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Die Konstitution der Kategorie „Modalverb“

5. Ausdrucksmittel der epistemischen Modalität im Deutschenim Deutschen

5.1. Die zentralen Modalverben

5.1.1. Behandlung in der Fachliteratur

5.1.1.1. Die Konstitution der Kategorie „Modalverb“

In Grammatiken des Deutschen bzw. in der Fachliteratur umfasst die extensional definierte Klasse der Modalverben traditionell die sechs Verben dürfen, können, mögen,68 müssen, sollen und wollen. Sie werden vorwiegend aufgrund ihres mor‑

phosyntaktischen Verhaltens als eine Gruppe aufgefasst, obwohl bzw. auch wenn immer wieder auf Unterschiede zwischen ihnen hingewiesen wird. So sind sie mit der Ausnahme von wollen Präteritopräsentia, erhalten in der 1. und 3. Per‑

son Singular Präsens keine Konjugationssuffixe, werden in periphrastischen For‑

men als Ersatzinfinitive realisiert, bilden keinen Imperativ und keine Passive und regieren den reinen Infinitiv.69 Die angeführten sechs Modalverben bilden den Kern der Kategorie, gewöhnlich werden sie alle in Arbeiten zu den Modalverben berücksichtigt,70 und zwar so, dass bei jedem sowohl nicht epistemische als auch epistemische Lesarten angenommen werden.71 In diesem Zusammenhang beste‑

hen Unterschiede lediglich darin, ob mögen und möchten zusammen oder getrennt behandelt werden.72

68 Ehlich/Rehbein (1972: 318, Anm. 3) weisen auf die Abspaltung der Konjunktiv II‑Form zu einem selbstständigen Verb hin, aber weigern sich noch, einen eigenständigen Infinitiv möchten anzusetzen.

Auch Zifonun et al. (1997: 1253) halten fest, dass die ehemalige Konjunktivform möchte‑ nur finit auftritt. Inzwischen findet die infinite Form möchten durchaus Verwendung, z.B. bei Reis (2001) und Vater (2004, 2010).

69 Weitere Abgrenzungskriterien sowie die jeweiligen Ausnahmen führt Öhlschläger (1989: 4f.) an. Im Gegenwartsdeutschen regieren nur noch die AcI‑Verben produktiv den 1. Status, d.h. den Infinitiv ohne zu (Reis 2001: 307). Um die Modalverben von den AcI‑Verben aufgrund der Rektion abzugrenzen, kann man mit Vater (2004: 14) ergänzend hinzufügen, dass nur Modalverben – im Gegensatz zu den AcI‑

Verben und den von Reis genannten Randgruppen, die noch den 1. Status regieren – auch den Infinitiv Perfekt des Vollverbs zulassen. Ein alternatives Abgrenzungskriterium gegenüber den übrigen Verben mit reiner Infinitivrektion, nämlich dass diese im Gegensatz zu den Modalverben neben dem Infinitiv auch den Akkusativ regieren, wird von Zifonun et al. (1997: 1253) genannt. Für einen Vergleich der morphosyntaktischen Eigenschaften der stärker grammatikalisierten englischen Modalauxiliare und der weniger grammatikalisierten deutschen Modalverben s. Heine (1993: 72ff.).

70 Eine Ausnahme stellt Kratzer (1981) dar, die wollen nicht als Modalverb anführt, s. Anm. 81.

71 Bei dürfen bzw. mögen natürlich mit dem Hinweis, dass eine epistemische Bedeutung nur bei der Konjunktiv II‑ bzw. der Indikativform vorliegen kann. Daher überrascht es, dass Heine (1995) in seinen konstruierten Testbeispielen nur indikativisches darf angibt, das dann natürlich als agent-oriented eingestuft wird.

72 Fourquet (1971: 155) gibt neben möchte für den objektiven Gebrauch mag nur in Klammern an, für den subjektiven Gebrauch nennt er nur mag. Ehlich/Rehbein (1972) führen mangels einer Infinitivform möchten zwar mögen an, klammern aber mögen in der „nicht modalen Bedeutung von ‘gern haben’“

aus und meinen darunter die selbstständig gewordene Konjunktiv II‑Form (Ehlich/Rehbein 1972: 318, Anm. 3). Sie lassen epistemisches indikativisches mögen unerwähnt, geben aber bei der epistemischen Verwendungsweise in Anlehnung an Wunderlich (1972) auch den Satz Udo möchte Champignons gefunden haben, mit quotativischem möchte an (Ehlich/Rehbein 1972: 334, 339). Vater (2004) behandelt mögen und möchten als zwei Modalverben, mit jeweils einer nicht epistemischen (etwa „gerne haben“

bzw. „den Wunsch haben“) und einer epistemischen Bedeutung, wobei er für möchten eine mit

„epistemischem“ wollen vergleichbare, d.h. quotative Lesart ansetzt (Vater 2004: 17, s. auch Vater 2010).

Als klassenkonstituierendes Merkmal der Modalverben gilt andererseits ihre Polyfunktionalität,73 dass sie sowohl nicht epistemisch (deontisch, zirkumstanziell usw.) als auch epistemisch verwendet werden können (vgl. u.a. Diewald 1993, 1999, Reis 2001, Vater 2004). An diesem Punkt besteht jedoch die Gefahr, dass die Ar‑

gumentation zirkulär wird, und zwar genau dann, wenn die oben genannte Liste der sechs Modalverben vorausgesetzt, und bei dem Argument bzw. Kriterium „Po‑

lyfunktionalität“ nicht von einem im Voraus etablierten Konzept von Modalität bzw. von epistemischer Modalität ausgegangen wird, d.h. alle nicht epistemischen Verwendungen als modal74 und alle nicht nicht‑epistemischen als epistemisch be‑

trachtet werden. Da es hier in erster Linie nicht um die Diskussion der Konsti‑

tuierung der Kategorie „Modalverb“ im Deutschen, sondern um die Abgrenzung der zu untersuchenden epistemischen Modalverb(verwendung)en geht, soll hier nur der zweite Fall angesprochen werden, nämlich die Frage, ob die quotativen Verwendungen tatsächlich als epistemisch zu behandeln – und folglich in die vor‑

liegende Analyse mit einzubeziehen – sind.

Die Problematik der Bestimmung der modalen Polyfunktionalität der Modal‑

verben als Ausdrücke, die sowohl nicht epistemisch, als auch epistemisch verwen‑

det werden können, ist m.E. damit verbunden, dass die Frage nach der funktio‑

nalen Gemeinsamkeit der Modalverben erst im Hinblick auf die Liste der sechs Modalverben gestellt wird. Abgesehen davon, welche nicht epistemischen Moda‑

litätsarten angenommen und welche nicht epistemischen Bedeutungen als modal eingestuft werden, ist der Hinweis auf eine bei allen Modalverben vorliegende epis‑

temische Funktion problematisch. Im „epistemischen“ Bereich lassen sich nämlich zwei Gruppen voneinander abheben, können, müssen, das konjunktivische dürfte

73 Diewald hält fest, dass sich gerade die Polyfunktionalität, die synchrone Divergenz und der hybride syntaktische Charakter der deutschen Modalverben als gruppenkonstituierende Merkmale herausstellen (Diewald 1999: 64). Die Polyfunktionalität von Modalverben und modalen Suffixen ist keine universale Erscheinung sondern vielmehr ein Charakteristikum der Sprachen Europas (van der Auwera/Amman 2005b, van der Auwera/Amman/Kindt 2005). Die anderen Ausdrucksmittel sind grundsätzlich entweder epistemisch (z.B. die epistemischen Modalwörter und Adjektive) oder nicht‑

epistemisch (z.B. modale Konstruktionen mit zu + Inf., die Wortbildungssuffixe ‑bar und ‑lich).

74 Gemeint ist die Frage, ob Volitivität als eine Modalitätsart anzusetzen ist. Während sie in Arbeiten zu den deutschen Modalverben erscheint – und zwar nicht aufgrund eines explizierten Modalitätsbegriffs, sondern wohl weil möchte (eventuell mögen) und wollen Wunsch, Absicht u.Ä. ausdrücken –, bleibt sie z.B. in der von Einzelsprachen und einzelsprachlichen Ausdrucksmitteln unabhängig formulierten Modalitätsauffassung von van der Auwera/Plungian (1998) ausgeklammert, vgl. Abschnitt 2.1.3., insbesondere Anm. 20.

Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt Kratzer (1981: 40) dar, die wollen in ihrer Aufzählung der Modalverben unerwähnt lässt. Dies könnte gerade damit zusammenhängen, dass sie von einem zuvor festgelegten Modalitätsbegriff ausgeht (und auf die englischen Modalverben Bezug nimmt, die sie als

„very rough approximations“ (Kratzer 1981: 41) der deutschen anführt). Möchte gibt sie zwar in der Spalte der Konjunktiv II‑Formen der Modalverben an, zu denen sie anmerkt, dass sie oft über eine vom Indikativ unabhängige Bedeutung verfügen, behandelt es dann aber nicht weiter, so dass es sich letzten Endes nicht explizit herausstellt, ob sie Volitivität als eine Modalitätsart betrachten würde.

und indikativische mögen einerseits, sowie wollen und sollen (eventuell möchte75) andererseits, vgl. folgende Belege aus dem Korpus:

(35) Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Kollegin Schaich‑

Walch hat am Jahresende in der „Financial Times Deutschland“

deutlich gemacht, dass eine weitere Beitragssatzsteigerung mit den Grünen schwierig werden dürfte. (BT 17. Januar 2003)

(36) «Und der Mann auf dem Balkon?»

«Den hab ich noch nie gesehen. Könnte ein Eishockey spieler sein.

Der Hausbesitzer ist ja Hauptsponsor des <EHC Eisbären>.» (Goldt 67)

(37) Erstmals finde ich Theodor W. Adornos Widerruf seines 1949 aufge‑

stellten Diktums zitiert, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei »barba risch«. Adorno 1966: »Das perennierende Leiden hat so viel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben.« (Kunze 68‑69)

(38) Eine bunt gekleidete Hostess führt die Besucher zu einem futuristi‑

schen Elektromobil und spricht kurze Kommandos in ein am Ohr befestigtes Mikrofon. So ungefähr muss es sein, wenn man am Be‑

sucherzentrum der Nasa eintrifft. (SZ 10. März 2007 Die Zukunft) (39) Horszowsky hatte bis ins Greisenalter konzertiert. Mit über neun‑

zig gefragt, was er, wenn er sein Leben noch einmal leben könnte, anders machen würde, antwortete er: Mehr Stunden am Klavier ver‑

bringen, dann würde er soviel mehr Musik kennen! – Einem seiner Schüler soll er gesagt haben, er möge bedenken, das sei eine Sonate für Klavier, nicht für den Pianisten. (Kunze 112)

(40) Dieser Effekt, durch den nationalstaatliche Souverä nität in die eu‑

ropäische Gemeinsamkeit der EU‑Staaten abgegeben wird, ist in der europäischen Einigungspolitik im Interesse einer dauerhaften Eini‑

gung gewollt. Nun wollen aber die EU‑Staaten zwar erklärtermaßen geeint sein, aber sie wollen gleichzeitig ganz offenkundig wiederum nicht zu viel von ihrer eigenen Souveränität und Handlungsfreiheit verlieren. Hieraus entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Quadrat EU‑Europa und dem Kreis der EU‑Staaten. (EU 47)

Während (35) bis (38) tatsächlich sprecherbasierte Faktizitätsbewertungen darstel‑

len, verfügen (39) und (40) über eine quotative Bedeutung – sie lassen sich jedoch

75 Sowohl Ehlich/Rehbein (1972: 334, 339) als auch Vater (2004: 17) führen bei der epistemischen Verwendungsweise jeweils als konstruiert anmutende Beispiele mit quotativem möchte an. Der einzige, mir bekannte authentische Beleg wird von Vater (2010: 107) zitiert: Niemand aus der Nachbarschaft will etwas bemerkt haben, keiner möchte auch nur Verdacht geschöpft haben. In dieser Funktion ist möchte im analysierten Korpus nicht belegt.

nicht als Faktizitätseinschätzungen des Sprechers aufgrund von Behauptungen anderer interpretieren. In (39) handelt es sich um zwei kurze Anekdoten, deren Funktion darin besteht, eine oft humorvolle Äußerung oder Tat einer bekannten Persönlichkeit zu überliefern, die gerade als charakteristisch empfunden und nicht hinterfragt wird. Auch bei (40) kann man nicht von einer unsicheren Faktizitäts‑

bewertung seitens des aktuellen Sprechers ausgehen: Die Tatsache der Einigung wird vom Verfasser nicht bestritten, er weist lediglich auf die Kluft zwischen Ideo‑

logie und Praxis hin.

Ob die quotative Verwendung der Modalverben im Deutschen mit Recht als epistemisch zu behandeln ist, bildet einen Teil der allgemeiner formulierten Frage nach dem Zusammenhang zwischen Quotativität/Reportivität und epistemischer Modalität. Beim Überblick der einschlägigen Fachliteratur finden sich diesbezüg‑

lich drei Positionen:

1. die Subsumierung der quotativen Verwendungen unter epistemischer Modalität,76

2. die Behandlung der quotativen Verwendungen als den epistemischen sehr nahe stehend,77

3. die Erfassung der quotativen Verwendungen als nicht epistemisch.78

Interessanterweise werden die beiden ersten Positionen ausschließlich von For‑

schern vertreten, die sich mit der gesamten Klasse der Modalverben des Deut‑

76 Außer Vater (2001: 88) vgl. auch Diewald (1999), die nach je einem deiktischen Beleg mit den sechs zen‑

tralen Modalverben festhält, dass sie „in diesen Sätzen […] gleichermaßen deiktisch gebraucht [sind], d.h. sie bringen eine sprecherbasierte Faktizitätsbewertung zum Ausdruck“ (Diewald 1999: 206). Über‑

raschenderweise erscheint diese Einteilung auch in Diewald (2004) und Diewald/Smirnova (2010a), in denen es um die Abgrenzung von Epistemizität und Evidentialität im Deutschen bzw. um die Erfassung der evidentialen Marker des Deutschen geht. Allerdings weisen sie im abschließenden Kapitel ihrer Mo‑

nographie darauf hin, dass „[i]n German, some uses of the modals sollen und wollen probably qualify as mediated evidentials [...] However, [...] more research is necessary to investigate this issue, which – as the reader is sure to have noticed – touches the question of the connection between evidential constructions and modal verbs.“ (Diewald/Smirnova 2010b: 333f.).

77 Vgl. Vater (2004: 13), Hetland/Vater (2008: 94, Abb. 1) sowie Reis (2001), die im Gegensatz zu den vori‑

gen die Polyfunktionalität der Modalverben von vornherein auf epistemische bzw. evidentiale Lesarten bezieht, die „obwohl einander sehr nahestehend, nicht völlig aufeinander reduzierbar sind“ (Reis 2001:

294, Anm. 11). Jedoch wird in keiner dieser Arbeiten geklärt, worin die Unterschiede und die Ähnlich‑

keiten zwischen den i.e.S. epistemischen und den evidentialen Verwendungen bestehen.

78 Vgl. Lötscher (1991: 350) und Mortelmans (2000: 135, 139), die sich nicht mit den Modalverben des Deutschen als einer Klasse auseinandersetzen, sondern sie aus einer bestimmten Perspektive untersuchen, sowie Wiemer (2010: 82) und Socka (2011: 52), die sich mit Reportativität beschäftigen und so auf sollen und wollen zu sprechen kommen.

D.W. wird diese Position in der sprachtypologischen Literatur vertreten. So hält Lazard fest, dass „the mediative variety of evidentiality […] does not imply doubt or even presumption. It may easily slide towards presumptive and dubitative, and it is often accompanied by markers of presumption or doubt, but, in itself, it does not imply any epistemic judgement.“ (Lazard 2001: 366). Auch die Ausführungen von Aikhenvald (2004: 179ff., 193) zeigen, dass „epistemic extensions“ von reportiven Ausdrücken nicht universal sind und dass eine derartige Interpretation oft vom jeweiligen Kontext abhängig ist.

schen auseinandersetzen, und umgekehrt: Forscher, die sich mit den Modalverben des Deutschen als Gruppe beschäftigen, vertreten mit der einzigen Ausnahme von Letnes (2001)79 die erste oder die zweite Position.

Die eingehende Analyse der vorliegenden quotativen Belege (Horváth: in Vorb.) hat gezeigt, dass es unbegründet ist, von einer epistemischen Modalisierung, d.h.

einer unsicheren Faktizitätsbewertung seitens des aktuellen Sprechers auszugehen, so dass die quotativen Modalverb(verwendung)en bei der Korpusanalyse ausge‑

klammert bleiben.

5.1.1.2. Korrelate der epistemischen vs. nicht epistemischen Verwendung der