• Nem Talált Eredményt

Regulierungen und Kulturänderungen in Wirtschaft und Politik

3. Verhältnis zwischen Moral und Wirtschaft

3.5 Regulierungen und Kulturänderungen in Wirtschaft und Politik

Die bisherigen Ausführungen des Kapitels drei haben gezeigt, dass die Wirtschaft und im speziel-len die Finanzmärkte einer Regulierung bedürfen.864 Denn wenn Märkte in Form verantwortungs-loser Freiheit wirken, zerstören sie die gesellschaftliche Freiheit innerhalb unserer Gesellschaft.865 Sollten die Wirtschaftssubjekte nicht bereit oder in der Lage sein, ihre moralischen Verpflichtun-gen nachzukommen, muss diese Aufgabe vom Staat übernommen werden.866 Hierzu führt MASTRONARDI wie folgt aus: „Wer Macht hat, ist immer in Versuchung, seine Freiheit zu missbrauchen, wenn von ihm keine Verantwortung eingefordert wird.“867 Sollte also ein freier Markt ohne rechtliche Strukturen existieren, würde dies regelmäßig willkürliche Handlungswei-sen nach sich ziehen.868 Denn Macht impliziert auch immer die Notwendigkeit von

856 Vgl. o.V. (2001), Seite 175.

857 Vgl. Lin-Hi, N., Suchanek, A. (2009), Seite 24; Ziegler, J. (2005), Seite 17.

858 Vgl. Sandel, M.J. (2009), Seite 14.

859 Sandel, M.J. (2009), Seite 13.

860 Vgl. Mastronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 20.

861 Vgl. Ulrich, P. (2009), Seite 14.

862 Vgl. Mastronardi, P., v. Cranach, M. (2010), Seite 2.

863 Vgl. Röpke, W. (1958), Seite 19.

864 Vgl. Farmer, K., Mestel, R. (2011), Seite 48; Krugman, P. (2009), Seite 220; Magnin, C. (2010a), Seite 187; Mast-ronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 20; Neuhäuser, C. (2011), Seite 277; Pies, I. (2013), Seite 2; Schmidt, S. (2010), Seite 153; Stiglitz, J. (2012), Seite 13; Derzeit zeichnet es sich jedoch ab, dass die bisherigen Regulierungsbemühungen wenig erfolgreich umgesetzt wurden bzw. nachträglich (Dodd-Frank-Act) durch intensive Lobbyarbeit in den USA unterminiert werden. Vgl. Hesse, M., Seith, A. (2013), Seite 66. Diese Meinung teilen auch REHM und HERRMANN. Vgl. Rehm, H. (2011), Seite 334; Herrmann, U. (2013), Seite 212.

865 Vgl. Mastronardi, P. (2010a), Seite 62.

866 Vgl. Mastronardi, P. (2010a), Seite 62.

867 Mastronardi, P. (2010a), Seite 62; Vgl. dazu auch Lind, G. (2009), Seite 16.

868 Vgl. Mastronardi, P. (2010a), Seite 63.

tungsbewusstsein sowie moralischem Bewusstsein.869 Somit treten zwei Werte -Vertrauen und Verantwortung- in den Fokus die eine Bedingung für richtige ethische und moralische Entschei-dungen bilden.870 NIDA-RÜMELIN spricht im Zusammenhang mit der notwendigen verlässlichen Kommunikation von den drei Werten: Wahrhaftigkeit, Vertrauen und Verlässlichkeit.871 Denn oh-ne eioh-ne zuverlässige und mithin effektive Informationskultur kann eioh-ne Wirtschaft nicht erfolg-reich handeln.872 Um im Rahmen der Kommunikation verlässliche Informationen zu erhalten, be-darf es der Einhaltung der benannten Werte.873 Im gegenteiligen Fall würden die ökonomischen Kosten der Kommunikation erheblich ansteigen.874 Konzentriert sich nun jede Partei innerhalb der Kommunikation auf die persönliche Nutzenmaximierung, werden diese Werte nicht eingehalten und eine verlässliche Kommunikation wird unmöglich.875 Gerade im Zeitalter der Informationsge-sellschaft876 benötigt die Wirtschaft somit einen Verzicht auf ökonomische Optimierung im oppor-tunistischen Sinne und eine Einhaltung von Werten, um als moralische Akteure miteinander zu kommunizieren.877 Ökonomischer Erfolg verlangt somit eine vertrauensvolle Kooperationsbereit-schaft, die eben nicht dadurch erzeugt wird, dass der Einzelne sich jederzeit ökonomisch rational verhält.878 Vielmehr muss er bestrebt sein, dass sein Verhalten für die Mitmenschen vorhersehbar wird.879 Gemäß MOHR ist dies u.a. eine Aufgabe der Moral, die somit zu einem strukturierenden Element von sozialen Systemen wird.880 Der Einzelne muss somit seine Eigeninteressen in einem Maße aufgeben, die ihm eine Beteiligung an einer Gemeinschaft ermöglichen, um den gemein-schaftlichen Zielen nicht im Wege zu stehen.881 Der Verzicht auf das Eigeninteresse führt zum Profit aller anderen Beteiligten und schafft Synergieeffekte.882 Im Ergebnis benötigt die Demokra-tie die Kooperation ihrer Mitglieder.883 Umgekehrt kollabiert eine Gemeinschaft in der die Indivi-duen rein ökonomisch rational handeln und wäre mithin nicht lebensfähig.884

Wird die Kooperationsbereitschaft jedoch aufgelöst und es wird eine Trennung von Freiheit und Verantwortung vollzogen, führt dies dazu, dass Freiheit im Schwerpunkt bei den Mächtigen der Gesellschaft liegt und nicht mehr von allen Wirtschaftssubjekten gleichermaßen genutzt werden kann.885 Wenn die Mächtigen diese Freiheit ausbeuten,886 bedarf es einer staatlichen Intervention z.B. in Form von Regulierungen.887

869 Vgl. Koslowski, P. (2009), Seite 21.

870 Vgl. Schweitzer, M. (2012), Seite 73ff. zitiert nach Rehm, H. (2012), Seite 478.

871 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 59.

872 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 59; Palazzo, G. (2011), Seite 192.

873 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 67.

874 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 67.

875 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 68.

876 Zur Informationsgesellschaft vgl. http://www.bmbf.de/de/398.php, Stand: 22.10.2013.

877 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 68-69.

878 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 74, 77.

879 Vgl. Mohr, H. (2010), Seite 233.

880 Vgl. Mohr, H. (2010), Seite 233.

881 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 88.

882 Vgl. Mohr, H. (2010), Seite 234; Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 88.

883 Vgl. Lind, G. (2009), Seite 15.

884 Vgl. Mohr, H. (2010), Seite 234; Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 95. MOHR geht ferner davon aus, dass die soziale Marktwirtschaft den gelebten Realitäten und Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekt am nächsten kommt. Vgl.

Mohr, H. (2010), Seite 234.

885 Vgl. Mastronardi, P. (2010a), Seite 64.

886 Vgl. Lachmann, W. (2011), Seite 2.

887 Vgl. Mastronardi, P. (2010a), Seite 64.

Mit finanzwirtschaftlichem Fokus könnte dies durch die folgenden Regularien erfolgen:

1. Vermeidung staatlicher Rettungsgarantien für die Banken888 bzw. Beteiligung der Finanz-branche an möglichen Rettungsaktionen889

2. Limitierung großer Geldvermögen890

3. Kontrolle der Finanzmärkte mit dem Ziel der Entschleunigung891, insbesondere Schaffung einer Risikokultur bei den Banken892

4. Begrenzung der Kreditschöpfung mit Hilfe von Limitierungen893

5. Schaffung eines konsistenten und transparenten Rahmens für unternehmerisches Handeln und den damit verbundenen Chancen und Risiken894

6. Prompte Intervention des Staates bei Gefährdung der Systemstabilität und ggf. Rückzug einiger Banken vom Markt895

Gerade durch die Vermeidung von Rettungsgarantien würden die Banken wieder die volle Ver-antwortung ihrer ökonomischen Handlungen übernehmen und es würde eine weitere Externalisie-rung von systemischen Risiken vermieden werden.896 Die Erpressungsmöglichkeiten der Banken gegenüber dem Staat (Vgl. dazu auch Kapitel 3.1.2) würden somit ausgeschlossen und die Verlus-te einer Bankenrettung würden nicht mehr sozialisiert werden.897 Die weitere Entwicklung vieler Demokratien zu einer Plutokratie898 könnten gebremst oder im Idealfall verhindert werden.899 Dabei folgt die Rahmenordnung an den Finanzmärkten dem Ziel eine Systemstabilität zu errei-chen.900 Dabei hat das Ziel der Systemstabilität eine ethische Dimension im Sinne eines Hygie-nefaktors901, da durch ihre Nichterreichung kaum kontrollierbare soziale und politische Brüche eintreten könnten.902 Diese Annahme korreliert mit den Ausführungen von HOMANN und BLO-ME-DREES, die die Rahmenordnung als systematischen Ort der Moral interpretieren.903 Es ist je-doch darauf hinzuweisen, dass die Rahmenordnung kein Ersatz für individuelles ethisches Verhal-ten darstellt.904 Vielmehr geht es um die Synchronisierung der moralischen zu den ökonomischen Zielen.905 Eine Rahmenordnung verfolgt somit das Ziel, dass die Bedürfnisse der Menschen anstatt

888 Vgl. Rehm, H. (2012), Seite 476.

889 Vgl. Rehm, H. (2011), Seite 318.

890 Vgl. Mastronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 21.

891 Vgl. Magnin, C. (2010b), Seite 215; Mastronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 21.

892 Vgl. Rehm, H. (2011), Seite 318.

893 Vgl. Mastronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 21.

894 Vgl. Rehm, H. (2011), Seite 318.

895 Vgl. Rehm, H. (2011), Seite 318.

896 Vgl. Rehm, H. (2012), Seite 476; Rudolph, B. (2010), Seite 449.

897 Vgl. Rehm, H. (2012), Seite 476.

898 Plutokratie = „Staatsform, in der die Besitzenden, die Reichen die politische Herrschaft ausüben; Geldherrschaft“

http://www.duden.de/rechtschreibung/Plutokratie#Bedeutung1, Stand: 24.07.2014.

899 Vgl. v. Cranach, M. (2010), Seite 77; Auch JOÓB spricht im Zusammenhang mit der derzeitigen Geldsystem von

„…plutokratischen Tendenzen…“. Joób, M. (2014), Seite 144, 151.Vgl. dazu auch Streeck, W. (2013), Seite 217.

900 Vgl. Rehm, H. (2011), Seite 318.

901 Vgl. Hungenberg, H., Wulf, T. (2011), Seite 284.

902 Vgl. Rehm, H. (2012), Seite 475.

903 Vgl. Homann, K., Blome-Drees, F. (1992), Seite 35.

904 Vgl. Rudolph, B. (2010), Seite 451.

905 Vgl. Rudolph, B. (2010), Seite 451.

der Märkte im Zielfokus stehen und es zu einem Primat der Politik vor der Wirtschaft kommt.906 Damit soll das Zusammenleben der Wirtschaftssubjekte erleichtert werden.907

Auf internationaler Wirtschaftsebene und unter Berücksichtigung der grenzmoralischen Heraus-forderungen (Vgl. Kapitel 3.3) der Globalisierung erscheint eine supranationale Rahmenordnung mit entsprechenden Institutionen zweckdienlich.908 Einer der Gründe für eine supranationale Lö-sung sind die zunehmenden Megafusionen, die sich regelmäßig der Kontrolle nationaler Regie-rungen entziehen.909 Mithin sollten die Schwerpunkte solcher supranationaler Institutionen wie folgt angelegt werden:910

1. Fokussierung auf eine gemeinwohlorientierte Realwirtschaft

2. Beteiligung des Arbeitsmarktes an den Erfolgen des Kapitalmarktes 3. Begrenzung der niedrigsten und höchsten Löhne

4. Obergrenzen für Gewinne und Wachstum von Unternehmen mit dem Ziel der Nachhaltig-keit

5. Nachhaltige Vermeidung von Steuerflucht und damit verbundener Steuerhinterziehung Gerade der erste Punkt, die Fokussierung auf das Gemeinwohl, muss durch den Staat bzw. die Po-litik gesichert werden, um die Verteilungsblindheit des ökonomischen Marktes zu berichtigen (siehe auch Kapitel 3.1.1. sowie 3.4).911 Der ökonomische Markt benachteiligt die nicht leistungs-fähigen Menschen und führt in dieser Konsequenz zu einer ausgeprägten Vermögenskonzentrati-on.912 Ohne eine sozialstaatliche Fundierung führt der ökonomische Markt zu einem inhumanen Lebensumfeld.913

Ferner muss das Bewusstsein sich verfestigen, dass der ökonomische Markt keine bzw. nur unzu-reichend öffentliche / kollektive Güter generiert (siehe dazu auch Kapitel 3.1.2.).914 Ein Beispiel wären Umweltgüter, bei denen eine allgemeine Zugänglichkeit und somit eine kollektive Nutzung vorliegt.915 Die Form der allgemeinen Zugänglichkeit kennt der ökonomische Markt jedoch nicht.916 Im Ergebnis entsteht durch das kollektive Interesse ein Mangel, wenn sich die Gesell-schaft nur auf einen ökonomischen Markt verlässt.917 Somit muss der Staat, geleitet durch die Poli-tik, die benötigen öffentlichen Güter produzieren und mittels Steuern und Abgaben finanzieren.918

906 Vgl. Ulrich, P. (2010), Seite 29; Zum `Primat der Politik` vergleiche auch: Ulrich, P. (2008), Seite 158.

907 Vgl. Rudolph, B. (2010), Seite 451.

908 Vgl. Joób, M. (2008), Seite 13, 300, 304; Mastronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 22;

Neuhäuser, C. (2011), Seite 303; Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 295; Ulrich, P. (2010), Seite 25; Wieland, J.

(2010a), Seite 11; Zsifkovits, V. (2005), Seite 108-109. Im Moment ist eine solche Entwicklung jedoch kaum erkennbar. Vielmehr gibt es nur einen geringen inhaltlichen Konsens zwischen den Staaten, was zu unterschied-lichen gesetzunterschied-lichen Regulierungsbemühungen führt. Vgl. Hesse, M., Seith, A. (2013), Seite 66.

909 Vgl. Zsifkovits, V. (2005), Seite 109.

910 Vgl. Mastronardi, P., Stückelberger, C., v. Cranach, M. (2010), Seite 22. Zum Vorgehen gegen Steueroasen siehe auch Farmer, K., Mestel, R. (2011), Seite 48.

911 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 289.

912 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 289.

913 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 292.

914 Vgl. Hirsch, F. (1980), Seite 135, 224; Höffe, O. (2009b), Seite 252-255; Homann, K. (2014), Seite 67; Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 281, 283; Stiglitz, J. (2004), Seite 291.

915 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 282.

916 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 283.

917 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 286.

918 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2011), Seite 286-287.

Der Staat muss somit der Rationalität des einzelnen Wirtschaftssubjekts misstrauen und das indi-viduelle Eigeninteresse limitieren.919

Die beschriebenen Regulierungen sind die Voraussetzungen und Leitplanken für eine Kulturände-rung der Wirtschaftssubjekte (Bürger, Unternehmen Politik).920 Da Regulierungen z.B. in Form von Gesetzen stets auf Handlungen und nicht auf Absichten bzw. Motiven abzielen, müssen die nicht regulierten Bereiche durch die Moral der jeweiligen Wirtschaftssubjekte ausgefüllt wer-den.921 Die Kulturänderungen sollten eine Kultur des Zusammenlebens und einen ethischen Mini-malkonsens fördern.922 Denn weder die Politik noch die Philosophie waren bisher dazu in der Lage einen kategorischen Imperativ zu generieren, um an diesem richtiges Lebens ausrichten zu kön-nen.923 Mithin sind universelle Lösungen nur bedingt tragfähig und bedürfen einer Konkretisie-rung in besonderen Lebenssituationen bzw. bestimmten Lebensverhältnissen.924 Dieser Herausfor-derung stellt sich das nun folgende Kapitel.