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Nuyts’ Modell der funktionalen Faktoren

Nach den vorangehenden Überlegungen sollen nun die von Nuyts aufgestellten funktionalen Faktoren präsentiert werden. Die Wahl des Modells von Nuyts als die Grundlage für die vorliegende Korpusanalyse lässt sich damit begründen, dass es in der einzigen Arbeit entwickelt wurde, in der nicht nur eine Ausdrucksklasse der epistemischen Modalität, sondern alle vier in Frage kommenden Kategorien erfasst werden. An dieser Stelle werden lediglich die von ihm ermittelten, für die eine oder die andere Ausdrucksklasse relevanten funktionalen Faktoren und sei‑

ne diesbezüglichen globalen Ergebnisse vorgestellt, ohne eine kritische Reflexion anzustreben. Eventuelle Modifizierungen werden an den entsprechenden Stellen während der Korpusanalyse bzw. in den zusammenfassenden Abschnitten vorge‑

schlagen und im abschließenden Kapitel der Arbeit systematisiert.

Wie bereits erwähnt, untersucht Nuyts (2001a) epistemische Modalwörter (mo-dal adverbs), prädikativ verwendete epistemische Adjektive (mo(mo-dal adjectives), ko‑

63 Ganz ähnlich formuliert Palmer (2001: 8): „with evidential modality they [speakers – K.H.] indicate the evidence they have for its [the proposition’s – K.H.] factual status“ (meine Hervorhebung). Legt man eine solche Definition von Evidentialität zugrunde, dürfte eine Überlappung von Evidentialität und Epistemizität eigentlich gar nicht angenommen werden, denn Letzteres setzt per definitionem voraus, dass der Sachverhalt weder als faktisch, noch als nicht faktisch behauptet werden kann. Gerade diesbezüglich wird jedoch in den meisten Bestimmungen von Evidentialität etwas vage formuliert, vgl.

die Zitate in Anm. 50.

gnitive Prädikate (mental state predicates) und Modalverben (modal auxiliaries), vgl. seine Beispiele:

(24) Maybe/probably/certainly/… they have run out of fuel. (Modalwort) (25) It is possible/probable/likely/certain/… that they have run out of

fuel. (epistemisches Adjektiv)

(26) I think/believe/… they have run out of fuel. (kognitives Prädikat) (27) They may/might/must/… have run out of fuel. (Modalverb) (Nuyts

2001a: 29)

Er nimmt dabei oft auf das Englische Bezug, basiert seine Analyse jedoch auf der eingehenden Korpusuntersuchung je eines repräsentativen exemplarischen Ver‑

treters dieser Ausdrucksklassen im Deutschen und Niederländischen, nämlich dt.

wahrscheinlich/ndl. waarschijnlijk in der adjektivischen und der adverbialen Ver‑

wendung, dt. glauben/ndl. denken und dt. können/ndl. kunnen. Er ermittelt vier funktionale Faktoren als relevant für die Wahl zwischen den Ausdrucksklassen, und zwar:

a) subjektive vs. intersubjektive Evidentialität, d.h. die Darstellung, die Per‑

spektivierung der epistemischen Qualifikation als basierend auf subjekti‑

vem Sprecherwissen, so dass der Sprecher quasi alleine die Verantwortung dafür übernimmt, oder als basierend auf Evidenzen, die auch anderen zu‑

gänglich sind (Nuyts 2001a: 33ff., s. Abschnitt 3.2.2.):

(28) I think they have run out of fuel. (subjektiv) vs.

(29) It is probable that they have run out of fuel. (intersubjektiv)

Während in (28) die epistemische Einschätzung durch die Verwendung eines kog‑

nitiven Prädikates in der 1. Person Singular Präsens eindeutig auf die Sprechero‑

rigo rückgebunden ist, bewirkt in (29) die bei der Verwendung des epistemischen Adjektivs notwendige Matrixsatzstruktur mit expletivem Subjekt und Kopulaverb sozusagen eine Entbindung vom Sprecher als Quelle des Faktizitätsurteils, und da‑

durch einen Intersubjektivitätseffekt.

b) Performativität vs. Deskriptivität, d.h. ob die epistemische Qualifikation die aktuelle Einschätzung des Sprechers oder die Einschätzung einer anderen Person bzw. des Sprechers zu einem vergangenen Zeitpunkt darstellt (Nuyts 2001a: 39ff.):

(28) I think they have run out of fuel. (performativ) vs.

(30) John thinks they have run out of fuel. (deskriptiv) und

(31) I thought they had run out of fuel. (deskriptiv) (Nuyts 2001a: 39)

Wie aus den Beispielen ersichtlich, geht die Verwendung eines kognitiven Prädi‑

kats natürlich notwendigerweise mit der eindeutigen Signalisierung der Performa‑

tivität bzw. der Deskriptivität der epistemischen Qualifikation einher. In einem Matrixsatz mit einem epistemischen Adjektiv bzw. bei der Verwendung eines Mo‑

dalverbs ist in dieser Hinsicht nur das Tempusform der konjugierten Verbform re‑

levant: Präteritale, daher deskriptive Verwendungen sind v.a. in Erzählungen über vergangene Geschehnisse und bei den Modalverben tendenziell in der erlebten Rede möglich.

c) Informationsstruktur, d.h. ob die epistemische Qualifikation selbst fokus‑

siert wird, was sich möglicherweise u.a. in dem Vorliegen einer besonderen Wortfolge oder syntaktischen Struktur manifestiert (Nuyts 2001a: 41ff.):

(32) It is highly improbable that they have run out of fuel. (fokal) vs.

(33) They have probably run out of fuel. (nicht fokal)

Die Matrixsatzstruktur mit einem epistemischen Adjektiv ermöglicht prinzipiell die Fokussierung der epistemischen Qualifikation. In (32) ist sie, bedingt durch die Graduierung und die negative Form des Adjektivs in der Tat maximal fokal.

Dagegen stellt (33) mit der gegebenen Wortfolge den informationsstrukturell absolut neutralen Fall dar.

d) Diskursstrategie, d.h. ob der Sprecher mit der epistemischen Qualifikation – meistens aus Höflichkeitsgründen – eine für das Verhältnis zwischen ihm und dem Hörer relevante diskursstrategische Wirkung erzielt (Nuyts 2001a:

44f.):

(34) ja ich glaube das haben wir doch sehr deutlich gesagt (Beleg (165) von Nuyts 2001a: 165)

In (34) ist der Sprecher natürlich überzeugt, dass sie sich schon deutlich und ein‑

deutig zum gegebenen Thema geäußert haben. Um jedoch die Schärfe dieses Hin‑

weises zu mildern, verwendet er das kognitive Prädikat, wodurch er den Effekt be‑

wirkt, dass er lediglich seine subjektive Meinung zum Ausdruck bringt, wofür nur er verantwortlich ist und die sich im Grunde genommen auch als unbegründet, nicht zutreffend erweisen könnte.

Aufgrund der Korpusuntersuchungen wird von Nuyts folgende Merkmalsmat‑

rix für die einzelnen Ausdrucksklassen aufgestellt:

epistemic qualification (probability of the SoA) evidentiality:

(inter)subjectivity + ++ (–)

performativity:

descriptive use (+) + (–)

information structure:

focalized use ++ (+)

discourse strategy:

mitigation +

argument management + +

adverb adjective ms-predicate auxiliary

Abbildung 3:64 Faktoren bei der Verwendung der epistemischen Ausdrucksklassen nach Nuyts (2001a: 227, Figure 3. Factors in the use of epistemic expression types)

Aus Abbildung 3 geht hervor, dass die subjektive Perspektivierung der epistemi‑

schen Qualifikation den entscheidenden Faktor für die Verwendung eines kogni‑

tiven Prädikats, und die Fokussierbarkeit den maßgebenden Faktor für die Wahl eines prädikativ verwendeten epistemischen Adjektivs darstellen. Gegenüber die‑

sen beiden Ausdrucksklassen sind Modalwörter und Modalverben hinsichtlich der ermittelten funktionalen Faktoren weitgehend neutral. Nach Nuyts (2001a: 228) könnten zwei Faktoren bei der Wahl zwischen einem Modalwort und einem Mo‑

dalverb eine Rolle spielen. Einerseits markieren Modalwörter spezifische, ziemlich genau skalierbare Werte auf der epistemischen Skala, während Modalverben als z.T. stark grammatikalisierte Ausdrücke in dieser Hinsicht vager sind. Anderer‑

seits, und wichtiger noch, gibt es auch nicht epistemische Modalwörter, und die Modalverben können ja auch nicht epistemisch gebraucht werden. Nun besteht in den von Nuyts untersuchten Sprachen eine syntaktische Tendenz gegen die Häu‑

fung von Modalwörtern bzw. Modalverben, so dass – falls mehrere semantische Dimensionen in einer Äußerung ausgedrückt werden, für die Modalwörter oder Modalverben verwendet werden können – diese Last auf die beiden Ausdrucks‑

klassen verteilt wird.

64 ++: der wahrscheinlich wichtigste Faktor bei der Verwendung der jeweiligen Ausdrucksklasse, +: der Faktor ist häufig für die Wahl des jeweiligen Ausdrucks verantwortlich,

(+): die Wahl des Ausdrucks kann durch diesen Faktor bedingt sein und ist es manchmal tatsächlich, (–): eine geringe Tendenz zur Relevanz des Faktors,

–: die Wahl der Ausdrucksklasse ist nie auf diesen Faktor zurückzuführen (Nuyts 2001a: 102f., 227).

probability of the SoA: D.h. Sachverhalt (state of affairs).

ms‑predicate: kognitives Prädikat (mental state predicate).

5. Ausdrucksmittel der epistemischen Modalität