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4. Implementierung der Moral in die Unternehmen auf Grundlage der

4.1 Kritische Analyse der Governanceethik

4.1.3 Moralfähigkeit kollektiver Akteure

Die Annahme von kollektiv moralischen Akteuren ist ein elementarer Bestandteil der Gover-nanceethik und spiegelt sich im Element der Koordinations- und Kooperationsmechanismen (OKK)1100 der Governanceethik wieder.1101

Aufgrund der beschriebenen Entwicklung u.a. durch die Globalisierung (Vgl. Kapitel 3.1.3.2) und den Wettstreit von Rechtssystemen ist eine Umsetzung moralischer Verhaltensweisen innerhalb der Gesellschaft nicht mehr alleine den individuellen Akteuren (tugendethische Basis) zuzuord-nen.1102 Dies würde in der Konsequenz die individuellen Akteure überfordern.1103 Die Verantwor-tung für moralische Verhaltensweisen liegt heutzutage in einem hohen, aber nicht ausschließli-chen Maße, bei kollektiven Akteuren.1104 Die Frage: „Wie soll ich handeln?“1105 ist somit nicht mehr uneingeschränkt durch individuelle Akteure zu beantworten.1106

Dies setzt sich auch in der aktuellen Verankerung der Corporate Social Responsibility1107 und des Corporate Citizenship1108 logisch fort.1109 Ferner hat die US-amerikanische Rechtsprechung dieser Annahme dadurch Rechnung getragen, dass sie (die Rechtsprechung) die kollektiven Akteure im ersten Schritt für verantwortlich hält und juristisch zur Rechenschaft zieht.1110

1096 Vgl. Homann, K. (2014), Seite 50-51; Pies, I. (2010), Seite 252.

1097 Vgl. Pies, I. (2010), Seite 252.

1098 Vgl. Homann, K. (2001a), Seite 38; Homann, K. (2014), Seite 96, 251.

1099 Vgl. Homann, K. (2001a), Seite 47; Homann, K. (2014), Seite 96.

1100 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 30.

1101 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 44, 139.

1102 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 139-140.

1103 Vgl. Hirsch, F. (1980), Seite 174.

1104 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 11, 139.

1105 Wieland, J. (2007), Seite 123.

1106 Vgl. Wieland, J. (2007), Seite 123.

1107 Corporate Social Responsibility = „…ein in Leitlinien, Organisationsanweisungen und Verfahren materialisiertes werte- und normengeleitetes Management zur Lösung sozialer und ökologischer Problemlagen.“ Wieland, J.

(2005a), Seite 14.

1108 Corporate Citizenship = „…Rechte und Pflichten des Unternehmens als moralisch proaktiver kollektiver Bürger.“

Wieland, J. (2005a), Seite 14.

1109 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 140; NEUHÄUSER kritisiert in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Unter-nehmen dazu tendieren CSR und die damit verbundene Verantwortung einer Kosten-Nutzen-Kalkulation zu un-terziehen. Dies führt im wort-case zu einem instrumentellen Missbrauch von CSR, die damit ad absurdum ge-führt wird. Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 18 siehe auch Visser, W. (2012), Seite 254; JOÓB erkennt in Zu-sammenhang mit CSR ein Begründungsdefizit und regelmäßig die Abstinenz einer fundierten ethischen Basis.

Vgl. Joób, M. (2014), Seite 8.

1110 Vgl. Wieland, J. (1998) zitiert nach Wieland, J. (2005a), Seite 154.

Als weiteres Beispiel verwendet WIELAND hierbei die Diskussion in Deutschland um die Ent-schädigung von Zwangsarbeitern.1111 Auch an dieser Diskussion zeigt sich, dass die Verantwor-tung nicht mehr nur bei individuellen Akteuren gesucht wird, sondern, auch aus biologischen Gründen, bei kollektiven dauerhaften Akteuren.1112

Die zunehmende Bedeutung der Unternehmen als kollektive Akteure lässt sich auch dadurch be-gründen, dass die Bedeutung persönlicher Tugenden abgenommen hat, ohne vollständig verzicht-bar geworden zu sein.1113 Dies begründet sich unter anderem durch die Entkoppelung der Raum-Zeit-Dimension wirtschaftlicher Handlungen auf Grundlage der Globalisierung.1114 Die zuneh-mende Entkoppelung der Raum-Zeit-Dimension legitimiert sich durch die Möglichkeit durch die-se Entkoppelung Transaktionskosten zu reduzieren und somit Effizienzvorteile zu schöpfen.1115 Daraus resultiert eine verstärkte Arbeitsteilung mit steigenden Wohlfahrtsniveaus und zunehmen-den Kooperationsrente.1116 Diese Entwicklung wurde durch zunehmende Entpersonalisierung der Wirtschaft zusätzlich gefördert und begründet letztendlich die steigende Bedeutung von Unter-nehmen als tugendhafte kollektive Akteure.1117 Diese Entpersonalisierung fußt auch auf der Ent-stehung und dem Fortbestand von sehr großen Unternehmen die weltumspannend agieren.1118 Eine Rückbesinnung und steigende Bedeutung individueller Moral ist auf der einen Seite unwahr-scheinlich, da die fortschreitende Globalisierung eine weitere Reduktion individueller Tugenden mit sich bringen wird.1119 Auf der anderen Seite bleibt es dabei, dass ohne das Mitwirken der indi-viduellen Akteure naturgemäß keine Organisation funktionieren kann.1120

Hiermit wird dem methodologischen Individualismus widersprochen, nachdem Unternehmen ge-rade nicht dazu in der Lage sein sollen, als moralische Akteure aufzutreten.1121 Damit würden Un-ternehmen jedoch vollständig aus der moralischen Verantwortung entlassen und erhebliche Ver-antwortungslücken entstehen.1122 Zusätzlichen würden die individuellen Akteure mit der daraus entstehenden Verantwortung überlastet, da die Pläne der Individuen nicht identisch mit den Plä-nen des Unternehmens sind.1123 Vielmehr entwickeln die Individuen Pläne im Sinne des Unter-nehmens und handeln danach.1124 Würden die Individuen nicht in dieser Form handeln, so würde das Unternehmen absehbar handlungsunfähig und in nicht koordinierbare Gruppe entzweit.1125

1111 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 139.

1112 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 139;

http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/Publikationen_Migration/2007/09/070919a gmb006.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Stand: 01.03.2014.

1113 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 149.

1114 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 149.

1115 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 149.

1116 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 150.

1117 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 150-151.

1118 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 28.

1119 Vgl. Hirsch, F. (1980), Seite 170; Wieland, J. (2005a), Seite 91, 151.

1120 Vgl. Palazzo, G. (2006), Seite 33.

1121 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 32, 41. Gerade im Bereich der Wirtschaftswissenschaften und dort bei der Spieltheorie bzw. der Entscheidungstheorie wird diese Betrachtungsweise regelmäßig postuliert. Vgl. Neuhäu-ser, C. (2011), Seite 42.

1122 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 43-44, 84.

1123 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 162.

1124 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 162.

1125 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 162.

Der Holismus bzw. methodologische Kollektivismus steht dieser Betrachtung diametral gegen-über und fokussiert sich inhaltlich auf Kollektive in denen einzelne Individuen nur eine geringe Bedeutung entfalten.1126 Laut HIRSCHMANN haben individuelle Akteure in Unternehmen drei Handlungsoptionen, wenn es um moralische Handlungen geht.1127 Dies sind: exit (= ausscheiden aus dem Unternehmen), voice (= Auflehnung gegen die wahrgenommenen Missstände) oder loya-lity (= Akzeptanz der Gegebenheiten).1128 Sollten die Kosten der einen oder anderen Option, im Verhältnis zu den Gewinnen, für den individuellen Akteur zu hoch sein, kann kaum erwartet wer-den, dass sich der Akteur für einen negativen Nutzen entscheidet.1129

Durch die Regeln der Unternehmen und den erwarteten Konformitätszwang in Bezug auf diese Regeln wird der individuelle Akteur durch die Organisation in seiner Entscheidungsfreiheit limi-tiert.1130 Die individuellen Akteure lassen sich bereitwillig auf diese Limitierung ein, da sie sich durch den Beitritt in Unternehmen eine Erhöhung ihrer eigenen Erträge erwarten, als wenn sie beispielsweise alleine agieren würden.1131 Diese Steigerung bezeichnet WIELAND wie bereits be-schrieben als Kooperationsrente (Vgl. Abbildung 34).1132

Diese Limitierungen führen nach FESTINGER jedoch zu kognitiven Dissonanzen, wenn die Überzeugungen des individuellen Akteurs nicht mit denen des Unternehmens korrelieren.1133 Die individuellen Akteure versuchen jedoch eine Kohärenz, Harmonie, Konsistenz, Kongruenz zwi-schen ihren eigenen Überzeugungen und denen des kollektiven Akteurs herzustellen, um zu einer inneren Harmonie zu finden.1134 Die Anpassung der ´falschen´ an die ´wahren´ Überzeugungen ist für den individuellen Akteur aber, aufgrund von Zwängen, kulturellen Rahmenbedingungen bzw.

allgemeinen Überzeugungen nicht einfach und resultiert nicht selten darin, dass eigene Überzeu-gungen ex post angepasst werden bzw. für falsch gehalten werden.1135 Dieser Anpassungsprozess basiert auf Rationalisierungen und unbewussten Manipulationen der eigenen Überzeugungen die nur in Ausnahmefällen unwiderruflich feststehen (Vgl. Kapitel 2.2 und dort im Speziellen die Ausführungen von ARENDT u.a. auf Basis der Fußnote 136).1136 Gerade auch neue Mitarbeiter orientieren sich in ihrem Verhalten regelmäßig an Mitarbeitern, die der Organisation lange ange-hören und übernehmen pragmatisch Überzeugungen von Menschen, die sie in der neuen Organi-sation umgeben.1137 Abgesehen von zweifellosen moralischen Sachverhalten können individuelle Akteure somit nur bedingt für ihre eigenen Handlungen verantwortlich gemacht werden.1138 Indi-viduelle Akteure umgehen Unschärfe und die beschriebenen kognitiven Dissonanzen zur Schaf-fung einer inneren Kohärenz beispielsweise dadurch, das moralische Fragen ausgelassen werden und sie sich als reine Agenten bzw. Befehlsempfänger wahrnehmen.1139 Innerhalb von

1126 Vgl. Popper, K. (2003), Seite 67-73 zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 42.

1127 Vgl. Hirschmann, A.O. (1970), o.S. zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 72.

1128 Vgl. Bowles, S. (2014), Seite 482; Hirschmann, A.O. (1970), o.S. zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 72.

1129 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 72-73.

1130 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 73, 133; Wieland, J. (2005a), Seite 154.

1131 Vgl. Homann, K. (1995), Seite 5; Wieland, J. (2005a), Seite 154; Wieland, J. (2007), Seite 57.

1132 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 154; Wieland, J. (2007), Seite 58.

1133 Vgl. Festinger, L. (1957), Seite 9f. zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 81.

1134 Vgl. Festinger, L. (1957), Seite 260 zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 81.

1135 Vgl. Festinger, L. (1957), Seite 4-9, 21-24 zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 81.

1136 Vgl. Festinger, L. (1957), Seite 265 zitiert nach Neuhäuser, C. (2011), Seite 81; Williams, B. (1986), Seite 16.

1137 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 82, 159.

1138 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 83.

1139 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 85.

onen sind individuelle Akteure evidenzbasiert nur dann loyal, auch in Bezug auf ihre eigenen Überzeugungen, wenn sie von der nach HIRSCHMAN beschriebene Exitoption frei von größeren Schwierigkeiten Gebrauch machen können und die Organisation verlassen oder die Voiceoption frei von nachteiligen Folgen nutzen können, um ihre Meinung zu äußern.1140

Kollektive moralische Akteure fußen ihre Identität somit nicht auf Basis der Summe und Verein-heitlichung individueller Präferenzen,1141 sondern auf die Festlegung und Dominanz eigener mora-lischer Präferenzen durch das Unternehmen.1142 Sie legitimieren ihre Existenz durch die morali-sche Verantwortung, die ihnen die jeweilige Gesellschaft zuteilt.1143 Ferner sind moralische Akteu-re das Ergebnis der von der Gesellschaft unterstellten Fähigkeit moralische Probleme zu lösen.1144 Die von WIELAND geteilte Auffassung, dass kollektive Akteure moralische Verantwortung tra-gen, resultiert in:

1) einer Entlastung der individuellen Akteure durch die teilweise Abnahme der entsprechen-den Verantwortung durch die Unternehmen.1145

2) einer Gestaltungsverpflichtung der Unternehmen, die aufzeigt, inwiefern die individuellen Akteure moralische Verantwortung tragen.1146

Die Zusammenhänge der Tugend kollektiver Akteure lassen sich verkürzt wie folgt resümieren:

Tabelle 12: Tugendmatrix kollektiver Akteure1147

NEUHÄUSER teilt WIELAND´s Meinung, dass Unternehmen moralische Akteure sind, die zu moralischem Handeln anleiten können.1148 Die Unternehmen können mithin politische und öko-nomische Anreize genauso verarbeiten, wie mit zugeschriebener Verantwortung und moralischen

1140 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 168.

1141 Vgl. Wieland, J. (2007), Seite 53.

1142 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 155.

1143 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 155.

1144 Vgl. Wieland, J. (2005a), Seite 155.

1145 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 86.

1146 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 86.

1147 In Anlehnung an: Wieland, J. (2005a), Seite 157.

1148 Vgl. Neuhäuser, C. (2011), Seite 32.

Vorwürfen umgehen.1149 Unternehmen können sowohl überlegen, als auch auf moralischer Grund-lage handeln.1150

Auf Grundlage dieses Resümees lässt sich erklären, in wie weit es einen Zusammenhang zwi-schen den Tugenden der individuellen und kollektiven Akteure innerhalb von Organisationen an-zunehmen ist.1151 Es erscheint eine Überschneidung individueller und kollektiver Verantwortung wahrscheinlich.1152 Die bisherigen Ausführungen in diesem Kapitel führen somit explizit nicht da-zu, dass individuelle Akteure vollständig aus der Verantwortung entlassen werden.1153