• Nem Talált Eredményt

« DISPUTATIO DE INCERTITUDINE RELIGIONIS CHRISTIANAE »

In document IN THE SECONl) HALF OFTHE16TH CENTURY (Pldal 78-90)

Die literarische, pädagogische und religiöse Tätigkeit Christian Franckens fiel fast genau in das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts. So können wir in ihm mit Recht einen Zeitgenossen und Kampfgefährten der kühn suchenden Späthumanisten erblicken, die während und nach ihren epochemachenden Neuerungen auch mit ihren unvorstellbaren Inkonsequenzen und Kompro-missen die Nachwelt in Staunen versetzten. Dank seiner Originalität, seiner relativen Konsequenz und hauptsächlich seiner weitstrahlenden Spätwir-kung ragt unter ihnen als Denker und fast als Symbol dieser Epoche Gior-dano Bruno hervor, dessen Lebenslauf sich .mehrfach mit dem unseres Franckens berührt (so in Wittenberg und schließlich im römischen Gefängnis).

Das ganze Wirken Franckens ist von besonderer Bedeutung und nimmt einen speziellen Platz für uns ein, weil er sein aktives Schaffen fast

ausschließ-lich im engsten Ostmitteleuropa entfaltete. Für uns ist es schon gleichgültig, ob er bewußt oder zufällig bzw. zwangsmäßig gerade in Prag, in Krakau, in Klausenburg, in Alba Julia und nicht zuletzt auch im Königreich Ungarn aktiv gearbeitet hat (letzterer Umstand wurde bislang außer acht gelassen) - all das kann aber doch kaum als zufällig angesehen werden. Man kann sagen: Für ihn war der westlichste Arbeitsbereich jener, der für Bruno und andere berühmte Wissenschaftler damals als der östlichste galt, Wittenberg in seiner liberalen Periode, als das orthodoxe Luthertum diese Stadt und Universität noch nicht beherrschte.

Die erwähnte Gebundenheit an diesen ostmitteleuropäischen Raum muß nicht unbedingt mit dem unbezweifelbaren Niveauunterschied zwi-schen Francken einerseits und den größten westeuropäizwi-schen Schriftstellern (Shakespeare, Montaigne, Bruno etc.) andererseits zusammenhängen. Es liegen viele Beweise dafür vor, daß die geographische Gebundenheit keinen Provinzialismus bedeutet. So ist es auffallend, daß gewisse Werke Franckens schon zu seinen Lebzeiten bekannt waren bzw. sogar übersetzt und in West-europa, so z.B. in England, wiederholt herausgegeben wurden.1

1 Die Wirksamkeit und das Leben Franckens als Ganzes kann hier nicht bespro-chen werden. Siehe dazu L. FmPo, ll vero autore di un celebre scrüto anti-trinüario : Christian Francken non Lelio Socino, in <cBollettino della Societa di Studi Valdesit, LXXVII (1958), N. 104, S. 51-68; ID., Christian Francken antürinitario, ibid., LXXVIII (1959), N. 107, S. 27-35; L. SzczucKI, Ohrystian Francken, in «Üdrodzenie i Reforme.cja w Polsee», Vill (1963), S. 39-75; ID., W krr,gu myBlicieli heretyckich, 73

Auch das bisher Gesagte deutet an: Franckens Name, Ruf und einige seiner Arbeiten blieben auch den Zeitgenossen nicht verborgen, doch gibt es Ausnahmen. Als eine der wichtigsten davon erscheint die Disputatio inter theologum et philoaophum de incertitudine religionis Ghristianae. Es kann kein Zufall sein, daß - den heutigen Kenntnissen nach - westlich von Breslau nirgendwo jemand von dieser Arbeit wußte, während aus dem Viereck Kronstadt-Klausenburg-Krakau-Frankfurt an der Oder meh-rere Angaben aus verschiedenen Zeiten über Entstehung, Varianten und Verbreitung des Werkes vorliegen. Der seit langem bekannte Titel und Spu-ren des Werkes, wie auch der unlängst aufgefundene Text stammen aus die-sem Raum. (Selbst die Provenienz und die Possessoren der Handschrift las-sen an keinen anderen Wirkungsort denken.)2

Schon der Titel der Disputatio kann sehr großes Interesse erwecken.

Darauf verwies als erster Firpo.3 Auf seine Frage kann heute bereits in Kenntnis des Textes und einer anderen Autorenaussage klar geantwortet werden. Die Intention des voreingenommenen, auf der Seite des Philosophen stehenden Verfassers ist unmißverständlich.

Der Text der jetzt gefundenen, 1594 entstandenen Abschrift gliedert sich ziemlich offensichtlich in drei Teile: 1. dem Haupttitel folgt ein kurzes Präludium; 2. danach finden wir - bei einer inneren Titelvariante, wo

«de certitudine» statt «de incertitudine» steht - die eigentliche Disputation auf einem kleinen Oktavbogen: 37 Argumente des Theologen und auf jedes die Antwort des Philosophen. 3. Schließlich folgt auf den unbeendet erschei-nenden Hauptteil eine kleine Anthologie weiser Sprüche meist antiker grie-chischer Philosophen.

Im Hauptteil ist die Diskussion der Gegner nicht kontinuierlich in dem Sinn, daß der Theologe kein einziges Mal mit irgendeiner adäquaten Gegen-antwort auf die Antworten des Philosophen reagiert. Dadurch werden die Kräfteverhältnisse ziemlich ungleich, hat doch in all den 37 Fällen der Phi-losoph das letzte Wort. Obendrein bietet der Theologe in den meisten Fällen seinem Partner das Reizwort, der dann erbarmungslos und überlegen sein

Wroclaw-Krak6w-Gdansk, 1972, S. 122-195; In., Philosophie und Autori.tät. Der FaU Christian Francken, in Reformation und Frühaufklärung in Polen. Studien über den Sozinianismus und seinen Einfluß auf das westeuropäische Denken im 17. Jahr-hundert, Göttingen, 1977, S. 157-243; die letztere Fassung erschien auch in ungari-scher Übersetzung in Ket XVI. azazadi eretnek gondolkod6, Jacobua Pa/,aeologus

es

Christian Francken, Budapest, 1980 (Hwne.nizmus es Reform8.ci6, Bd. 9.).

2 Das Werk wurde unter den Akten der Universität Frankfurt/Oder ohne Erfolg gesucht (Ehern. Preuss. Geh. Staatsarchiv, heute Deutsches Zentralarchiv - Abt.

Merseburg, Rep. 86.), obwohl in den gedruckten Katalogen der Viadrina der genaue Titel mehrmals hervorkonunt. Die - bisher einzige, manuelle - Abschrift wurde -dann in Breslau entdeckt: Biblioteka Uniwersytetu Wrocla.wskiego, Mss. Akc.

1955/220. - Hier steht unter dem Titel: «Conscripte. a Christiano Francken Claudio-p[oli] anno 1593», a!Il Ende des T~xtes ~her •1594t - offensichtlichalsEntstehungs-Jahr der Abschrift. (Über den Kopisten siehe unten Anm. 8.)

3 «Sarebbe interessante porre l'occhio su un volwnetto dal titolo tanto sibillino (prevaleve. alla fine il teologo con un'apologia me.gari razione.listice. - del cristiane-simo, o trionfave. il filosofo, convalidando con l'insuperabile incertezza le tesi dell'in·

differentismo religioso?), me. le. rarissima ste.mpa mi e rimasta irreperibile». Fllu>o (1959),

s.

35.

Urteil fällt. Fast immer fängt er damit an, daß er seinem Gegner Verletzung der Regeln der formalen Logik vorwirft. So werden die immer wiederkehren-den Anfangsformeln « Vitiosa est ratio falso antecewiederkehren-dente ... » bzw. « ... falso consequente ... » bald monoton. Die Beweisführung ist jedoch - obwohl von höchst verschiedenem Niveau - ziemlich reich sowohl an Argumenten als auch an Berufungen auf antike Philosophen oder auf die Bibel und auch an konkreten Tatsachen und Beispielen. (Wir müssen bedauern, daß Hinweise auf aktuelle Ereignisse, Kämpfe, oder auch zeitgenössische Werke, Argumente und Spekulationen nur ganz selten vorkommen.)

Manchmal hat es den Anschein, als ob der Theologe die verschiedenen Fragen ganz zufällig aufwerfe. Doch kann eine Struktur auch in diesem Hauptteil nachgewiesen werden. Anfangs verkündet der Kleriker die Wahr-heit der christlichen Lehre und die Einzigartigkeit ihrer GewißWahr-heit in Auf-reihung der bekanntesten dogmatischen Thesen und einiger moralischer Erwägungen. Letztere hatten den Zweck, den .. Partner in eine hedonistische Position zu drängen und ihn gleichzeitig zur Außerung zu provozieren, daß er die Menge, die Masse und ihre Meinung tief verachte. Gegen die bekann-ten Bibelstellen beruft sich Francken auf gegensinnige philosophische Ge-meinplätze: <( ... lex naturalis ista: fac quod tibi utilitati et voluptati est ... »,ferner: <(Die Menge nimmt selten so Gesetze an, daß man sie mit Vernunftargumenten überzeugt». (13. Arg.)

Die Argumente 15-20 sind eine auch selbständig bestehende Einlage.

Der Theologe zählt hier die Atheisten, Philosophen, Götzendiener, Türken, Juden, Häretiker und ihre sinnlosen, falschen oder gar abscheulichen Lehren und ihre Lebensführung auf; dabei überrascht jetzt, daß der Philosoph nicht nur die Atheisten und die heidnischen Denker, sich «auf unseren Aristoteles» berufend, in Schutz nimmt, sondern sogar die relative Berech-tigung der nichtchristlichen religiösen Meinungen und Gepflogenheiten, die Sinnbildlichkeit ihrer Riten beteuernd, seinen Partner zum Verständnis mahnt (<(Cur ergo, cum bene interpretamini vestra, male interpretamini aliena» ?). Schon könnten wir meinen, daß sich unser Philosoph ganz auf die Kritik des christlichen Verfahrens oder gar der Argumentation seines Part-ners beschränkt. Doch da folgt das 21. Argument, vielleicht der Höhepunkt der ganzen Diskussion. Der Theologe beruft sich mit plötzlicher Wendung positiv auf die vorher noch geschmähten Heiden. («Nam et Grecus et Bar-barus cognoscunt Deum. Ergo est Deus».) Die darauf gegebene Antwort endet mit einem sehr entschiedenen und heftigen Ausruf: « ... die Religio-nen, also die Meinungen über Gott sind, selbst wenn sie bei jedermann vor-kommen, nicht von der Natur, sondern von Menschen zustande gebracht, weil sie nicht gleich sind bei jedermann. Wie vielerlei Gottheiten und Unge-heuer die hinfälligen Menschen erfinden können» 1

Es ist zu verstehen, daß nach diesen schwerwiegenden Feststellungen kurze, leichte Dialoge folgen, unter denen auch ziemlich primitive logische, oder nur einfache Wortspiele vorkommen (über die Größe Gottes und der Chimären, über unsere Sehnsucht als Gottesargument ? ! usw.). Da sinkt zweifellos das Niveau. Im besten Fall nützt auch der Antworter eine solche Pointe aus, wie im 25. Argument: <(Die Philosophen selbst bemühen sich zu beweisen, daß es einen Gott gibt». Darauf die Antwort auf das

Gottesargu-75

ment: «Mag sein, daß sie sich bemühen, doch wird ihre Absicht von keinem Erfolg gekröntt.

Nach den oberflächlicheren publizistischen Abschnitten herrscht in den letzten 8-10 Kapitelchen eine Argumentierung mit wissenschaftlichem Anspruch. Hier benützen beide Parteien ausgiebiger als früher reichlich den antiken Apparat, außer auf Aristoteles und die Stoiker finden wir mehr oder weniger genaue Berufungen auf Werke von Demokritos, Empedoklea, Plato, Xenophanes, ja sogar Avicenna. Obwohl die Art ihrer Anwendung mitunter erschreckend haa.rspalterisch scholastisch ist, ist dieser Teil durch seinen Gegenstand außerordentlich interessant: Das Interesse der streitenden Par-teien wendet sich hier erkenntnistheoretischen, naturphilosophischen und kosmologischen Fragen zu. Eben deshalb verdient er einmal eine besonders gründliche Analyse; dabei kann auch das noch recht aufschlußreich sein, zu sehen, was der zeitgenössische siebenbürgische Abschreiber verstanden und mißverstanden hat.

Jedenfalls können wir feststellen, daß mindestens zwei Schichten der Disputatio zu unterscheiden sind: eine mit wissenschaftlichem und eine mit eher publizistischem Anspruch. Wenn ich bei dieser Gelegenheit die Thesen 15- 21 in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen suchte, so geschah dies weniger deshalb, weil sich in diesem Teil zweierlei Verfahrensweisen zu vermengen scheinen und es schwer ist, diese Seiten aus irgendeiner Linie der skeptischen Tradition abzuleiten. Vielmehr sollten wir deshalb auf die ange-deuteten Argumente achten, weil es hier am logischsten wäre, unseren Philosophen als Vertreter einer derzeitigen religiösen Strömung zu ertappen.

Um so auffallender ist, daß er auch jetzt selbst den leisesten Hinweis auf die einstigen ideologischen Kämpfe sorgfältig vermeidet.

Eine einzige Ausnahme kommt vor: Im Streit über den Vorwurf der Unbewiesenheit der häretischen Lehren beruft sich die These 20/b auf Beschlüsse des Trienter Konzils und eine Bibelauslegung Calvins. (Dies ist der einzige Name aus dem 16. Jahrhundert im ganzen Werk.) Das Wesent-liche ist, daß unser Verfasser hier in bezug auf Häretiker seine relativistische Meinung mit der divergenten Explikation der Katholiken und Kalvinisten illustriert. Sie beschuldigen sich tatsächlich gegenseitig der Ketzerei; die Berufung ist darum nicht ohne Grund. Dennoch ist es eigenartig, daß der Philosoph, also der Verfasser, jetzt hier gerade auf die zwei stärksten und herrschenden religiösen Strömungen, Kirchen weist, obgleich er gerade in jüngster Vergangenheit am eigenen Leib erfahren mußte, was in diesen und in solchen sich einander (nach Möglichkeit) >ernichtenden Gemeinschaften die Vertretung verfolgter Häresie bedeutet.

Der Text des Hauptteiles schließt im neugefundenen Manuskript mit der 37. Antwort des Philosophen, einer ganz besonders sterilen formallogi-schen Klügelei; und so erscheint die eigentliche Disputation als unbeendet . .Als ob er diesen Mangel ersetzen wollte, schließt hier der Verfasser jene schon erwähnte Miniatur-Anthologie an, die die radikalsten religionskritischen Äußerungen griechischer Philosophen und Schriftsteller bietet. Die merk-würdigen Thesen des Euhemeros und Prodikos über die Entstehung der Religionen beginnen die Reihe, dann zitiert der Verfasser Kritias von Athen, Diagoras von Melos, Theodoros Atheos, den die Volksmasse verachtenden

Bion und Stilpon, Protagoras, den über die Vergötterung Alexanders des Großen spottenden Diogenes und schließlich Statius. So endet daa ganze Werk damit, daß «auf der Welt als erstes die Angst Götter geschaffen hat».

Es gelang mir bisher noch nicht festzustellen, ob je jemand vor Fra.ncken so, in dieser Zusammensetzung und Reihenfolge, diese Fragmente der grie-chischen Skeptiker, Atheisten, Religionskritiker zusammengestellt hat.

Jedenfalls ist diese Anthologie vielsagend: sie ändert in nicht geringem Maße Gestalt und Meinung des sich im Labyrinth schnörkelhafter Wendungen ver-bergenden Philosophen, also des Verfassers. Damit aber überschreitet er entschieden die im Titel gestellten Grenzen: Es handelt sich schon längst nicht mehr ums Christentum, sondern ostentativ um die ersten philosophisch unterbauten Widerlegungen vorchristlicher religiöser Meinungen und Got-tesargumente. Vielleicht ist auch das kein Zufall, daß die Schlußklausel aus zehn Thesen besteht; der Leser erhält so einen richtigen atheistischen Dekalog.

Hier mußte ich mich auf die skizzenhafte Besprechung einiger Teile der Disputatio beschränken. Bedingung einer gründlichen vergleichenden Ana-lyse wäre eine kritische Ausgabe der Handschrift, die die erforschten Quellen zeigt und die Fehler der Abschrift berichtigt. Dies ist endlich dank der Bemühungen von Erika Mayer und Bela Karacsonyi, die den lateinischen Text betreut und ins Ungarische übersetzt haben, zustande gekommen und wird hoffentlich bald in beiden Sprachen veröffentlicht werden.

Lech Szczucki veröffentlichte zuerst Franckens undatierten, frühestens Ende 1590, spätestens April 1591 an den Jesuitengeneral Aquaviva gerichte-ten Brief. Diese in Alba Julia entstandene <( palinodia tertia» enthält ein sehr wichtiges Bekenntnis zu unserem Gegenstand: Francken zählt all seine antijesuitischen oder christliche Dogmen attackierenden Schriften auf und schließt seine Beichte folgendermaßen: « Postremo scripsi quandam de certi-tudine religionis disputationem quasi inter me et Morum Saracenum theolo-gia.e doctorem habitam, sed ea tota est a me conficta et divo Petro apostolo-rum principi dedicata; est autem ea plusquam ha.eretica, utpote fundamenta Christianae religionis in qua.estionem et dubium vocans certamque respon-sionem aliquam a divo Petro ex ca.elis petens, sed nullus mihi contigit nun-tius, per quem hoc scriptum in caelum transmitterem ... quare conscinda-tur».4 Diese Zeilen verpflichten uns jedenfalls, unsere frühere, die Entste-hung des Werkes betreffende Vorstellung abzuändern. So müssen mindestens drei, vielleicht auch vier Varianten angenommen werden:

1. Die erste Komposition wird wahrscheinlich in Krakau höchstens zwei Jahre früher entstanden sein als der zitierte Brief mit leider unsicherem Datum. An der Spitze jenes ersten Manuskriptes stand gewiß eine Widmung an den Apostel Petrus, und auch darauf deuten Spuren, daß der verfassende Philosoph seine Schrift als Disputation mit einer konkreten oder fiktiven, doch benannten Person, Morus Saracenus,5 hinstellen wollte.

'Abgedruckt in: SzozucKI, W kr~gu .. . , S. 267.

6 In einem Spätwerk, A nalyais rixae C hristianae (Prag, 1595) erinnert sich Francken noch inuner an Gespräche, welche er mit dem Franziskaner Moro (<ante annieCracovias 77

2. In der ersten Hälfte des Jahres 1593 verfaßte der Autor in Klausen-burg unbedingt eine handschriftliche Umarbeitung. Dies tat er aus dem Gedächtnis oder nach Aufzeichnungen und führte im Lauf der Arbeit be-wußt Änderungen durch: Als nicht mehr aktuell ließ er die Widmung an Sankt Peter weg (vielleicht kam an deren Stelle das wortkarge, doch vielsa-gende Präludium); schaltete die Fiktion einer konkreten Diskussion mit dem Franziskaner Moro aus; denkbar, daß er da die kleine griechische Antho-logie an den Schluß des Textes setzte; da mochte er den Haupttitel« Incerti-tudo« gegeben haben usw.; und wir können picht wissen, ob er nicht außer den aufgezählten noch andere bedeutende Änderungen durchgeführt hat?!

3. Auf Grund der neuen Handschrift des Autors kann es durchaus zum Druck des Werkes gekommen sein. Die meisten der früheren Bibliographien und Bearbeitungen bestehen darauf, daß dies tatsächlich in Klausenburg 1593 geschehen sei.8 Meiner Ansicht nach ist dies höchst unwahrscheinlich.7 Fachleute der Buch- und Druckereigeschichte werden mit entscheiden müs-sen, ob solcher Annahme Realität zusteht.

4. Schließlich muß unbedingt noch gesondert von der in Breslau gefun-denen Abschrift gesprochen werden, die im Jahre 1594 «Petrus Scharff in gratiam Andreae Coron[ensis]» verfertigt hat. Meiner Ansicht nach ist es nicht die Abschrift eines Druckes, sondern des Manuskripts (des Autors) der zweiten Redaktion. (Nebenbei bemerkt: Gegen den Druck spricht auch, daß die Abschrift schon ein Jahr nach dem im Titel angegebenen Datum hätte verfertigt werden müssen; hätte er es in Druck gegeben, so wäre 1594 noch keine Abschrift zustande gekommen.) Dieses Manuskript bietet den einzigen heute bekannten Text der Disputatio und ist der einzige greifbare, unwiderlegbare Beweis der Verbreitung des Werkes und der darin enthal-tenen Gedanken. Demnach war die Disputation nur in engerem Kreise ver-breitet, und wir kennen nur die Namen von zweien ihrer Leser. Auch diese gelang es leider nicht mit Sicherheit zu identifizieren, obwohl es verlockend wäre, daran zu denken, daß der, für den die Abschrift hergestellt wurde -es war ein sächsischer Jüngling aus Kronstadt - , etwa mit Andreas Zieg-lerus Coronensis identisch sein könnte, der damals Schüler des Klausenbur-ger unitarischen Kollegiums war undsicheinJahrzehnt später in Wittenberg, danach an der Universität zu Frankfurt an der Oder immatrikulierte,8 so

in Polonie.» geführt hatte und deren Inhalt auch mit der Diaputatio Ähnlichkeit zeigt (vgl. SzczuCXI, 1977, S. 223 und 234-235).

8 L.Firpo erwähnt (1959, 35, Anm. 26.) die Arbeiten des Lipenius, Becme.n, Hen-ning, Adelung (aus den Jahren 1685, 1706, 1721, 1786), letztere meint sogar, es seien zwei Ausgaben: 1590 und 15931 Aber selbst für Firpo und Szczucki (z.B. 1977, 222-223) rechnen «mit dem Auffinden eines gedruckten Exemplars der Dispute.tiot; «· •• ve-nute. in luce e. Cluj nel 1593 t.

7 Der re.dike.J-skeptischen, religiös indifferenten - sogar atheistischen - Grund-tendenz wegen scheint de.s unvorstellbar. In Siebenbürgen war je. de.me.ls auch die Here.usge.bevon milder oppositionellen, konstruktiv-religiösen Werken streng verboten.

• Vgl. M. AsZTALOB, A wittenbergi egyetem magyarorazßgi hallgatoinak nevaora 1601-1812, in Magyar Protestdna Egyluiztörteneti Adattcir, Bd. XIV, Bude.pest, 1931, S. 112; J. Zov.!NYI, A magyarorazßgi ifjak az Odera melletti frankfurti egyetemen, in

«Protestti.ns Szemle• 1889, S. 183.

daß die Handschrift auf diese Weise nach Frankfurt geraten wäre. Dies ist freilich nur eine Hypothese.

Die Voraussetzung dieser Reihenfolge und Auslegung der Abänderun-gen ist eine biographische Korrektur. Die bisherige Fachliteratur besteht darauf, daß Francken nach seiner Bekehrung in Alba Julia im Frühjahr 1591 nie wieder nach Klausenburg zurückgekehrt sei.9 Diese mit nichts beweisbare Legende ist der Rest jener früheren Meinung, wonach Francken 1590 verschwunden sei (eine ganze Anzahl Zusammenfassungen aus dem 18.

Jahrhundert gibt sogar seinen Tod in diesem Jahr an!). Es erhalte endlich entsprechende Betonung: Es gibt tatsächlich wenige sichere Daten von 1591bis1598, also bis er in die Hände der Inquisition fiel. Von diesen sieben Jahren müssen wir unbedingt nur 15 Monate Aufenthalt in Böhmen abzie-hen (diesen erwähnt er in der Widmung seines letzten Werkes Januar 1595).

Es wäre ein sehr großer Fehler, die Möglichkeit auszuschließen, daß Francken in den übrigen fünfeinhalb Jahren nicht sogar auch mehrmals in Siebenbür-gen hätte sein können; damit würden wir die in den siehenbürgischen Quellen noch notwendigen Forschungen hemmen.

Wir brauchen wohl nicht zu beteuern, daß die oben angedeuteten philo-logischen und biographischen Korrektionen nicht selbstzwecklich, sondern zur besseren Erkenntnis der geistigen Physiognomie Siebenbürgens am Ende des Jahrhunderts wichtig sind. Eine Erklärung des Versiegens der sich auf Francken beziehenden Angaben ergibt sich vielleicht gerade in der jetzt besprochenen Disputatio, diesem für alle Kirchen oder auch oppositionelle Strömungen unannehmbaren Werkchen ... Titel, Inhalt und Haupttendenz mußten doch alle kirchlichen Einrichtungen wie auch jeden gläubigen Zeit-genossen aufs tiefste verletzen. Diese Situation kann schon für sich allein genü-gend Erklärung dazu sein, daß Francken, diese streitsüchtige, agressive, fast exhibitionistisch erscheinende Persönlichkeit, anders als bisher nicht einmal in den Chroniken öffentlicher Skandale von sich hören läßt. Die Neufassung

Wir brauchen wohl nicht zu beteuern, daß die oben angedeuteten philo-logischen und biographischen Korrektionen nicht selbstzwecklich, sondern zur besseren Erkenntnis der geistigen Physiognomie Siebenbürgens am Ende des Jahrhunderts wichtig sind. Eine Erklärung des Versiegens der sich auf Francken beziehenden Angaben ergibt sich vielleicht gerade in der jetzt besprochenen Disputatio, diesem für alle Kirchen oder auch oppositionelle Strömungen unannehmbaren Werkchen ... Titel, Inhalt und Haupttendenz mußten doch alle kirchlichen Einrichtungen wie auch jeden gläubigen Zeit-genossen aufs tiefste verletzen. Diese Situation kann schon für sich allein genü-gend Erklärung dazu sein, daß Francken, diese streitsüchtige, agressive, fast exhibitionistisch erscheinende Persönlichkeit, anders als bisher nicht einmal in den Chroniken öffentlicher Skandale von sich hören läßt. Die Neufassung

In document IN THE SECONl) HALF OFTHE16TH CENTURY (Pldal 78-90)