90 Hösch (1995), S. 75

91 Schöpflin, George (2000): Nations, identity, power. The new politics of Europe, London: C. Hurst, S. 420-422

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Den Bojaren in den Donaufürstentümern war durch die Konvention von Akkerman 1826 bereits die freie Fürstenwahl zugesichert worden.92 1856 wurde durch den Friedensvertrag von Paris, der die Oberhoheit der Pforte anerkannte, die Voraussetzung der Neuordnung der Fürstentümer geschaffen, welche später in der Pariser Konvention (1858) und in einer Art oktroyierten Verfassung endete. Die Fürstentümer Moldau und Walachei sollten demnach von je einem Fürsten und einer Versammlung regiert werden. In einer sehr freien Auslegung der Vorgaben wurde 1859 Alexandru Ioan Cuza zum Fürst der Walachei und Moldau gewählt, der damit beide Teile vereinte und 1864 die erste Verfassung erließ.93 Zur Vereinigung trug des Weiteren auch der Krimkrieg bei. 1861 entstand dann eine Realunion zwischen dem Fürstentum Rumänien („Altreich“) mit der Hauptstadt Bukarest.94 Der Fürst Cuza wurde 1866 von den Adeligen und mit der Billigung der Großmächte, durch den deutschen Prinzen Carol I.

(Karl I., 1866–1914) ersetzt. Durch die neue, liberale Verfassung von 1866 wandelte sich Rumänien in eine konstitutionelle erbliche Monarchie, in welcher der Inhalt der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die Souveränität und Unteil-barkeit des rumänischen Staates festgeschrieben wurde.95 Im Russisch-Osmanischen Krieg unterstützte Rumänien Russland (1877–1878) und wurde dadurch beim Berliner Kongress (1878) als unabhängiger Staat bestätigt. Gleichzeitig erhielt Rumänien die Dobrudscha gegen die Abtretung des südlichen Bessarabiens an Russland (Art. 43–51 des Berliner Vertrages). Nach der völkerrechtlichen Anerkennung der Unabhängigkeit durch die Pforte wurde 1881 das Neue Königreich Rumänien ausgerufen.96 Durch die politische Elite entstand zu dieser Zeit der Mythos Großrumäniens, der sich auf eine zweitausendjährige dako-rumänische Kontinuität berief.97

In Serbien begann das Streben nach Eigenstaatlichkeit bereits Anfang des 19.

Jahrhunderts. Ein Aufstand von 1804 wandte sich gegen die Bedrohung alter Pflichten und Privilegien, und führte zu der sanften serbischen Revolution mit russischer Rückendeckung (1815), die den Osmanen die Zustimmung für ein erbliches Fürstentum

92 Hösch (1995), S. 76

93 Gabanyi, Anneli U. (2010): »Das politische System Rumäniens«, in: Wolfgang Ismayr (Hg.), Die politischen Systeme Osteuropas, Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss, S. 627–675, S. 627

94 Tontsch, Günther H.: Minderheitenschutz im östlichen Europa: Rumänien. Berichte zur rechtlichen Ausgestaltung des Minderheitenschutzes. Forschungsprojekt des Instituts für Ostrecht der Universität zu Köln. Universität zu Köln 2004, www.uni-koeln.de/jur-fak/ostrecht/minderheitenschutz/Vortraege/

Rumaenien/Rumaenien_Tontsch.pdf vom 14.07.2014., S. 6

95 Gabanyi (2010), 627-628

96 Tontsch (2004), S. 6

97 Hösch (1995), S. 77

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abrang. Danach wurde schrittweise die osmanische Verwaltung durch eine serbische ersetzt. 1867 zogen dann die letzten türkischen Garnisonstruppen ab. Aus der militärischen Führungselite rekrutierte sich eine bodenständige Dynastie, die allerdings ständig im Streit miteinander lag und dadurch die Innenpolitik einer Dauerbelastung aussetzte. Zu dieser Zeit entstand auch der Kosovo-Mythos (Schlacht auf dem Amselfeld), welcher die großserbische Politik nährte.98

3.1.4 Zusammenfassung

Die Entwicklung des Kaiserreichs Österreich und seiner Nationalitäten muss auf die beiden Länder der Doppelmonarchie Österreich und Ungarn, und den Balkan aufgeteilt werden. Gegen die Oberherrschaft Österreichs protestierend, entstand in Ungarn ein starkes Bedürfnis zur Bewahrung der eigenen Nation, der „Natio Hungarica“. Ungarn verhielt sich nach dem Ausgleich 1867 jedoch ähnlich wie Österreich vorher, es betrieb sogar eine noch restriktivere Sprachen- und Minderheitenpolitik. Die politischen, sprachlichen und kulturellen Stimmen der ungarischen Wortführer wurden zum Nährboden der Volks- und Staatsbestrebungen der kleinen Nationen, die sich politisch, kulturell, geistig und sozioökonomisch durch die ungarische Hegemonie überlaufen und bedroht fühlten. Die Ungarn erträumten ein Großungarisches Reich, welches dann Wirklichkeit werden würde, wenn das multinationale Ungarn sich zu einem ungarischen Nationalstaat wandelte. Bis 1919 wurden der territorialen Integrität und politischen Einheit Ungarns, sowie seinem ungarischen Charakter alles andere untergeordnet. Die ungarische Elite ignorierte die Forderungen und missachtete die nationale Individualität der anderen Nationalitäten und war nicht in der Lage Zugeständnisse zu machen. Die individuelle Gleichberechtigung, der Gebrauch der Muttersprache und einige Autonomierechte waren das Mindeste, wozu sich die ungarischen Politiker durchringen konnten. Mit der Zeit war es ein eindeutiger Vorteil sich zum Magyarentum zu bekennen, und so wechselten auf dem Papier 700.000 Juden, 600.000 Deutsche, 200.000 Slowaken und 100.000 Kroaten ihre Nationalität. Je höher der soziale Status, desto eher fand ein Wechsel statt. Dabei konnten sich die rumänischen und ruthenischen

98 Hösch (1995), S. 76, 79, 81-82, Schlacht auf dem Amselfeld (1389): Eine Schlacht zwischen serbischen / bosnischen und osmanischen Truppen.

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Bauerngesellschaften eher vor Assimilation schützen. Gleichzeitig entstanden Auswan-derungswellen nach Übersee, da Slowaken, Ruthenen und Südslawen keine Aufstiegschancen in Ungarn sahen und dem materiellen Elend entkommen wollten.99

Ungarn schadete mit seiner engstirnigen Politik nicht nur sich selbst, sondern der gesamten Doppelmonarchie. Obwohl die meisten Minderheitenpolitiker anfangs noch die „großösterreichische Idee“, einen Bund freier Völker mit Beseitigung der Sonderstellung Ungarns als Lösung betrachteten, was auch bei Thronfolger Franz Ferdinand Unterstützung fand, wendete die Lex Apponyi die Stimmung und sorgte dafür, dass die Nationalitäten keine Wiederherstellung der zentralistischen Einheit der Monarchie mehr akzeptieren wollten. Die Vertreter der Nationalitäten vertraten ab da ein Nationalstaatskonzept. Obwohl die meisten Minderheitenangehörigen treu zur Dynastie und dem Stephansreich standen, wollten sie nicht länger die nationale, politische, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Unterdrückung hinnehmen. Durch den Ersten Weltkrieg trat die Frage der Nationalitäten erst einmal zurück und bis Ende 1917 trugen die Minderheiten mit ihrer Loyalität zum Staatserhalt bei. Erst danach trafen die Forderungen nach dem Umbau von Staat und Gesellschaft bei der ausgehungerten und kriegsmüden Bevölkerung auf offene Ohren.100

Trotz der offensichtlichen Unzulänglichkeiten ist die Minderheitenpolitik des König-reichs Ungarn im Vergleich zu anderen (z.B. Preußen) als erträglich und liberal einzustufen, denn die nationale Unterdrückung ermöglichte den Nationalitäten immer noch einen gewissen Grad an Entwicklung und Rechtssicherheit. Die Assimilierung wurde nicht unbedingt durch Zwang und Willkür erreicht, sondern durch administrative, schulische und gesellschaftspolitische Maßnahmen und die Anziehungskraft der geistig-kulturellen Vorrangstellung und der historisch-politischen Vorstellung einer ungarischen Staatsidee.101 In Österreich gab es offiziell eine sehr liberale Nationalitäten-politik, ausgehend vom Staatsvertrag 1867, jedoch war die Realität eine andere. Die Schwierigkeiten in Böhmen, und die Ignoranz gegenüber den Forderungen führten schließlich auch hier dazu, dass sich die Minderheiten von der Idee des Vielvölker-staates abwandten und die Gründung eigener Staaten bevorzugten.

99 Hoensch (1987), S. 34-36, 38

100 Ebd., S. 38-40

101 Ebd., S. 42

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Der Ausgleich von 1867 stellte für einige Autoren den Anfang der Nationalstaaten, für andere jedoch den Anfang vom Ende dar. Die Entwicklung zum Nationalstaat wird als Fehler betrachtet.102 Es kann jedoch gesagt werden, dass Ungarn und Österreich in diesem Zeitalter der Nationsbildung nicht viel anderes übrig blieb. Nur eine andere Art und Weise der Minderheitenpolitik hätte das Zerbrechen des Vielvölkerstaates aufhalten können. Dafür gab es allerdings in ganz Europa kein Vorbild. In der Doppelmonarchie wurden die Minderheiten häufig besser behandelt als in anderen Monarchien.