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Unterschiede in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit

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Trotz der bedeutenden Abnahme der Beschäftigten seit der Wende entstand in der ungarischen Hauptstadt keine größere Arbeitslosigkeit. Gründe hierfür bestehen darin, dass eine erhebliche Zahl an Personen aus dem Bereich der formellen Erwerbstätigkeit ausgeschieden ist. Folgende Gruppen sind charakteristisch:

- Eine ziemlich große Gruppe wird von ehemaligen Wochen- und Fernpendlem gebildet, die mehrheitlich schon Anfang der 1990er Jahre entlassen wurden. Die genaue Anzahl dieser Personen ist unbekannt, nach Schätzungen beträgt sie etwa 50-70 000. Ihrem Wohnort außerhalb von Budapest entsprechend, wurden sie dort und nicht in Budapest als arbeitslos registriert. Die Hauptstadt konnte sich damit eines Arbeitsmarktproblems auf Kosten anderer Gemeinden und Regionen entledigen.

- Ein bedeutender Teil der entlassenen Arbeitskräfte wurde nicht arbeitslos, sondern ging in den Ruhestand. Typisch für diese Kategorie sind Rentner, die in sozialistischer Zeit weiter gearbeitet haben und nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes wohl zumeist endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

- Ein anderer Teil der entlassenen Arbeitskräfte arbeitet wieder, aber illegal in der Schattenwirtschaft.

Angesichts dieser Entwicklung, aber auch aufgrund einer umfangreichen Investitionstätigkeit und der Schaffung neuer Arbeitsplätze lag die Arbeitslosigkeit in Budapest immer weit unter dem nationalen Durchschnitt und günstiger als in allen anderen Komitaten des Landes. Ende 1991 war die Arbeitslosenquote in Ungarn bereits auf 8,5% gestiegen, in Budapest betrug sie nur 2,6%. Ihren bisherigen Höchstwert erreichte die Arbeitslosigkeit in Budapest mit etwas mehr als 7% oder

etwa 70 000 Arbeitslosen im September 1993. Dieser Wert blieb wiederum weit unter dem Maximum der nationalen Arbeitslosigkeit von 13,4% im Februar 1993 (Dövenyi 1994). In der Folgezeit sank die Zahl der Arbeitslosen in Budapest stetig, abgesehen von saisonalen Schwankungen, und betrug im Mai 1994 weniger als 60 000, im November 1996 weniger als 50 000 und im Februar 1998 weniger als 40 000. Im Laufe des Jahres 1998 verminderte sich die Arbeitslosigkeit in Ungarn und auch in Budapest erheblich. Im Juni registrierte man in Budapest rund 33 000, im Dezember etwa 31 000 Arbeitslose. Die Arbeitslosenquote sank auf 3,5%. Danach nahm die Zahl der Arbeitslosen weiter ab. In den letzten Jahren bewegt sie sich bei gewissen saisonalen und konjunkturellen Schwankungen im Bereich von 20 000 (vgl. Abb. 1), die Arbeitslosenrate liegt praktisch immer unter 3,0%, im Oktober 2004 z.B. bei 2,9%.

Dies bedeutet schon mehr oder weniger eine Vollbeschäftigung.

Im Gegensatz zu Budapest hat Leipzig nach wie vor eine hohe Arbeitslosenquote zu verzeichnen. Im Jahr 2002 liegt sie bei 20,0% (bezogen auf alle abhängigen zivilen Erwerbspersonen), und damit auf einem ähnlichen Niveau wie im Bundesland Sachsen und in Ostdeutschland insgesamt. Die offiziell ausgewiesene Zahl der Arbeitslosen ist seit der Wende kontinuierlich gewachsen.

Personen 70 000 - r

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Abb. 1: Struktur der Arbeitslosen nach Unterstützungsformen in Budapest 1993-2004 (Jahres­

durchschnitt).

Quelle: www.afsz.hu Entwurf: Dövenyi, Z. Kartographie: Kaiser, L.

Im Gebiet des Arbeitsamthauptamts Leipzig, das neben der Stadt Leipzig mehrere Nachbarorte umfasst, gab es 1991 31 913 Arbeitslose, 2002 wurden 52 413 Personen als arbeitslos registriert. Für die Stadt Leipzig wird die Zahl der Arbeitslosen 1995 mit 27 466 separat ausgewiesen, 2002 beträgt sie bereits 45 376 (zum jeweiligen Gebietsstand).

Die vergleichsweise niedrigen Arbeitslosenzahlen in den ersten Jahren nach dem Umbruch täuschen jedoch über die realen Verhältnisse hinweg. Sie lassen sich vor allem mit der Wirksamkeit arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen begründen.

Entsprechende Daten liegen auf der Ebene des Arbeitsamtbezirks Leipzig vor (vgl.

Abb. 2), der neben der Stadt Leipzig die Nachbarlandkreise Leipziger Land und Delitzsch umfasst. Rund 60% der Beschäftigten bzw. der Arbeitslosen des Arbeitsamtsbezirks entfallen auf die Stadt Leipzig.

180000

160000

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Abb. 2. A rbeitslosigkeit und arbeitsm arktpolitische Maßnahmen im Arbeitsam tsbezirk L eipzig 1991-2002

Quelle: Statistisches Jahrbuch der Stadt Leipzig, lfd. Jg. Entwurf: Wießner, R. 2003. Kartographie:

Wünsche, S.

Abb. 2 zeigt sehr deutlich, dass die Arbeitslosigkeit in den ersten Jahren nach der Wende de facto erheblich höher lag als in den offiziell ausgewiesenen Zahlen und auch deutlich höher als heute. Für das Jahr 1991 gab es beispielsweise neben den amtlichen ausgewiesenen 47 911 Arbeitslosen im Arbeitsamtsbezirk folgende Gruppen, die jeweils maßgeblich durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen unterstützt wurden:

- 42 862 Personen in der beruflichen Weiterbildung,

- 25 435 Personen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und - 57 140 Personen in Kurzarbeit, vielfach in "Kurzarbeit Null".

Als Folge des raschen Übergangs zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland wurden damit 1991 über 173 000 Personen und damit mehr als ein Drittel aller Erwerbspersonen im Arbeitsamtsbezirk Leipzig durch die öffentliche Hand finanziell unterstützt. Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wurden im Laufe der Folgejahre reduziert und teilweise durch andere Maßnahmen ergänzt, die hier nicht näher dargestellt werden. Insgesamt wird in Abb. 2 ersichtlich, dass der relativ kontinuierliche Anstieg der offiziell ausgewiesenen Arbeitslosigkeit seit der Wende nicht nur auf den fortlaufenden Verlust von Arbeitsplätzen, sondern auch maßgeblich auf die Rücknahme arbeitsmarktpolitischer Eingriffe zurückzuführen ist.

Durch die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen konnten in den ersten Jahren nach der Wende auf jeden Fall soziale Härten des wirtschaftlichen Umbruchs abgefedert und eine noch größere Massenarbeitslosigkeit verhindert werden. Das Ziel, die aus dem regulären Arbeitsmarkt ausgeschiedenen Arbeitskräfte nach einer Übergangszeit wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, konnte jedoch nur begrenzt erreicht werden. Der oben dargestellte erhebliche Rückgang der Beschäftigtenzahlen macht deutlich, dass auch in Leipzig ein großer Teil der freigesetzten Arbeitskräfte gänzlich aus dem Arbeitsmarkt (jedenfalls aus dem Arbeitsmarkt der Region) ausgeschieden ist. Folgende Gruppen können hierunter identifiziert werden:

- Viele ältere Arbeitnehmer gingen in den Vörruhestand.

- Vor allem in den ersten Jahren nach der Wende kam es zu umfangreichen Abwanderungen in Richtung Westdeutschland angesichts der dort deutlich günstigeren Arbeitsmarktverhältnisse. Die Stadt Leipzig hatte in den 1990er Jahren beispielsweise einen Wanderungsverlust von rund 50 000 Einwohnern im Rahmen dieser Ost-West- Wanderung zu verzeichnen.

- Weiterhin wird der regionale Arbeitsmarkt durch Pendler entlastet, die ihre Arbeitsplätze in Westdeutschland besitzen. 2002 beträgt die Zahl der Arbeitspendler aus der Stadt Leipzig in die alten Bundesländer und nach Berlin-West immerhin 8153 Personen.

- Schließlich reduzierte sich die Zahl der Arbeitslosen auch dadurch, dass sich Erwerbslose nicht mehr arbeitslos meldeten, wenn sie z.B. keine Ansprüche auf Arbeitslosenunterstützung mehr hatten oder keine weitere Erwerbstätigkeit mehr ausüben wollten (z.B. Hausfrauen).

Der wohl auffallendste Unterschied zwischen den Arbeitsmärkten in Budapest und Leipzig besteht darin, dass in Leipzig nach wie vor eine hohe Sockelarbeitslosigkeit

existiert, wogegen die amtlich registrierte Arbeitslosigkeit in Budapest sehr gering ist.

Gründe für diese erhebliche Diskrepanz liegen auf unterschiedlichen Ebenen:

- Leipzig hat wie Ostdeutschland insgesamt nach wie vor unter einer wirtschaftlichen Strukturschwäche zu leiden. Viel weniger als die ungarische Metropole konnte Leipzig z.B. Investitionen westlicher Unternehmen und damit neue Arbeitsplätze auf sich ziehen.

- Weiterhin ist die Schattenwirtschaft in Budapest deutlich stärker ausgeprägt als in Leipzig.

- Ein wichtiger Grund für die erheblichen Unterschiede in der Arbeitslosigkeit liegt schließlich in der unterschiedlichen Systematik der Erfassung der Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Ansprüchen auf finanzielle Leistungen.

Grundlegende Voraussetzung für die Registrierung als arbeitslos ist in beiden Ländern eine regelmäßige Meldung bei den Arbeitsämtern. In Deutschland galten im hier betrachteten Zeitraum folgende Regelungen: Unter der Voraussetzung vorheriger Beitragsleistungen zur Arbeitslosenversicherung erhielt ein Arbeitsloser zunächst in der Regel für die Dauer von einem Jahr Arbeitslosengeld (bei älteren Arbeitslosen erhöhte sich die Bezugsdauer, unter anderen Voraussetzungen reduzierte sie sich).

Falls er über die Bezugsdauer hinaus arbeitslos war, konnte er auf unbefristete Zeit Arbeitslosenhilfe beziehen. Der Bezug von Arbeitslosenhilfe setzt allerdings voraus, dass der Arbeitslose "bedürftig" ist, d.h. dass er über kein größeres Vermögen verfügt oder keinen gut verdienenden Ehepartner besitzt. Eine solche Bedürftigkeit ist in Ostdeutschland zumeist gegeben. Die Höhe der Arbeitslosenhilfe lag zwar niedriger als das Arbeitslosengeld, aber im Allgemeinen höher als kommunale Sozialhilfe­

leistungen. Langzeitarbeitslose haben sich deshalb im Fall der Bedürftigkeit entsprechend regelmäßig beim Arbeitsamt als arbeitslos registrieren lassen, um ggf.

bis zum Eintritt in den Ruhestand Arbeitslosenhilfe zu beziehen. Etwas mehr als die Hälfte aller Leipziger Arbeitslosen erhielten im Jahr 2002 Arbeitslosenhilfe.

In Ungarn wird Arbeitslosengeld lediglich für die Dauer von maximal neun Monaten gewährt. Eine der Arbeitslosenhilfe vergleichbare Leistung existiert nicht, die Betroffenen können nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes lediglich bescheidene kommunale Fürsorgeleistungen erhalten. Die Notwendigkeit, sich weiterhin aus finanziellen Gründen als arbeitslos registrieren Zu lassen, ist dann nicht mehr zwingend erforderlich.

Insofern wird die Höhe der Arbeitslosigkeit in Budapest, insbesondere der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit, durch die amtlichen Daten unterschätzt. Der auffallende Unterschied zur hohen Arbeitslosigkeit in Leipzig relativiert sich dadurch etwas.

Angemerkt sei, dass das Instrument der Arbeitslosenhilfe in Deutschland im Zusammenhang mit anderen Sozial- und Arbeitsmarktreformen (Hartz IV-Reformen) Ende 2004 abgeschafft wurde. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden mit Beginn des Jahres 2005 für erwerbsfähige Personen auf dem niedrigeren Niveau der Sozialhilfe als sog. Arbeitslosengeld II zusammengeführt. Welche Auswirkungen sich daraus für die Arbeitsmarktentwicklung ergeben, bleibt abzuwarten.

Wichtige Hinweise zur Einschätzung der Problematik der Arbeitslosigkeit ergeben sich durch eine sozialstrukturelle Differenzierung der Arbeitslosen. Im Folgenden soll dies anhand der Merkmale Geschlecht, Alter, Ausbildung und Beruf geschehen. Für Budapest und Leipzig muss teilweise auf voneinander abweichende Merkmale zurückgegriffen werden.

In Budapest war eine der grundlegenden Veränderungen zweifellos der Umbruch in der Geschlechterproportion der registrierten Arbeitslosen. In den ersten Jahren der Transformation zeigte die Geschlechterproportion in Budapest noch das gleiche Bild wie in anderen Landesteilen. Damals wurden infolge des Abbaus der Altindustrie und der Krise in der Bauindustrie hauptsächlich Männer entlassen. Ihr Anteil an den Arbeitslosen lag jahrelang über 50% (z.B. Anfang 1993: 54,4%).

Im Laufe der Zeit veränderte sich die Arbeitsmarktstruktur: im Sommer 1994 entstand ein Ausgleich, dann entwickelte sich ein Frauenüberschuss unter den Arbeitslosen. Diese Veränderung ist eng mit der Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur in Budapest verbunden. Die rasche Tertiärisierung führte zur bevorzugten Beschäftigung von Frauen. Die Zuwächse des tertiären Sektors brachten für die weiblichen Arbeitskräfte aber nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Denn parallel zum Anstieg der Frauenbeschäftigung erhöhte sich auch der Frauenanteil unter den Arbeitslosen (Februar 1993: 45,6%, Januar 1996: 51,9%, Dezember 1998: 55,4%, Juli 2000: 56,1% und Oktober 2004 schon 56,5%). Dienstleistungen nehmen also nicht nur bei der Beschäftigung, sondern auch bei der Arbeitslosigkeit die führende Rolle ein. Trotz des Anstiegs der Frauenbeschäftigung haben nach der Volkszählung 2001 die Männer bei den Beschäftigten noch immer eine knappe Mehrheit.

In den vergangenen Jahren veränderte sich auch das Bildungsniveau der Arbeitslosen in Budapest, aber es zeigen sich keine eindeutigen Tendenzen. Zunächst war ein leichter Rückgang des Qualifikationsniveaus zu erkennen. Im Januar 1996 betrug der Anteil der Arbeitslosen ohne Schulabschluss oder nur mit Pflicht­

schulabschluss 32,9%, im Dezember 1998 lag diese Quote bei 33,8%. Dann kam eine Wende: ab Juli 2000 sank der Anteil der Arbeitslosen mit niedriger Schulbildung unter 30% und betrug im Oktober 2004 27,5%. Der Anteil der Arbeitslosen mit Facharbeiterausbildung (ohne Abitur) nahm kontinuerlich ab (Januar 1996: 27,9%, Januar 2002: 26,9%, Oktober 2004: 22,3%).

Demgegenüber stieg der Anteil der Arbeitslosen mit Abitur wahrnehmbar an:

dieser Wert lag im Januar 1996 bei 32,8% und im Oktober 2004 schon bei 36,9%. Auch der Anteil der Hochschul- oder Universitätsabsolventen unter den Arbeitslosen, der zunächst zwischen 5,5 und 6,0% lag, erhöhte sich in jüngerer Zeit (Juli 2000: 8,2%, Oktober 2004: 14,5%).

Ein relativ hoher Prozentsatz bei den besser Qualifizierten bedeutet aber nicht notwendig tatsächliche Arbeitslosigkeit, denn höherqualifizierte Personen besitzen gute Möglichkeiten, z.B. in der Schattenwirtschaft zu arbeiten (Dövenyi 2001).