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3 Geschichte der Minderheiten in Mitteleuropa

3.3 Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg (1920-1948)

3.3.2 Friedensverträge und Umsiedlungen

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fand vom 29. Juli bis 15. Oktober 1946 die Pariser Friedenskonferenz145 statt. Diese baute auf die vorhergegangenen Konferen-zen in Teheran, Jalta und Potsdam auf. Teilnehmer waren die Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und auch Frankreich, die über die Friedensbedingungen mit den Kriegsverlierern, unter anderem Italien und Ungarn verhandelten. Unterzeichnet wurden die Verträge am 10. Februar 1947. Sie umfassten Reparationszahlungen, Einführung von Minderheitenrechten und Gebietskorrekturen, gaben den Kriegsverlier-ern ihre volle staatliche Souveränität zurück und ermöglichten ihnen die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Bei den Gebietskorrekturen wurden beide Wiener Schieds-sprüche annulliert, und Ungarn musste auch den Bratislaver Brückenkopf abgeben. Des Weiteren wurden Grenzkorrekturen an der slowakisch-ungarischen und rumänisch-ungarischen Grenze durchgeführt, welche den Bedingungen des Trianon Vertrages von 1919 entsprachen. Rumänien verlor Bessarabien, das Herza-Gebiet und die Nordbuko-wina an die Sowjetunion.146

144 Spannenberger (2002), S. 309-329, 389-401, 412-424, Abkommen über die Aufstellung von Ver-bänden der Waffen-SS in Ungarn 1943, www.herder-institut.de/no_cache/bestaende-digitale-angebote/e-publikationen/dokumente-und-materialien/themenmodule/quelle/396/details.html vom 13.08.2014.

145 Pariser Friedensverträge 1947, www.austlii.edu.au/au/other/dfat/treaties/1948/2.html vom 09.03.2015

146 Diese Gebiete gehören heute zu Moldawien oder der Ukraine.

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Im Potsdamer Abkommen147 von 1945 wurde dann die Aussiedlung der gesamten deutschen Volksgruppe aus Ungarn beschlossen. Für die Bestimmung der Minderheitenzugehörigkeit wurde die Volkszählung von 1941 zu Grunde gelegt, in der sich die Befragten zur deutschen Volkszugehörigkeit oder Muttersprache bekennen konnten. Die Anzahl der Aussiedler wurde von der ungarischen Regierung, trotz des ursprünglichen Wunsches alle 450.000 Deutsche auszusiedeln, begrenzt und so mussten in zwei Wellen 170-180.000 Menschen das Land verlassen. Weitere 50-60.000 wurden evakuiert oder sind geflohen. Durch diese Maßnahme halbierte sich die deutsche Minderheit in Ungarn.148 Da die Westmächte einseitige Aussiedlungen ablehnten, entstand 1946 das ungarisch-tschechoslowakische Abkommen über den Bevölke-rungsaustausch, welches die freiwillige Übersiedlung der Tschechoslowaken in die Tschechoslowakei und die Zwangsaussiedlung der Ungarn nach Ungarn beinhaltete.

Insgesamt wechselten circa 60.000 Slowaken und etwa 76.000 Ungarn, davon ungefähr 7.000 freiwillig, die Staatsangehörigkeit.149 Erschwerend kam für Ungarn ein Flüchtlingsstrom hinzu, der noch vor Kriegsende etwa 250.000 Ungarisch-Sprechende aus Rumänien, Jugoslawien und der Slowakei nach Ungarn trieb. Der geschlossene Friedensvertrag von Paris bürdete Ungarn diesmal keine Verpflichtungen zum Minder-heitenschutz auf, sondern beinhaltete nur die üblichen Diskriminierungsverbote.150 In dem 1947 geschlossenen Friedensvertrag zwischen den Alliierten und Ungarn wurde dann schließlich ein individuelles Diskriminierungsverbot mit aufgenommen.151 Die Verfassung von 1949 statuierte jedoch einen allgemeinen Gleichheitsgrundsatz152 aller in Ungarn lebenden Nationalitäten und gab ihnen die Möglichkeit auf mutter-sprachlichen Unterricht und Pflege ihrer Kultur.153 Die damit verbundenen Rechte konnten und wurden auch genutzt.

147 Potsdamer Abkommen 1945, www.documentarchiv.de/in/1945/potsdamer-abkommen.html vom 09.03.2015

148 Brunner/Küpper (2004), S. 17-18

149 Polányi (1994), S. 38-39

150 Brunner/Küpper (2004), S. 18, 20

151 Friedensvertrag mit Ungarn 1947, www.ungarisches-institut.de/dokumente/pdf/19470210-1.pdf vom 05.08.2014.

152 Dieser Grundsatz galt für alle Staaten der Sowjetunion in ihren Satellitenstaaten. Schmidt, Carmen:

Minderheitenschutz im östlichen Europa: Rußland. Berichte zur rechtlichen Ausgestaltung des Minderheitenschutzes. Forschungsprojekt des Instituts für Ostrecht der Universität zu Köln 2004a, www.uni-koeln.de/jur-fak/ostrecht/minderheitenschutz/ vom 20.11.2012, S. 12

153 Brunner/Küpper (2004), S. 20

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In Österreich wurde 1945 der Unterricht in den Minderheitensprachen Ungarisch, Kroatisch, Slowenisch und Tschechisch eingeführt, der allerdings von der Mehrheit abgelehnt und von der Minderheit ignoriert wurde.154 Konflikte gab es des Weiteren mit Jugoslawien wegen der Grenzziehung, wobei Jugoslawien gerne die slowenischen Grenzgebiete in Kärnten und der Steiermark annektiert hätte. Um ihren Anspruch zu untermauern legten sie dem Ausschuss in London Statistiken von 1846 vor. Nachdem sich jedoch zwischen Jugoslawien und der UdSSR wegen der unterschiedlichen Auffassungen des Kommunismus Zwistigkeiten entwickelten, verlor Jugoslawien die Unterstützung der UdSSR bei seinen Gebietsansprüchen und die Grenzen blieben bestehen wie sie waren.155 1946 wurde als Anhang IV des Pariser Friedensvertrages das Gruber - de Gaspari Abkommen zwischen Österreich und Italien unterzeichnet, welches den österreichischen Minderheiten in Südtirol die Gleichstellung mit den italienischen Bürgern versprach.156

Wie erwähnt wurde zwischen der Tschechoslowakei und Ungarn 1946 das Abkommen über den Austausch der Bevölkerung geschlossen, wovon jedoch nur Slowaken und Ungarn betroffen waren. Durch die Benes Dekrete von 1945 wurde den ungarischen und deutschen Minderheiten der Tschechoslowakei eine Kollektivschuld an den Taten des Deutschen Reiches angerechnet, sie wurden enteignet und verloren ihre Staats-angehörigkeit.157 In Tschechien sank damit die Zahl der deutschen Minderheit von circa drei Millionen auf 160.000 (Volkszählung von 1930 und 1950).158 Die verbleibende ungarische Minderheit war durch den Entzug der Staatsbürgerschaft und die Enteignungen rechtlos und bodenlos geworden, ihre Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, und sie sahen sich mit starker Resozialisierung konfrontiert. Diese Situation hielt von 1945 bis 1948 an, danach entspannte sie sich etwas.159

154 Suppan, Arnold/Heuberger, Valeria (1991): Staaten und Minderheiten im Donauraum (1945-1990), in:

Osthefte (2), S. 41–58, S. 50

155 Stourzh, Gerald (1980): Geschichte des Staatsvertrages, 1945-1955. Österreichs Weg zur Neutralität, Graz: Styria, S. 23, 26, 32, Die weitere Geschichte der Minderheiten in Österreich wird im Kapitel über das Minderheitenrecht behandelt. Auf die Entwicklung der Minderheitenrechte in Südtirol wird hier nicht eingegangen. Eine gute Zusammenfassung findet sich in Barlai, Melanie/Griessler, Christina/Lein, Richard (Hg.) (2013): Südtirol. Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft (= Andràssy Studien zur Europa-forschung, Band 7), Baden-Baden: Nomos

156 Pariser-Vertrag. Gruber - de Gaspari Abkommen 1946, www.landtag-bz.org/download/Pariser-Vertrag _1946.pdf vom 15.08.2014.

157 Hofmann (2005), S. 8

158 Volkszählung in der Tschechoslowakei / Tschechien von 1921-2001, www.czso.cz/csu/2008edicni plan.nsf/engt/24003E05E7/$File/4032080117.pdf vom 25.07.2014.

159 Polányi (1994), S. 37-39

51 3.3.3 Zusammenfassung

Die Pariser Vorortverträge und die dadurch entstandenen neuen Grenzen, die Isolation Ungarns durch die kleine Entente, sowie die Revisionsbestrebungen Ungarns und die Revisionsängste der umliegenden Nachbarstaaten ließen in der Zwischenkriegszeit keine produktiven Beziehungen zwischen den Staaten zu, welche die entstandene Problematik eventuell friedlich gelöst hätten. Dies drängte Ungarn in Richtung des Deutschen Reiches und trug mit zum Zweiten Weltkrieg bei.

Die Magyarisierung der Gesellschaft im ungarischen Königreich hatte nicht nur zu Nationsbewegungen und Gegenbewegungen geführt, sondern bestimmte nach dem Ersten Weltkrieg das Nationsbewusstsein derjenigen Ungarn, die sich nun in einem anderen Staat wieder fanden und deswegen als Gefahr für die neuen Staaten betrachtet wurden. Dadurch wurde die Minderheitenpolitik maßgeblich beeinflusst.

Obwohl der Völkerbund mit seinen Minderheitenregelungen für Schutz der Nationalitäten sorgen wollte, gab es im Europa der Zwischenkriegszeit massive Bestrebungen die Nationalstaaten durch Vertreibungen, Zwangsumsiedlungen und Bevölkerungstransfer homogener zu gestalten, was auch völkerrechtlich akzeptiert wurde. Dies zeigte sich insbesondere bei dem Vertrag von Lausanne (1923) der die Zwangsdeportation nationaler Minderheiten vertraglich sanktionierte. Es ging hierbei um die Vertreibung von Griechen aus Kleinasien und Türken aus Griechenland, welche nachträglich durch ein Umsiedlungsabkommen gebilligt wurde und das Prinzip des Bevölkerungsaustausches als Lösung von Minderheitenproblemen international legiti-mierte. Diese Regelung wurde später dazu genutzt nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 20 Millionen Menschen umzusiedeln, davon etwa 14 Millionen Deutsche.160 Als Ergebnis der Vorkommnisse vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, der völkerrechtlich sanktionierten Aus- und Umsiedlungen wandelte sich nicht nur Ungarn in einen (noch) homogeneren Nationalstaat,161 sondern auch die Tschechoslowakei und zum Teil Rumänien und Jugoslawien.

160 Kroll, Lothar (2005): »Vertreibung und Minderheitenschutz im 20. Jahrhundert«, in: Frank-Lothar Kroll/Matthias Niedobitek (Hg.), Vertreibung und Minderheitenschutz in Europa, Berlin: Duncker

& Humblot, S. 3–11, S. 8, 10

161 Brunner/Küpper (2004), S. 18

52 3.4 Kommunistische Ära (1945-1990)

Der Kommunismus und seine Auswirkungen betrafen bis auf Österreich alle Nachbarländer Ungarns: die damalige Tschechoslowakei (heute die Tschechei und Slowakei), den Völkerverbund Jugoslawien (heute Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und das Kosovo), die Ukraine und Rumänien.