• Nem Talált Eredményt

7 Politische Parteien in Ungarn nach 1989/90

7.2 Linkes politisches Spektrum

Die Ungarische Sozialistische Partei (Magyar Szocialista Párt, MSZP) entstand 1989 aus den reformbereiten Pragmatikern der ehemaligen kommunistischen Staatspartei und konnte nur wenige Stimmen bei der ersten Parlamentswahl erringen. Außerdem wurde die Partei in den ersten Jahren von den anderen an den Rand der Politik gedrängt.

Innerparteilich fanden jedoch eine Stabilisierung und die Herausbildung eines klaren politischen Profils statt. Dadurch trat die MSZP aus dem Schatten der anderen Parteien hervor.567 Ihre Popularität stieg soweit, dass sie bereits 1994, und dann 2002 und 2006 die Wahlen gewann. Durch die Lügenrede568 von Gyurcsány (2006) schlitterte die Regierung und die Politik in eine tiefe Vertrauenskrise, wodurch 2008 die Koalition mit der SZDSZ zerbrach. Trotzdem regierte die dadurch entstehende Minderheiten-regierung mit Hilfe der Liberalen und des oppositionellen MDF nicht ohne Erfolg.569 Bei den Wahlen 2010 erhielt die Partei durch die Krise lediglich 15 Prozent der

562 Die Garde wurde 2007 vom Vorsitzenden der Jobbik Gábor Vona gegründet und aufgrund ihrer Rhetorik, die sich primär gegen Roma und andere Minderheiten richtete, 2009 gerichtlich verboten.

Daraufhin reorganisierte sie sich als Neue Ungarische Garde. Diese existiert bis heute.

563 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 395

564 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2010, Die Jobbik erhielt 12%, die MSZP 15% der Parlamentsmandate.

565 Ebd. Ungarische Parlamentswahlen 2014

566 Rudas, Tamás: »A Jobbik törzsszavazóiról«, in Tamás Kolosi / István György Tóth (Hrsg.), Társ-adalmi riport 2010., Budapest: Tarki 2010, S. 512-526, S. 514, www.tarsadalomkutatas.hu/kkk.php?

TPUBL-A-932/publikaciok/tpubl_a_932.pdf vom 20.05.2015, Kottra Kata: »Rechtsruck unter Ungarns Studenten: Jung, gebildet, antisemitisch«, in: Spiegel Online vom 27.03.2013, www.spiegel.de/

unispiegel/studium/jeder-dritte-ungarische-student-wuerde-rechtsextreme-jobbik-waehlen-a-891222.html vom 20.01.2015

567 Schmidt-Schweizer (2007), S. 257-25, Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 181-188

568 Bei einer internen Fraktionssitzung gab Gyurcsány zu, dass die MSZP während der Regierungszeit und im Wahlkampf gelogen habe um die Macht zu erhalten.

569 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 374-375

156

Parlamentsmandate (19,3 Prozent der Stimmen) und 2014 errang sie mit Hilfe des Wahlbündnisses Összefogás / Kormányváltás (MSZP-Együtt-DK-PM-MLP) 19 Prozent der Mandate (25 Prozent der Stimmen, also 29 Mandate).570 Ihre Politik ist nach eigenen Angaben weltoffen, kosmopolitisch, sozial-demokratisch, liberal und verschreibt sich dem Pragmatismus und der Modernität. In der Wirtschaftspolitik vertritt sie liberale, oder neo-liberale Ansätze und begrüßt die Marktöffnung.571 Die MSZP ist gleichzeitig auch immer noch eine Partei der Plattformen und multipolaren Strömungen, wodurch Konflikte zwischen dem Linken und dem Liberalen Lager bestehen. Die Linken stehen für den Wohlfahrtsstaat, wenden sich gegen einen eindeutigen Bruch mit der staatsparteilichen Vergangenheit und lehnen liberale Wirtschaftspolitik ab. Der Liberale Flügel hingegen steht der SZDSZ näher, vertritt eine liberale Wirtschaftspolitik, steht für eine Sozialdemokratisierung und die Erneuerung der Partei.572 Nach 2010 traten einige Veränderungen bei der MSZP ein: die beiden ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány und Gordon Bajnai verließen die Partei und gründeten eigenen Parteien.

Der Bund der Freien Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége, SZDSZ) entstand als demokratische Opposition 1988. Er verurteilte radikal das Kádár-System und wurde 1990 zur größten Oppositionspartei im Parlament. Innerparteiliche Querelen, ob mit der konservativen MDF oder eher dem liberalen Fidesz zusammengearbeitet werden sollte, führten durch den Konkurrenzkampf mit dem Fidesz und der steigenden Popularität der MSZP schließlich zur Zusammenarbeit mit den Sozialisten.573 Die linksliberale Partei mit gemäßigten sozial-demokratischen Elementen und kosmopolitischer Auffassung wurde in ihrer Regierungszeit 1994-1998 und 2002-2008 etwas pragmatischer, und nahm etwas von ihren Menschenrechts- und Minderheitenschutzforderungen zurück.574 Sie trat regelmäßig mit der MSZP in Koalition und verließ diese 2008 frühzeitig,575 als sie die Regierung nicht wesentlich beeinflussen konnte. 2010 schaffte sie es nicht ins Parlament576 und zerfiel.

570 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2014

571 Dieringer/Tóth (2011), S. 193

572 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 394-395

573 Schmidt-Schweizer (2007), S. 252-254

574 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 189-191

575 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 374-375

576 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2010

157

Die Politik kann anders sein577 (Lehet Más a Politika, LMP) ist eine ökologisch-liberale Partei, die erfolgreich die frustrierten Wähler der SZDSZ übernahm, 2009 ent-stand und 2010 (7,44 Prozent der Stimmen) und 2014 (5,3 Prozent) ins Parlament einzog.578 Die Partei beschäftigt sich in erster Linie mit der Qualität der Demokratie, gesellschaftlicher Gerechtigkeit, Umweltschutz und der ökologischen Nachhaltigkeit.579

Die Partei der Demokratischen Koalition580 (Demokratikus Koalíció Pártja, DK) spaltete sich 2011 unter der Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten Gyurcsány von der MSZP ab.581 Die Partei sieht sich als westliche, bürgerliche Mitte-Links Partei.582 An den Parlamentswahlen 2014 nahm die DK als Mitglied des Összefogás teil und erhielt vier Mandate.583 Bei den Wahlen zum Europa Parlament erreichte die Koalition 9,76 der Stimmen und damit zwei Mandate.584

Die Bewegung Gemeinsam 2014585 (Együtt 2014) entstand 2012 und hat den ehemaligen Ministerpräsidenten Bajnai als Vorsitzenden. Sie besteht aus folgenden drei Zivilorganisationen: a.) Verband der Heimat und des Fortschritts (Haza és a Haladás Egyesület), welcher von Bajnai geleitet wurde und pro Jahr etwa zwei fachpolitische Pakete vorbereitete, mit denen Alternativvorschläge zur aktuellen Politik entstehen sollten,586 b.) Eine Million für die Ungarische Pressefreiheit587 (Egymillióan a Magyar Sajtószabadságért Egyesület, Milla), welcher 2010 als Protestbewegung gegen das Mediengesetz gestartet war und c.) Ungarische Solidaritätsbewegung (Magyar Szolidaritás Mozgalom), die seit 2011 besteht. 2013 entwickelte sie sich weiter zur Partei und verbündete sich mit der PM.588 Die Partei Dialog für Ungarn589 (Párbeszéd

577 Lehet Más a Politika, www.lehetmas.hu vom 22.09.2014.

578 Kiszelly (2011), S. 169

579 A Lehet más a politika kezdeményezés alapító nyilatkozata, www.lehetmas.hu/upload/10/10/200812/

Alapito_nyilatkozat.pdf vom 22.09.2014.

580 Index vom 22.10.2011: »Megalakult Gyurcsány pártja«, www.index.hu/belfold/2011/10/22/megala kult_gyurcsany_partja/ vom 22.09.2014.

581 Kiszelly (2011), S. 169

582 inforadio.hu vom 22.10.2011: »Demokratikus Koalíció néven új pártot alapít Gyurcsány Ferenc«, www.inforadio.hu/hir/belfold/hir-463217 vom 22.09.2014.

583 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2014

584 Ebd. Europawahlen 2014

585 Együtt 2014, www.egyutt2014.hu vom 22.09.2014.

586 hvg.hu vom 22.12.2010: »Bejelentés Bajnai alapítványáról«, www.hvg.hu/itthon/20101222_bajnai_

alapitvanya vom 22.09.2014.

587 Index vom 10.12.2010: »Pofabefogással tüntettek a sajtószabadságért«, www.index.hu/kultur/media/

2010/12/20/tuntetes_a_sajtoszabadsagert/ vom 22.09.2014.

588 delmagyar.hu vom 28.06.2013: »Együtt – a Korszakváltók Pártja: bejegyezték Bajnai Gordon pártját«, www.delmagyar.hu/belfold_hirek/egyutt_8211_a_korszakvaltok_partja_bejegyeztek_bajnai_gordon_part

158

Magyarországért, PM) spaltete sich 2013 von der LMP ab, und verbündete sich wie gesagt mit der Együtt 2014 als Együtt 2014-PM. Sie definiert sich selbst als Linke-Grüne Partei.590 Um die zehn Prozenthürde für Listenverbindungen zu umgehen, schloss sie sich im Sommer 2013 mit der Együtt 2014 zur Partei Gemeinsam für den Epochenwandel (Együtt – a Korszakváltók Pártja) zusammen.591 2014 traten die beiden Parteien zusammen dem Parteibündnis Összefogás bei. Bei den Wahlen erreichte die Együtt drei und die PM ein Parlamentsmandat.592 Auch bei den Europawahlen nahmen sie im Bündnis teil und schafften es zusammen mit der Együtt ein Mandat zu bekom-men (7,22 Prozent der Stimbekom-men).593

Die Liberale Partei594 (Magyar Liberális Párt, MLP) des ehemaligen SZDSZ-Politikers Gábor Fodor, entstand im Januar 2014 als liberale Partei, nahm teil am Parteibündnis Összefogás und erreichte ein Mandat.595 Aus finanziellen Gründen mussten die MLP auf die Teilnahme an den Europawahlen verzichten.596

Das Parteibündnis Összefogás (Zusammenschluss) entstand im Januar 2014 aus den Parteien MSZP, Együtt, DK, PM und MLP. Da der Name verwechselt werden konnte, änderte es später den Namen in Kormányváltás (Regierungswechsel). Das Ziel des Bündnisses war, wie der Name schon sagt, der Regierungswechsel. Dies hat jedoch nicht funktioniert. Bündnisvorsitzender und Kandidat für das Amt des Minister-präsidenten war Attila Mesterházy von der MSZP.597 Nach den Wahlen löste sich das Bündnis auf. Von den erreichten 38 Parlamentsmandaten bekam die MSZP 29, die DK vier, die Együtt drei, die PM und MLP jeweils eins.

jat/2339537/ vom 22.09.2014., hvg.hu vom 08.03.2013: »Párttá alakult az Együtt 2014, szövetségre lép a PM-mel«, www.hvg.hu/itthon/20130308_Valasztoi_szovetsegkent_indulhat_az_Egyut vom 22.09.2014.

589 Párbeszéd Magyarországért 2014., www.parbeszedmagyarorszagert.hu vom 22.09.2014.

590 A Párbeszéd Magyarországért kiáltványa, www.parbeszedmagyarorszagert.hu/manifeszto vom 22.09.2014., hvg.hu vom 08.03.2013: »Párttá alakult az Együtt 2014, szövetségre lép a PM-mel«, A Párbeszéd Magyarországért (PM) párt szövetséget kötött az Együtt 2014-el, www.parbeszedmagyaror szagert.hu/hir/parbeszed-magyarorszagert-pm-part-szovetseget-kotott-az-egyutt-2014-el vom 22.09.2014.

591 Spengler, Frank/Bauer, Bence: »Ungarn vor den nationalen Wahlen. Der Start in das Superwahljahr«, in: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. - Länderbericht Ungarn vom 16.01.2014, www.kas.de/wf/doc/kas_

36596-1522-1-30.pdf?140116160414 vom 22.09.2014., S. 2-3

592 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2014

593 Ebd. Europawahlen 2014

594 LiBERÁLiSOK - Magyar Liberális Párt 2014., www.liberalisok.hu vom 22.09.2014.

595 Wahlkommission der Republik Ungarn: Ungarische Parlamentswahlen 2014

596 hvg.hu vom 09.04.2014: »Fodor Gábor pártja nem indul az EP-választáson«, www.hvg.hu/itthon/2014 0409_Fodor_Gabor_partja_nem_indul_az_EPvalasz vom 22.09.2014.

597 Origo vom 06.03.2014: »Kormányváltásra cseréli a nevét a baloldali Összefogás«, www.origo.hu/

itthon/20140306-kormanyvaltasra-csereli-a-nevet-a-baloldali-osszefogas.html vom 22.09.2014.

159 7.3 Wahlverhalten und Wählerbasis

Das Wahlverhalten der ungarischen Bürger ist geprägt von einer schwachen Parteibindung und einem hohen Anteil von Wechselwählern, wodurch auch die Wahlmüdigkeit erklärt werden kann. Die Wähler reagieren auf kurzfristige Faktoren, wie Effektivität der Regierung, politische Persönlichkeiten, Wahlkampagnen und ähnliches. Durch die Abwahl der Regierungen bis 2002 zeigt sich, dass viele Wähler

„negative Wähler“ waren, sich also für das kleinere Übel entschieden. Auch 2006 kann nicht unbedingt von einer Zustimmung der amtierenden und wiedergewählten Regierung Gyurcsány ausgegangen werden, sondern eher von einer Ablehnung des Spitzenkandidaten Orbán.598 Bei der Wahl 2010 wurde die Regierung Gyurcsány eindeutig abgestraft. Bis 2014 konnte die MSZP ihre Glaubwürdigkeit nicht wieder herstellen und so gab es in den Augen der Wähler eventuell keine Alternative zu dem Fidesz. Des Weiteren sehen sich die Wähler auf einer politischen rechts-links Skala in der Mitte, womit die großen Parteien am ehesten diese Gruppe gewinnen müssen. Eine starke rechts-links Präferenz weisen nur etwa 15-20 Prozent der Bürger auf. Bei Umfragen in denen nach verschiedenen Werten gefragt wurde, stellte sich heraus, dass es keine großen Unterschiede zwischen den Wahlgruppen gibt.599

Die ungarischen Bürger können nicht als rationale Wähler bezeichnet werden. Auch verbinden sie häufig keine politischen Fachbereiche oder Ansätze mit einer genauen Partei.600 Die Wählerbasis der Parteien änderte sich in den vergangen Jahren durch die Instabilität der Parteipräferenzen bei jeder Wahl.601 Durch die Versuche der großen Parteien (erst MDF, SZDSZ, dann MSZP und Fidesz) eine breite Wählerschaft auf sich zu vereinen, vermischte sich die Wählerschaft und umfasste unterschiedliche gesellschaftliche Schichten. Nur die kleineren Parteien waren mit einer bestimmten Wählerschicht verbunden. Die größte Veränderung hat der Fidesz hinter sich gebracht, der sich von einer säkularen, städtischen Jugendpartei, zu einer ländlichen, christlichen Partei, ohne Generationsbezug, gewandelt hat.602

598 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 385

599 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 233-237

600 Ebd., S. 218-219

601 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 386

602 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 222-224

160 7.4 Zusammenfassung

Die zwei wichtigsten Konfliktlinien, die Einstellung zum Kommunismus und zur Kirche trennten das Parteiensystem in zwei Lager: Konservative einerseits und Sozialisten und Liberale andererseits. Das liberale Zentrum (SZDSZ und Teile der MDF) verschwand im Laufe der Zeit und der ursprünglich liberale Fidesz bewegte sich nach rechts um das Vakuum, das durch den Zerfall der MDF entstanden war auszufüllen. Zwischen 2002 und 2006 war das Parteiensystem dann von zwei dominanten Parteien, dem Fidesz und der MSZP geprägt, kleinere Parteien verschwanden von der politischen Bildfläche.603

Zusammenfassend kann gesagt werde, dass die MSZP und SZDSZ gesellschafts-politisch international eingestellt sind oder waren, und zu dem Lager der „EUphoriker“

gezählt werden. Der Fidesz ist hingegen national aufgestellt und wird zu den

„Euroskeptikern“ oder „Eurorealisten“ gerechnet.604 Die bereits zu Anfang bestehende starke Rechts-Links-Dichotomie, mit der sich auch die ungarische Bevölkerung identifizierte, verfestigte sich über die Jahre bis heute. Dies führte, bei der Verortung von etwa 50 Prozent der Gesellschaft im Zentrum des politischen Schemas, zu einem Wettbewerb der großen Parteien MSZP und Fidesz um die Stimmen in der Mitte und zu keiner strikten Abgrenzung derselben gegen die radikalen Parteien an den beiden Enden der Links-Rechts-Skala. Die eher machtpolitisch als inhaltlich motivierte Wandlung des Fidesz von liberal nach konservativ-rechts beeinflusste als einzige die Selbstzuordnung der Wähler zwischen 1990-1999605 und verschaffte dem Bund der Jungen Demokraten den jetzigen Stand im Parlament.

Das bürgerlich-konservative Lager war jedoch anfangs ideologisch zu heterogen um von einer Partei allein abgedeckt werden zu können. Die ungarische Rechte nutzte den Euroskeptizismus als wahltaktisches Kalkül und schaffte es durch die Berufung auf die Nation und nationale Themen die Wähler besser zu mobilisieren. Dies ebnete den Weg für Populismus und der Ruf nach einer politischen Identifikations- und Führungsfigur wurde laut. Um ihr Mobilisierungsdefizit auszugleichen muss nun auch die politische

603 Körösényi/Fodor/Dieringer (2010), S. 388-389

604 Dieringer (2009), S. 149

605 Ebd., S. 140-145

161

Linke diesem nationalen Ansatz folgen.606 Die Wende des Fidesz von liberal zu konservative 1993 war langfristig strategischen Erwägungen geschuldet, die eine klare Abgrenzung des Konkurrenten SZDSZ und die Übernahme des Wählerpotenzials der zerfallenen MDF bezwecken sollte. Obwohl der Wandel kurzfristig zu einem starken Popularitätsverlust führte607 war der Bund auf lange Sicht mit dieser Strategie erfolgreich.

Die Veränderung des ungarischen Parteiensystems war bis 2002 von der Dichotomie Antikommunismus-Kommunismus geprägt: anfangs lehnte sowohl die konservative als auch die liberale Seite die MSZP ab, wobei sich diese dann langsam ins linke Spektrum bewegte, während sich gleichzeitig der Fidesz ins konservative Lager begab. Im Endeffekt konzentrierten beide großen Parteien dann die kleineren Parteien 2002 um sich, wodurch die ursprüngliche Trennlinie verschwand und ein Links-Rechts Gefüge übrigblieb (siehe Tabelle 6). Dabei muss gesagt werden, dass dieses 2002608 und 2006 noch frei von radikalen Parteien war. Erst danach verschwanden MDF und SZDSZ aus dem politischen Spektrum und neugegründete Parteien übernahmen ihren Platz. Von diesen Neugründungen sind insbesondere die Jobbik und LMP erfolgreich.

PM DK

Együtt KDNP

MSZP MLP LMP FIDESZ Jobbik

Kulturell-ideologische Linke Kulturell-ideologische Rechte

Tabelle 6: Parlamentsparteien (2014-2018)609

Das Rechts-Links-Spektrum Ungarns kann nicht mit dem der westeuropäischen Staaten verglichen werden. Eine Positionsbestimmung ist schwierig. Die größten Unterschiede der MSZP und des Fidesz liegen in der Rhetorik, wobei sich der Bund anscheinend durch Kontra gegen die EU profilieren möchte.610

606 Dieringer (2006), S. 160

607 Schmidt-Schweizer (2007), S. 257

608 Körösényi/Tóth/Török (2005), S. 147-152

609 Begründung für die Tabelle: FIDESZ-KDNP sind seit 2006 ein Parteibündnis. MSZP, Együtt, DK, PM und MLP traten bei der Wahl 2014 als Wahlbündnis Összefogás an, daher wird von einer kulturell-ideo-logischen Nähe ausgegangen.

610 Dieringer/Tóth (2011), S. 193-194

162