• Nem Talált Eredményt

5. Ausdrucksmittel der epistemischen Modalität im Deutschenim Deutschen

5.4. Kognitive Prädikate und verbale Konstruktionen mit einem epistemischen Adjektiveinem epistemischen Adjektiv

5.4.1. Kognitive Prädikate

5.4.1.1. Theoretischer Hintergrund

Kognitive Prädikate sind in der Fachliteratur bedeutend seltener behandelt worden als die beiden anderen Ausdrucksklassen, die Modalverben und die Modalwörter.

Konstruktionen wie ich glaube, ich meine finden v.a. als Diskursmarker Erwäh‑

nung.227 Von den in Günthner/Imo (2003) ermittelten vier Konstruktionen können nur die zweite (mit einem eingeleiteten Objektsatz) und die dritte (mit einem „ab‑

hängigen Hauptsatz“ (Günthner/Imo 2003: 4), d.h. einem uneingeleiteten Teilsatz) epistemisch fungieren, nicht aber die vierte, in der ich mein als Diskursmarker verwendet wird.

Kognitive Prädikate stellen eine weniger abgrenzbare, offenere Klasse als die Modalverben und die Modalwörter dar, und weisen im Gegensatz zu den vori‑

gen eine ausgeprägte prototypische Organisation auf, d.h. generell liegt in jeder Sprache ein kognitives Prädikat vor, das als prototypischer Vertreter der Kategorie gilt. Während dies im Englischen zweifelsohne das Prädikat think ist, scheint des‑

sen deutsche Äquivalent denken nicht der Prototyp zu sein, denn es wird kaum als qualifikationales kognitives Prädikat verwendet, vielmehr kann im Deutschen glauben als der Prototyp betrachtet werden (Nuyts 2001a: 108f.). Nuyts (2001a:

110) erwähnt meinen als den zweitbesten Vertreter der Kategorie im Deutschen,

227 In diesem Zusammenhang untersuchen einerseits Auer und Günthner (2005) die Frage der Gramma‑

tikalisierung bzw. Pragmatikalisierung der Diskursmarkerfunktion u.a. von diesen Matrixsätzen, an‑

dererseits erfassen Günthner und Imo (2003) die syntaktischen und semantischen Eigenschaften der verschiedenen ich mein‑Konstruktionen, darunter der Diskursmarker. Im Mittelpunkt ihrer Analyse steht die Diskursmarker‑Konstruktion (vgl. Günthner/Imo 2003: 17ff.), die sie auf folgende Weise be‑

schreiben: „Gemeinsam ist den vorliegenden Verwendungsweisen nicht nur, dass es sich stets um Mo‑

difikationen der eigenen Äußerung bzw. um sprecherbezogene (Neu)Perspektivierungen handelt […], sondern auch, dass ich mein stets eine Fortsetzung des Turns ankündigt […] Auch wenn ich mein gram‑

matikalisch betrachtet weglassbar wäre, so hat es doch wichtige pragmatische Funktionen im Bereich der Diskurskohärenz inne, indem es Relationen zwischen Diskurssegmenten aufzeigt“ (Günthner/Imo 2003: 24).

und führt noch bezweifeln, annehmen, vermuten bzw. das seltener qualifikational gebrauchte rechnen als kognitive Prädikate im Deutschen auf.228

Als wichtige semantische Charakterzüge von kognitiven Prädikaten nennt Nuyts (2001a: 111ff.) folgende zwei Eigenschaften. Einerseits verfügen sie nach ihm über eine prominente evidentiale Bedeutung: Das englische suppose drückt z.B.

aus, dass man gute Evidenzen für seine Annahme hat, während guess immer sig‑

nalisiert, dass der Sprecher seine Annahme nicht auf soliden Evidenzen basieren kann. Allerdings fügt er hinzu, dass die evidentiale Komponente bei den beiden – prototypischen – Prädikaten think und believe nicht ausgeprägt, sondern die epi‑

stemische die dominante ist.229 Andererseits können kognitive Prädikate sowohl qualifikational als auch nicht qualifikational verwendet werden. Als Anhaltspunk‑

te für die Abgrenzung der beiden Verwendungsweisen weist Nuyts darauf hin, dass nicht qualifikational verwendete kognitive Prädikate lediglich zum Ausdruck bringen, dass sich jemand in dem vom kognitiven Prädikat bezeichneten mentalen Zustand befindet bzw. dass er die bezeichnete mentale Handlung ausführt, d.h.

hier referiert das kognitive Prädikat auf elementare Formen der menschlichen In‑

formationsverarbeitung als einen Sachverhalt in der Welt wie jeder andere (Nuyts 2001a: 113f.).

Bei der Behandlung der syntaktischen Strukturen, die mit der nicht qualifikati‑

onalen Verwendung einhergehen, bezieht er sich zwar auf die englischen Prädikate think und believe, seine Überlegungen lassen sich aber z.T. auch auf die kognitiven Prädikate im Deutschen übertragen. Demnach treten beide im nicht qualifikati‑

onalen Gebrauch mit einigen wenigen Präpositionen auf (243) bzw. können ein Zitat oder indirekte bzw. erlebte Rede einleiten (244) (Nuyts 2001a: 116):

(243) Wo sind wir eigentlich? Wenn es sich um einen reuigen Sünder han‑

deln würde, der aus gutem Glauben gehandelt hat, dann könnte man daran denken, ob man Entschuldigung gewährt. Aber hier liegt der Fall ganz anders. (BT 12. September 2003)

228 Unter den kognitiven Prädikaten nennt Nuyts (2001a: 109f.) auch know bzw. wissen, und bringt das Beispiel I know they have run out of fuel (Nuyts 2001a: 109). Es erscheint mir problematisch, hier auch von einem epistemischen kognitiven Prädikat auszugehen, und einen Kontext zu erfinden, in dem man den Satz als Ausdruck einer epistemischen Qualifikation verwenden könnte. Bei einschränkenden Konstruktionen wie soviel ich weiß wäre es m.E. plausibler, von einer epistemischen Funktion zu reden.

Eine solche Struktur ist im vorliegenden Korpus lediglich einmal belegt: Kennst du einen Tim? Nein, ich kenne keinen, nein, keinen Tim, also, nicht in unse rer Straße. Soweit ich weiß, gibt es da keinen. (Prosa 81).

229 In diesem Kapitel wirkt es manchmal etwas störend, dass Nuyts das Adjektiv evidential in zwei Bedeutungen verwendet, einerseits in dem Sinne, in dem es i.a. verwendet wird, nämlich als ‘auf Evidenzen bezogen’, andererseits aber auch in seinem Sinne, d.h. als die Bezeichnung der semantisch‑

funktionalen Dimension der (Inter‑)Subjektivität, vgl. Kapitel 4. So sind z.B. think und believe im ersteren Sinne nicht oder kaum evidential, sie sind aber wie alle kognitiven Prädikate in dem Sinne evidential, dass sie wegen der syntaktischen Struktur, in der sie auftreten, durch die jeweilige Besetzung der Subjektposition die Dimension der (Inter‑)Subjektivität notwendigerweise markieren.

(244) Weil im Zug nach München nichts anderes mehr frei ist, muß ich mich zu einer laut telephonierenden Frau ins Abteil setzen, die, noch bevor ich mich räumlich ganz in stalliert habe, anfängt, dramatisch zu weinen. «Ach du Schreck», denke ich, «hoffentlich muß ich die nicht trösten.» (Goldt 115)

Mit der qualifikationalen Verwendung korrelieren nach Nuyts (2001a: 117f.) sprachübergreifend zwei syntaktische Muster: Das kognitive Prädikat hat ent‑

weder einen eingeleiteten oder einen uneingeleiteten Nebensatz als Komplement (245) oder es tritt parenthetisch auf (246):

(245) »Ich glaube nicht«, sage ich, »dass ich jemals wirk lich einen Igel ge‑

troffen habe.« (Prosa 203)

(246) Der sprach einen auffälligen Dialekt, wo das R so gerollt wird wie im Englischen. Das war, glaube ich, Sauerländisch. Ich finde es übrigens unglaublich kleinka riert, wenn Leute an Dialekten herummeckern.

Es gibt keine Dialekte, die schlechter sind als andere. (Goldt 99)

Wie in Kapitel 4 bereits erwähnt und wie aus Abbildung 3 auch hervorgeht, be‑

trachtet Nuyts (2001a: 122ff.) die syntaktisch verankerte Möglichkeit des Aus‑

drucks von Subjektivität – die aus der Notwendigkeit der Markierung der (inter‑) subjektiven Dimension resultiert – als die primäre Motivation für die Wahl ei‑

nes kognitives Prädikats gegenüber anderen epistemischen Ausdrücken. Mit ih‑

nen und nur mit ihnen230 kann nämlich der Sprecher durch die Verwendung des Pronomens ich als Subjekt des kognitiven Prädikats ausdrücken, dass er selber die Verantwortung für die Faktizitätseinschätzung oder die Annahme übernimmt.

Gerade deswegen kommen subjektive Bewertungen mit einem kognitiven Prädi‑

kat in dem von Nuyts untersuchten Korpus typischerweise an solchen Stellen vor, in denen der Sprecher seine Ansichten über seine individuellen Erfahrungen oder seine Einstellungen schildert bzw. in Situationen, in denen die Gesprächspartner über etwas diskutieren und entgegengesetzter Meinung sind. Demgegenüber lie‑

gen in den geschriebenen Korpora von Nuyts sehr wenige wirklich performative Verwendungen vor.

Andererseits können kognitive Prädikative, wiederum wegen der obligatori‑

schen Kodierung des epistemischen Subjekts, sowohl explizit performative als auch explizit deskriptive epistemische Qualifikationen zum Ausdruck bringen.

Deskriptive Belege sind im Korpus von Nuyts relativ häufig, sie drücken entweder eine Qualifikation von anderen oder eine vergangene Qualifikation des Sprechers aus, und implizieren oft, dass sich der gegenwärtige Sprecher von der Bewertung

230 Sowie mit bestimmten verbalen Konstruktionen, die gerade aus dem genannten Grund nicht unter den epistemischen Adjektiven, sondern zusammen mit den kognitiven Prädikaten diskutiert werden.

distanziert, sie für fraglich hält – dies ist mindestens bei der Hälfte der Belege von Nuyts mit glauben der Fall (vgl. Nuyts 2001a: 129ff.).

Bezüglich der Informationsstruktur der beiden qualifikationalen Satzmuster kommt Nuyts (2001a: 138ff.) zu dem Ergebnis, dass parenthetische Prädikate im‑

mer nicht negiert, performativ und nicht fokal sind. Folglich kann bei Negation des kognitiven Prädikates nur die Matrixsatzstruktur verwendet werden, und zwar mit einem eingeleiteten Nebensatz. Allerdings gibt es sehr wenige Belege, in denen das kognitive Prädikat selbst fokal wäre, obwohl man aufgrund der Matrix‑

satzstruktur annehmen bzw. erwarten könnte, dass sie zur Fokussierung des epis‑

temischen Ausdrucks führt, wie dies bei den epistemischen Adjektiven der Fall ist.

Dass die Matrixsatzstruktur keinesfalls unbedingt bzw. oft mit der Fokussierung des kognitiven Prädikats einhergeht, gilt auch für die Belege, in denen das Prädi‑

kat negiert ist: Hier scheint nämlich in den meisten Fällen nur das Negationsele‑

ment fokal zu sein, indem es mit bestimmten Inhalten im Kontext kontrastiert wird (s. doppelte Unterstreichung):

(247) Menschen, die keinen Humor und keinen Sinn für Ko mik haben, schämen sich manchmal dafür und sagen, sie hätten halt einen «an‑

deren Humor». Ich glaube nicht, daß es allzu viele unterschiedliche Humore gibt. (Goldt 121)

Kognitive Prädikate mit einem Nebensatz verhalten sich demnach in nicht fokaler Umgebung, v.a. wenn der Nebensatz auch uneingeleitet ist, in informationsstruk‑

tureller Hinsicht genauso wie die parenthetischen. Der einzige Unterschied zwi‑

schen ihnen besteht im Deutschen darin, dass das kognitive Prädikat im Matrix‑

satz am Satzanfang, in zweiter Position nach dem Subjekt steht.

Wie in Kapitel 4 bereits erwähnt, können performative kognitive Prädikate verwendet werden um bestimmte diskursstrategische Effekte zu erzielen. Insbe‑

sondere handelt es sich dabei um ihren Gebrauch als hedges, mit denen eine zu starke Aussage abgemildert wird bzw. nicht unabhängig davon um ihren Einsatz als face saving devices in einer korrigierenden oder gegensätzlichen Reaktion auf das zuvor Gesagte (Nuyts 2001a: 162ff.).

Beim Überblick der Fachliteratur gewinnt man allerdings den Eindruck, dass die Frage, ob qualifikational verwendete kognitive Prädikate tatsächlich immer epistemisch fungieren, entweder nicht gestellt wird, wie im einschlägigen Kapitel von Nuyts (2001a), oder etwas inkonsequent behandelt wird, wie in den wenigen anderen Arbeiten, v.a. zum englischen I think. In den einzelnen Arbeiten finden sich z.T. Hinweise dafür, dass dies nicht immer der Fall ist. So beschreiben zwar Thompson/Mulac (1991) I think in Matrixsätzen mit uneingeleitetem Nebensatz sowie in der parenthetischen Verwendung als „an epistemic phrase, expressing the degree of speaker commitment […], functioning roughly as an epistemic adverb such as maybe with respect to the clause it is associated with“ (Thompson/Mu‑

lac 1991: 313),231 sie merken aber später an, dass sie bei ihrer quantitativen Analy‑

se epistemische und nicht epistemische Verwendungen nicht auseinander halten (Thompson/Mulac 1991: 317).

Auch Aijmer (1997) gerät vorübergehend in Widerspruch mit sich selbst. Sie untersucht nämlich die Grammatikalisierung bzw. Pragmatikalisierung von I think als eine „modal particle“, und nimmt an, dass das Prädikat think eine pro‑

totypisch organisierte Bedeutungsstruktur hat, mit dem Zentrum COGITATION, das die Bedeutung des dynamischen Verbs think erfasst (d.h. der nicht qualifika‑

tionalen Verwendung bei Nuyts entspricht), das durch Inferenzen problemlos auf

„belief, opinion and intention“ ausgedehnt werden kann (Aijmer 1997: 12). Diese Bedeutungen lassen sich ihrer Meinung nach auch durch interlingualen Vergleich bestätigen. In diesem Zusammenhang verweist sie u.a. auf das Deutsche, das mit den Verben denken, glauben und finden/meinen die genannte semantische Unter‑

scheidung auch lexikalisch ausdrücken kann (Aijmer 1997: 13f.). Der darauf fol‑

gende Abschnitt beginnt allerdings mit dem Satz „I think as a pragmatic element expresses epistemic modality.“ (Aijmer 1997: 16). Das müsste aber folgerichtig hei‑

ßen, dass sie nicht nur den Ausdruck von „belief“ sondern auch von „opinion and intention“ als epistemisch auffasst. Dann verweist sie aber explizit darauf, dass I think schwer zu analysieren ist, weil es auch über nicht epistemische Bedeutun‑

gen verfügt, und unterscheidet anschließend zwei Funktionen, die deliberative, in der „I think adds weight to the assertion or expresses reassurance“ (Aijmer 1997:

22) und die tentative, in der „I think expresses uncertainty (epistemic modality) or softens an assertion which may be too blunt (interactive meaning)“ (Aijmer 1997:

21). Wie aus den Zitaten ersichtlich, erscheint an dieser Stelle die epistemische als eine der möglichen Funktionen von I think.

Aus dem obigen Überblick der Ergebnisse von Nuyts (2001a) geht hervor, dass er zwischen nicht qualifikationalen und qualifikationalen, und unter Letzteren zwischen performativen und deskriptiven Verwendungen unterscheidet. Dabei scheint er die qualifikationale Verwendung gleichzeitig als epistemisch zu be‑

trachten. Vergleicht man das mit den von Aijmer abgegrenzten Funktionen, wird ersichtlich, dass er die diskursstrategische Verwendung innerhalb der qualifika‑

tionalen behandelt, während sie Aijmer neben die tatsächlich epistemische stellt.

Beim Überblick der zitierten deutschen Belege von Nuyts (2001a: 123ff.) gewinnt man ferner manchmal den Eindruck, dass sie kaum als epistemisch zu betrachten

231 Was sie (mit Hinweis auf Palmer und Traugott) unter commitment verstehen, stellt sich allerdings nicht heraus. Andererseits führt die Paraphrase durch maybe bereits bei ihren Beispielen (2) und (3) zu einem fraglichen bzw. nicht akzeptablen Ergebnis: I think exercise is really beneficial, to anybody → ? Exercise is maybe really beneficial, to anybody, sowie It’s just your point of view you know what you like to do in your spare time I think → ?? Maybe it’s just your point of view you know what you like to do in your spare time. Traugott (1995) führt I think als ein Beispiel für die Zunahme der Subjektivität der betroffenen Elemente im Grammatikalisierungsprozess an. Es ist für sie eine verbale Konstruktion, die allmählich die Funktion einer „discourse particle“ erhält, als „a fixed phrase indicating the speaker’s epistemic attitude“ (Traugott 1995: 38).

sind, so z.B. in folgendem Beleg, in dem das deontische Modalverb im Komple‑

mentsatz – auch wenn man den Matrixsatz mit glaube nicht als im Skopus der kausalen Konjunktion stehend interpretiert – m.E. eine epistemische Lesart des kognitiven Prädikats blockiert:

(248) weil ich ja das positive im menschen kenne, und mag, und glaube daß man es hervorlocken kann und sollte. (Beleg (89) von Nuyts 2001a: 123)232

Andererseits erscheint es mir problematisch, diejenigen Belege als qualifikational (ob epistemisch oder nicht) einzustufen, in denen die Qualifikation nicht vollzo‑

gen (performativ) oder beschrieben bzw. zugewiesen (deskriptiv), sondern selber thematisiert wird:

(249) So habe sich jetzt herausgestellt, daß der Erregertyp ‘El tor’ des Cho‑

lera‑Vibrionen nicht so harmlos sein, wie man bisher geglaubt hatte.

(Beleg (99) von Nuyts 2001a: 130)

Ferner mutet die qualifikationale Charakterisierung von Belegen wie (250), in de‑

nen ein duratives Temporaladverbial im Matrixsatz auftritt, auch nicht unproble‑

matisch an:

(250) also ich hab in verschiedenen ländern […] festgestellt, daß unsre leu‑

te […] gerade wenn sie nicht polemisieren gegen den andren deut‑

schen staat wohltuend sich unterscheiden gegenüber denen, die nun dauernd glauben, sie müßten gegen uns polemisieren. (Beleg (136) von Nuyts 2001a: 151)

Belege (248) bis (250) untermauern m.E. die Annahme, dass Nuyts die qualifi‑

kationalen Verwendungen von glauben implizit mit einer epistemischen Verwen‑

dung gleichsetzt. Im Gegensatz dazu soll bei der vorliegenden Korpusanalyse – im Einklang mit der Zielsetzung dieser Arbeit, diejenigen Mitglieder der untersuch‑

ten Ausdrucksklassen zu behandeln, die epistemisch fungieren – versucht werden, die epistemischen und nur die epistemischen Verwendungen der kognitiven Prä‑

dikate des Deutschen zu erfassen.

In diesem Zusammenhang ist auf Öhlschläger (1986) hinzuweisen. Er geht von der Beobachtung aus, dass Sätze wie Ich glaube / vermute, dass Karl kommt ei‑

nerseits als Assertion der Einstellung des Sprechers (nicht modal, konstativ), an‑

dererseits als Beurteilung des Bestehens eines Sachverhalts durch den Sprecher (modal, performativ) interpretiert werden können (Öhlschläger 1986: 373). Nach Öhlschläger (1986: 377f.) wird in beiden Lesarten behauptet, dass der Sprecher die

232 Ähnlich erscheinen mir Belege mit einem zirkumstanziellen Modalverb im Komplementsatz, vgl. (250) unten sowie ich glaube jetzt muß ich doch etwas sagen herr kollege (Beleg (163) von Nuyts 2001a: 164).

betreffende Einstellung hat. Der Unterschied zwischen ihnen ergibt sich daraus, dass der Sprecher (bzw. der jeweilige Einstellungsträger) im ersten Fall Teil des thematischen Zusammenhangs des Textes oder Diskurses, des Textthemas ist, im zweiten Fall dagegen nicht. Gegenüber solchen Äußerungen sind Sätze mit episte‑

mischen Modalwörtern und mit Modalverben in der epistemischen Verwendung ausschließlich auf die Lesart „Beurteilung des Bestehens eines Sachverhalts“ fest‑

gelegt – sie drücken eine epistemische Einstellung von vornherein so aus, dass sie nicht Teil des thematischen Zusammenhangs sein kann. Folglich lassen sich (nur) modal verwendete Einstellungsmatrixsätze mit diesen Ausdrücken paraphrasieren (Öhlschläger 1986: 373f.).233

5.4.1.2. Korpusanalyse

Bei der Korpusanalyse wurde angestrebt, möglichst viele epistemisch verwendbare kognitive Prädikate im Deutschen zu erfassen, nicht nur die in der Fachliteratur genannten, nämlich denken, glauben, meinen, bezweifeln, annehmen, vermuten, rechnen und finden (vgl. Aijmer 1997: 13f., Nuyts 2001a: 110). Folgende Tabelle fasst die Verteilung der performativen und der deskriptiven, sowie der nicht epis‑

temischen Belege in den Teilkorpora zusammen. Bei jedem Prädikat steht die Zahl in der ersten Zeile für die Anzahl der performativen, die in der zweiten für die der deskriptiven qualifikationalen epistemischen Belege, und die in der dritten gibt die Anzahl der nicht epistemischen Belege an:

prosa tagebuch Kunze Goldt bundestags

-protokoll fachprosa Sozialisation EU zeitungstext Bericht Kommentar insgesamt

ahnen

233 In diesem Sinne hält er Folgendes fest: „Die deutliche Verwandtschaft zwischen Ausdrücken wie Ich glaube, daß, Ich vermute, daß u.ä. einerseits und epistemischen Satzadverbien, die ja oft auch als Modalwörter bezeichnet werden, epistemischen Modalverben und den eng mit diesen verwandten parenthetischen Ausdrücken andererseits sprechen m.E. eindeutig dafür, auch Ausdrücke wie Ich glaube, daß in der zweiten Lesart bei der Bestimmung und Behandlung der Modalität mit zu berücksichtigen“

(Öhlschläger 1986: 374).

prosa tagebuch Kunze Goldt bundestags

-protokoll fachprosa Sozialisation EU zeitungstext Bericht Kommentar insgesamt

beziffern Tabelle 16: Die Verteilung der performativen, deskriptiven bzw. nicht epistemischen Belege mit einem

kognitiven Prädikat im deutschen Korpus

Aus Tabelle 16 geht hervor, dass es im Korpus insgesamt 107 epistemische Belege mit einem kognitiven Prädikat gegenüber 285 nicht epistemischen gibt. Unter den epistemischen überwiegen die deskriptiven Belege, die fast genau anderthalb Mal so oft belegt sind als die performativen. Dies ist aber angesichts der Tatsache, dass nur die Bundestagsprotokolle dialogische gesprochene Texte darstellen, keines‑

wegs überraschend. Nicht unabhängig davon zeichnen sich in der Verteilung der

Belege in den Teilkorpora bestimmte eindeutige Tendenzen ab. So stammen die meisten Belege mit einem epistemischen kognitiven Prädikat aus den Tagebüchern (39), während sie in den Zeitungs‑ (24) und Prosatexten (20) bzw. den Bundestags‑

protokollen (19) etwa in derselben Größenordnung vorliegen. Dagegen gibt es in den Fachprosatexten auffallend wenige Belege (5). Betrachtet man die performa‑

tiven und die deskriptiven Belege gesondert, wird ersichtlich, dass die Tagebücher wiederum mit Abstand die meisten performativen Belege (20) enthalten, während sie in den Bundestagsprotokollen (11) und den Prosatexten (7) keinen großen Fre‑

quenzunterschied zeigen. Allerdings ist anzumerken, dass während die Protokolle selbstverständlich nur dialogische, gesprochene Texte enthalten, machen die Dia‑

loge nur einen relativ kleinen Teil der Erzähltexte aus. Mindestens ein performati‑

ver Beleg kommt in jedem Teilkorpus vor, bei den Zeitungs‑ und Fachprosatexten handelt es sich dabei v.a. um Zitate. Bei den deskriptiven Belegen verschieben sich erwartungsgemäß die Verhältnisse: An erster Stelle rangiert das Zeitungs‑ (22), an zweiter mit einem kleinen Abstand das Tagebuchkorpus (19), während es in den Prosatexten wenigere (13) Belege gibt.

Aus den entsprechenden Belegzahlen geht ferner hervor, dass glauben auch hinsichtlich seiner Frequenz tatsächlich als das prototypische kognitive Prädikat im Deutschen zu betrachten ist, sowohl wegen der Gesamtanzahl der Belege (85), als auch und natürlich v.a. wegen der auffallend hohen Zahl der epistemischen Be‑

lege (34). Was die Gesamtanzahl der Belege angeht, kommt meinen der zweite (80), denken der dritte (62) und finden der vierte Platz (55) zu. Alle anderen erfassten kognitiven Prädikate sind signifikant seltener, ausnahmslos weniger als 15mal be‑

legt.

Dass meinen und finden häufig im Korpus auftreten, heißt aber bei Weitem noch nicht, dass sie als immer noch ziemlich typische epistemische Prädikate gel‑

ten, denn bei beiden ist die epistemische Funktion äußerst selten, jeweils zweimal belegt.234 Daher erscheint es mir fraglich, ob Nuyts (2001a: 110) zuzustimmen ist, dass meinen der zweitbeste Vertreter der Kategorie im Deutschen sei.235 Aufgrund der Anzahl der epistemischen Verwendungen erweist sich vielmehr denken als der zweittypischste Vertreter der Kategorie.

Im Folgenden sollen die erfassten Prädikate nicht einzeln behandelt werden, sondern die epistemischen Verwendungen werden zusammen betrachtet. Dabei ist insbesondere auf die Fragen einzugehen, die in der Fachliteratur im Zusam‑

menhang mit glauben (Nuyts 2001a) bzw. I think (Thompson/Mulac 1991, Aijmer

menhang mit glauben (Nuyts 2001a) bzw. I think (Thompson/Mulac 1991, Aijmer