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3   Theoriegeleitete Analyse der Auslaufphase (Beantwortung der Forschungsfrage)

3.1   Die Theorie der Pfadabhängigkeit

3.1.2   Anwendungsfelder der Theorie der Pfadabhängigkeit

Pfadabhängige Diffusionsprozesse wurden zunächst für Technologien aufgezeigt, die sozialwissenschaftliche Adaption und Erweiterung des Konzeptes der Pfadabhängigkeit ließ aber nicht lange auf sich warten. Für die Politikwissenschaft und Soziologie stellen vergangenheitsbedingte Phänomene wie individuelle und organisatorische Handlungs-routinen, bürokratisches Beharrungsvermögen oder institutionelle Trägheit durchaus geläufige und vielfältig analysierte Erscheinungen dar.212

Pfadabhängigkeit bei Technologien

Die Theorie der Pfadabhängigkeit erklärt das Vorliegen von Inflexibilität in evolutori-schen Prozessen mit positiver Rückkopplungen. Diese positiven Rückkopplungen kommen durch statische und dynamische Skalenerträge, direkte Netzexternalitäten, Komplementarität bei Bestandteilen eines technologischen Systems und durch kollekti-ve Lernprozesse zustande.213

Während statische Skalenerträge darin bestehen, dass bei Erhöhung der Produktions-menge eine Bewegung entlang einer gegebenen Durchschnittskostenkurve stattfindet, können dynamische Skalenerträge als Verschiebung der Durchschnittskostenkurve oder als Lernkurveneffekte aufgefasst werden, die dadurch zustande kommt, dass mit zu-nehmender Produktionsmenge Möglichkeiten gefunden werden, Produktionsabläufe zu verbessern und Kosten einzusparen.214

Bei Netzexternalitäten kommt die positive Rückkopplung zwischen Nutzen und Nach-frage dadurch zustande, dass die Zahl der Anwender aufgrund der Eigenart der betref-fenden Technologie unmittelbar nutzenrelevant ist.215

Unter Komplementarität bei Bestandteilen eines technologischen Systems wird der Sys-temcharakter von Technologien verstanden: Die Technologie wird als ein Bündel von Gütern und Leistungen betrachtet, deren Nutzen aus ihrem Zusammenwirken er-wächst.216

212 Vgl. WERLE (2007), S. 120 ff.

213 Die Quellen positiver Rückkopplungen sind bei verschiedenen Autoren unterschiedlich, uneinheitlich und nur teilweise überlappend. Siehe ACKERMANN (2001), S. 57 f.

214 Vgl. ACKERMANN (2001), S. 59.

215 Z. B. das Besitzen eines Telefons bringt nur dann Nutzen, wenn auch andere Menschen es besitzen und nutzen. Vgl. ACKERMANN (2001), S. 62.

216 Z. B. die Pfadabhängigkeit der QWERTY-Tastatur. Die Anzahl der QWERTY-Anwender wurde für den Einzelnen erst dadurch nutzenrelevant, dass sich ein System von komplementären Leistungen um die Schreibmaschine herum bildete. Siehe auch DAVID (1985). Vgl. ACKERMANN (2001), S. 65 f.

Eine positive Rückkopplung kann auch dann entstehen, wenn die stärkere Verbreitung einer Technologie in der Gesellschaft zu einer systematisch höheren Einschätzung ihres Nutzens führt. Technologische Pfade werden durch kollektive Lernprozesse geprägt:

Technologien erhalten ihren „Nutzen“ erst in einem gesellschaftlichen Kontext.217 Pfadabhängigkeit von Institutionen und Unternehmen

Im Wesentlichen bestimmen zwei Faktoren den Verlauf des institutionellen Wandels.

Dies sind zunehmende Erträge und die an ihren signifikanten Transaktionskosten er-kennbaren unvollkommenen Märkte. Beim Vorliegen zunehmender Erträge kommt es zu hohen Gründungskosten, wenn Institutionen völlig neu geschaffen werden. Lernef-fekte bewirken eine Entwicklung der Organisationen, die es diesen gestattet, die institu-tionell vorgegebenen Möglichkeiten zu ihrem Vorteil zu gebrauchen, was jedoch nicht unbedingt zu einer höheren Effizienz führen muss. Weiterhin werden sich mittelbare oder unmittelbare Koordinationseffekte einstellen. Schließlich kommt es zur Anpassung von Erwartungen. Die Unsicherheit über den Fortbestand der Regel wird durch deren häufige Anwendung vermindert.218

Aufgrund der Komplexität von Systemen erscheint es nicht sinnvoll, ein gesamtes Sys-tem als pfadabhängig zu erklären. Vielmehr dient die Theorie der Pfadabhängigkeit der genaueren Analyse einzelner Systemelemente oder Teilprozesse.219 Der Prozess der Pfadabhängigkeit lässt sich in Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen und in unter-schiedlichen Formen finden. Dabei lassen sich fünf Kernbereiche erkennen: Routinen, organisatorisches Lernen, Kompetenzen, Praktiken und Investitionen.220

Institutionelle oder strukturelle Trägheitsmomente resultieren aus der Entlastungs- und Stabilisierungsfunktion organisationaler Routinen. Damit weisen organisationale Routi-nen eiRouti-nen durchaus widersprüchlichen Charakter auf: Es könRouti-nen gerade die Faktoren, die durch ihre unternehmensspezifische Determinierung zur Quelle des nachhaltigen Wettbewerbsvorteils eines Unternehmens werden, das Gegenteil bewirken. Einerseits ermöglichen organisationale Routinen eine umfassende Wertschöpfung, anderseits ent-lasten sie die Organisationsmitglieder. Damit haben diese mehr Kapazität für die Ent-wicklung neuer Suchheuristiken zur Lösung unstrukturierter Problemstellungen. Der Erfolg, den Unternehmen durch ihre organisationalen Routinen aus ihrem Ressourcen-

217 Vgl. ACKERMANN (2001), S. 69.

218 Vgl. NORTH (1992), S. 133 und WETZEL (2005), S. 12.

219 Vgl. ACKERMANN (2001), S. 171 ff.

220 Vgl. SCHREYÖGG (2008).

und Kompetenzbündel realisieren, lässt die Organisationsmitglieder jedoch zu lange an bestehenden, in der Vergangenheit erfolgreich funktionierenden Routinen festhalten.

Dadurch besteht die Gefahr, einen Status quo zu zementieren, der zur sogenannten Er-folgsfalle werden kann.221 Aus erfolgspotentialgenerierenden organisationalen Kompe-tenzen und Routinen werden leicht sogenannte Kernrigiditäten.222 Die Kernrigiditäten kennzeichnen die Gefahr innovationshinderlicher Auswirkungen von Kernkompetenzen und organisationalen Routinen. Sie können dann sogar wertvernichtend sein. Zur Etab-lierung funktionsfähiger organisationaler Routinen gehen Unternehmen langfristige,

„quasi-irreversible commitments“ in Form von Opportunitätskosten ein. Diese begren-zen den unternehmerischen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Die Folge könnte sein, dass ein Unternehmen einer raschen Veränderung der Marktsituation nur sehr träge begegnet, da es nicht in der Lage ist, eine entsprechende Lösung oder innovative Idee zu realisieren.223

Individuen entwickeln im Laufe ihrer Entwicklung kognitive Muster, welche die Wahr-nehmung und Interpretation von Situationen beeinflussen. Diese kognitiven Muster sind verantwortlich für den Prozess der individuellen sowie der kollektiven Wirklichkeits-konstruktion. So wie Individuen kognitive Muster besitzen, entwickeln Organisationen über interaktive Prozesse, sogenanntes organisatorisches Lernen, kognitive Wissens-strukturen. Wissen ist jedoch nichts Beständiges; einmal erworben, stellt es keine Res-source dar, auf die jederzeit unbegrenzt zurückgegriffen werden kann. Wissen kann immer nur zeitlich begrenzt zur Lösung von Problemen genutzt werden; es veraltet schnell und wird nutzlos.224 Unternehmen neigen dazu, ihre Lernprozesse im Laufe der Zeit zu standardisieren. Unterscheidet man grob zwischen einem explorativen, auf das Neue und Ungewöhnliche ausgerichteten Lernen und dem exploitativen, der Verfeine-rung des Bestehenden dienenden Lernen225, so zeigt sich immer wieder, dass Unter-nehmen im Laufe eines Prozesses dazu neigen, durch positive Rückkopplung gestützt immer mehr das exploitative Lernen zu bevorzugen und das explorative Lernen immer mehr zu vernachlässigen.226

221 Vgl. LEVITT/MARCH (1988).

222 Vgl. LEONARD-BARTON (1992).

223 Vgl. FROST (2005), S. 150.

224 Vgl. PROBST/BÜCHEL (1998), S. 26.

225 Vgl. MARCH (1991).

226 Vgl. SCHREYÖGG (2008).

Die Bedeutung einer Kompetenz, sei es eine Ressource oder eine spezielle Fähigkeit, resultiert daraus, dass sie auf der Ebene eines Geschäftsfeldes zu Wettbewerbsvorteilen führt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Kompetenzen wertvoll und schwierig zu imitieren sind.227 Gerade dann besteht die Gefahr, dass es zu einem unbemerkten Lock-in kommt, was dazu führt, dass das Geschäftsfeld trotz eventueller technologischer Entwicklungen einfach weitergeführt wird.

Erfolgspraktiken werden in einem Unternehmen gerne aufgegriffen und dadurch er-reichte Erfolge und Prozesse verfestigt. Das gleiche Phänomen ist auch bei der Interak-tion und dem Austausch zwischen mehreren Unternehmen auffindbar: Im Rahmen von Benchmarking, „Lernen von den Besten“ werden die Erfolgspraktiken weitergegeben.

Unbemerkt kann ein Lock-in-Effekt eintreten. Die Pfadabhängigkeit wird erst in dem Moment bemerkt, in dem gewandelte Verhältnisse andere Verhaltensmuster und Takti-ken erfordern, das Unternehmen aber wie hypnotisiert an den alten festhält.228

Pfadabhängigkeit kann nicht nur durch steigernde Skaleneinträge, sondern auch durch die Lebensdauer und Quasi-Irreversibilität von Investitionen in Sach- und Humankapital verursacht werden.229 Die Festlegung von Ressourcen in Form von Investitionen bringt häufig den Sunk-Cost-Effekt mit sich. Sind Investitionen getätigt, soll eine Entwertung der Ressourcen vermieden werden bzw. die getätigten Investitionen sollen sich als rich-tig erweisen, also werden in der Folge die vergangenen Investitionen als Bindung (commitment) begriffen. Sich abzeichnende Misserfolge werden in der Tendenz nicht zum Anlass genommen, das Investitionsvorhaben in Frage zu stellen, sondern sie stär-ken das Bestreben, durch erneute Investitionen in diesen Bereich einen Erfolg zu er-möglichen und die Richtigkeit des Vorhabens zu belegen. Nicht jede Investition löst allerdings eine Pfadabhängigkeit aus. Zwar führt jede Investition zu einer gewissen Ressourcen-Abhängigkeit, weil sie ein Unternehmen an die in der Vergangenheit ge-troffenen Entscheidungen bindet und ja auch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Von Pfadabhängigkeit wird erst dann gesprochen, wenn diese Bindung zu einer

227 Vgl. HUNGENBERG (2004), S. 407.

228 Vgl. SCHREYÖGG (2008).

229 DAVID (1971) versucht zu erklären, warum die in den USA weitverbreitete mechanische Erntema-schine in Großbritannien nicht verwendet wurde. Nach seinen Argumenten sind die Praktiken des Pflügens gut an das Handernten angepasst. Die Ackerfurchen sind nach vielen Jahrhunderten des Pflügens sehr tief. Die Erntemaschinen würden nur den oberen Teil des Getreides abschneiden – den restlichen Teil müsste man wegwerfen oder per Hand pflügen. Deswegen lohnt es sich nicht, die Ern-temaschine zu einführen, es würde hohe Kapitalkosten verursachen. Die Landwirte in den USA, die die Arbeiten an unberührtem Boden beginnen, haben demnach nicht so hohe Kapitalkosten. Siehe auch ARROW (2003), S. 23 ff.

häufigen Wiederholung ähnlicher Investitionen führt, obwohl die Erfolgsaussichten nicht mehr hoch sind.230

Verwandte Gebiete: Die Theorie der Pfadkreation

Bei der Pfadabhängigkeit können Ereignisse, die Pfade in Bewegung setzen, nur ex post identifiziert werden.231 Während bei der Pfadabhängigkeit die unintendierte Verkettung von Ereignissen hervorgehoben wird, wird im Rahmen der Pfadkreation der absichts-volle und prozessuale Charakter der Entstehung von Pfaden thematisiert.232 Das Konsti-tutionsverständnis und die Pfadmerkmale der beiden Theorien werden in Tabelle 3-2 gegenübergestellt.

In der Theorie der Pfadabhängigkeit wird die Entstehung von Pfaden auf die „small events“ zurückgeführt, deren Bedeutsamkeit sich erst im Rückblick erkennen lässt. Ein Pfad zeichnet sich dadurch aus, dass, nachdem eine Verriegelung des Prozesses stattge-funden hat, der Pfad nicht mehr durch interne Prozesse, sondern lediglich durch einen externen Schock verlassen werden kann. Die Entstehung eines Pfades lässt sich auf be-wusste Entscheidungen von Akteuren zurückführen. Dies kann jedoch nicht als einma-lige Aktivität verstanden werden, denn auch zur Stabilisierung und unter Umständen auch bei der Fortsetzung von Pfaden wird das aktive Eingreifen und Steuern von Akteu-ren gebraucht.233

Im Unterschied dazu zielt die Theorie der Pfadkreation auf ein sozial eingebettetes un-ternehmerisches Handeln und strategische Handlungsfähigkeit ab, die ein bewusstes Abweichen von einem bestehenden Pfad und die Schaffung eines neuen Pfades um-fasst.234 Diese Überlegungen unterscheiden sich auch dadurch von der ursprünglichen Theorie der Pfadabhängigkeit, dass sie nicht unerklärbare historische Zufälligkeiten als Ausgangspunkt pfadabhängiger Entwicklungen betrachten. Unternehmer erkunden vielmehr neue Möglichkeiten und experimentieren mit ihnen. Sie schaffen Nischen oder geschützte Räume, in denen die Anwendung und der Gebrauch einer neuen Technologie ausprobiert und weiterentwickelt werden, und sie so die benötigte Unterstützung be-kommt, bevor sie den Schutzbereich verlässt.235

230 Vgl. SCHREYÖGG (2008).

231 Vgl. GARUD/KARNØE (2001),S.7.

232 Vgl. MEYER/SCHUBERT (2005), S. 3.

233 Vgl. MEYER/SCHUBERT (2005), S. 6.

234 Vgl. GARUD/KARNØE (2001).

235 Vgl. KEMP/RIP/SCHOT (2001) und WERLE (2007), S. 128 f.

Konstitutionsverständnis Pfadmerkmale Pfadabhängigkeit

Evolutionär-emergent:

Pfade entwickeln sich hinter dem Rücken der Akteure, sind deren Kontrolle entzogen.