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Epistemische Adjektive

5. Ausdrucksmittel der epistemischen Modalität im Deutschenim Deutschen

5.3. Epistemische Modalwörter und Adjektive

5.3.1. Theoretischer Hintergrund

5.3.1.2. Epistemische Adjektive

Die Klassen der epistemischen Adjektive und der epistemischen Modalwörter überlappen sich teilweise, vgl. z.B. wahrscheinlich und sicher, die sich derivati‑

onsmorphologisch nicht unterscheiden und für beide Verwendungen zugänglich sind,195 oder sie stehen in einem derivationsmorphologischen Zusammenhang miteinander, vgl. z.B. möglicherweise und möglich, doch stellen die epistemischen Modalwörter eine größere Klasse als die epistemischen Adjektive dar, indem es nicht zu jedem Modalwort ein entsprechendes Adjektiv gibt, vgl. z.B. vielleicht.

Prädikativ verwendete Adjektive unterliegen den in Abschnitt 5.3.1.1.1. für die Modalwörter genannten Restriktionen nicht, d.h. sie können in Nicht‑Deklarativ‑

sätzen und im Skopus eines andersartigen Operators (Negation, Quantifikation) auftreten (Bellert 1977: 343, 346, Lang 1979: 207):

(175) Ich weiß ja auch gar nicht, was die Nachbarin für eine Schuhgröße hat. Den Geräuschen nach zu urteilen, Größe 248, aber da räuspert sich kritisch die Lebenserfahrung, sie räuspert sich und sagt, dies sei nicht recht wahrscheinlich. (Goldt 133‑134)

Epistemische Satzadverbien verfügen über keine derivationsmorphologisch gebil‑

deten negativen Formen, während es negative epistemische Adjektive sehr wohl gibt (Bellert 1977: 343, 346):

(176) Eine Allianz mit den Öl und Gas produzierenden Scheichtümern und Königshäusern, vor dem Hintergrund einer zunehmenden Ent‑

fremdung zwischen Russland und dem Westen, könnte die Kräfte‑

konstellationen in der Welt tatsächlich ganz erheblich beeinflussen.

Unwahrscheinlich, dass Wladimir Putin sich darüber keine Gedan‑

ken gemacht hat. (Welt 12. Februar 2007 Putins Welt)

Epistemische Adjektive können koordiniert und kompariert werden (Lang 1979:

207):

(177) Glücklicherweise gibt es eine Sitzordnung. Das ist sinn voll, denn bei freier Sitzplatzwahl kann es geschehen, daß es zu Handgemen‑

gen, Anbrüllungen und Drohgebärden mit Messern kommt, weil alle neben dem Jubilar sitzen wollen, oder aber, was angesichts der sittlichen Hochkarä tigkeit der hier versammelten Menschen wahr‑

195 In diesen Fällen behandeln Helbig/Helbig (1993) die formal gleichen adjektivischen Varianten der Mo‑

dalwörter als ihre Homonyme.

scheinlicher ist, daß sich niemand für wertvoll genug hält, an der Seite einer solchen Autoritätspersönlichkeit zu sitzen, und daher nie‑

mals mit dem Essen begonnen werden kann. (Goldt 41)

Sie können alternativ erfragt und gegenübergestellt werden (Lang 1979: 207):

(178) Im weiteren Verlauf dieser Legislaturperiode werden wir – so lau‑

tet auch unsere Abmachung im Koalitionsvertrag – die Wehrform grundsätzlich auf den Prüfstand stellen. Dann wird die von den Grünen lange geforderte Abschaffung der Wehrpflicht nicht nur möglich, sondern angesichts der sicherheitspolitischen Entwicklung unserer Auffassung nach auch wahrscheinlich. (BT 17. Januar 2003) Dieses unterschiedliche Verhalten von Modalwörtern und epistemischen Adjek‑

tiven wird in logisch basierten Analysen mit dem semantisch‑funktionalen Un‑

terschied in Zusammenhang gebracht, dass mit Satzadverbien Einstellungen ausgedrückt werden, während mit prädikativ verwendeten Adjektiven über Ein‑

stellungen gesprochen wird (Lang 1979: 212, 1983: 329f.). Bei der Verwendung eines Satzadverbs fokussiert der Sender kommunikativ den Sachverhalt, zu dem er eine bestimmte Einstellung einnimmt, bei der Verwendung eines Matrixsat‑

zes mit einem Adjektiv wird jedoch die Einstellung selbst fokussiert (Rosengren 1984: 166f.). Dies erfolgt dadurch, dass die Verwendung eines Adjektivs im Ver‑

gleich zum Satzadverb eine Propositionalisierung der Sprechereinstellung bewirkt:

Die Einstellung selbst wird infolge der Matrixsatzstruktur mit der Kopula Teil des propositionalen Inhalts der Äußerung, sie wird also behauptet (vgl. auch Perkins 1983: 67). Der entscheidende Unterschied zwischen Satzadverbien und den ihnen semantisch entsprechenden, prädikativ verwendeten Adjektiven besteht demnach in der logisch‑semantischen Struktur der jeweiligen Äußerungen.

Eine andere Interpretation erhalten die obigen Daten in der kognitiv‑funkti‑

onalen Analyse von Nuyts (2001a). Seine Untersuchung von wahrscheinlich führt nämlich zu dem Ergebnis, dass von den in Kapitel 4 genannten vier funktionalen Faktoren, die bei der Wahl zwischen den verschiedenen epistemischen Ausdrucks‑

mitteln relevant sein können, die Informationsstruktur die bei Weitem wichtigste Rolle bei der Verwendung eines epistemischen Adjektivs gegenüber der eines Satz‑

adverbs spielt (vgl. Abbildung 3 in Kapitel 4). Adjektive werden in seinem Korpus nämlich dann verwendet, wenn die epistemische Qualifikation selbst fokussiert werden soll, so z.B. bei ihrer Negation oder Kontrastierung. Im Gegensatz dazu ist die durch ein Modalwort ausgedrückte epistemische Bewertung nicht fokal (Nuyts 2001a: 79ff.).

Die oben genannten, in logisch basierten Arbeiten auf die unterschiedliche propositionale Struktur der Äußerung zurückgeführten, von den Satzadverbien verschiedenen Charakteristika von epistemischen Adjektiven stehen in vollem

Einklang mit den Ergebnissen von Nuyts (2001a), und lassen sich sogar auch auf die unterschiedliche Informationsstruktur einer Äußerung mit einem Modalwort gegenüber einer mit einem Adjektiv zurückführen (vgl. Nuyts 2001a: 96ff.). Da je‑

doch die epistemische Qualifikation selbst im Normalfall nicht betont ist, werden in epistemisch modalisierten Äußerungen hauptsächlich Satzadverbien verwendet.

5.3.2. Korpusanalyse

Da die epistemischen Modalwörter und Adjektive196 bei der Analyse möglichst vollständig erfasst werden sollen, werden auch solche Lexeme untersucht, die nicht den Kernbereich der epistemischen Modalwörter darstellen, und in verschiedenen Arbeiten z.T. unterschiedlich klassifiziert werden, so u.a. anscheinend, offensicht-lich und zweifellos.197 Ausgeklammert bleiben allerdings Modalwörter, die tatsäch‑

lich nicht epistemisch sind, etwa selbstverständlich, tatsächlich, natürlich(erweise) und hoffentlich, sowie diejenigen Verwendungen, die keine Faktizitätseinschätzung zum Ausdruck bringen. Letztere werden in Anmerkungen erwähnt, aber nicht zu den epistemischen Belegen gerechnet.

Folgende Tabelle liefert einen Überblick über die Belegzahlen in den einzelnen Teilkorpora. Die Modalwörter werden nach dem Sicherheitsgrad der von ihnen ausgedrückten epistemischen Einschätzung angeführt. Adverbiale und adjekti‑

vische Formen werden bereits in der Tabelle getrennt behandelt. Im Unterschied zu Nuyts (2001a) werden allerdings nicht alle adjektivischen Belege in diesem Ab‑

schnitt zusammen mit den Modalwörtern erfasst bzw. ihnen gegenübergestellt, sondern nur die prädikativen Belege mit der Kopula. Ihre Verwendung in anderen verbalen Konstruktionen, wie z.B. für wahrscheinlich halten, auf die Nuyts (2001a:

68ff.) bei der Analyse der adverbialen und adjektivischen Belege verweist, wird im folgenden Kapitel nach den kognitiven Prädikaten untersucht, da es sinnvoll erscheint, bei solchen verbalen Konstruktionen, auch wenn sie ein epistemisches Adjektiv enthalten, von den für die kognitiven Prädikate ermittelten funktionalen Faktoren auszugehen und sie mit diesen zu vergleichen.

196 Bei der vorliegenden Analyse werden nur epistemische Adjektive in prädikativer Verwendung berück‑

sichtigt, ausgeklammert bleiben Belege mit einem attributiven epistemischen Adjektiv, weil sie in kei‑

nem Konkurrenzverhältnis zu den entsprechenden Modalwörtern stehen.

197 Die vier Belege mit notwendig(erweise) und die elf Belege mit zwangsläufig wurden in der Tabelle nicht angeführt, weil sie eher eine alethisch‑faktische als eine epistemische Notwendigkeit zum Ausdruck bringen: Das eigentliche Problem des EP besteht aber darin, dass seine Kompetenzen – notwendigerweise – begrenzt sind. (EU 117‑118) und Damit würde Europa zwangsläufig zum unmittelbaren Beteiligten im Nahen Osten, in erster Linie gegenüber diesen drei Ländern. (EU 145‑146). Nicht zufällig kommt die Mehrheit dieser Belege in den Fachprosatexten vor.

prosa tagebuch Kunze Goldt bundestags

-protokoll fachprosa Sozialisation EU zeitungstext Bericht Kommentar insgesamt

zweifellos 1 6 2 4 1 1 8

allemal 1 1 1

bestimmt 6 2 2 8

sicherlich 7 3 4 8 1 1 16

sicherADV 7 6 6 2 7 2 5 22

sicherADJ 1 1 2 2 3 3 6

gewissADV 4 2 1 1 2 2 1 1 9

gewissADJ 2 2 2

definitiv 1 1 1 2

anscheinend 4 1 1 5

scheinbar 1 1 1 1 1 3

offenbar 2 9 9 11

offensichtlich 2 1 1 2 2 5

offenkundig 1 1 1 1 2

wahrscheinlichADV 11 3 1 2 3 6 4 2 7 7 30

wahrscheinlichADJ 1 2 2 1 1 1 3 2 1 8

voraussichtlich 1 1 3 3 1 1 5

vermutlich 3 7 1 6 1 11 3 8 3 2 1 25

mutmaßlich 1 1 1

wohl 14 25 6 19 8 11 2 9 9 7 2 67

vielleicht 32 34 18 16 14 15 7 8 11 10 1 106

prosa tagebuch Kunze Goldt bundestags

-protokoll fachprosa Sozialisation EU zeitungstext Bericht Kommentar insgesamt

eventuell 1 1 1

möglicherweise 3 6 3 3 2 5 1 4 5 4 1 21

womöglich 4 3 1 2 3 2 1 2 2 12

möglich 2 2 2

schwerlich 1 1 1

kaum 2 3 2 1 6 6 10 10 21

unmöglichADV 1 1 1 2

insgesamt 91 115 40 75 47 84 25 59 65 57 8 402

Tabelle 15: Die Verteilung der epistemischen Modalwörter und prädikativen Adjektive im deutschen Korpus

Aus Tabelle 15 geht hervor, dass es im Korpus insgesamt 402 Belege mit einem epistemischen Modalwort oder prädikativem Adjektiv gibt, wobei die 18 adjektivi‑

schen lediglich 4,5 Prozent dieser Belege darstellen. Im Vergleich dazu liegen mit den zentralen und peripheren Modalverben198 insgesamt 133 (auch) epistemische Belege vor, Modalwörter und ihre prädikativ verwendeten adjektivischen Pendants kommen also ungefähr dreimal so oft vor als Modalverben. Das bei Weitem am häufigsten belegte Modalwort ist vielleicht: Es kann in diesem Sinne als prototy‑

pisches Modalwort betrachtet werden. Dafür sprechen ferner die Ergebnisse der im Rahmen des EUROTYP Projekts durchgeführten Untersuchung von Ramat/

Ricca (1998) über die Satzadverbien in den europäischen Sprachen: Das einzige, in allen Sprachen vorhandene „euroversale“ Modalwort ist das einen geringen Wahr‑

scheinlichkeitsgrad ausdrückende. Am zweithäufigsten, insgesamt 67mal ist wohl als Modalwort belegt.

Im Gegensatz dazu erweisen sich allemal, eventuell, schwerlich und mutmaßlich mit jeweils einem Beleg – und zwar in den Fachprosa‑ oder den Zeitungstexten – als äußerst selten. Weniger als zehn epistemische Belege liegen ferner mit

unmög-198 Gezählt wurden nur die gegenwarts‑ und vergangenheitsbezogenen Belege mit werden, über deren epi‑

stemische Interpretation kein Zweifel bestehen kann.

lich in der adverbialen Verwendung, definitiv und offenkundig (2), scheinbar (3), anscheinend, offensichtlich und voraussichtlich (5) sowie zweifellos und bestimmt (8) vor.

Hinsichtlich der Verteilung der Belege über die Teilkorpora wird ersichtlich, dass die Tagebuch‑ und Prosatexte jeweils mehr als 90, die Zeitungstexte und die Bundestagsprotokolle weniger als 70 Belege mit einem Modalwort oder einem prä‑

dikativen epistemischen Adjektiv enthalten. Dabei liegen in den Tagebüchern von Goldt und im EU‑Korpus im Vergleich zum anderen Teilkorpus, den Tagebüchern von Kunze und dem Sozialisationskorpus, auffallend viele Belege vor.

Im Folgenden werden die meisten Modalwörter getrennt behandelt, und zwar falls die Ergebnisse der Analyse der einschlägigen Fachliteratur z.T. widerspre‑

chen, bzw. wenn es neben den adverbialen auch adjektivische Belege gibt. Ausge‑

hend von der Zielsetzung der Arbeit soll bei der Analyse besonders auf das Ver‑

hältnis der adverbialen und der entsprechenden adjektivischen Formen geachtet werden. Bei den adjektivischen Belegen ist zu überprüfen, ob sie im Einklang mit dem Befund von Nuyts (2001a: 79ff.) bezüglich wahrscheinlich auch generell mit einer Fokussierung der epistemischen Qualifikation selbst einhergehen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Unterschiede zwischen Modalwörtern und epistemischen Adjektiven hinsichtlich Komparierbarkeit, Negierbarkeit und Erfragbarkeit einzugehen.

5.3.2.1. Zweifellos

Die beiden Modalwörter zweifellos und zweifelsohne werden in der Fachliteratur nicht einheitlich betrachtet: Hoberg (1973: 99) führt nur zweifellos an, und zwar als einziges Modalwort, dass einen stärkeren Sicherheitsgrad ausdrückt als sicher, bestimmt und gewiss.199 Sie werden aber von Kątny (1979) nicht behandelt und bei Helbig/Helbig (1993: 290f. und 293) werden beide als faktive Gewissheitsindikato‑

ren charakterisiert. Die Betrachtung der Korpusbelege (insgesamt 21 Belege mit zweifellos und 2 mit zweifelsohne, Letztere sind nicht epistemisch) ergibt jedoch, dass zweifellos weder ausschließlich als Gewissheitsmarker, noch als rein epistemi‑

scher Ausdruck analysiert werden kann: 8 der insgesamt 21 Belege drücken eine starke Vermutung aus, während bei den übrigen nicht von einer epistemischen In‑

terpretation auszugehen ist.

In epistemischer Verwendung tritt das Modalwort ausschließlich in Aussage‑

und in Nebensätzen auf. Typischerweise sind es nicht negierte Sätze, in einem ne‑

gierten Satz ist zweifellos lediglich einmal belegt:

199 Anzumerken ist, dass sie sich nicht zum Ziel setzt, alle Sicherheitsgradadverbiale zu erfassen, sondern explizit darauf hinweist, dass sie eine Auswahl behandelt (Hoberg 1973: 88). Zweifelsohne bleibt viel‑

leicht deswegen unerwähnt.

(179) Der Einfluss der einzelnen Sozialisationsinstanzen kann beabsichtigt oder unbeabsichtigt sein. Eine Mutter, die darauf besteht, dass ihr kleiner Sohn ein Spielzeug seinem Eigentümer zurückgibt, möchte sicher, dass er lernt, sich mit Gleichaltrigen zu ver stehen. Unwissent‑

lich aber bringt sie ihm auch bei, »Pri vateigentum« zu respektieren.

Zweifellos hat sie nicht die Absicht, ihm die Prinzipien des Kapita‑

lismus bei zubringen, doch genau dies ist eine latente Funktion ihres Handelns (Merton 1995:59‑64). (Soz 135)

Nur in (179) tritt zweifellos im Vorfeld auf, was eine gewisse Hervorhebung der Bewertung bewirkt.

Nuyts (2001a: 91ff.) weist im Zusammenhang mit dem nicht fokalen Charakter von Modalwörtern darauf hin, dass sie oft nicht die ganze Äußerung sondern nur einen Teil, und zwar einen nicht fokalen, Hintergrundinformation enthaltenden Teil modifizieren, z.B. in Relativ‑ und Adverbialsätzen oder in parenthetischen Einschüben. Die Belege mit zweifellos widersprechen dieser Tendenz eindeutig, was jedoch auf ihren hohen Sicherheitsgrad im Vergleich zu dem von Nuyts unter‑

suchten wahrscheinlich und auf eine gewisse, gerade daraus resultierende Fokalität zurückgeführt werden könnte.

Die Hälfte der epistemischen Belege treten in einem adversativen Kontext auf, vgl. die doppelte Unterstreichung in (179). Als Quelle der Bewertung fungiert im‑

mer der Sprecher, es gibt keine Belege, in denen auf andere Personen Bezug ge‑

nommen wird. Evidenzen werden in keinem Beleg genannt.200 5.3.2.2. Bestimmt

Der eigentliche Grund dafür, bestimmt kurz zu behandeln, liegt in den Angaben zu diesem Modalwort bei Helbig/Helbig (1993). Sie unterscheiden nämlich zwi‑

schen einem faktiven Gewissheitsindikator bestimmt1 (vgl. Helbig/Helbig 1993:

96ff.) und einem nicht faktiven Hypothesenindikator bestimmt2 (s. Helbig/Helbig 1993: 98ff.), was durch verschiedene Paraphrasen, unterschiedliche Satzmodusre‑

striktionen und Unterschiede in der Betonung begründet wird: So sei bestimmt1 im Gegensatz zu bestimmt2 auch in Frage‑ und Aufforderungssätzen möglich und betont. In Anmerkung 2) zu bestimmt2 steht Folgendes:

Mehrdeutigkeiten kommen auch bei der Verwendung von bestimmt in‑

nerhalb des Satzes [nicht nur bei der Verwendung als Einwortantwort auf 200 Darüber hinaus ist die Präpositionalphrase ohne Zweifel fünfmal belegt, zweimal lässt sie eine

epistemische Interpretation zu: Ich bin mit Gerhard Schröder und in diesem Fall auch mit Ihnen der Meinung: Wir müssen über eine Abgeltungsteuer nachdenken. Ganz ohne Zweifel wird sie einen erheblichen Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Verwaltungsvereinfachung leisten, und zwar sowohl bei den Steuerpflichtigen als auch bei der Finanzverwaltung. […] Allerdings führt sie zwangsläufig auch zu einer Steuerungerechtigkeit, weil die Steuerpflichtigen mit einem höheren Steuersatz als 25 Prozent eine mehr oder weniger große Entlastung bekommen. (BT 17. Januar 2003). In diesem Beleg liegt die maximale Fokussierung der epistemischen Bewertung vor: Die PP steht im Vorfeld und zwar in Verbindung mit der Partikel ganz.

eine Entscheidungsfrage – K.H.] vor. In diesen Fällen ist aber die Betonung (beim Gewißheitsindikator) oder Nichtbetonung (beim Hypothesenindika‑

tor) sicheres Oberflächensignal für die Unterscheidung. Vgl.:

Er wird die Mutter bestímmt besuchen. (mit Gewißheit, bestimmt1) Er wird die Mutter bestimmt besúchen. (mit großer Wahrscheinlichkeit, be-stimmt2) (Helbig/Helbig 1993: 99f.)

Ihre Unterscheidung erscheint in der vorliegenden Form, insbesondere was die Verwendung in Aussagesätzen anbelangt,201 wenig einleuchtend. Dafür spricht auch die Gegenüberstellung folgender zwei Beispiele, von denen das Modalwort in (180) als Gewissheitsindikator, in (181) jedoch als Hypothesenindikator analysiert wird:

(180) Bestimmt hat er die Arbeit schon abgegeben. (Helbig/Helbig 1993:

97)

(181) Bestimmt hatte er sich nicht ausreichend vorbereitet (, sonst wäre die Arbeit besser ausgefallen). (Helbig/Helbig 1993: 99)

Aus dem Vergleich der beiden konstruierten Beispiele wird ersichtlich, dass das Modalwort sich in beiden Kontexten genauso verhält, es lassen sich weder hin‑

sichtlich der Betonung bzw. Betonbarkeit, noch in der Funktion des Modalwortes Unterschiede feststellen.

Das Modalwort ist im vorliegenden Korpus insgesamt 8mal, nur adverbial, im‑

mer in einem nicht negierten Aussage‑ oder Nebensatz belegt. Die von Helbig/

Helbig (1993) vorgeschlagene Unterscheidung zwischen einem faktiven und einem nicht faktiven bestimmt wird von den Korpusbelegen nicht motiviert.

Es steht zweimal im Vorfeld, wodurch die epistemische Einschätzung stärker betont wird, vgl. folgenden Beleg in einem etwas längeren Abschnitt, in dem meh‑

201 Dass dem Modalwort in anderen Satzmodi (in Entscheidungsfragen: Wird er auch bestimmt anwesend sein?, noch eindeutiger in Ergänzungsfragen: Wann kann er bestimmt mit der Arbeit beginnen? und in Aufforderungssätzen: Geh bestimmt heute noch zum Arzt!) und in der Protasis eines Konditionalsatzes (Wenn er bestimmt mitspielt, gewinnen wir das Spiel vielleicht. – Belege von Helbig/Helbig 1993: 97) eine andere Funktion zukommt, hängt möglicherweise eher mit den Besonderheiten dieser Strukturen als mit dem Modalwort selbst zusammen: In den Fragesätzen wird nach der epistemischen Einschätzung des Hörers gefragt. Auch in der Protasis des Konditionalsatzes kann das Modalwort entweder die Einschätzung des Gesprächspartners sozusagen wiederholen, oder sich auf die Einschätzung Anderer beziehen, keinesfalls hat es aber Sprecherbezug. (Es bildet im zitierten Beispiel jedoch die Grundlage für die epistemische Bewertung des Sprechers in der Apodosis.) Wie in Abschnitt 3.2.2. in Bezug auf die epistemischen Modalverben ausgeführt, bewirken diese Kontexte gerade die Aufhebung der für epistemische Modalwörter genauso wie für epistemische Modalverben charakteristischen Subjektivität:

Sie blockieren die Möglichkeit der Interpretation der Bewertung als gegenwärtig und vom Sprecher stammend. Ein Aufforderungssatz bezeichnet schließlich per se keinen möglicherweise vorliegenden Sachverhalt, so dass hier überhaupt nicht von einer epistemischen Qualifikation, sei es des Sprechers, des Hörers oder Anderer, ausgegangen werden kann, das Modalwort dient hier lediglich dazu, der Aufforderung Nachdruck zu verleihen.

rere epistemische Qualifikationen kondensiert nebeneinander stehen (s. gepunkte‑

te Unterstreichung):

(182) Was aus den beiden wohl geworden ist, sagte Elvira ei nes Tages zu mir, sie hatte das Bein noch, wusste aber schon vom Krebs, ob sie noch leben, die beiden tan zenden Mädchen, die vielleicht siebzehn oder acht zehn waren im Jahr 1955, sie wären noch nicht einmal sech-zig heute, bestimmt leben sie noch, haben wahr scheinlich Kinder bekommen, sie heranwachsen ge fühlt in ihre rührenden Bäuchlein, die zu prallen Ku geln angeschwollen waren, auf eine ganz andere Weise rührend, nicht mehr unschuldig eben, oder nicht mehr das, was man unter »unschuldig« so versteht. Vielleicht waren sie glück‑

lich über all die Jahre, die zwischen dem Augenblick lagen, als Dois‑

neau sie am 14. Juli 1955 fotografiert hatte, und dem Tag, als Elvira die Re produktion sehr akkurat aus dem Bildband trennte, auf Pappe zog, rahmte und an die Wand im Flur hängte, sich ein wenig streck‑

te dabei und schon den Schmerz im Bein fühlte, das die Ärzte dann zurückschneiden mussten im vergeblichen Versuch, den Krebs aus Elvi ras Körper zu holen. Vermutlich leben sie noch, die tanzenden Mädchen vom 14. Juli 1955, dem Geburts tag der Fotografin Elvira Mai, die diese Aufnahme von Robert Doisneau mehr als dreiein‑

halb Jahrzehnte spä ter an die Flurwand in unserer Wohnung häng‑

te, unge fähr zwei Jahre bevor sie starb, nicht ganz vierzig Jah re alt.

(Prosa 120‑121)

Das Modalwort modifiziert nur einmal ein attributives Adjektiv:

(183) Komischerweise wissen manche Leute genau, was sie tun. Der Füh‑

rer scheint exakt zu wissen, was er tut. Die Wehrgrenze hinausschie‑

ben! Vorpreschen bis zum Ural, damit der Schicksalskampf mit dem bestimmt wieder ausbrechenden Asien bestanden wer den kann.

(Prosa 134)

Die Belege stellen epistemische Faktizitätsbewertungen des jeweiligen Sprechers dar, bis auf einen, der in einem unmarkierten Redewiedergabekontext auftritt:

(184) Ich rief Ione von New York aus an und erzählte ihr, was passiert war.

Ich fragte, ob Larry da sei, wie es ihm gehe. Nein, er ist nicht da, seit ein paar Tagen nicht. Beide sind nicht da. Sie sind bestimmt wegge‑

fahren.

Larry ist nie mit diesem Zug gefahren. Niemals, er widerte ich. (Pro‑

sa 77‑78)

Die Evidenzen werden nur in (182) und (184) genannt (s. Kursivierung).