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3   Theoriegeleitete Analyse der Auslaufphase (Beantwortung der Forschungsfrage)

3.1   Die Theorie der Pfadabhängigkeit

3.1.1   Pfadabhängigkeit

Die Ineffektivität des Auslaufmanagements liegt in den historisch gewachsenen Ent-scheidungsstrukturen entlang des Lebenszyklus, dessen Auswirkung auf die Auslauf-phase oft vernachlässigt und nicht berücksichtigt wird. Diese Auswirkung kann mittels der Theorie der Pfadabhängigkeit erfasst und beschrieben werden.

Die Theorie der Pfadabhängigkeit hat ihren Ursprung in den 80er Jahren und gewinnt in der Forschung seit kurzem an Bedeutung für die Erklärung gesellschaftlicher und öko-nomischer Phänomene. Sie bietet die Möglichkeit, ökonomische Allokationen als kom-plexe, dynamische Verfahren mit einer Vielfalt von Mechanismen und Auswirkungen zu betrachten.193 Die grundlegende Fragestellung der Pfadabhängigkeit ist: Wie kommt es dazu, dass sich bestimmte technologische, ökonomische, rechtliche oder politische Lösungen durchsetzen, und wie kann erklärt werden, dass sich einmal entstandene Lö-sungen im zeitlichen Verlauf häufig verhärten und sich hartnäckige Beharrungstenden-zen gegen Versuche ihrer Veränderung entfalten?194

193 Vgl. DAVID (2001), S. 15 ff.; PIERSON (2000), S. 251 ff. und PUFFERT (2000).

194 Die Erklärung und die Grundidee der Pfadabhängigkeit gehen auf die wirtschaftshistorisch angeleg-ten Analysen von Paul David zurück, der mit der Rekonstruktion der Entwicklungsgeschichte der QWERTY-Tastatur auch das prominenteste Beispiel für Pfadabhängigkeit geliefert hat. Die erstmali-ge Entscheidung für die QWERTY-Tastatur (erstmali-gemeint ist die Anordnung der Buchstaben auf der Schreibmaschinen-Tastatur; QWERTY bezieht sich auf die oberste Buchstabenreihe auf der linken

Ausgewählte Hauptaussagen

Als pfadabhängig gelten allgemein Entscheidungsprozesse, die nicht nur ein mögliches Ergebnis, sondern mindestens zwei haben und die sich nicht unabhängig entfalten, son-dern durch bereits getroffene Entscheidungen in der Vergangenheit maßgeblich deter-miniert werden.195 Diese Historizität impliziert, dass ein System aufgrund von zufälli-gen Prozessen der Verganzufälli-genheit einen Pfad eingeschlazufälli-gen hat, den es nur schwerlich wieder verlassen kann, auch wenn sich andere Wege objektiv als vorteilhafter erwei-sen.196

Pfadabhängige Prozesse zeichnen sich durch sogenannten Nicht-Ergodizität197 aus.

Während ergodische Prozesse dadurch gekennzeichnet sind, dass sie nur ein Gleichge-wicht aufweisen, welches unabhängig von der historischen Ereignisfolge erreicht wird, sind bei nichtergodischen Prozessen mehrere Ergebnisse möglich. Das Ergebnis eines Prozesses ist unbestimmt und nicht vorhersagbar. Dabei bestimmen kleine historische Ereignisse, die nicht ausgeglichen und so von der Prozessdynamik nicht vergessen wer-den, welches Gleichgewicht sich letztendlich einstellt.198 Das Ergebnis kann unter Um-ständen nicht dem maximal möglichen Nutzen entsprechen; die Prozesse sind von po-tentieller Ineffizienz gekennzeichnet.199 Für derartige Ineffizienzen ist eine spezifische Bedingung verantwortlich, die Bedingung der increasing returns. Diese ist dann gege-ben, wenn die ansteigende Produktion oder die gestiegene Verbreitung eines Produkts den Nutzen in selbstverstärkender Weise erhöht.200 Dies kann aus verschiedenen Grün-den der Fall sein, z. B. aufgrund von hohen Startkosten bzw. fixen Kosten, die bei grö-ßerer Stückzahl weniger ins Gewicht fallen, aufgrund von Lerneffekten, die zur Verbes-serung eines Produkts oder zur Reduktion der Produktionskosten beitragen können, in-folge von Koordinationseffekten, die sich aus den Kooperationsmöglichkeiten ergeben, wenn verschiedene ökonomische Akteure gleichartige Entscheidungen getroffen haben,

Seite) wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eher zufällig getroffen. Man wollte vor allem eine Buchstabenanordnung, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Verhakung der Typenhebel bei den ersten mechanischen Schreibmaschinen gering war. Heute, mit dem Schreiben am PC sind Typenhe-bel nicht mehr von Bedeutung, dennoch verwenden wir nach wie vor das QWERTY-Design. Vgl.

DAVID (1985), S. 332 ff. und SCHREYÖGG (2008), S. 7.

195 Vgl.DAVID (1985), S. 332 ff. und PIERSON (2000), S. 251 ff.

196 Vgl. ARTHUR (1994), S. 1 ff.

197 Bei einem ergodischen Prozess stimmen die Zeitmittelwerte einer jeden Musterfunktion mit den entsprechenden Scharmittelwerten zu beliebigen Zeitpunkten überein. Vgl. LERNTUTORIAL (2005), S. 4.

198 Vgl. ARTHUR (1994), S. 16 ff., ACKERMANN (2001), S. 9 f. und WETZEL (2005), S. 7.

199 Vgl. ARTHUR (1994), S. 112 und WETZEL (2005), S. 9.

200 Vgl. ARTHUR (1989), S. 125.

oder von adaptiven Erwartungen, die bewirken, dass die zukünftige Nutzung eines Pro-dukts von seiner aktuellen Verbreitung abhängt.201 Wenn der Prozess einmal ein stabiles Gleichgewicht erreicht hat, dann wird er dieses von alleine nicht wieder verlassen, wo-mit der Prozess durch Inflexibilität gekennzeichnet ist.202

Begründet wird Pfadabhängigkeit einerseits in der Regel mit dem Vorliegen positiver Rückkopplungen. Dabei führt eine Zunahme (Abnahme) eines Variablenwertes zu einer Zunahme (Abnahme) eines anderen Variablenwertes.203 Anderseits sind als Ursache für die Selbstverstärkung die folgenden ökonomischen Phänomene von Bedeutung:

− Skaleneffekte (wenn Techniken, die einen hohen Entwicklungsaufwand verur-sacht haben, in großer Stückzahl produziert werden, fällt dieser weniger ins Ge-wicht),

− Sunk-costs,

− Adaptive Erwartungen (wird erwartet, dass eine Technik sich ausbreitet und da-mit verbunden, dass ihr Nutzen steigt, dann steigt die Nachfrage),

− Lerneffekte (Nutzungserfahrungen verbessern den Umgang mit einer Technik und erhöhen so ihre Leistungsfähigkeit),

− Koordinationskosten (mit steigender Ausbreitung einer Technologie wird es zu-nehmender attraktiver, zu ihr komplementäre und kompatible Produkte herzu-stellen, die wiederum bewirken, dass die Technologie noch attraktiver wird),

− Zoll,

− Sitten und Normen,

− Netzwerkexternalität (der Nutzen einer Technik steigt mit dem Grad ihrer Ver-breitung),

201 Vgl. ARTHUR (1994), S. 112 f. und BEYER (2006), S. 15.

202 Vgl. ACKERMANN (2001), S. 20.

203 Dieser Zusammenhang wird mit dem sogenannten Standard-Polya-Prozess modelliert. In einem Ge-fäß befinden sich zwei oder mehrere verschieden farbige Kugeln, die jeweils blind aus dem GeGe-fäß gezogen werden. Je Farbe ist anfangs jeweils eine Kugel im Gefäß. Von den gezogenen Farben wer-den eine (oder mehrere) zusätzliche Kugeln neben der ursprünglichen Kugel in das Gefäß gelegt (der Increasing-Returns-Effekt), sodass sich die Farbzusammensetzung in dem Gefäß mit jedem Zug än-dert. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis sich eine nahezu stabile Farbverteilung herauskristal-lisiert. Diese kann vorab nicht bestimmt werden, da sie von dem zufälligen Ausgang der Züge ab-hängt. Die früheren Entnahmen aus dem Gefäß haben aber auf jeden Fall eine größeren Einfluss auf die letztliche Zusammensetzung, sie wirken daher pfadprägend. Vgl. BEYER (2006), S. 15 f. Für die Beschreibung dieses Modells siehe auch ACKERMANN (2001), S. 11 f. und WETZEL (2005).

− Interdependenz (je stärker technische Komponenten und technische Kompeten-zen aufeinander bezogen sind, desto fester etabliert sich eine Technologie).204 Es werden drei Arten von Pfadabhängigkeit unterschieden. Unter Pfadabhängigkeit ersten Grades werden Fälle verstanden, wenn zwar kleine Ereignisse großen Einfluss auf den Prozess haben können, aber keine Ineffizienz impliziert ist.205 Bei Pfadabhän-gigkeit zweiten Grades führt das Festhalten an vorherigen Bedingungen zu einem be-dauerlichen und kostspieligen Ergebnis. Der Pfadabhängigkeit zweiten Grades ähnlich verhält sich die Pfadabhängigkeit dritten Grades. In diesem Fall führt die Hartnäckig-keit zu einem ineffizienten Ergebnis – aber in diesem Fall ist das Ergebnis „beheb-bar“.206

Modelle der Pfadabhängigkeit

Für die Darstellung von pfadabhängigen Prozessen werden verschiedene Modelle ver-wendet.207 Das in Abbildung 3-1 gezeigte Modell unterteilt den Prozess der Pfadabhän-gigkeit in vier Phasen.

Entscheidungsselektivität Phase positiver Rückkoppelungen

Pfadab-hängigkeit Pfadabbrechung

+

+ Critical Juncture

Variationsbreite (Handlungsspielraum)

Lock-in De-locking t

Phase I Phase II Phase III Phase IV

Abbildung 3-1: Pfadentstehung und Pfadabbrechung (Quelle: SCHREYÖGG/SYDOW/KOCH (2003), S. 275)

Die Phase I der Entscheidungsselektivität einer Pfadentstehung ist durch einen unge-richteten Suchprozess gekennzeichnet. Die gesamte Brandbreite der Möglichkeiten könnte hier realisiert werden. In dieser Phase existieren keinerlei Pfade. Der Zeitpunkt

204 Siehe auch ARTHUR (1989), ARTHUR (1990) und WERLE (2007).

205 Vgl. ACKERMANN (2001), S. 34.

206 Vgl. LEIBOWITZ/MARGOLIS (2000), S. 985.

207 Am häufigsten werden z. B. die Verallgemeinerung des Standard-Polya-Prozesses, das sogenannte Urnenmodell von ARTHUR/ERMOLIEV/KANIOVSKI (1994) und das Snow-shovelin-Problem von D A-VID/FORAY (1994)verwendet. Für die Beschreibung dieser Modelle siehe auch ACKERMANN (2001), S. 11 f. WETZEL (2005) und MAHMOUD (2008).

des Eintritts in die Phase positiver Rückkopplungen wird durch ein kritisches Ereignis hervorgerufen, das auch als kritische Gabelung bezeichnet wird und dessen Eintritt nicht antizipierbar ist. Das kritische Ereignis löst zum ersten Mal eine positive Rückkopp-lungswirkung aus. Es kann den Beginn einer Pfadausbildung darstellen, alternative Möglichkeiten werden jedoch noch von den Akteuren in das Entscheidungskalkül mit-einbezogen.208

Während der Entwicklungsprozess in Phase II noch Alternativen zulässt, ist Phase III, die Phase der Pfadabhängigkeit, von vollständiger Pfadabhängigkeit gekennzeichnet. Es ist ein sogenannter Verriegelung-Zustand (Lock-in) eingetreten, in dem Alternativen nur noch als rein hypothetisch wahrgenommen werden und der Pfad durch bloßen Rückbe-zug auf das kritische Ereignis stabilisiert wird.209 Wird der Pfad allein durch das ihm eigene Momentum getragen, sprechen wir von Pfadpersistenz oder Pfadbeharrlichkeit.

Akteure können aber auch versuchen, einen Pfad gegenüber anderen Alternativen aktiv zu unterstützen, ihn aktiv weiterzuentwickeln. Im Falle einer solchen Pfadextension tragen die Akteure Sorge, dass Momentum und Lock-in aufrechterhalten bleiben und sich verfestigen.210

Neben Entstehung und Fortsetzung kann es auch zum Beenden eines Pfades kommen.

Wenn der Beendigung gezielte Handlungen von Akteuren, also bewusste Abweichun-gen zugrunde lieAbweichun-gen, dann sprechen wir von Pfadabbruch. Sind die Ursachen emerAbweichun-gente Prozesse, sprechen wir von der Auflösung eines Pfades.211 Je nach Begründung der Pfadabhängigkeit bzw. je nach zugrunde liegenden Stabilisierungsmechanismen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten einer Pfadabbrechung, wie sie in Tabelle 3-1 zusam-mengefasst sind.

208 Vgl. SCHREYÖGG/SYDOW/KOCH (2003), S. 261.

209 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 362.

210 Vgl. MEYER/SCHUBERT (2005).

211 Vgl. MEYER/SCHUBERT (2005).

Mechanismus Logik der

Kontinuitätssicherung

Möglichkeiten der Pfadabbrechung

Increasing Returns Selbstverstärkung Ausbildung adaptiver Erwartungen gegenüber Etabliertem; geänderte

Komplementarität Interaktionseffekt „Domino-Effekt“ bei dennoch eingetretenen partiellen Änderungen;

Auflösung der Komplementarität aufgrund von intervenierenden Faktoren; Relevanzverlust des Komplementaritätseffekts Macht Machtsicherung, Vetomacht Bildung von Gegenmacht;

Unterwanderung bzw. „conversion“; auf

Tabelle 3-1: Übersicht über die Möglichkeiten der Pfadabbrechung (Quelle: Mit geringfügiger Änderung BEYER (2006), S. 36)