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2.1. Ausgangsituation mit historischem Rückblick

Mehrere Aspekte der heutigen Problematik traten bereits im Rahmen der Bildung und Ausgestaltung der Einheitsstadt Budapest auf. Die drei selbständigen Städte (Pest,

Buda und Öbuda) wurden 1872 administrativ vereinigt, es entstand die mit Wien konkurrierende Weltstadt. Parallel mit der raschen Entwicklung Budapests fand schon vor dem I. Weltkrieg ein sehr dynamisches Wachstum in der breiten Zone der Vororte statt. So entstand bereits in dieser Zeit ein funktional verflochtener Raum, d.h. eine Stadtregion.

Die Verwaltung dieser komplizierten Raumstruktur wurde schon in dieser Zeit als grundlegende Problematik thematisiert. Eine mögliche Lösung stellte der Vorschlag einer großen Eingemeindung bereits vor dem I. Weltkrieg dar. Er beinhaltete die administrative Eingliederung von mehr als 20 umliegenden Städten und Dörfern in die Hauptstadt. Ein grundlegendes Argument für diese vorgeschlagene Eingemeindung war, dass die Probleme der Agglomeration, d.h. der Zone der Vororte, im Rahmen des vergrößerten Budapest besser zu lösen wären. Diese Idee wurde auch in der Zwischenkriegszeit mehrmals aufgegriffen, jedoch wurden auch in dieser Periode nur kleinere, vorsichtige Schritte in diese Richtung realisiert (Beluszky 1999).

Die radikale Lösung der Stadt-Umland-Problematik erfolgte nach der kommunistischen Machtergreifung (1948) im Jahre 1950. Im Rahmen einer Verwaltungs­

reform in Ungarn wurden 23 umliegende Städte und Dörfer eingemeindet. Bedingt durch diese politisch konzipierte Eingemeindung wandelten sich die Konflikte der früheren Agglomeration in innere administrative, planerische und andere Probleme Budapests. Die administrativen Schwierigkeiten des Verdichtungsraums wurden im Rahmen des sog.

Ratssystems jedoch nicht bewältigt, da um das vergrößerte Budapest eine neue Agglomeration entstand. Die früheren Probleme verlagerten sich nur auf eine andere, etwas ferner liegende Zone (Hajdü 2001).

Somit konnten die administrativen Konflikte der Stadtregion in der sozialistischen Epoche durch die damaligen Regierungen nicht gelöst werden. Die daraus entstandenen Spannungen wurden kaschiert.

Budapest gliederte sich in der Folge in 22 Stadtbezirke. In der stark hierarchischen Struktur des kommunistischen Systems hatten jedoch weder die Hauptstadt noch die Stadtbezirke eine tatsächliche Selbständigkeit. Dies begründet sich im Selbstverständnis des zentralistischen sozialistischen Machtsystems, in dem eine Selbstverwaltung der Kommunen unvorstellbar war. Kleinere Veränderungen dieser strengen Strukturen wurden in den 80er Jahren realisiert, bis zur Wende wurden aber nur einige Elemente einer tatsächlichen Autonomie der Gemeinden umgesetzt (Beluszky u.

Koväcs 1998).

Mit der Entstehung der neuen Agglomerationszone tauchten auch die Probleme der angrenzenden Gemeinden wieder auf. Auf diese Frage konnten in der sozialistischen Periode weder Hauptstadt noch Landesplanung durchdachte und realisierbare Antworten geben. Die Konzeption für die Siedlungsstrukturentwicklung Ungarns (1971) klammerte die Problematik der Entwicklung der Stadtregion aus. Später wurden gemeinsame Raumordnungspläne für Budapest und die Agglomeration ausgearbeitet, jedoch traten diese Entwürfe auf Grund der Interessengegensätze der Hauptstadt und des Komitates Pest, zu welchem die Agglomerationsgemeinden gehören, nicht in Kraft.

2.2. Verwaltung und administrative Gliederung nach der Wende in Budapest

Mit der Wende wurde eine grundlegende Umgestaltung des sozialistischen Verwaltungssystems vorgenommen. Kommunale Selbstverwaltung trat an die Stelle des früheren sog. Ratssystems. Die nötigen Gesetze wurden schon 1990 verabschiedet; damit erhielt auch Budapest ein neues Verwaltungssystem. Ein grundlegendes Element der neuen Regelung beinhaltete nicht nur die Autonomie der Hauptstadt selbst, sondern auch die ihrer 22 Stadtbezirke.6 So gibt es keine Subordination der Stadtbezirke, sie und die Gesamtstadt haben einen vergleichbaren juristischen Status (vgl. Abb. 2).

Diese sehr demokratische Lösung funktioniert jedoch nur unter großen Schwierigkeiten. Ein grundlegendes Problem stellt die Kompetenz- und Aufgaben­

verteilung zwischen der Hauptstadt und den Stadtbezirken dar. Den Stadtbezirken wurde die Verantwortung für die Grundversoigung (z.B. Wasserversorgung, Pflichtschulsystem, untere Stufe des Gesundheitswesens usw.) übertragen. Die Kompetenz der Hauptstadt

Grenzen der selbstständigen Städte (Pest, Buda, Öbuda) in 1872

Abb. 2: Die Gebietserhöhung von Budapest und die gegenwärtigen Stadtbezirksgrenzen Entwurf: Dövenyi, Z., Kartographie: Kaiser, L.

6 Einige Jahre später wurde ein Stadtbezirk zweigeteilt, so erhöhte sich die Anzahl der Stadtbezirke auf 23.

erstreckt sich auf die stadtbezirksübergreifenden und gesamtstädtischen bzw.

gesamtstaatlichen Aufgaben.

Die Finanzierung der verschiedenen Aufgaben war allerdings nicht eindeutig geregelt, womit Kontroversen zwischen der Hauptstadt und den Stadtbezirken vorprogrammiert waren. Aus diesem Anlass wurde das 1990 in Kraft getretene Gesetz bereits im Jahre 1994 in gewissem Maße modifiziert. Die neue Regelung versuchte, eine einheitliche Verwaltung Budapests mit einer begrenzten Zentralisierung zu erreichen. Im neu formulierten Gesetz blieb die gesetzliche Gleichheit der Hauptstadt und der Stadtbezirke erhalten, die Kompetenzen der Hauptstadt wurden jedoch erweitert. Für die überörtliche Verwaltung Budapests gibt es dennoch weiterhin keine Möglichkeit, direkt in die Entscheidungen der Stadtbezirke einzugreifen. Sie kann aber mittels allgemeiner Regelungen die Zustimmung der Stadtbezirke zu eigenen Maßnahmen erzwingen. Die Hauptstadt soll in verschiedenen Sachthemen die Belange der Stadtbezirke berücksichtigen, verfügt aber über das Recht der endgültigen Entscheidung (Perger 2002).

Nach der neuen Regelung besitzt die Hauptstadt die Planungshoheit, d.h.

theoretisch besteht die Möglichkeit für die Ausarbeitung und Durchsetzung einer einheitlichen städtebaulichen Politik bzw. gesamtstädtischer Raumentwicklungs- und Raumordnungspläne. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Stadtbezirke verfügen noch immer über legale .''Resistenzmittel". Das bedeutet, dass sie Vorstellungen der Hauptstadt verhindern können. Infolge dieser inkonsequenten Regelung konnten mehrere wichtige Pläne und Projekte nur sehr zeitintensiv vorbereitet bzw. realisiert werden. Die Tatsache, dass der erste Stadtentwicklungsplan für Budapest im März 2003 verabschiedet wurde, soll als Paradebeispiel ausreichen (BVK 2003). Ähnliche Schwierigkeiten behindern auch einige Großprojekte (z.B. Weiterführung der Stadtautobahn, Vorbereitung der neuen U- Bahnlinie).

Eine andere Dimension stellen die Konflikte der Hauptstadt mit der jeweiligen Regierung Ungarns dar. Die Regierungen empfinden die starke Autonomie der Hauptstadt als eine Beschränkung ihrer Hoheit. Infolge dessen gehören Dezentralisierungsbestrebungen immer wieder zu den Zielen des Staates. Die Auseinandersetzungen gewinnen dann an Schärfe, wenn unterschiedliche Parteien in der Regierung des Landes und in Budapest die führende Rolle einnehmen.

Eine Zeitbombe der administrativen Gliederung der Hauptstadt stellt das Recht der Separation dar. Das heißt, dass sich die Stadtbezirke zu selbständigen Städten erklären können. Die Trennung von Budapest wird als potenzielle Möglichkeit vor allem in den Stadtbezirken erwogen, die vor der Eingemeindung 1950 selbständig waren. Einen entsprechenden, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz verfolgten Versuch gab es bereits im Stadtbezirk XXI (Csepel); in letzter Zeit erwägt auch der Stadtbezirk IV (Üjpest) eine Trennung. Da beide zu den bevölkerungsreichen Stadtbezirken (79.000 bzw. 100.000 Einwohner) gehören, wären sie im ungarischen Maßstab zu den größeren Städten zu zählen. Allerdings ist der Prozess der Trennung nicht einfach, die Entscheidungskompetenz liegt beim Parlament.

Für eine zukünftig effektivere Stadtentwicklungspolitik von Budapest besitzt die bessere Koordination und Zusammenarbeit zwischen der Hauptstadt und den Stadtbezirken eine entscheidende Rolle. Dies wäre erst recht wichtig, weil eine grundlegende Veränderung dieses zweistufigen Systems in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Aber für die bessere Zusammenarbeit wären auch gewisse Modifizierungen der juristischen Bedingungen nötig.

*

2.3. Probleme der administrativen Gliederung der Stadtregion

Die neue gesetzliche Regelung der administrativen Gliederung bzw. der Selbstverwaltung im Jahre 1990 war nicht nur für die Hauptstadt, sondern auch für die ganze Stadtregion von Bedeutung. Obwohl diese Gesetze einige Probleme lösen konnten, sind zahlreiche Konflikte und Spannungen bis heute ungelöst geblieben. Ein grundlegendes Problem stellt die administrative Zersplitterung der Stadtregion dar. Bis

1997 gab es 67, seit der administrativen Vergrößerung der Stadtregion existieren 102 formal unabhängige Selbstverwaltungen (die Hauptstadt, 23 Stadtbezirke in Budapest und 78 Agglomerationsgemeinden,7 vgl. Abb. 3). Das bedeutet eine administrative Dezentralisierung der Hauptstadt sowie der mit Budapest funktionell verflochtenen Gemeinden. Die Agglomerationsgemeinden bilden wiederum mit anderen, nicht der Stadtregion zugehörigen Gemeinden, eine gemeinsame übergeordnete administrative Einheit, das Komitat Pest. Diese nachteilige Struktur bildet die Ursache für mehrere Konfliktfelder zwischen der Hauptstadt und dem Komitat Pest, so z.B. die Zustimmung zu den Raumentwicklungs- und Raumordnungsplänen, Fragen der Grundversorgung, des öffentlichen Verkehrs, der Unterhaltung der Schulen, Krankenhäuser etc.

Diese grundlegenden Probleme wurden auch mit der gesetzlichen Veränderung 1994 nicht gelöst. Die neue Regelung enthielt keinen Ansatz der administrativen Verknüpfung der Hauptstadt mit den Agglomerationsgemeinden, obwohl sich die wirtschaftlichen und funktionellen Verflechtungen in der Stadtregion nach der Wende noch verstärkten. Die umliegenden Gemeinden blieben juristisch selbständig. Da infolge der aktuellen Prozesse viele davon wirtschaftlich prosperierten, entstand eine Konkurrenz zwischen der Kemstadt und dem Umland. In diesem Zusammenhang muss eine Verschärfung der Konflikte befürchtet werden.

Zusammenarbeit und Koordination sind primär im Rahmen der Stadt- und Regionalplanung von großer Bedeutung. Das Gesetz für Regionalentwicklung aus dem Jahr 1996 stellte einen Wendepunkt für eine konsensorientierte Bewältigung dieser Aufgabe dar. In diesem Gesetz wurde unter anderem die Gründung des Entwicklungsrates der Stadtregion als Pflichtaufgabe vorgeschrieben. Der Gründung dieses Rates kommt tatsächlich eine historische Bedeutung zu, da es in der Vergangenheit keine administrative

7 Bzw. im Herbst 2004 ist die Anzahl der Agglomerationsgemeinden schon rund 80, nachdem zwei frühere Ortsteile zu den selbstständigen Gemeinden genannt wurden.

---Aktuelle G renze der Agglomeration G renze der Agglomeration bis 1997 Grenze von Budapest seit 1960 Grenze von Budapest zwischen 1872-1950 Stadtbezirksgrenze

Grenze der Agglomerationsgemeinde Grössere Städte in der Agglomeration

Budapest zwischen 1872-1950 Vorortzone bis 1950 Innere Zone der Agglomeration I . ' . ' .I Äussere Zone der Agglomeration

L U (seit 1997) Entwurf: Z. Dövönyi

Kartographie: L. Kaiser

0L

Abb. 3: Strukturräumliche Gliederung der Stadtregion Budapest Entwurf: Dövenyi, Z. Kartographie: Kaiser, L.

Verknüpfung der Kemstadt zu den umliegenden Gemeinden gab. Dieser Rat ist das erste Organ, in dem die Vertreter der Regierung, der Hauptstadt, der Stadtbezirke, der Agglomeration und verschiedene Kammern Zusammenarbeiten und auch administrative Funktionen ausüben (Perger 2004).

Eine andere wichtige Neuerung stellt die Aufteilung der Stadtregion in sechs sog. Kleinregionen dar. Diese neuen räumlichen Einheiten fungieren nicht nur als statistische Einheiten, sondern auch als Entwicklungsbündnisse. Die grundlegende Neuerung liegt in der Möglichkeit, dass die Agglomerationsgemeinden und die Stadt­

bezirke der Hauptstadt gemeinsam Kleinregionen bilden können. Damit wurde die scharfe Grenze zwischen der Hauptstadt und den Gemeinden der Agglomeration teilweise abgebaut. Erstmalig in der Geschichte entstand so ein Rahmen für die interkommunale Zusammenarbeit innerhalb der Stadtregion.

Dies bedeutet allerdings nicht die schnelle Lösung aller Schwierigkeiten der Stadtregion. Aus verschiedenen Gründen brachte die Tätigkeit des Entwicklungsrates relativ wenig Ergebnisse. Die vielleicht wichtigste Aufgabe, die Aufstellung der Regional- entwicklungs- und Raumordnungspläne für die Stadtregion, konnte bis 1999 nicht

umgesetzt werden, also wurde der Rat ohne Rechtfertigung aufgelöst. In diesem Zusammenhang muss die Komplexität der Planungen für die Hauptstadt und das Komitat Pest beachtet werden, da die Pläne den unterschiedlichen räumlichen Dimensionen Rechnung tragen müssen:

- Budapest,

- Stadtregion (Budapest und die 78 Agglomerationsgemeinden),

- Komitat Pest (78 bzw. 80 Agglomerationsgemeinden und andere Gemeinden des Komitates).

Der Raumordnungsplan der Stadtregion erhält dabei auf Grund seiner juristischen Stellung eine besondere Brisanz, da er eine obligatorische Bindungswirkung

für alle Gemeinden der Stadtregion entfaltet.

Die kurze Tätigkeit des Rates wird durch widersprüchliche Erfahrungen belastet.

Eine wichtige Ursache der Kontroversen stellte die Dominanz der Regierung gegenüber den Kommunen dar. Somit lagen die Entscheidungskompetenzen nicht bei den zumeist betroffenen Selbstverwaltungen der Stadtregion. Diese Zusammensetzung des Rates konnte daher eine Harmonisierung der Interessen zwischen Budapest und den Agglomerationsgemeinden nicht leisten. Zudem wurde das Verhältnis des Rates und der Planungsbehörde des Komitates Pest im Gesetz zur Regionalentwicklung nicht eindeutig geklärt. Für die nicht mit Regionalentwicklung verbundenen Fragen (z.B. Benutzung der großräumigen technischen Infrastruktur, Verteilung der Entwicklungsmittel, Finanzierung gemeinsamer Aufgaben) gab das Gesetz keine Antwort (Schuchmann 2004).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ein ideales Modell der stadtregio­

nalen Zusammenarbeit bisher nicht gefunden werden konnte. Wichtig für die künftige Entwicklung sind unter anderem die Schaffung der Rahmenbedingungen des Interessen­

ausgleiches, die Stärkung der Kooperationsprozesse und der Abbau kooperations­

hemmender Faktoren. Eine wichtige Aufgabe bildet z.B. die Einschränkung der Monopol­

lage bzw. des Übergewichts von Budapest. Umgestaltungen der administrativen Gliede­

rung sollten, bedingt durch die sehr komplizierte Raumstruktur der Stadtregion und die historischen Traditionen, nur sehr behutsam durchgeführt werden. Eingemein-dungen sind ausgeschlossen, obwohl einige Agglomerationsgemeinden (z.B. Budaörs, Budakaläsz, Vecses) einen baulichen Zusammenhang mit der Hauptstadt aufweisen. Die Ursachen für die Ablehnung dieser Option reichen bis zur "Megaeingemeindung” im Jahre 1950 zurück: Einerseits wurden die Grenzen der Hauptstadt damals sehr großzügig gezogen, andererseits wirken sehr negative Erfahrungen dieser Zwangseingemeindung nach.