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DEUTSCHE ANTITRINITARIER IN DEUTSCHLAND UND IN DER EMIGRATION

In document IN THE SECONl) HALF OFTHE16TH CENTURY (Pldal 90-95)

Wenn man die europäische Geistesentwicklung im 16. Jh. betrachtet, wird erkennbar, daß eine freiere Entfaltung fortschrittlichen Denkens sich vor allem an bestimmten Punkten des Kontinents, in bestimmten lokal be-grenzten Gebieten vollzog. In dem obrigkeitlich streng reglementierten Geistesleben Europas bildeten sich gewissermaßen Inseln, Umschlagplätze für Ideen, geistige Toleranzräume.

Zu diesen Freiräumen zählen in der zweiten Hälfte des 16. Jh. insbe-sondere Südpolen mit dem Zentrum Rak6w, dann auch Mähren, wenn wir an die anabaptistische Emigration denken, schließlich auch das Gebiet um Danzig und nicht zuletzt die Niederlande mit dem literarisch-kulturellen Welthandelsplatz Amsterdam.

Zu diesen Zentren freierer geistiger Entfaltung gehörte auch das unga-risch-« sächsische» Siebenbürgen. Schon die Tatsache, daß in diesem Lande vier Konfessionen obrigkeitlich toleriert waren, weist auf die günstigen Bedingungen hin, die hier für eine fruchtbare geistige Auseinandersetzung gegeben waren. Man kann sagen, daß gerade in den 70er Jahren des 16. Jh.

in Siebenbürgen ein Kapitel e u r o p ä i s c h e r Geistesgeschichte ge-schrieben wurde. Um Ferenc David scharten sich Gelehrte aus mehreren europäischen Ländern, denen es in ihren Heimatländern verwehrt wa.r, ihre Gedanken und Auffassungen zu propagieren und zu disputieren.

Der Anteil deutscher Emigranten an dem Geistesleben in Siebenbürgen zu dieser Zeit war nicht gering. Man kann deshalb mit Recht davon sprechen, daß zu dieser Zeit in Siebenbürgen auch ein Kapitel deutscher Geistes- und Häresiegeschichte geschrieben worden ist.

Ferenc Davids Wirken war eng verbunden mit der Tätigkeit von Män-nern wie Johannes Sommer, dem Schwiegersohn Davids, mit Adam Neuser und Matthias Vehe alias Glirius. Andererseits muß man feststellen, daß diese deutschen Gelehrten erst durch ihre Tätigkeit in Siebenbürgen bzw. in Polen, daß sie erst im geistigen Austausch mit den Siebenbürger und polni-schen Antitrinitariern ihr geistiges Profil gewannen.

Die deutsche Geschichtsschreibung hat diese deutschen Emigranten sehr stiefmütterlich behandelt, hat sie zu Außenseitern gemacht, zumal eine intolerante und konfessionell bornierte Kirchengeschichtsschreibung diese Männer nicht nur verketzert und verteufelt, sondern auch moralisch diffa-miert hatte.

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Umso höher ist das Verdienst zu werten, das sich Antal Pirnat erworben hat, indem er in seinem Buch über «Die Ideologie der Siebenbürger Antitri-nitarier»1 auch das Andenken und die Leistungen dieser deutschen Gelehrten erneuert und in den Blickpunkt der Forschung gerückt hat.

Für uns ist das Wirken dieser deutschen Emigranten in Siebenbürgen ein Sinnbild deutsch-ungarischer Kulturbeziehungen, die sich insbesondere seit der Reformation und durch sie intensiviert hatten. Auf unserer Berliner Akademiekonferenz anläßlich des Bauernkriegsjubiläums 1975 hatten Prof.

Klaniczay und Prof. Varjas2 in ihren Referaten sichtbar gemacht, welche Fülle von Impulsen das ungarische Geistesleben aus der Wittenberger Refor-mation empfing. Bereits ein Menschenalter später konnten sich die Ungarn für das Empfangene gewissermaßen «revanchieren», indem Siebenbürgen deutschen Antitrinitariern zur geistigen Heimat wurde.

Der Antitrinitarismus der neueren Zeit hat sowohl in bezug auf das christliche Dogma als auch hinsichtlich seiner geschichtlichen Entfaltung in der Reformation einen wesentlichen Ausgangspunkt. Zum einen war es die Reformation, die die Trinitätslehre als Dogma viel schärfer profilierte, als es die spätmittelalterliche katholische Kirche tat. Erst die Reformation machte durch ihre besondere Hervorhebung der Rolle Christi mit der Trini-tät wirklich ernst. Die katholische Kirche ließ die Anbetung vieler Götter zu, nicht nur die der Heiligen, sondern vor allem die Anbetung und Vereh-rung der Gottesmutter Maria, die in der Glaubenspraxis Gott-Vater und Gott-Sohn fast völlig in den Hintergrund drängte. Es ist bekannt, daß es für die Reformatoren überaus schwierig war, die Anbetung der Gottesmutter aus der Glaubenspraxis zu verdrängen.

Gab nun einerseits die Reformation der Trinitätslehre eine konsequen-tere dogmatische Fixierung, so inspirierte sie andererseits mit ihrem Angriff gegen die «Vielgötterei» der katholischen Kirche die Dogmenkritik über-haupt, provozierte sie den Zweifel auch an der Gottheit Christi und damit den Angriff auf die Trinität.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die Kritik der Trinität in Deutschland bereits in den ersten Jahren der Reformation hervortritt, und zwar bei den radikalen Denkern, die man gemeinhin als Anabaptisten be-zeichnet, die aber doch sehr unterschiedliche Auffassungen vertraten.

Der frühe Antitrinitarismus in Deutschland knüpft sich an Namen wie Baltasar Hubmaier, Hans Denck und Ludwig Hätzer.3 Aber auch aus den Verhörprotokollen eines Hans Hut -.eines Mitstreiters Thomas Müntzers - , desgleichen im Prozeßverfahren gegen die sogenannten drei gottlosen Maler aus der Schule Albrecht Dürers in Nürnberg werden antitrinitarische

Auf-1 Antal PmNAT, Die Ideologie der Siebenbürger Antitrinitarier in den 1570-er

Jahren, Budapest, 1961. .

, 1 Tibor KLANICZAY, Die Reformation. und die volksaprachJ,ichen Grundlagen deT Nationalliteraturen; Bela. V ARJAS, Die aozialhiatoriBche'f!, Bedingungen der ungarischen .tüeratur zur Zeit der Reformation, in Renaiasanceliteratur und frühbürgerliche Revolu-tion, BerlinfWeima.r, 1976, S.131 ff. bzw. S. 182 ff. ··

avgl. F. TRECHSEL, Michael Servet und seine Vorgänger, Heidelberg, 1839.

fassungen hörbar.4 Christus wird lediglich als Prophet anerkannt, nicht aber als Gottes Sohn. Ihm wird die Anbetung versagt. Zugleich besitzt für sie die Erfüllung des Gesetzes das Primat gegenüber dem Neuen Testament.

Dieser frühe Antitrinitarismus ist allerdings in seinen Ausgangsposi-tionen sowie in der Methodik seiner Kritik nicht mit dem späteren in Sie-benbürgen zu vergleichen. So bildet für die radikalen Kritiker der Reforma-tion die Trinitätslehre noch nicht das zentrale Problem der Dogmenkritik, zu dem es erst seit Servet geworden ist. Für Denck, Hubmaier, Hätzer u. a.

geht es vorerst um die Weiterführung des von den Reformatoren eingelei-teten Angriffs gegen den etablierten Institutionalismus der Papstkirche wie auch der weltlichen Macht. Die über Luther hinausführenden Momente ihrer Konzeption kommen vor allem in ihrem Prophetismus zum Ausdruck, in ihrer Ablehnung sakramentaler Riten, in ihrer Geringschätzung des bloß gepredigten Evangeliums und Glaubens. Die Berufung auf das «innere Wort&, die Betonung einer individuellen Gottesbeziehung ohne jegliche irdischen Vermittler, die Aufrichtung einer Geistkirche waren Bestandteile der Lehren dieser Denker. Die Leugnung der.Gottheit Christi ergab sich gewissermaßen indirekt, als eine Konsequenz ihrer alttestamentarischen Gesetzestheologie.

Bezeichnend dafür ist die Art der Verhandlungsführung in den Prozessen gegen diese Anabaptisten. Nicht sie rücken das Problem der Trinität in den Vordergrund, sondern die lutherischen Prediger, die als Ankläger und Gut-achter auftreten. Wie der Augsburger Prozeß gegen Hans Hut oder der Nürnberger gegen Hans Denck und die «gottlosen» Maler der Dürerschule zeigen,5 war es den Inquisitoren darum zu tun, ihre Gegner gerade auf diesen Punkt, die Leugnung der Gottheit Christi, festzulegen, sie auf dieses Be-kenntnis zu drängen. Die Absicht der Lutheraner ist offensichtlich: Über-führte man die Anabaptisten der Leugnung der Gottheit Christi, konnte man sie besser der «Gottlosigkeit» bezichtigen und sie als Nicht-Christen brandmarken.

Die Verfolgungswelle gegen die Anabaptisten, gegen die «Ketzer» aller Schattierungen nach der Niederschlagung des deutschen Bauernkrieges und nach den Ereignissen von Münster brachte es mit sich, daß auch eine anti-trinitarische Bewegung in Deutschland selbst keine Chancen zu einer Ent-faltung hatte. Deutsche Antitrinitarier konnten in der zweiten Hälfte des 16. Jh. lediglich in der Emigration, insbesondere in Polen und Siebenbürgen,

' Zum Prozeß gegen Hans Hut (mit Aussagen über Hans Denck und Baltasar Hubmaier) vgl. Christian MEYER, Zur Geschichte der Wiedertäufer in Oberschwaben, in

~Zeitschrift des Histor. Vereins für Schwaben und Neuburg», (Augsburg), I (1874), S. 207 ff. - In der Aussage Huts von 4.11. 1527 sind folgende Artikel genannt, die zwischen Hut und Hubmaier .disputiert worden waren: <cDer erst e.rticul: sy hielten nit, das Christus gottes son were. Der ander articul: sy hielten, Christus were schlecht ain ptovet ... ». Vgl. MEYER, op. cit., S. 232. - Zum Prozeß gegen Hans Denck und die drei ~gottlosen» Maler vgl. Th. KOLDE, Hans Denck und die gottlosen Maler von Nürnberg, in «Beiträge zur bayrischen Kirchengeschichte», VIII (1902), S. 1-31, 49..,.--72. --,- Die Maler Georg-Pentz und Barthel Beham antworteten auf die Frage, was sie von Christus hielten, mit einer völligen Negierung der Göttlichkeit Christi. Vgl.

KoLDE, op. cit., S. 65;

6Vgl. Anrne;rkung 4 - Das Gutachten der Nürnberger Prediger über dll.E! Be-kenntnis Hans Dencks, in Hans DENCK, Schriften, 3. Teil, Gütersloh, 1960, S. 136 ff.

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ihre geistige Heimat finden. Diese Emigrationsbewegung erfolgte in mehreren Wellen, vor allem in Richtung Polen.8 Sie ist geknüpft an Namen wie Schomann und Statorius, die am arianischen bzw. am zweiten sozinischen Katechismus mitgearbeitet haben; dann an Männer wie Osterodt, Valen-tin Schmaltz sowie Johann Völkel, einem Mitarbeiter Fausto Sozzinis. Zu Anfang des 17. Jh. sind vor allem die Schüler des Altdorfer Professors Ernst Soner zu nennen, die Schüler eines Antitrinitariers, der seine Gesinnung bis zu seinem Tode geheimhalten konnte und doch seine Schülerschaft im Geiste des Antitrinitarismus erzogen hatte. Zu nennen sind hier Johann Crell, Martin Ruar und Joachim Stegmann, die als Rektoren an der Rak6wer Schule wirkten.7

Auf dem Wege über Polen kamen dann auch die beiden Deutschen Matthias Vehe und Adam Neuser nach Siebenbürgen, wo sie Mitstreiter Ferenc Davids wurden.

Antal Pirnat hat in seinem oben genannten Buch sehr treffend die ratio-nale Dogmenkritik als einen Grundzug des Siebenbürger Antitrinitarismus hervorgehoben.8 In seiner Analyse der «Refutatio» des Johannes Sommer weist er auf die neuartige Methode Sommers hin, der, einem Prinzip der Humanisten folgend, den historischen Ursprüngen und philosophischen Wurzeln der Trinitätslehre nachspürt und sie mit der Logos-Lehre der anti-ken Philosophie vergleicht.

Es scheint mir bemerkenswert, daß diese humanistische Verfahrens-weise der Wahrheitssuche, daß diese Hinwendung ad fontes auch dem ande-ren deutschen Siebenbürger Emigranten, nämlich Adam Neuser, eigen war.

Als er, der Heidelberger Prediger, Zweifel an der Trinitätslehre hatte, nahm er sich vor, in das Land zu gehen - zu den <c Griechen», wie er selbst sagt - , wo die Trinitätslehre zum Dogma des römischen Papstes geworden war, wollte er am historischen Ort Informationen sammeln, Quellen erforschen, die ihm die Wahrheit über die Trinität erschließen sollten. Wir wissen, Neu-sers Drang zum historischen Ort, zu den Quellen wurde ihm zum Schicksal.

Um seine Reise nach dem Osten zu organisieren, hatte er in Speyer mit dem Gesandten des Siebenbürger Fürsten, mit Kaspar Bekes, Kontakt aufge-nommen. Das erregte die Aufmerksamkeit seiner Gegner und des Pfalzgra-fen, in dessen Diensten er stand. Schließlich fand man bei Neuser einen Brief an den türkischen Sultan, der zwar von Neuser stammte, den er aber nicht abgeschickt hatte. Ein Hochverratsprozeß zwang Neuser zur Flucht;

einer seiner Anhänger - Sylvanus, heute ein Märtyrer der unitarischen Kirche - wurde hingerichtet. So trat denn Neuser seinen Weg gen Osten zum historischen Ort als flüchtiger Emigrant an, verfolgt von einer Flut von Verleumdungen. Ferenc David konnte ihm eine Zeitlang Aufenthalt in Siebenbürgen erwirken, bis Neuser dem Pascha in die Hände geriet und nach Konstantinopel verschlagen wurde. Bis zu seinem Tode blieb er mit

8 Günther MüHLPFOBDT, Deutache und polnische Arianer, in Deut8ch-alawische Wechaelbeziehungen in aieben Jahrhunderten, Berlin, 1956, S. 74-98.

7 ZUID Arianiemus in Polen vgl. Paul WBZECIONXO (Hrsg.), Reformation und Frühaufklärung in Polen, Göttingen, 1977. (Daselbst weitere Literatur.)

8Vgl. Anm. l, ebd., S. 39.

den Siebenbürgern in Kontakt, die dann auch den Nachlaß Neusers erwar-ben.

Dieser Adam Neuser hat - wie Sommer und V ehe - seinen gewichtigen Platz im Geistesleben der Antitrinitarier Siebenbürgens. Doch Neuser wurde noch in anderer Weise bedeutsam. Kein Geringerer als der deutsche Auf-klärungsschriftsteller Gotthold Ephraim Lessing hat diesen, deutschen Sie-benbürger Antitrinitarier vor der Geschichte rehabilitiert.9 Lessing unter-nahm es, diesen «Ketzer» und «Türken>> von den Verleumdungen und Diffa-mierungen zu reinigen, mit denen ihn Theologen beworfen hatten.

Nun ist es bezeichnend für die Wirkungsgeschichte des Antitrinitaris-mus, welchen Platz diese Ehrenrettung eines Antitrinitariers bei Lessing einnahm: Sie wird für den Aufklärer zum Auftakt seines großangelegten Feldzuges, der gegen die protestantische Orthodoxie sowie gegen theolo-gisches Dunkelmännertum gerichtet war und in der Abfassung des Toleranz-dramas «Nathander Weise» gipfelte. In Heussis «Kompendium der Kirchen-geschichte» lesen wir über die Nachwirkungen des Antitrinitarismus folgen-des: « ... ungemein groß war seine Fernwirkung auf die seit dem 18. Jahr-hundert sich erhebende freiere Theologie&.10 Ich meine, daß diese Feststel-lung voll und ganz bestätigt wird durch eben diese Ehrenrettung, die Les-sing dem deutschen Siebenbürger Antitrinitarier Neuser zuteil werden ließ.

Tatsächlich ist das 18. Jh. in Deutschland erfüllt von geistigen Auseinander-setzungen, in denen der Antitrinitarismus als ideelles Ferment und geistiger Katalysator bei der Entfaltung einer rationalen Theologie fungiert. Lessing selbst bezog sich wiederholt auf die Antitrinitarier. Er veröffentlichte nicht nur den verschollenen Brief Adam Neusers, 11 er veröffentlichte auch die Schrift des Andreas Wissowatius gegen die Trinität, dazu die Antwort des Philosophen Leibniz auf diese Schrift sowie eine eigene Abhandlung über diesen Streit.12

So erwachte der Antitrinitarismus im 18. Jh. zu neuem Leben; er kehrte als ein geistiges Erbe nach Deutschland zurück, wurde zu einer Triebkraft bei der Entfaltung des Rationalismus. Die Aufklärer des 18. Jh. haben damit den Märtyrern des Siebenbürger und des polnischen Antitrinitarismus ein bleibendes Andenken geschaffen, dem auch wir uns - und das beweist dieses Kolloquium in Sikl6s - verpflichtet fühlen.

•Von Adam Neuaern (1774), in Lessings sämtliche Werke, Cotta.-Ausge.be, Stutt·

gart, o. J. Bd. 17, S. 212 ff.

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°

Karl HEuss1, Kompendium der KirchengeschichJ,e, 11. Aufl„ Berlin, 1965, S. 338.

11 Vgl. Anm. 9, ebd., S. 216 ff.

11 Des Andreas Wiasowatiua Einwürfe wider die Dreieinigkeit (1773), in Leasings sämtliche Werke, Stuttgart, o. J. Bd. 19, S. 120 ff.

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LA&ZLO M.AKKAI

(Bude.pest- Debrecen)

UN CATECHISME HONGROIS CONTRE

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