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5. Ausdrucksmittel der epistemischen Modalität im Deutschenim Deutschen

5.3. Epistemische Modalwörter und Adjektive

5.3.1. Theoretischer Hintergrund

5.3.1.1. Modalwörter

5.3.1.1.1. Modalwörter im System der Wortarten des Deutschen

Modalwörter171 lassen sich sowohl unter syntaktischen, als auch unter semantisch‑

funktionalen Aspekten von den Adverbien172 und den Partikeln bzw. von den an‑

deren unflektierbaren Wortarten des Deutschen abgrenzen. Syntaktisch zeichnen sich Modalwörter durch folgende Eigenschaften aus:

1. Da sie propositionalen Skopus haben,173 sind sie in einen Matrixsatz transfor‑

mierbar, wobei der propositionale Gehalt in Form eines dass‑Satzes ausgedrückt wird. Im jeweiligen Matrixsatz tritt dann gewöhnlich das adjektivische Pendant zum Modalwort auf (Bartsch 1972: 20, Hoberg 1973: 89, Helbig/Helbig 1993: 18):

(162) Aber es muss sich niemand Sorgen machen, dass die jungen Frauen nun arbeitslos werden könnten. An der Aktion war kein einziger Po‑

lizist beteiligt. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es zu einer An‑

zeige oder gar zu einer Festnahme kommt. „Heute haben wir 200 ge‑

171 In der deutschsprachigen Fachliteratur wird die Verwendung des Terminus „Modalwort“ gegenüber

„Satzadverb“ bevorzugt, vgl. Gulyga (1977), Starke (1977), Clément (1980), Dieling (1985, 1986a, 1986b) und Helbig/Helbig (1993). Ballweg (2007) verwendet den Begriff „Modalpartikel“ (vgl. auch Diewald 2007: 119, Tabelle 1), was m.E. etwas irreführend wirkt, werden doch die Abtönungspartikeln in vielen Arbeiten (z.B. Thurmair 1989) so bezeichnet. Im Folgenden verwende ich die Termini „Modalwort“ und

„Satzadverb“ als Synonyme.

172 Satzadverbien und Adverbien verhalten sich oberflächensyntaktisch oft gleich (Helbig/Helbig 1993:

16f.), denkbar sind auch ambige Sätze wie z.B. Eltern können die Medienwirkung des Kinobesuches auf ihre Kinder sicher einschätzen. Im Korpus liegen keine solchen Belege vor, der Beispielsatz ist aus einem der wenigen Belege konstruiert worden, in denen die adverbiale Verwendung von sicher vorliegt: Eltern haben schlichtweg oft nicht die Möglichkeit, sich in allen Fällen vorab so umfassend zu informieren, dass sie die Medienwirkung des Kinobesuches auf ihre Kinder sicher einschätzen können. (BT 17. Januar 2003).

173 Genauer gesagt haben können, denn in vielen Fällen ist der Skopus des Satzadverbs eindeutig enger, vgl.:

Bis zu 40 Prozent aller Arten könnten aussterben und Trockenheiten würden zehn Millionen – vielleicht sogar Hunderte von Millionen Menschen – zu Flüchtlingen machen. Allein in Afrika, das besonders betroffen wäre, müssten hunderte Millionen mit Ernteausfällen rechnen. (SZ 30. Oktober 2006 Britischer Umweltbericht).

fälschte Rucksäcke sichergestellt, einer im Wert von 150 Yuan – das ist etwa die Hälfte dessen, was wir für eine Anzeige bräuchten“, wird Michael Feng später sagen. (SZ 28. Juni 2006 Produktpiraterie)174

2. Modalwörter sind, im Gegensatz zu den Adverbien, durch einen Schaltsatz pa‑

raphrasierbar – in der Parenthese steht dann ein kognitives Prädikat (Helbig/Hel‑

big 1993: 18):

(163) Der sprach einen auffälligen Dialekt, wo das R so gerollt wird wie im Englischen. Das war, glaube ich, Sauerländisch. Ich finde es übrigens unglaublich kleinka riert, wenn Leute an Dialekten herummeckern.

Es gibt keine Dialekte, die schlechter sind als andere. (Goldt 99)

3. Modalwörter können, im Gegensatz zu den anderen nicht flektierbaren Wortar‑

ten, alleine im Vorfeld, vor dem finiten Verb auftreten (Hetland 1992: 16):

(164) Ich fühlte mich angenehm müde. Ich hätte jetzt heimgehen müssen, aber ich hatte keine Lust dazu. Vielleicht würden sie mich ja doch einla den, hier oben zu übernachten. (Prosa 59)

4. Modalwörter können Entscheidungsfragen, jedoch keine Ergänzungsfragen beantworten (Gulyga 1977: 87, Starke 1977: 201, Helbig/Helbig 1993: 19, Ballweg 2007: 547):

(165) Ziehen Sie hier ein? frag te der Mann am Steuer. Ja, vielleicht, sagte ich. Beide musterten mich. (Prosa 81)

5. Modalwörter sind selber nicht erfragbar (Hoberg 1973: 90, Doherty 1985: 14, Dieling 1985: 208, Helbig/Helbig 1993: 19).

6. Modalwörter weisen – in unterschiedlichem Ausmaß – Satzmodusrestriktionen auf (vgl. Gulyga 1977: 86f., Lang 1979: 206,175 Dieling 1985: 209f., Helbig/Helbig 1993: 19). Im Korpus überwiegt ihre Verwendung in Deklarativsätzen. In Interro‑

gativsätzen, nämlich in Entscheidungsfragen, ist lediglich vielleicht belegt:176

174 Dies ist als syntaktischer Test zur Abgrenzung der Satzadverbien sicherlich legitim. Tatsächlich belegt ist diese Struktur – zumindest was die hier erfassten epistemischen Satzadverbien anbelangt – jedoch relativ selten, weil sie – wie auch aus (162) ersichtlich – unter speziellen Bedingungen verwendet wird (s. dazu Abschnitt 5.3.1.2.). Mit den Paraphrasentests wird aber generell auch nicht beansprucht, dass eine funktionale Äquivalenz oder eine irgendwie gerichtete Ableitungsrelation zwischen den jeweiligen Sätzen besteht.

175 Da Satzadverbien nach Lang (1979: 204) Satzoperatoren sind, können sie nicht auftreten, wenn ein Nicht‑Satzadverb‑Operator bereits vorhanden ist, d.h. in Frage‑, Imperativ‑ und Wunschsätzen (Lang 1979: 206). Das scheint zu implizieren, dass er keinen Operator bei Aussagesätzen annimmt. Dem wi‑

derspricht aber die in Lang (1983) vorgelegte Analyse.

176 Zifonun (1982: 46ff.) und Dieling (1985: 209) weisen darauf hin, dass vielleicht auch in Fragesätzen vorkommen kann. Ferner geht Zifonun davon aus, dass auch sicher und bestimmt (als Satzadverbien)

(166) Ist die neue EU zu groß, ist sie zu vielfältig, um geschlos sen handeln zu können? Sackt sie ab? Ist vielleicht sogar der Traum vom geeinten Europa ausgeträumt? (EU 10)

Eine etwas andersartige Verwendung liegt im Falle von solchen Fragen mit einem gewöhnlich betonten Modalwort vor, die auf eine Äußerung folgen, die dasselbe Modalwort enthält, in denen also das Modalwort aus der vorangehenden Äuße‑

rung wiederholt wird – in diesem Fall fungiert jedoch das Modalwort nicht mehr als primärer, sondern als sekundärer Einstellungsausdruck, d.h. es wird eine Vor‑

gängeräußerung vorausgesetzt (Dieling 1985: 208).

Andererseits weist Dieling (1985: 209) darauf hin, dass Modalwörter wie wirk-lich und tatsächwirk-lich i.d.R. als sekundäre Einstellungsindikatoren verwendet wer‑

den: Im Gegensatz zu den primären Einstellungsindikatoren tragen sie oft den Hauptakzent und können erfragt werden:177

(167) Braucht Europa wirklich so viel Einigung jetzt und hier und dazu noch alles auf einmal? (EU 46)

(168) Glauben Sie tatsächlich, dass Sie und andere sich dafür einsetzen werden, dass wir ab 2004 wieder zu einem 70‑prozentigen Finanzie‑

rungsanteil zurückkehren? (BT 17. Januar 2003)

7. Modalwörter sind nicht fokusfähig, d.h. können nicht den Hauptakzent tragen (Lang 1979: 207).178

8. Modalwörter können nicht im Skopus eines andersartigen Operators stehen.

Sie können daher einerseits nicht im Skopus eines Quantifikationsoperators wie immer auftreten (Lang 1979: 207), andererseits können Satzadverbien selber nicht negiert werden,179 folglich tritt die Negationspartikel nicht immer nach, nicht aber

in Fragen, nämlich in negierten Fragen auftreten können, vgl. Hast du sicher / bestimmt nicht zuwenig geschlafen? (Zifonun 1982: 48). Nach Rosengren (1984: 163f.) ist sicher (auf bestimmt geht sie nicht ein) nicht nur in negierten Fragen möglich, vgl. Hast du den Brief auch sicher weggeschickt? (Rosengren 1984:

164). Dagegen meint Dieling (1985: 209), dass nur Hypothesenindikatoren, nicht aber Satzadverbien des Glaubens oder Wissens, wie sicher und zweifellos (die einen stärkeren Grad der Vermutung ausdrücken) in Fragesätzen auftreten können.

177 Ferner können sie auch alleine eine Vergewisserungsfrage bilden, vgl. Ob ich packen lassen will oder selber packe, wird gefragt, «Das mach ich schon selber.» — «Wirklich?» Der Umzugsberater scheint mir nichts zuzutrauen. «Ja, wirklich, das schaff ich schon.» — «Ganz wie Sie meinen.» (Goldt 125). Alle einschlägigen Belege stellen Vergewisserungsfragen dar.

178 Hierfür gibt es mindestens zwei Arten von Ausnahmen: Erstens können Satzadverbien durchaus im Skopus einer Grad‑ oder Fokuspartikel stehen und auf diese Weise fokussiert werden (vgl. Hetland 1992: 235f., 1993: 115), wie in Die unterschiedlichsten Teile einer Gesellschaft sind so eng miteinander ver flochten, dass Veränderungen in einem Teilsystem sehr wahrscheinlich sofort auch zu Veränderungen in anderen Teilsystemen führen. (Soz 95), zweitens können sie auch kontrastiert werden, vgl. Anm. 186.

179 Falls Normalbetonung vorliegt. Bei Kontrastierung mit einem anderen Satzadverb ist die Negation des ersten durchaus möglich, vgl. Helbig/Helbig (1993: 20) und Hetland (1992: 19). In diesem Fall fungiert

vor dem Satzadverb auf. Negiert wird selbstverständlich die eingebettete Proposi‑

tion (Bartsch 1972: 34, Hoberg 1973: 89, Lang 1979: 207, Doherty 1985: 14, Dieling 1985: 208, Helbig/Helbig 1993: 19):

(169) Die Wachstumsprognosen werden im Jahreswirtschaftsbericht Ende dieses Monats formuliert werden. Ein vorläufiger Jahresabschluss der Rentenversicherungsträger wird wahrscheinlich nicht vor Mitte Februar vorliegen. (BT 17. Januar 2003)

9. Modalwörter können, da sie keine Satzglieder sind, nicht durch eine Pro‑Form ersetzt werden (Bartsch 1972: 19, Helbig/Helbig 1993: 20).

10. Modalwörter können nicht kompariert werden (Lang 1979: 207, Helbig/Helbig 1993: 20).

11. Modalwörter sind grundsätzlich nicht mittels einer Konjunktion koordi‑

nierbar,180 sehr wohl aber miteinander kombinierbar (Lang 1979: 207, Helbig/Hel‑

big 1993: 20f., Ballweg 2007: 547), wobei das erste das zweite gewöhnlich in seinem Skopus hat. Die Möglichkeit der Kombination bezieht sich auf Modalwörter unter‑

schiedlicher Subklassen181 und ist lediglich von der semantischen (In‑)Kompatibi‑

lität der betreffenden Modalwörter abhängig (Dieling 1985: 209, Hetland 1992: 25, 229):

(170) Wann immer über das Thema Humor populär referiert wird, kommt offenbar unvermeidlicherweise ein Zitat von Charlie Chaplin zum Vorschein, welches besagt, daß ein Tag, an dem man nicht gelacht habe, ein verlorener Tag sei. (Goldt 118)

12. Modalwörter können nicht in explizit performativen Äußerungen vorkommen (Helbig/Helbig 1993: 21).

Während über die syntaktischen Charakteristika der Modalwörter weitge‑

hend Konsens herrscht, und die einschlägigen Arbeiten sich lediglich darin un‑

terscheiden, welche der oben erfassten Eigenschaften genannt werden, wird ihre semantisch‑funktionale Leistung in der Fachliteratur unterschiedlich beurteilt.

das erste Modalwort allerdings als sekundärer Einstellungsausdruck und setzt eine Vorgängeräußerung voraus. Solche Belege liegen im Korpus mit epistemischen Satzadverbien nicht vor. Eine Ausnahme für die Nicht‑Negierbarkeit stellt zumindest das Satzadverb wirklich dar, vgl. Doch aus heutiger Sicht war dabei Europa nicht wirklich eine gleichmäßige und innerlich gleichartige Einheit. (EU 109).

180 Vgl. dagegen Hetland (1992: 233f.), die festhält, dass Koordination von Satzadverbien zwar selten, aber durchaus möglich ist, und dies auch mit Belegen untermauert. S. auch Anm. 188.

181 Bartsch (1972) widmet den Kombinationen von Adverbien ein eigenes Kapitel, in dem Koordinations‑

und Kombinationsmöglichkeiten von Satzadverbien untereinander gesondert behandelt werden.

Demnach sind Mitglieder von lediglich drei von ihren sieben Klassen, jeweils mit anderen Elementen derselben Klasse, mit und bzw. oder koordinierbar, vgl. Bartsch (1972: 227ff.). (Keine dieser Klassen enthält epistemische oder evidentielle Satzadverbien.) Im Vergleich dazu konstatiert Bartsch bedeutend größere Kombinationsmöglichkeiten (sie spricht hier von „Nebenordnung“), vgl. Bartsch (1972: 218ff.).

In Bartsch (1972) werden Satzadverbien (zumindest die der Klassen K0 und K1,182 also vermutlich, hoffentlich, sicher(lich), wahrscheinlich sowie bedauerlicherwei-se, erstaunlicherweise usw.) als Operatoren (Bartsch 1972: 28f.) und performative Ausdrücke (Bartsch 1972: 52ff.) behandelt. Die Analyse der bzw. bestimmter Satz‑

adverbien als performative Ausdrücke wurde von Lang und Steinitz (1978) über‑

zeugend widerlegt. Nach Lang (1979 und 1983) sind Satzadverbien Satzoperatoren, und zwar „Einstellungsoperatoren, die Propositionen in bewertete Äußerungen überführen“ (Lang 1979: 208).183 Nach einer kritischen Reflexion auf seine Arbei‑

ten argumentiert Rosengren (1984) gegen Langs Gleichsetzung von propositiona‑

ler Repräsentiertheit und Über‑etwas‑Sprechen und bemängelt, dass er zwischen Einstellungsbekundung und Einstellungsbezeugung nicht unterscheidet: Über die jeweilige Sprechereinstellung wird nämlich nur im Falle einer Einstellungsbezeu‑

gung gesprochen (Rosengren 1984: 159f.). Obwohl das Satzadverb in Langs Bei‑

spielen (s. Anm. 190) nach ihr Teil des propositionalen Inhalts bildet, wird jedoch nicht über die Einstellung gesprochen, d.h. es wird keine Einstellung bezeugt, son‑

dern es liegt eine Einstellungsbekundung vor.

Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass Modalwörter keine performativen Ausdrü‑

cke sind, aber sehr wohl den jeweiligen propositionalen Inhalt in ihrem Skopus haben, auf diesem operieren. Mit ihnen wird die Einstellung des Sprechers ausge‑

drückt, bekundet, es wird aber nicht über sie gesprochen. Im folgenden Abschnitt werden kurz die Subklassen der Modalwörter behandelt, und anschließend die hier interessierenden epistemischen Modalwörter erfasst.

182 Bartsch stellt aufgrund 42 logisch‑semantischer Transformationstests sieben (bzw. acht) Klassen von Satzadverbialen auf, wobei es aus ihrer Arbeit jedoch nicht hervorgeht, welchen Status sie den Tests zuschreibt. Anzumerken ist, dass die Durchführbarkeit der Tests nicht nur von den logisch‑

semantischen Eigenschaften des jeweiligen Satzadverbs, sondern z.T. auch davon abhängig ist, ob es die für die Tests nötigen lexikalischen Einheiten überhaupt gibt (so ist es etwa nicht möglich, einen Satz mit wahrscheinlich oder möglicherweise in einen Satz mit einem Matrixsatz mit einem aus dem Stamm des Satzadverbs gebildeten Verb in der 1. Singular zu überführen), vgl. auch Lang/Steinitz (1976: 143ff.), Helbig/Helbig (1993: 22f.).

183 Anhand des Beispiels Wahrscheinlich schläft Hans hier. (Lang 1979: 210) hält Lang fest, dass „die dem wahrscheinlich entsprechende semantische Struktur nicht Teil der propositionalen Bedeutung“ ist: „die mit wahrscheinlich bezeichnete Einstellung gehört nicht zur aktualen Welt, über die gesprochen wird, sondern ist eine Einstellung, mit der über W0 gesprochen wird“ (Lang 1979: 210 – Hervorhebung im Original). Analoges gilt für Leider p. (Lang 1983: 328): Leider gehört nicht zum propositionalen Inhalt, die Bedauernseinstellung wird direkt ausgedrückt, und zwar präreflexiv, d.h. sie ist nicht Gegenstand einer weiteren Einstellung: „Die durch Leider p signalisierte Einstellung ist die Einstellung, mit der der Sprecher […] etwas sagt, es ist nicht die Einstellung, über die er etwas sagt.“ (Lang 1983: 329 – Hervorhebung im Original). In diesem Sinne werden mit Satzadverbien Einstellungen ausgedrückt, es wird nicht über Einstellungen gesprochen (Lang 1979: 212). Pragmatisch gesehen fungieren Satzadverbien als Kommentare, nicht als Behauptungen (Lang 1979: 213).

5.3.1.1.2. Die Subklassifizierung der Modalwörter, die epistemischen Modalwörter

Die Modalwörter werden aufgrund ihrer Semantik184 gewöhnlich in zwei bis fünf große Subklassen geteilt, die eventuell noch weiter untergegliedert werden. So unterscheiden Lehmann/Spranger (1966: 245ff.) fünf Klassen der Modalwörter,185 wobei einerseits in bestimmten Fällen Mehrfachzuweisungen vorliegen, v.a. in der Relation verstärkende bzw. bejahende/verneinende Modalwörter, vgl. sicher und gewiss,186 andererseits betrachten sie auch solche Lexeme als Modalwörter, die man vielleicht eher als Partikeln einordnen könnte, vgl. einige ihrer bejahenden/ver‑

neinenden sowie die zusammenfassenden, begründenden Modalwörter (s. auch Helbig/Helbig 1993: 32ff.). Eine eher minimalistische Position im Vergleich zu den obigen fünf Subklassen vertritt Gulyga (1977: 83ff.), die zwei große Untergruppen annimmt,187 wobei sie festhält, dass „die eigentlichen Modalwörter“ (Gulyga 1977:

84), die zentralen Mitglieder die vermutenden Modalwörter sind.

Dieling (1986b) schlägt eine aufgrund der Hierarchisierung von drei semanti‑

schen Merkmalen ([+/–modal], [+/–distanz] und [+/–emot]) erarbeitete Subklas‑

sifikation in vier Modalwortklassen vor,188 während Helbig/Helbig (1993: 56ff.) in einer Grobklassifizierung fünf Arten von Modalwörtern unterscheiden, und zwar anhand der Art der jeweiligen Sprechereinstellung.189 Die von ihnen vorgeschlage‑

184 Die von Clément (1980) rein syntaktisch, aufgrund ihrer Distribution und Kombinierbarkeit ermit‑

telten sechs Subklassen stimmen nicht vollständig mit auf einer semantisch‑funktionalen Grundlage gewonnenen Subklassen überein.

185 Nämlich potentielle (vielleicht, kaum usw.), verstärkende (offenbar, selbstverständlich usw.), einschätzende (leider usw.), bejahende und verneinende (ja, doch, gewiss, nein usw.) Modalwörter sowie Modalwörter, die eine Aussage zusammenfassen oder begründen (übrigens, schließlich, eigentlich usw.).

186 Sie merken selber an, dass die Semantik der bejahenden Modalwörter gewisse Gemeinsamkeiten mit den verstärkenden Modalwörtern hat, meinen aber, dass „der Grad der Bestimmtheit […] mit entspre‑

chender intonatorischer Unterstützung bei den bejahenden Modalwörtern ausgeprägter [ist]“ (Leh‑

mann/Spranger 1966: 247).

187 Die der „vermutenden“ und „verstärkenden“ Modalwörter, die „die Realität des ganzen Sachverhaltes fragwürdig“ machen (Gulyga 1977: 88), wie z.B. vielleicht, wahrscheinlich, möglich, gewiss und wohl, und die der „einschätzenden“ Modalwörter, die „die subjektive Einstellung des Sprechers zur Aussage“

(Gulyga 1977: 85), „die Einstellung des Sprechers zum Sachverhalt“ (Gulyga 1977: 88) ausdrücken, wie z.B. glücklicherweise, hoffentlich, leider und schade. Ihre allgemeine Charakterisierung der Funktion der Modalwörter als „der Ausdruck der Modalität Vermutung/Gewißheit, der Ausdruck des Überzeugungsgrades des Sprechers von der realen Gültigkeit des Sachverhaltes seiner Aussage“ (Gulyga 1977: 83) widerspricht allerdings ihrer Subklassifizierung, denn die einschätzenden Modalwörter erfüllen gerade nicht die angegebene Funktion.

188 Nämlich Distanzwörter, die Äußerungen von Anderen wiedergeben (angeblich, vorgeblich: [+modal], [+distanz]), Modalisatoren, die „unterschiedlich graduierte und/oder motivierte Unsicherheit“ (Dieling 1986b: 207) bzw. Gewissheit ausdrücken (sicher, vielleicht, zweifellos: [+modal], [–distanz]), Emotiva (leider, freundlicherweise: [–modal], [+emot]) und Kommentarwörter, mit denen der Sprecher die Handlungen des Subjekts kommentiert (nützlicherweise, klugerweise: [–modal], [–emot]).

189 Die epistemischen Modalwörter (zweifellos, fraglos, tatsächlich) drücken eine Gewissheit („Gewißheitsindikatoren“), die doxastischen (wahrscheinlich, vielleicht) eine Annahme bzw. eine Unsicherheit aus („Hypothesenindikatoren“), und Distanzierungsindikatoren (angeblich, vorgeblich)

ne Subklassifizierung stimmt im Großen und Ganzen mit der von Dieling (1986b) überein, bis auf folgende Punkte: Die von Dieling (1986b) als eine Subklasse ange‑

setzten Modalisatoren teilen sie in zwei Klassen, indem sie zwischen Gewissheits‑

und Hypothesenindikatoren unterscheiden, je nachdem, ob es sich um eine Spre‑

chereinstellung des Wissens oder des Glaubens handelt, und sie verzichten auf eine Hierarchisierung von Merkmalen (vgl. Helbig/Helbig 1993: 61f.). Stattdessen ver‑

wenden sie die Merkmale [+/–factiv], [+/–Subjektbezug] und [+/–Sprecherbezug]

(vgl. Helbig/Helbig 1993: 48ff.) – im Einklang mit ihrer Zielsetzung, die Modal‑

wörter des Deutschen lexikographisch zu erfassen – nicht zur Charakterisierung von Modalwortklassen, sondern zur Beschreibung der einzelnen Modalwörter.

In den meisten Arbeiten wird also eine prinzipielle Zweiteilung der Modal‑

wörter vorgenommen, auch wenn mehr als zwei Subklassen angesetzt werden, und zwar auf der Grundlage, ob mit dem Modalwort die Sicherheit des Sprechers bezüglich der Faktizität des dargestellten Sachverhaltes ausgedrückt wird. Für die vorliegende Untersuchung sind gerade diese Modalwörter von Belang, so dass sie im Folgenden etwas detaillierter behandelt werden.

In den überblickten Subklassifizierungen werden die Gewissheits‑ und Hypo‑

thesenindikatoren als eine Klasse bzw. als zwei semantisch‑funktional einander nahe stehende Klassen von Modalwörtern betrachtet. In Bezug auf die vorliegen‑

de Analyse müssen allerdings zwei Punkte kurz angesprochen, und die Ausson‑

derung bestimmter Modalwörter aus der Gruppe der epistemischen Modalwörter begründet werden.

Erstens betrachten sowohl Dieling (1986b) als auch Helbig/Helbig (1993) nicht nur die genannten zwei Klassen, sondern auch die Distanzierungsindikatoren als modalisierend (Dieling 1986b: 207) bzw. als Ausdrücke der „Gewißheitsmodalität“

(Helbig/Helbig 1993: 57).190 Dies erinnert an die in Abschnitt 5.1.1.1. ausführlicher behandelte Frage, ob die quotativen Modalverben sollen und wollen als epistemisch betrachtet werden können, d.h. ob sie tatsächlich mit einer epistemischen Distan‑

zierung des zitierenden Sprechers einhergehen. Dort wurde gegen eine solche Be‑

handlung argumentiert, und die diesbezüglichen Überlegungen erscheinen auch

markieren, dass der Sprecher die Äußerung einer anderen Person wiedergibt. Diese drei Klassen haben gemeinsam, dass „sie eine Einstellung des Sprechers zum Grad und/oder zur Motivation der Sicherheit oder Verläßlichkeit ausdrücken, mit der er p äußert“ (Helbig/Helbig 1993: 57), im Gegensatz zu den übrigen zwei Klassen, den Emotiva (leider, erfreulicherweise), die eine emotionale Einstellung des Sprechers zum dargestellten Sachverhalt angeben, und den Bewertungsindikatoren, mit denen der Sprecher „eine rationale und qualitative Bewertung von p“ (Helbig/Helbig 1993: 58) ausdrückt. Die Mitglieder dieser fünf Modalwortklassen werden in Helbig/Helbig (1993: 58ff.) aufgelistet.

190 Dabei gehen Letztere explizit davon aus, dass mit ihnen der Sprecher darauf verweist, „daß er die Äu‑

ßerung Dritter wiedergibt, für die er sich nicht verbürgt, ja an der er Zweifel hegt“ (Helbig/Helbig 1993:

57). Dieling (1986b: 207) hält in diesem Zusammenhang nur fest, dass mit Distanzwörtern Äußerungen anderer Personen wiedergegeben werden, ohne dass er eine Distanzierung des Sprechers von der Zuver‑

lässigkeit der Äußerung erwähnen würde, allerdings weist er auch diesen Modalwörtern das Merkmal

„modalisierend“ zu, so dass man annehmen kann, dass er eine ähnliche Position wie Helbig und Helbig vertritt.

in Bezug auf die satzadverbialen Distanzierungsindikatoren gültig und relevant zu sein. Dass die Verwendung eines Distanzwortes nicht notwendigerweise mit einer Distanzierung des Sprechers vom Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Äußerung eines Anderen einhergeht, wird ferner durch die von Helbig/Helbig (1993: 77f.) in ihrem Lexikoneintrag angeführten Beispielsätze untermauert, wo sich u.a. folgen‑

de Sätze finden:

(171) Er war angeblich krank.

(172) Das Wetter war in ihrem Urlaub angeblich gut.

Im Falle von (172) besteht m.E. überhaupt kein Anlass anzunehmen, dass sich der aktuelle Sprecher von der Wahrheit der Aussage distanziert, dass das Wetter im Urlaub des zitierten Sprechers gut war. Und auch bei einer solchen Interpretation von (171) würde eine Distanzierung nicht von der Äußerung selbst bzw. von der Verwendung des Modalwortes ausgehen, sondern von bestimmten Wissensbestän‑

den der Gesprächspartner, dass z.B. die mit er bezeichnete Person vielleicht nicht immer die Wahrheit sagt, oder durch sein Wegbleiben vielleicht etwas Unange‑

nehmes vermeiden wollte. Aufgrund dieser Überlegungen bleiben die Distanzie‑

rungswörter in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert.

Zweitens scheinen die einander mehr oder weniger entsprechenden Subklassen der verstärkenden Modalwörter bei Lehmann und Spranger (genauer gesagt eine Unterklasse deren, nämlich die Modalwörter mit ausschließlich unterstreichen‑

der Semantik), der Modalisatoren bei Dieling bzw. der Gewissheitsindikatoren bei Helbig/Helbig auch nicht homogen zu sein: In diesen Arbeiten werden auch sol‑

che Modalwörter hierhin gerechnet, die einen Nachdruck, eine Bekräftigung zum Ausdruck bringen, z.B. natürlich, tatsächlich, wirklich, wahrhaftig, wahrlich (vgl.

Lehmann/Spranger 1966: 245f., Dieling 1986b: 207 und Helbig/Helbig 1993: 58), die die Einstellung des Sprechers „mit Nachdruck einer anderen entgegenstellen“

(Dieling 1986b: 207).191 Dafür, dass diese Vergewisserungswörter sich funktional nicht nahtlos in die Klasse der Gewissheitsindikatoren eingliedern, spricht m.E.

ihre Kombinierbarkeit mit den „richtigen“ Modalisatoren, die jedoch aus Gründen der semantischen Inkompatibilität untereinander nicht kombinierbar sind – man kann ja nicht gleichzeitig unterschiedlich sicher sein bezüglich der Faktizität ein und desselben Sachverhaltes:192

(173) Du hörst, wie jemand »Mein Gott« sagt, »Mein Gott, in diesem Al‑

ter«. Du tust so, als hättest du es nicht ge hört. Deine Frau wackelt

ter«. Du tust so, als hättest du es nicht ge hört. Deine Frau wackelt